Landgericht Köln:
Urteil vom 24. November 2006
Aktenzeichen: 81 O 31/06
(LG Köln: Urteil v. 24.11.2006, Az.: 81 O 31/06)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Landgericht Köln hat in diesem Urteil entschieden, dass die Beklagte verpflichtet ist, es zu unterlassen, Telefonkunden im geschäftlichen Verkehr eine Umleitung anzubieten, bei der Anrufe von einem Telefonanschluss der Beklagten auf eine Mobilfunknummer im Netz der Klägerin umgeleitet werden, ohne dass die Anrufe zuvor in das Mobilfunknetz der Klägerin geleitet werden. Die Beklagte muss außerdem der Klägerin Auskunft darüber geben, wie viele Anrufe sie in dieser Weise umgeleitet hat. Das Gericht hat festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch solche Handlungen bereits entstanden ist oder noch entstehen wird. Die Kosten des Rechtsstreits muss die Beklagte tragen. Das Urteil kann vorläufig vollstreckt werden, wenn eine Sicherheitsleistung erbracht wird.
Bei dem Streit zwischen den Parteien geht es um ein Angebot der Beklagten, bestimmte Anrufe auf den Festnetzanschluss umzuleiten, die eigentlich an einen Mobilfunkanschluss im Netz der Klägerin gerichtet sind. Die Klägerin hält diese Umleitung für eine unlautere Behinderung, da die Beklagte dadurch ihre wettbewerbliche Leistung ausnutzt, um Kunden abzuwerben. Die Beklagte argumentiert, dass der Kunde selbst entscheidet, ob er die Umleitung in Anspruch nimmt, und dass es für den Angerufenen aufwendig ist, sich für diese Umleitung anzumelden. Außerdem betont die Beklagte, dass sie mit ihrem Angebot in Konkurrenz zu den Mobilfunkbetreibern tritt und den Verbrauchern die Möglichkeit bietet, günstiger Telefonate umzuleiten. Das Gericht urteilt jedoch, dass die Beklagte mit dieser Umleitung die Leistung der Klägerin in unlauterer Weise für sich nutzt und ihr Wettbewerb daher unlauter ist.
Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Beklagte ohne die Leistung der Klägerin ihr Geschäft gar nicht betreiben könnte. Durch die Umleitung würden Entgeltansprüche entstehen, die sonst nicht entstehen würden. Das Verhalten der Beklagten sei nicht mit den Regeln des redlichen kaufmännischen Verkehrs vereinbar. Weiterhin argumentiert das Gericht, dass der Verbraucher, der die Umleitung in Anspruch nimmt, nicht das bekomme, was er eigentlich wolle, da er den Mobilfunkpreis zahlen müsse. Die Argumente der Beklagten, dass das Angebot nur in wenigen Fällen genutzt werde und dass es sich um einen Wettbewerb zwischen Anbietern von Rufumleitungen handele, überzeugen das Gericht nicht. Es urteilt, dass es sich bei der Umleitung um eine unlautere Methode handelt, die den Wettbewerb auf Kosten der Klägerin ermöglicht und daher unzulässig ist. Die Klage der Klägerin wird daher für begründet erklärt. Der Streitwert beträgt 500.000 Euro.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Köln: Urteil v. 24.11.2006, Az: 81 O 31/06
Tenor
A.
I. Die Beklagte wird verurteilt,
1. es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu € 250.000,- zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Telefonkunden die Möglichkeit einer Umleitung anzubieten, nach deren Aktivierung Anrufe, die von einem Telefonanschluss aus dem Festnetz der Beklagten ausgehen und an eine Mobilfunk-Rufnummer im Netz der Klägerin adressiert sind, auf einen Festnetz-Telefonanschluss im Telefonnetz der Beklagten umgeleitet werden, wobei die Umleitung so vorgenommen wird, dass die Anrufe unmittelbar an den Telefonanschluss im Festnetz der Beklagten umgeleitet werden, ohne zuvor in das Mobilfunknetz der Klägerin eingespeist zu werden,
wie nachstehend beschrieben:
(Es folgt eine Darstellung)
2. der Klägerin Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang die Beklagte die unter Nr. I.1. genannten Handlungen vorgenommen hat und zwar unter Angabe der umgeleiteten Anrufe mit Nennung der angewählten Mobilfunknummern aus dem Netz der Klägerin sowie der Gesprächsdauer der umgeleiteten Anrufe.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen der im Tenor zu I.1. beschriebenen Art bereits entstanden ist und noch entstehen wird.
B. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar; diese beträgt für die Verurteilungen zu Nr. A. I. € 100.000,- und hinsichtlich der Kosten 120% desjenigen Betrages, dessentwegen vollstreckt wird.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber beim Angebot von Sprachtelefonie - Dienstleistungen, die Klägerin als Betreiberin eines Mobilfunknetzes.
Gegenstand des Verfahrens ist das von der Beklagten als Festnetzbetreiberin ihren Kunden unterbreitete Angebot, bestimmte, an den Mobilfunkanschluss dieser Kunden gerichtete Anrufe auf den Festnetzanschluss umzuleiten.
Der Hintergrund des Streites ist folgender:
Ein Endkunde der Parteien, der als Anrufer ("A-Teilnehmer") mit einer Person ("B-Teilnehmer") sprechen will, die ihren Telefonanschluss in einem anderen Teilnehmernetz hat, muss die Dienste eines sogenannten Verbindungsnetzbetreibers in Anspruch nehmen; diese Leistungen bietet u.a. die Beklagte an, daneben aber auch die Betreiber der sog. Sparvorwahlen.
Im Festnetzbereich werden die Teilnehmernetze begrenzt durch das Gebiet, auf dem eine Ortsvorwahl gilt (innerhalb der es mehrere Teilnehmernetzbetreiber geben kann), während im Mobilfunkbereich das komplette Netz eines Mobilfunkbetreibers ein solches Teilnehmernetz darstellt.
Im Streitverhältnis der Parteien geht es um den Fall, dass ein Endkunde der Beklagten als A-Teilnehmer den B-Teilnehmer anrufen will, der sowohl - im Festnetz - Kunde der Beklagten ist als auch - im Mobilfunk - Kunde der Klägerin; der A-Teilnehmer ruft den B-Teilnehmer auf dessen Mobilfunknummer an und bedient sich als Verbindungsnetzbetreiber der Dienste der Beklagten. Für solche Fälle haben die Parteien einen sogenannten Zusammenschaltungsvertrag abgeschlossen, der u.a. zum Inhalt hat denjenigen Preis, den die Beklagte an die Klägerin zu zahlen hat ("Terminierungsentgelt"); wie vertraglich mit ihrem Endkunden (hier: dem A-Teilnehmer) vereinbart, berechnet die Beklagte ihm das Telefonat unter Einschluss des von ihr an die Klägerin gezahlten Terminierungsentgeltes, wodurch im Verhältnis zu einem reinen Festnetztelefonat erheblich höhere Kosten entstehen.
Streitgegenstand ist das Angebot der Beklagten an den B-Teilnehmer im soeben dargestellten Beispiel, das Telefonat auf dem Festnetzapparat entgegen zu nehmen und das Gespräch mit dem A-Teilnehmer über das Festnetz zu führen. Technisch wird das in der Weise abgewickelt, dass die Beklagte das Gespräch nicht in das Mobilfunknetz der Klägerin weiterleitet, sondern es in ihren eigenen Netzen hält und auf diese Weise ein Anspruch der Klägerin auf das Terminierungsentgelt nicht entsteht. Die Beklagte nennt das Produkt Switch and Profit; ausweislich der im Tenor wiedergegebenen Beschreibung wird es teilweise finanziell in der Weise abgewickelt, dass der A-Teilnehmer den vollen Preis zahlt so, als ob er tatsächlich in das Mobilfunk angerufen hätte, und der B-Teilnehmer von der Beklagten pro umgeleitete Gesprächsminute eine Rechnungsgutschrift in Höhe von € 0,0259 erhält.
Die Klägerin hält die technische Ausgestaltung der Umleitung für eine unlautere Behinderung, weil die Beklagte ihre - der Klägerin - wettbewerbliche Leistung in Form des Aufbaus eines Teilnehmernetzes und Vergabe sowie Unterhaltung der Rufnummer für sich ausnutze zu dem Zweck, ihr Kunden wegzunehmen; es handele sich auch keineswegs um ein neuartiges Produkt, mit dem bisher nicht bediente Bedürfnisse des Verbrauchers abgedeckt werden sollen, denn eine Rufumleitung biete sie - die Klägerin - längst an, allerdings verursache dies bei dem B-Teilnehmer deutliche Kosten und lasse ihren Anspruch auf das Terminierungsentgelt unberührt.
