Bundesgerichtshof:
Urteil vom 1. Dezember 2003
Aktenzeichen: II ZR 202/01
(BGH: Urteil v. 01.12.2003, Az.: II ZR 202/01)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Klägerin, die BE-AG, verlangt von der Beklagten, dass diese die ihr entstandenen Steuern erstattet. Die BE-AG hatte sich durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag verpflichtet, Erzeugnisse der Beklagten im eigenen Namen, aber für deren Rechnung herzustellen und zu vertreiben. Als Entgelt dafür hatte die Beklagte Abschreibungen und weitere Aufwendungen zu erstatten, die im Zusammenhang mit der Nutzung des Anlagevermögens der BE-AG für die Beklagte entstanden. Nachdem die BE-AG ihre Anteile an der Tochtergesellschaft an die Beklagte verkauft hatte, musste die Klägerin als Rechtsnachfolger die entstandenen Steuern nachentrichten. Das Landgericht wies die Klage ab, das Berufungsgericht entschied jedoch zu Gunsten der Klägerin. Die Revision der Beklagten führt nun zur Aufhebung des Urteils des Berufungsgerichts und das Urteil des Landgerichts wird wiederhergestellt.
Das Berufungsgericht stellte fest, dass sich aus der Steuerumlagepraxis keine vertragliche Verpflichtung der Tochtergesellschaft zur Erstattung der Steuern der Muttergesellschaft ergab. Auch ein gesetzlicher Erstattungsanspruch des Organträgers besteht nicht, da Umfang und Grenzen eines Ausgleichsanspruchs im Innenverhältnis der Gesamtschuldner liegen. Zudem existiert kein Steuererstattungsanspruch aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages, da dieser vor Abschluss des Ergebnisabführungsvertrages geschlossen wurde und die Klägerin nicht Vertragspartei ist. Darüber hinaus erlosch ein etwaiger Anspruch durch die Verschmelzung mit der Beklagten. Falls die Klägerin Ansprüche sichern wollte, hätte sie dies im Vertrag über den Verkauf der Anteile regeln müssen. Da dieser Vertrag eine Schiedsklausel enthält, ist er nicht Gegenstand des Rechtsstreits.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Urteil v. 01.12.2003, Az: II ZR 202/01
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 23. Zivilsenats des Kammergerichts Berlin vom 28. März 2001 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Kammer für Handelssachen 90 des Landgerichts Berlin vom 12. November 1998 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsund des Revisionsverfahrens.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die seit 1990 mit der Klägerin verschmolzene B. E. AG (künftig: BE-AG) hielt ursprünglich sämtliche Aktien an ihrer Tochtergesellschaft, der B. K. AG (künftig: BK-AG). Diese hatte sich gegenüber der Beklagten durch einen "Geschäftsbesorgungsvertrag" vom 3. April 1978 verpflichtet, ihre Erzeugnisse nach den Weisungen der Beklagtenim eigenen Namen, jedoch für Rechnung der Beklagten zu fertigen und zu vertreiben. Als Entgelt dafür hatte die Beklagte der BK-AG u.a. die kalkulatorischen Abschreibungen auf ihr Anlagevermögen sowie "alle übrigen Aufwendungen wie Instandhaltung, Steuern (Grundsteuer, Vermögenssteuer, Vermögensabgabe, Kfz-Steuer, Gewerbekapitalsteuer) und Versicherungen" zu erstatten, die im Zusammenhang mit der Nutzung des Anlagevermögens der BK-AG für Rechnung der Beklagten entstanden. Ab 1. Januar 1981 übernahm die BE-AG aufgrund entsprechenden Vertrages mit der BK-AG deren jährliche Handelsbilanzergebnisse (Gewinn oder Verlust) zum jeweiligen Abschlußstichtag und hatte in ihrer Eigenschaft als Organträgerin auch die auf die BK-AG entfallenden Gewerbeund Umsatzsteuern zu zahlen, die sie dann regelmäßig auf die BK-AG umlegte. Durch Vertrag vom 23. Dezember 1988 veräußerte die BE-AG ihre Anteile an der BK-AG unter Aufhebung des mit ihr geschlossenen Ergebnisabführungsvertrages an die Beklagte, welche die BK-AG im Mai 1990 mit sich verschmolz. Aufgrund des Ergebnisses einer Betriebsprüfung vom Juni 1993 mußte die Klägerin als Rechtsnachfolgerin der BE-AG für den Veranlagungszeitraum 1985 bis 1988 auf die frühere BK-AG entfallende Umsatzsteuern in Höhe von 1.215.764,00 DM sowie Gewerbesteuern von 256.420,00 DM nachentrichten.
