Kammergericht:
Urteil vom 30. Mai 2005
Aktenzeichen: 26 U 14/04
(KG: Urteil v. 30.05.2005, Az.: 26 U 14/04)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Kammergericht hat in einem Urteil vom 30. Mai 2005 entschieden, dass die Klage der Klägerin auf Zahlung eines Teilbetrages abgewiesen wird. Die Klägerin hatte mit dem Beklagten, einer Vertretung der Russischen Föderation in Berlin, einen Vertrag zur Beratung über eine Schuldenreduzierung abgeschlossen. Die Klägerin behauptete, dass die Beklagten rechtswidrig einen Text aus ihrem Kurzgutachten verwendet hätten. Das Gericht stellte fest, dass die Klägerin keinen Anspruch aus dem Vertrag geltend machen kann, da ein solcher Vertrag nicht zustande gekommen sei. Die Klägerin konnte nicht nachweisen, dass der Zeuge V befugt war, den Vertrag abzuschließen. Auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag und ungerechtfertigter Bereicherung wurden abgelehnt. Des Weiteren urteilte das Gericht, dass die Texte der Klägerin keine ausreichende Schöpfungshöhe für Urheberrechtsschutz aufweisen. Daher wurde auch ein Anspruch aus dem Urheberrecht abgelehnt. Die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte wurde als gegeben angesehen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Eine Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
KG: Urteil v. 30.05.2005, Az: 26 U 14/04
1. Zur Frage der internationalen Zuständigkeit im Verhältnis zur Russischen Förderation.
2. Rechtsrat - auch in Manuskriptform oder als Kurzgutachten - entbehrt regelmäßig der für Urheberrechtlichen Schutz erforderlichen Schöpfungshöhe.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 9. Dezember 2003 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin - 9.O.514/00 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Klägerin übersteigt 20.000,00 EUR nicht.
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Zahlung eines erststelligen Teilbetrages in Höhe von 6.135,50 Euro in Anspruch. Dem liegt zu Grunde, dass sie und Prof. Dr. S eine rechtliche Argumentation hinsichtlich der Möglichkeit, Staatsschulden zu verringern, entwickelt haben. Die Argumentation basiert im Wesentlichen darauf, dass die deutsche Rechtsprechung zur Inflation von 1923 und zur Wiedervereinigung auf die Situation R - den Verfall der dortigen Währung ab 1992 - übertragen wurde. Dieser rechtliche Ansatz, der sich vorliegend - anders als bei der Inflationsrechtsprechung - zum Vorteil des Schuldners, nämlich R, auswirken sollte, stellte die Klägerin anlässlich eines Seminars, das sie am 13. Oktober 1998 in M durchführte, Vertretern privater Banken vor. Die Klägerin und Prof. Dr. S unterbreiteten mit Schreiben vom 9. November 1998 an die Handelsvertretung der Beklagten zu 1. in Berlin ein Angebot zur Beratung der Beklagten zu 1. über die Möglichkeit einer Schuldenreduzierung. Ein Gutachten, in dem die rechtlichen Ansätze zusammengefasst waren, wurde übersandt.
Es kam dann zu Verhandlungen, wobei hinsichtlich des Ergebnisses Streit besteht.
Im Übrigen wird auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage gegen die Beklagten, die seinerzeit anwaltlich nicht vertreten waren, abgewiesen.
Gegen dieses Urteil, das ihr am 9. Januar 2004 zugestellt worden ist, hat die Beklagte am 6. Februar 2004 Berufung eingelegt. Nachdem die Frist zur Begründung der Berufung bis zum 13. April 2004 verlängert worden war, ist die Berufungsbegründung an diesem Tag bei dem Kammergericht eingegangen.
