Bundespatentgericht:
Beschluss vom 8. Juli 2009
Aktenzeichen: 28 W (pat) 84/08
(BPatG: Beschluss v. 08.07.2009, Az.: 28 W (pat) 84/08)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in dem Beschluss vom 8. Juli 2009, Aktenzeichen 28 W (pat) 84/08, über eine Beschwerde entschieden, bei der es um einen Widerspruch gegen eine eingereichte IR-Marke geht. Der Widerspruch wurde von der Markenstelle zurückgewiesen, da die Widersprechende keine Benutzungsunterlagen vorgelegt hatte. Die Beschwerde der Widersprechenden hatte keinen Erfolg, da eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken nicht gegeben ist. Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert. Das Gericht hat festgestellt, dass die Unterlagen, die die Widersprechende im Erinnerungsverfahren vorgelegt hat, nicht ausreichend waren, um eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft zu machen. Die Markenstelle hatte zu hohe Anforderungen an die Glaubhaftmachung gestellt. Zudem hat das Gericht festgestellt, dass selbst wenn eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke angenommen wird, keine Verwechslungsgefahr zwischen den Marken besteht. Die Beschwerde wurde daher zurückgewiesen, und es wurden keine Kosten auferlegt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 08.07.2009, Az: 28 W (pat) 84/08
Tenor
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die für Waren der Klasse 29 und 30 um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland nachsuchende IR-Marke 803 159 ist Widerspruch erhoben worden aus der prioritätsälteren Wortmarke 2 026 705, SOLE MIO die seit dem 16. Dezember 1992 für die Waren der Klasse 30
"Schokolade und Schokoladewaren, insbesondere mit Schokolade überzogene Nüsse und Sonnenblumenkerne"
eingetragen ist.
Der Widerspruch wurde von der Markenstelle zurückgewiesen, da die Widersprechende keinerlei Benutzungsunterlagen eingereicht hatte, obwohl die Markeninhaberin die Einrede der Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke erhoben hatte. Die hiergegen eingelegte Erinnerung der Widersprechenden führte nicht zum Erfolg, da nach Ansicht der Markenstelle eine ernsthafte Benutzung der Widerspruchsmarke aus den inzwischen vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen nicht hervorgehe.
Gegen diese Entscheidungen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde, zu der sie weder Anträge gestellt noch eine Begründung eingereicht hat. Die Markeninhaberin hat sich im Beschwerdeverfahren ebenfalls nicht geäußert. Ohne Resonanz ist auch der Hinweis des Senats vom Februar 2009 geblieben, mit dem die Beteiligten darauf hingewiesen wurden, dass die Sache in Bearbeitung genommen ist und mit einer Entscheidung nach dem 15. März 2009 gerechnet werden könne.
II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, da eine Verwechslungsgefahr zwischen den Vergleichsmarken i. S. v. § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unter keinem markenrechtlich relevanten Gesichtspunkt gegeben ist.
1. Auf den von der Markeninhaberin zulässigerweise erhobenen Einwand der Nichtbenutzung hat die Markenstelle die von der Widersprechenden im Erinnerungsverfahren vorgelegten Unterlagen, nach denen die ältere Marke rechtserhaltend für "Schokoladewaren" benutzt werde, als für die Anerkennung der Benutzung nicht ausreichend angesehen. Hierbei ist die Markenstelle jedoch von zu hohen Anforderungen an die Glaubhaftmachung der Benutzung ausgegangen.
Dies betrifft zum einen die Beurteilung der unter den Voraussetzungen des § 26 Abs. 2 MarkenG zulässigen Benutzung der Widerspruchsmarke durch Dritte mit Zustimmung des Inhabers. Der Vertreter der Widersprechenden hat mit Schriftsatz vom 19. Juni 2006 anwaltlich versichert, dass die Firma S... GmbH ein Tochterunternehmen der Firma B... AG sei, zu der auch die Firma S1... GmbH gehöre. Somit ist ein konzernmäßiges Abhängigkeitsverhältnis des Dritten zur jetzigen Inhaberin der älteren Marke mit der Folge vorgetragen worden, dass eine tatsächliche Vermutung besteht, wonach die abhängige Konzerngesellschaft zur Benutzung der Marke wie vorgetragen auch ermächtigt war (BPatGE 36, 1 CHARRIER; vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG 9. Auflage, § 26, Rd. 79). Der Vortrag ist darüber hinaus glaubhaft gemacht worden, da die anwaltliche Versicherung ein nach § 294 ZPO zulässiges Beweismittel im Rahmen der Glaubhaftmachung von Tatsachen darstellt. Auch die im Übrigen von der Markenstelle vorgebrachten Zweifel stehen der Annahme einer rechtserhaltenden Benutzung der älteren Marke nicht entgegen. Die von einem Produktmanager der Firma S... GmbH abgegebene eidesstattliche Erklärung vom 13. Juni 2006 war jedenfalls geeignet, im Zeitpunkt der Entscheidung über die Erinnerung die Benutzung der Widerspruchsmarke nach Art, Umfang und Dauer glaubhaft zu machen. Dass darin nur eine Umsatzzahl für das Jahr 2003 ausdrücklich genannt ist, begegnet ebenso wenig grundsätzlichen Bedenken wie die Vorlage lediglich einer Rechnung aus diesem Jahr. Im Zusammenhang mit der Erklärung in der eidesstattlichen Versicherung, die Marke werde gegenwärtig und in der Vergangenheit benutzt, lassen die Unterlagen vorliegend widerspruchsfrei eine kontinuierliche Benutzung der Widerspruchsmarke im maßgeblichen Zeitraum als überwiegend wahrscheinlich erscheinen. Dass es sich dabei um eine ernsthafte, weil unter betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten sinnvolle Benutzung handelt, zeigt beispielhaft die für 2003 angegebene Umsatzhöhe. Mit der Vorlage einer Rechnung aus diesem Jahr soll ebenfalls lediglich erläutert werden, dass und wie die Schokoladenwaren unter der Marke in den Handel gelangt ist. Vor dem Hintergrund, dass in der eidesstattlichen Versicherung auf die dieser beigefügten, farbigen Kopie einer Warenverpackung Bezug genommen wird, hat die Widersprechende auch glaubhaft gemacht, dass und in welcher Form die Marke auf den beanspruchten Waren dem Verkehr tatsächlich gegenübertritt. Danach hätten insgesamt Zweifel an einer rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke bei Erlass des Erinnerungsbeschlusses nicht bestehen dürfen. Auch wenn bezogen auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung der nach § 43 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG maßgebliche Zeitraum (Juli 2004 bis Juli 2009) inzwischen "gewandert" ist, und somit die ausdrücklich genannte Umsatzzahl für das Jahr 2003 nicht mehr in beide relevante Benutzungszeiträume fällt, ergeben sich hieraus in der erforderlichen Gesamtbetrachtung keine durchgreifenden Zweifel an der Glaubhaftmachung der rechtserhaltenden Benutzung der Widerspruchsmarke.