Mit der Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten Erstattung dieser Beträge. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen; das Berufungsgericht hat ihr entsprochen. Dagegen richtet sich die Revision der Beklagten.
Gründe
Die Revision ist begründet und führt zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
1. Aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden ist allerdings die Feststellung des Berufungsgerichts, daß sich aus der zwischen der BE-AG und der BK-AG geübten Steuerumlagepraxis eine von dem Ergebnisabführungsvertrag zwischen beiden unabhängige vertragliche Verpflichtung der BK-AG gegenüber der BE-AG zur Erstattung der auf die BK-AG entfallenden und von der BE-AG als Organträgerin zu zahlenden Steuern nicht hinreichend entnehmen läßt. Ein Erstattungsanspruch der BE-AG bzw. der Klägerin als deren Rechtsnachfolgerin aus § 670 BGB scheidet schon deshalb aus, weil die BE-AG als Organträgerin aufgrund der organschaftlichen Eingliederung der BK-AG in ihr Unternehmen (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG; § 2 Abs. 2 Satz 2 GewStG i.V.m. § 14 Nr. 1-3 KStG) selbst Steuerschuldnerin war und die BK-AG für deren Steuerschuld gemäß §§ 73, 219 AO lediglich subsidiär haftete. Die BE-AG leistete daher die Steuerzahlungen nicht "im Auftrag" der BK-AG, sondern aufgrund eigener Verpflichtung. Da jedoch die BK-AG aufgrund des Ergebnisabführungsvertrages mit ihrer Muttergesellschaft ohnehin ihren gesamten Jahresüberschuß an ihre Muttergesellschaft abzuführen hatte, spielte es im wirtschaftlichen Ergebnis keine Rolle, ob sie eine Steuerumlage oder statt ihrer einen entsprechend höheren Gewinn abführte. Auch aus Sicht des Organträgers (Klägerin) stellt sich die Steuerumlage in solchem Fall wirtschaftlich -mit entsprechender Auswirkung auf die Bilanzierung gemäß § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB -als "Vorweg-Gewinnabführung" dar (vgl. Förschle in: Beck'scher Bilanzkommentar, 5. Aufl. § 275 Rdn. 258 m.N.; im Ergebnis ebenso Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung und Prüfung der Unternehmen 6. Aufl. § 275 Rdn. 192 f.).
Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß die Steuerumlagepraxis der Rechtsvorgängerinnen der Prozeßparteien aufgrund sowie im Rahmen des Ergebnisabführungsvertrages und nicht aufgrund einer zusätzlich übernommenen vertraglichen Verpflichtung der BK-AG zur Steuererstattung erfolgt ist.
2. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin aber auch kein gesetzlicher Erstattungsanspruch entsprechend § 426 Abs. 2 BGB zum Ausgleich der nachentrichteten Steuern zu.