Die Klägerin rügt:
Das Landgericht habe zwar zu Recht angenommen, dass es national und international zuständig sei, es habe jedoch versäumt, den ihm vorgetragenen Sachverhalt unter dem Aspekt eines Verstoßes gegen das UrhG zu prüfen. Ihr Werk sei originell und argumentativ neu. Die Verletzungshandlung liege darin, dass aus ihrem Kurzgutachten von Seiten der Beklagten eigenmächtig der Text €...€ erstellt worden ist. Diese Bearbeitung sei von Seiten der Beklagten etwa bei den Verhandlungen des Londoner Clubs in Frankfurt am Main im Oktober 1999 verwendet worden. Ihr Gutachten weise die erforderliche Schöpfungshöhe auf. Die Beklagte zu 2. hafte insoweit als Gesamtschuldnerin.
Im Übrigen habe das Landgericht übersehen, dass der ihr von der Beklagten zu 1. erteilte Gutachtenauftrag wieder aufgelebt sei, als es nicht zu dem ursprünglich angestrebten Vertretungsauftrag gekommen sei. Sie habe das entsprechende Angebot des Mitarbeiters der Handelsvertretung V angenommen.
Gemäß ihrer Abrechnung vom 1. Mai 2005 stünden ihr 88.382.212,80 Euro zu. Vorliegend begehre sie einen erststelligen Teilbetrag in Höhe von 6.135,50 Euro.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung und Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an sie 6.135,50 Euro nebst 5 % Verzugszinsen über dem Basiszinssatz nach § 1 des Diskontüberleitungsgesetzes vom 9. Juni 1998 zu zahlen und zwar die Beklagte zu 1. für die Zeit seit dem 29. September 2000 und die Beklagte zu 2. für die Zeit seit dem 4. Oktober 2000.
Die Beklagten beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie erwidern:
Es bestehe keine internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte. Der Klägerin stehe auch kein Anspruch aus dem Vertrag zu, da ein solcher nicht zustande gekommen sei. Es bestünden auch keine Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag. Schließlich fehle es auch an einer Urheberrechtsverletzung, da das Gutachten der Klägerin nicht schutzfähig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien im Berufungsverfahren wird auf den vorgetragenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.
II.
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, da sie statthaft ist und frist- und formgerecht eingelegt und begründet worden ist (§ 511, 517, 519 und 520 ZPO). Sie ist jedoch unbegründet.
181. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die Klage jedoch nicht bereits mangels internationaler Zuständigkeit unzulässig. Obwohl § 513 Abs. 2 ZPO seinem Wortlaut nach keine Beschränkung auf die örtliche und die sachliche Zuständigkeit enthält, kann wegen der Bedeutung der internationalen Zuständigkeit, die über das internationale Privatrecht des Gerichtsstaats auf das anwendbare Recht steuert, das Fehlen internationaler Zuständigkeit in der Berufungsinstanz auch dann gerügt werden, wenn das Erstgericht sie angenommen hat (BGH NJW 2003, 426; MDR 2004, 707; Zöller/Gummer/Heßler, ZPO, 25. Aufl., § 513 Rdnr. 8). Der Gegenansicht (OLG Stuttgart MDR 2003, 351) ist nicht zu folgen, da sie die Bedeutung der internationalen Zuständigkeit verkennt, wobei allerdings der Kläger immer das Risiko tragen muss, dass er eine Sachentscheidung erhält, die im Ausland nicht vollstreckbar ist. Die internationale Zuständigkeit folgt jedoch entgegen der Auffassung der Klägerin auch hinsichtlich der Beklagten zu 1. nicht schon daraus, dass diese sich insoweit rügelos zum Antrag der Klägerin auf Berichtigung des Tatbestandes des erstinstanzlichen Urteils eingelassen hat. Denn der Rügeverlust gemäß § 39 ZPO setzt eine rügelose Verhandlung in der Hauptsache voraus (Zöller/Vollkommer a.a.O. § 39 Rdnr. 5), so dass die rügelose Einlassung zu einem Antrag auf Berichtigung des Tatbestandes nicht ausreicht. Die