2. Selbst wenn der Senat zugunsten der Widersprechenden eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke lediglich unterstellt hätte, scheitert die Beschwerde der Widersprechenden im Ergebnis am Fehlen einer zwischen den einander gegenüberstehenden Kennzeichnungen bestehenden Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG. Nach dieser Vorschrift ist eine Marke zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Identität oder Ähnlichkeit der gegenseitigen Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, d. h. wenn die beteiligten Verkehrskreise irrtümlich annehmen könnten, die in Frage stehenden Waren oder Dienstleistungen stammten aus demselben bzw. aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Unternehmen (vgl. EuGH WRP 2008, 727, Rdn. 28 -Adidas/Marca Mode). Die Prüfung, ob eine Verwechslungsgefahr gegeben ist, erfolgt unter Berücksichtigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls, insbesondere der Ähnlichkeit der wechselseitigen Waren und der Vergleichsmarken. Daneben ist insbesondere auch die Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke für die kollisionsrechtliche Beurteilung von maßgeblicher Bedeutung. Insoweit ist von einer von Haus aus durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen, wobei Anhaltspunkte für eine durch Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft weder vorliegen noch geltend gemacht wurden.
Da die Widerspruchsmarke für Schokoladewaren benutzt wird, können sich teils auch identische Waren gegenüber stehen, so dass für den Abstand, den die angegriffene Marke einzuhalten hat, strenge Anforderungen gelten, denen sie aber insgesamt gerecht wird.
Die Vergleichsmarken wenden sich mit den fraglichen Waren an allgemeine Verkehrskreise. Der kollisionsrechtlichen Beurteilung ist somit der normal informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher zugrunde zu legen. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr kommt es maßgeblich darauf an, wie die fraglichen Marken auf diesen Durchschnittsverbraucher wirken (BGH WRP 2006, 1227, 1230, Rdn. 17 f. -MALTESERKREUZ). Stellt man die beiden Streitmarken zunächst in ihrer Gesamtheit gegenüber, so schließen die deutlichen klanglichen, (schrift)bildlichen und begrifflichen Unterschiede zusammen mit den graphischen Elementen der angegriffenen Marke eine unmittelbare Verwechslungsgefahr aus. Zwar kann auch nach ständiger Rechtsprechung einem einzelnen Markenteil eine selbständig kollisionsbegründende Wirkung zukommen, wenn dieser Bestandteil den Gesamteindruck der Marke prägt oder im Gesamtzeichen eine eigenständige kennzeichnende Stellung behält. Eine solche Konstellation stellt aber stets den Ausnahmefall dar, der nur durch das Vorliegen besonderer Umstände begründet wird, wie sie im vorliegenden Fall nicht gegeben sind. So stehen die beiden Markenwörter "SOLE" und "MIO" des Widerspruchsmarke nicht beziehungslos nebeneinander, sondern sind - auch durch ihre grafische einheitliche Gestaltung -ohne weiteres erkennbar inhaltlich aufeinander bezogen. Zusammengenommen stellen beide Wörter im wesentlichen den Titel eines der berühmtesten und bekanntesten Lieder der Welt dar: "O sole mio" (neapolitanisch für "Meine Sonne") gehört nicht nur zum Repertoire aller großen Tenöre, sondern ist für einen Großteil der inländischen Verkehrskreise fast schon zum Synonym für "Italien" "Sonne" und "Urlaub" geworden. Deshalb kann ausgeschlossen werden, dass in der Wahrnehmung der angesprochenen Verbraucher dem Bestandteil "SOLE" allein eine selbständig kennzeichnende Stellung zukommt. Vielmehr bilden beide Bestandteile innerhalb der Widerspruchsmarke eine einheitliche Gesamtaussage, die geeignet ist, bei den angesprochenen Verkehrskreisen ein eigenständiges Gedankenbild im dargestellten Sinn hervorzurufen.
Eine unmittelbare Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Streitmarken ist somit ausgeschlossen. Eine Verwechslungsgefahr im weiteren Sinne ist weder vorgetragen noch gibt es Anhaltspunkte für eine entsprechende Annahme.
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen. Für eine Auferlegung von Kosten aus Billigkeitsgründen besteht keine Veranlassung (§ 71 Abs. 1 MarkenG).
Stoppel Schell Martens Bb
BPatG:
Beschluss v. 08.07.2009
Az: 28 W (pat) 84/08
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/3c3657398508/BPatG_Beschluss_vom_8-Juli-2009_Az_28-W-pat-84-08