a) Zwar schließt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die gemäß § 219 AO nur subsidiäre Haftung der Organgesellschaft (hier: BK-AG) für die Steuerschulden des Organträgers gemäß § 73 AO ein zwischen beiden bestehendes Gesamtschuldverhältnis gegenüber dem Steuerfiskus (vgl. § 44 Abs. 1 Satz 2 AO) mit der Folge eines Innenausgleichs entsprechend § 426 BGB für die auf das Unternehmen der Organgesellschaft entfallende Steuerschuld des Organträgers nicht aus (BGHZ 120, 50; Senat, BGHZ 141, 79, 85). Ein Ausgleichsanspruch des Organträgers gemäß § 426 BGB kommt jedoch nur in Betracht, "soweit nicht ein anderes bestimmt ist" (§ 426 Abs. 1 Satz 1 BGB). Ob deshalb bei Bestehen eines Unternehmensvertrages eine entsprechende Anwendung des § 426 BGB schlechthin ausscheidet, wie in BGHZ 120, 50, 55 offenbar angenommen, kann dahinstehen. Denn unabhängig davon richten sich Umfang und Grenzen eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB nach dem Innenverhältnis der Gesamtschuldner (vgl. BGHZ 103, 72, 76). Besteht -wie hier -ein Ergebnisabführungsvertrag, so kann der Organträger z.B. einen zu einem Fehlbetrag der Organgesellschaft führenden oder diesen vertiefenden Regreßanspruch nicht geltend machen, weil er den entsprechenden Betrag gemäß § 302 Abs. 1 AktG sogleich zurückgewähren müßte (§ 242 BGB). Deckt oder übersteigt dagegen -wie offenbar im vorliegenden Fall -der sonstige Ertrag der Organgesellschaft die auf sie entfallenden Steuern, so könnte der Organträger entweder -bei Fehlen einer Ausgleichspflicht gemäß § 426 BGB -die Abführung des gesamten Gewinns vor Steuern fordern und daraus seine durch die Organgesellschaft verursachte Steuerbelastung decken oder anderenfalls die Steuerbelastung gesondert auf die Organgesellschaft umlegen und die Abführung des danach verbleibenden Gewinns verlangen. Insgesamt kann er auch hier im Ergebnis nicht mehr als den Gewinn vor Steuern beanspruchen.
Dementsprechend konnte auch die BE-AG von der BK-AG für den Zeitraum von 1985 bis 1988 unabhängig von etwaigen späteren Steuernachforderungen nicht mehr verlangen als die bereits bezahlte Steuer und den darüber hinaus abgeführten Gewinn, mit dem der von der Klägerin geltend gemachte Steuermehrbetrag bereits abgegolten ist. Der von dem Berufungsgericht herangezogenen Hilfsaufrechnung der Beklagten mit einem Gegenanspruch wegen zuviel abgeführten Gewinns bedarf es nicht.
b) Ein noch bestehender Steuererstattungsanspruch der Klägerin ergibt sich -entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts -auch nicht daraus, daß die Beklagte aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages vom 3. April 1978 der BK-AG gegenüber zur Steuererstattung verpflichtet war. Diese Verpflichtung umfaßte zwar -entgegen der Ansicht der Revision -gemäß § 13 Nr. 3 des Vertrages auch die Umsatzsteuer, soweit die in dem Vertrag vereinbarten Leistungen umsatzsteuerpflichtig waren. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war jedoch weder Partei dieses Vertrages noch wurde er gemäß § 328 BGB zu ihren Gunsten abgeschlossen, zumal er aus der Zeit vor Abschluß des Ergebnisabführungsvertrages datiert. Soweit das Berufungsgericht die Klage gleichwohl für begründet hält, weil die von der Klägerin für den Zeitraum 1985 bis 1988 nachentrichteten Steuern bei rückschauender Betrachtung von der Beklagten (aufgrund des Geschäftsbesorgungsvertrages) an die BK-AG und von dieser ohne Schmälerung des tatsächlichen abgeführten Gewinns an die BE-AG zu erstatten gewesen wären, geht dies fehl. Zwar haftet die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der BK-AG für deren Schulden. Diese hatte aber gemäß § 301 AktG höchstens den in ihren damaligen Gewinnund Verlustrechnungen ausgewiesenen Gewinn abzuführen, der die streitige Steuernachforderung gegenüber der Beklagten nicht enthielt. Selbst wenn man materiellrechtlich einen in den Jahren 1985 bis 1988 entstandenen Anspruch der BK-AG gegen die Beklagte auf Steuernachzahlung annähme, wäre dieser durch Konfusion infolge der Verschmelzung der BK-AG mit der Beklagten erloschen und könnte daher nicht mehr zur (mittelbaren) Begründung eines Steuernachzahlungsanspruchs der Klägerin gegenüber der Beklagten als Rechtsnachfolgerin der BK-AG herangezogen werden.
Wollte die Klägerin bzw. die BE-AG sich etwaige Ansprüche gegen die Beklagte wegen nachzuentrichtender Steuern sichern, so hätten sie dies in dem Vertrag über den Verkauf der BK-Anteile an die Beklagte regeln müssen. Dieser Vertrag enthält eine Schiedsklausel und ist nicht Gegenstand des Rechtsstreits. Röhricht Goette Kraemer Graf Strohn
BGH:
Urteil v. 01.12.2003
Az: II ZR 202/01
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