internationale Zuständigkeit Deutschlands ist im Ergebnis gegeben, da ein Gerichtsstand im Inland besteht. Die deutschen Gerichtsstandsvorschriften sind grundsätzlich doppelfunktional: Sie legen zum Einen den Umfang der deutschen internationalen Zuständigkeit fest, zum Anderen verteilen sie - sofern die deutsche internationale Zuständigkeit gegeben ist - die Rechtsprechung und Aufgaben nach örtlichen Gesichtspunkten auf die einzelnen deutschen Gerichte (BGH NJW 1999, 1395; Zöller/Geimer a.a.O. IZPR Rdnr. 37). Dass ein Gerichtsstand in Deutschland gegeben ist, folgt aus § 32 ZPO. Denn die Klägerin macht eine Verletzung absoluter Rechte geltend, zu denen das Urheberrecht gehört (Zöller/Vollkommer a.a.O. § 32 Rdnr. 9). Insoweit kann auch dahinstehen, inwieweit hinsichtlich der Beklagten zu 2. Immunität besteht. Denn diese Immunität greift auch nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten zu 2. dann nicht ein, wenn sie sich wie ein Privater geriert. Die Verletzung von Urheberrechten liegt im privaten Bereich und hat mit den öffentlichen Aufgaben, welche die Beklagte zu 2. ausübt und die ihr nach ihrem Vorbringen Immunität beilegen, nichts zu tun. Eingriffe in das ihr aus ihrer Sicht zustehende Urheberrecht legt die Klägerin den Beklagten zur Last, wobei diese Eingriffe sich auch in Deutschland, und zwar in Berlin und Frankfurt am Main, zugetragen haben sollen. Damit ist die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte jedenfalls hinsichtlich der Verletzung des Urheberrechts gegeben, wobei auch eine örtliche Zuständigkeit in Berlin gemäß § 32 ZPO besteht.
19Hinsichtlich vertraglicher Ansprüche, die ohnehin nur gegen die Beklagte zu 1. geltend gemacht werden, folgt die internationale Zuständigkeit jedoch noch nicht allein daraus, dass § 32 ZPO einschlägig ist. Allerdings ist nunmehr anerkannt, dass das nach § 32 ZPO örtlich zuständige Gericht den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu entscheiden hat, wenn im Gerichtsstand der unerlaubten Handlung im Rahmen der Darlegung eines Anspruchs unerlaubter Handlung ein einheitlicher prozessualer Anspruch geltend gemacht wird (BGH MDR 2003, 345). Diese Auslegung des § 32 ZPO gilt jedoch gerade nicht für die internationale Zuständigkeit. Denn danach ist die Entscheidungsbefugnis deutscher Gerichte auf deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen beschränkt, soweit § 32 ZPO zur Begründung der internationalen Zuständigkeit herangezogen wird (BGH a.a.O.; BGHZ 132, 105/112 f.). Das folgt letztlich daraus, dass die Entscheidung über die internationale Zuständigkeit mit besonders weitreichenden Konsequenzen verknüpft ist. Von ihr hängt ab, welche nationalen Vorschriften für das Verfahren und das Kollisionsrechts anwendbar sind. Auch unabhängig davon ist es für die Beteiligten in aller Regel von besonderer Bedeutung, ob sie in ihrem Heimatstaat oder im Ausland vor Gericht stehen. Unter diesen Umständen ist die Folge, dass die Entscheidungsbefugnis des Gerichts weniger weiter reicht, wenn § 32 ZPO nicht für die örtliche, sondern für die internationale Zuständigkeit maßgeblich ist, hinzunehmen (BGH a.a.O.). Entgegen der Auffassung der Klägerin folgt die örtliche Zuständigkeit auch nicht aus § 29 ZPO. Denn beim Anwaltsvertrag besteht kein gemeinsamer Erfüllungsort am Ort des Kanzleisitzes für die beiderseitigen Verpflichtungen (BGH NJW 2004, 54; NJW RR 2004, 932; Zöller/Vollkommer a.a.O. § 29 Rdnr. 25). Das hat zur Folge, dass Erfüllungsort für die Vergütungsansprüche des Rechtsanwalts - solche macht die Klägerin geltend - am Wohnsitz des Mandanten geltend zu machen sind. Auch die Voraussetzungen des § 34 ZPO liegen nicht vor, da die Klägerin die Beklagten vor dem Landgericht nicht gerichtlich vertreten hat.