Sie beantragt,
wie erkannt.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie leugnet eine unzulässige und noch dazu gezielte Behinderung der Klägerin, schon weil sich das Angebot Switch and Profit auf jedweden Mobilfunkanschluss bezieht, insbesondere also auch auf solche im Netz des konzernangehörigen Unternehmens T-Mobile, welches als Marktführer ungleich stärker "betroffen" sei als die Klägerin.
Zum technischen Ablauf weist sie darauf hin, dass es eine eigene Entscheidung ihres - der Beklagte - Kunden sei, ob er die Leistung in Anspruch nehme; der Kunde sei auch der Klägerin gegenüber nicht etwa verpflichtet, den Mobilfunkanschluss zu benutzen: er habe die Rufnummer mit Zahlung der vertraglich vereinbarten Entgelte "bezahlt". Des weiteren sei es für den B-Teilnehmer recht aufwändig, sich für Switch and Profit anzumelden; dies führt sie näher aus. Auch könne das Angebot schon rein theoretisch nur in relativ seltenen Fällen genutzt werden, nämlich schon dann nicht wenn der Anrufer eine "Sparvorwahl" benutze.
Diesem Sachverhalt auf der einen Seite stünden umgekehrt eine ganz massive Bemühungen der Mobilfunkbetreiber gegenüber, die versuchten, ihr jeweiliges Netz funktionell an die Stelle des Festnetzes zu setzen. Mit dem streitgegenständlichen Angebot trete die Beklagte nun in einen Wettbewerb mit den Mobilfunkbetreibern auf dem Markt der Rufumleitungen und bediene damit das ganz elementare Interesse des Verbrauchers, diese Dienstleistung erheblich günstiger zu erhalten als dies bisher der Fall gewesen ist. Die Klägerin habe lediglich die Chance gehabt, durch einen Anruf des A-Teilnehmers, mit dem sie nichts - auch keine vertraglichen Elemente - verbinde, einen Anspruch auf das Terminierungsentgelt zu erhalten; diese Chance habe sich - ohne gezielte Behinderung der Klägerin - nicht verwirklicht, wie das eben im Wettbewerb so geschehe: es seien auch keine Leistungen der Klägerin in Anspruch genommen worden, denn der Anruf werde ja gerade nicht in das Mobilfunknetz der Klägerin geleitet.
Der A-Teilnehmer schließlich erhalte alles das, was er hat haben wollen: er spricht mit der gewünschten Person - womöglich wäre das Gespräch ohne die Umleitung mangels geladenem Akku gar nicht zustande gekommen - und zahlt nicht mehr als er ganz bewusst zu zahlen bereit gewesen ist; die Höhe der Zahlung entspreche ganz genau den vertraglichen Vereinbarungen zwischen ihm und der Beklagten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt mit dem umfangreichen Vortrag beider Parteien verwiesen.
Gründe
Die Klage ist begründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten Unterlassung, Auskunft und Schadensersatzfeststellung nach Maßgabe des Tenors verlangen, weil das streitgegenständliche Produkt Switch and Profit in seiner konkreten, technischen Ausgestaltung den Wettbewerb der Klägerin in unlauterer Weise behindert, § 3 UWG.
Ausgangspunkt der Erwägungen der Kammer ist der Umstand, dass die Beklagte bei ihrer "Umleitungsmaßnahme" in ganz massivem Maße die Leistung der Klägerin für sich in Anspruch nimmt, denn ohne den Aufbau und den Unterhalt des Mobilfunknetzes einschließlich der als Ansatzpunkt für die Umleitung genommenen Rufnummer könnte die Beklagte ihr Geschäft - die Einnahme auch desjenigen Betrages, der im "Normalfall" als Terminierungsentgelt an die Klägerin gelangt wäre abzüglich der Gutschrift für den B-Teilnehmer sowie eventuelle Kosten für die Weiterleitung des Anrufs im eigenen Netz - gar nicht tätigen. Die Beklagte erlangt mit ihrer Umleitung Entgeltansprüche auch in Fällen, in denen ihre Dienste sonst keinesfalls in Anspruch genommen worden wären, z.B. wenn der Anrufer die Festnetznummer des B-Teilnehmers gar nicht kennt oder er annimmt, der B-Teilnehmer befinde sich auf Reisen; hier zeigt sich besonders offen der Einsatz der fremden Leistung (und nicht etwa nur - wie die Beklagte meint - der bloßen Existenz der Klägerin) zur Akquise von Kunden.
