Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. April 2001
Aktenzeichen: 32 W (pat) 140/00
(BPatG: Beschluss v. 04.04.2001, Az.: 32 W (pat) 140/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 4. April 2001 (Aktenzeichen 32 W (pat) 140/00) die Entscheidungen des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 41 - vom 19. April 1999 und vom 1. März 2000 aufgehoben. Die Marke mit der Nummer 396 28 509 wird gelöscht.
Der Streitfall handelt von einem Widerspruch gegen eine Wortbildmarke, die am 28. Juni 1996 angemeldet und am 25. Oktober 1996 eingetragen wurde. Die Marke bezieht sich auf Unternehmens- und Personalberatung sowie Verlagstätigkeit, Veranstaltung von Schulungs- und Fortbildungsseminaren und Entwicklung von ausbildungsbezogenen Schulungs- und Fortbildungsprogrammen sowie Beratungskonzepten. Gegen diese Marke wurde Widerspruch eingelegt, da sie mit einer älteren, bereits am 8. Januar 1987 eingetragenen Wortbildmarke für Unternehmensberatung, Beratung und Training von Führungskräften auf den Gebieten Management und Organisation, identisch ist.
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hatte den Widerspruch abgelehnt, da das Wort "integro" in der angemeldeten Marke eine schutzunfähige Eigenschaftsangabe sei. Gegen diese Entscheidung wurde Beschwerde eingelegt.
Das Bundespatentgericht hob die Entscheidung auf und entschied, dass die Widerspruchsmarke und die angegriffene Marke so ähnlich sind, dass die Gefahr von Verwechslungen besteht. Beide Marken schützen identische Dienstleistungen, wie Unternehmensberatung und Veröffentlichung von Büchern und Skripten. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist durchschnittlich, und eine Schwächung der Marke durch die Ähnlichkeit mit dem Begriff "integer" konnte nicht festgestellt werden. Die angesprochenen Verkehrskreise werden das angegriffene Zeichen mit "Integra" benennen, da die übrigen Wortbestandteile der Marke beschreibender Natur sind. Aufgrund der Ähnlichkeit der Marken besteht die Gefahr von Verwechslungen.
Die Entscheidung des Bundespatentgerichts führt zur Löschung der angemeldeten Marke.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 04.04.2001, Az: 32 W (pat) 140/00
Tenor
Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 41 - vom 19. April 1999 und vom 1. März 2000 aufgehoben.
Die Marke 396 28 509 wird gelöscht.
Gründe
I Gegen die für 35: Unternehmens- und Personalberatung; 41: Verlagstätigkeit, nämlich die Herausgabe und Veröffentlichung von Büchern und Skripten, Veranstaltung von Schulungs- und Fortbildungsseminaren, Entwicklung von ausbildungsbezogenen Schulungs- und Fortbildungsprogrammen sowie Beratungskonzeptenam 28. Juni 1996 angemeldete und am 25. Oktober 1996 eingetragene Wortbildmarkesiehe Abb. 1 am Endeist Widerspruch erhoben aus der seit 8. Januar 1987 für
"Unternehmensberatung, Beratung und Training von Führungskräften auf den Gebieten Management und Organisation"
eingetragenen Wortbildmarke 1 101 009 siehe Abb. 2 am Ende Die Markenstelle für Klasse 41 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch in zwei Beschlüssen, wovon einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass "integro" der spanische Ausdruck für rechtschaffen, unbestechlich, integer sei und damit eine schutzunfähige Eigenschaftsangabe vorliege, die nicht in den Schutzbereich der Widerspruchsmarke falle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
II Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Nach § 9 Nr. 1 Nr. 2, § 42 Nr. 2 Nr. 1 MarkenG ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitraum und der Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Frage der Verwechslungsgefahr ist dabei unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles zu beurteilen, wobei eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht kommenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen, sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke besteht (vgl BGH MarkenR 2000, 359, 360 - Bayer/BeiChem).
Die sich gegenüberstehenden Dienstleistungen sind identisch. Beide Marken beanspruchen Schutz für Unternehmensberatung; diese kann auch in Form von Personalberatung angeboten werden. Die durch die Widerspruchsmarke geschützten Dienstleistungen "Beratung und Training von Führungskräften auf den Gebieten Management und Organisation" können auch in Form der von der angegriffenen Marke beanspruchten "Herausgabe und Veröffentlichung von Büchern und Skripten", "der Veranstaltung von Schulungs- und Fortbildungsseminaren", sowie der "Entwicklung von ausbildungsbezogenen Schulungs- und Fortbildungsprogrammen sowie Beratungskonzepten" geschehen.
Die Widerspruchsmarke verfügt mangels entgegenstehender Anhaltspunkte über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Eine Schwächung von "integra" wegen beschreibender Anklänge in Richtung "integer" kann nicht festgestellt werden. Diese Deutung ist weder zwangsläufig (genauso denkbar ist eine Assoziation in Richtung integrativ) noch erschließt sie sich ohne weiteres, sondern allenfalls durch mehrere gedankliche Zwischenschritte, die dem Verbraucher bei der Betrachtung von Marken gerade nicht unterstellt werden dürfen. Die in Frage stehenden Dienstleistungen werden nur von Fachleuten in Anspruch genommen, die erfahrungsgemäß Kennzeichnungen zumindest eine gewisse Aufmerksamkeit entgegenbringen. Demzufolge ist ein deutlicher Markenabstand erforderlich, den die angegriffene Marke in klanglicher Hinsicht nicht einhält. Bei der Beurteilung des Gesamteindrucks des angegriffenen Zeichens ist der Erfahrungssatz zu berücksichtigen, dass der Durchschnittsverbraucher eine Marke regelmäßig als Ganzes wahrnimmt und nicht auf die verschiedenen Einzelheiten achtet (vgl BGH GRUR 2000, 506, 509 - ATTACHE/TISSERAND). Dies schließt jedoch nicht aus, dass im Einzelfall einem Markenbestandteil eine selbständig kollisionsbegründende Bedeutung zukommt. Dies ist dann anzunehmen, wenn dieser Bestandteil der Marke deren Gesamteindruck prägt (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 9 Rdn 175 mwNachw). Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die angesprochenen Verkehrskreise das angegriffene Zeichen mit "Integra" benennen werden, da die übrigen Wortbestandteile der Marke "International" und "Unternehmensentwicklung" rein beschreibender Natur sind und die Wortbestandteile in ihrer Gesamtheit eine Länge erreichen, die sich zur mündlichen Benennung nicht mehr eignet. Somit stehen sich verwechslungsrelevant "Integra" und "integro" gegenüber, die klanglich bis auf den letzten Buchstaben identisch sind. Da der angesprochene Verbraucher nach der Lebenserfahrung mehr auf die Wortanfänge achtet, die hier in den ersten fünf von sechs Buchstaben identisch sind, halten die Marken den zur Vermeidung von Verwechslungen erforderlichen Abstand nicht ein.
Eine Kostenauferlegung ist nicht veranlasst.
Winkler Dr. Albrecht Sekretaruk Hu Abb. 1 http://agora/bpatgkollision/docs/32W(pat)140-00.1.3.gif Abb. 2 http://agora/bpatgkollision/docs/32W(pat)140-00.2.3.gif
BPatG:
Beschluss v. 04.04.2001
Az: 32 W (pat) 140/00
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/3f20500c8c8a/BPatG_Beschluss_vom_4-April-2001_Az_32-W-pat-140-00