Es ist schlicht falsch, wenn die Beklagte äußert, die im Netzaufbau sowie der Rufnummernvergabe steckende Leistung der Klägerin sei von deren Kunden (hier: dem B-Teilnehmer) längst bezahlt, denn die Kalkulation einzelner Preispositionen wie hier des Bereitstellungspreises und/oder der monatlichen Grundgebühr hängt wie in jeder Branche ab von weiteren zu erwartenden Einnahmen wie z.B. auch der Terminierungsentgelte. Zwar hat die Klägerin selbstverständlich keinen Anspruch darauf, dass die von ihr vergebene Rufnummer von einem Anschluss außerhalb ihres Netzes angerufen wird: wenn es aber so geschieht wie in den Fällen, in denen das Switch and Profit Angebot greift, ist es mit den Anschauungen des redlichen kaufmännischen Verkehrs nicht vereinbar, den Verbraucher, der ohne das Eingreifen der Beklagten im Begriff ist, einen Entgeltanspruch der Klägerin auszulösen, auf sich - in diesem Fall: die Beklagte - umzuleiten. Anders als im klassischen Fall des Abfangens von Kunden - der "Abfangende" steht in der Tür seines Mitbewerbers und führt den Verbraucher, der das Ladenlokal betreten will, weg in sein konkurrierendes Geschäft - erfährt der Verbraucher von dieser Umlenkung noch nicht einmal etwas mit der Folge, dass der Klägerin nicht die Chance verbleibt, dass sich der A-Teilnehmer doch noch für sie und gegen die Beklagten entscheidet.
Letztlich ist es auch nur vordergründig richtig, dass der A-Teilnehmer erhalte, was er wolle. Zum Einen ist dies ohne rechtliche Relevanz, nachdem es um das Verhältnis zwischen den Parteien geht, und zum Anderen wird der A-Teilnehmer seinen Wunsch ganz schnell ändern, wenn er rechtzeitig darüber aufgeklärt wird, dass er nunmehr zwar im Festnetz anrufe, aber den Mobilfunkpreis bezahlen soll.
Der Einwand der Beklagten, das fragliche Angebot betreffe tatsächlich nur sehr wenige Fälle, ist in seiner Relevanz nicht ganz verständlich, denn es wird ja unterbreitet, damit es angenommen wird; auch (relativ) wenige Telefonate lösen Gebühren aus, die bei lauterem Verhalten an die Klägerin gegangen wären. Sollte die Beklagte meinen, es handele sich deshalb um eine allenfalls nur unwesentliche Wettbewerbsbeeinträchtigung, ist dies falsch, denn dieser Aspekt entscheidet sich nicht danach, dass dieses Abfangen derzeit - aus welchen Gründen auch immer - noch keine bedeutenden Umsätze erzeugen mag. Es handelt sich um eine für einen funktionierenden Wettbewerb grundlegend gefährliche Methode, die nicht etwa als "Wettbewerb unter Anbietern von Rufumleitungen" gerechtfertigt werden kann, denn - hier schließt sich der Kreis - der von der Beklagten betriebene Wettbewerb geht vorliegend nicht nur (wie dies normal ist im Wettbewerb) auf Kosten der Klägerin, sondern er ist nur auf der Grundlage der Leistung der Klägerin möglich: gerade das macht ihn unlauter.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 709 ZPO. Der tatsächlich gestellte Antrag stellt gegenüber der angekündigten Fassung keine Teilrücknahme dar, denn die Einbeziehung der konkreten Verletzungsform ist das Ergebnis der Erörterung im frühen ersten Termin über die sachgerechte Antragsfassung gewesen; die Klägerin hatte nicht für sich beansprucht, ein abstraktes Verbot durchsetzen zu können.
Streitwert: € 500.000,-.
LG Köln:
Urteil v. 24.11.2006
Az: 81 O 31/06
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