2. Schon mangels internationaler Zuständigkeit kann die Klage - wie oben dargelegt - keinen Erfolg haben, soweit die Klägerin Ansprüche aus einem mit der Beklagten zu 1. geschlossenen Vertrag geltend macht. Unabhängig von den obigen Erwägungen steht einem solchen Anspruch aber auch entgegen, dass sie einen Vertragsabschluss nicht darlegt. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass der Zeuge V befugt gewesen sein könnte, für die Beklagte zu 1. einen Vertrag mit der Klägerin abzuschließen. Das Bestreiten der Beklagten insoweit ist entgegen der Auffassung der Klägerin nicht gemäß § 531 ZPO präkludiert, da dieses Bestreiten einen Gesichtspunkt betrifft, der vom Gericht des ersten Rechtszuges erkennbar für unerheblich gehalten worden ist. Denn das Landgericht hat - im Wege des sogenannten unechten Versäumnisurteils - die Klage abgewiesen, ohne dabei Vorbringen der Beklagten überhaupt würdigen zu können. Der in den Notizen der Klägerin und von Prof. Dr. S bezüglich des Gesprächs vom 23. November 1998 niedergelegte Umstand, dass der Zeuge V sich als Vertreter des Ministeriums für Staatsvermögen vorgestellt habe, besagt nicht, dass er befugt gewesen ist, für die Regierung der Russischen Föderation zu handeln. Es kann daher dahinstehen, ob die Anlagen K 9 und K 11 überhaupt authentische Eigenbelege der Klägerin bzw. von Prof. Dr. S sind. Im Ergebnis zutreffend hat das Landgericht einen Vertragsschluss zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1. verneint. Aus den genannten Notizen K 9 und K 11 ergibt sich nicht, dass ein Vertrag bereits zustande gekommen sein könnte, vielmehr ist zu diesem Zeitpunkt jedenfalls eine Vergütungsvereinbarung noch nicht zustande gekommen. Nichts Anderes folgt aus dem Schreiben der Klägerin vom 11. Dezember 1998 (Anlage B 1), da es dort heißt, die Russische Föderation prüfe die überreichten Dokumente und werde in schriftlicher Form mitteilen, dass sie beabsichtige, sich vom Anwaltsbüro S vertreten zu lassen, wenn sie zu dem Ergebnis gelange, dass eine Beratung für sie nützlich sein könnte. Wenn grundsätzlich Klarheit über die Finanzierung hergestellt würde, können Umfang und Bedingungen der Beauftragung endgültig schriftlich fixiert werden. Diese Passagen sprechen ebenso gegen einen bereits erfolgten Vertragsschluss wie die weiteren Schreiben vom 7. Januar und 24. März 1999 (Anlagen B 12 und B 13). Im Schreiben vom 7. Januar 1999 bittet die Klägerin um Mitteilung, wann eine Empfehlung an russische Privatbanken ergehen werde, sich zu einem Konsortium zusammen zu schließen und sich gemeinsam von uns gegenüber den deutschen Gläubigern vertreten zu lassen. Im Schreiben vom 24. März 1999 heißt es, dass ein Sponsor aus der deutschen Wirtschaft ein Beteiligungsinteresse signalisiert habe. Damit könne auch eine Vergütung auf Erfolgsbasis konkret in die Überlegungen mit einbezogen werden. Auch dies heißt nichts Anderes, als dass eine Vereinbarung über die Vergütung zu diesem Zeitpunkt nicht getroffen war. Es kann im Ergebnis nicht festgestellt werden, dass ein Vertrag bereits zustande gekommen ist. Vielmehr stellen sich die Besuche und Anschreiben der Klägerin als Akquisitionsmaßnahmen dar, die letztlich nicht zum erstrebten Erfolg geführt haben. Unter diesen Umständen kommen auch Ansprüche aus Geschäftsführung ohne Auftrag nicht in Betracht, da die Klägerin im Rahmen ihrer Akquisitionsbemühungen in eigenem Interesse tätig geworden ist.
Auch ein Anspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung (§ 812 Abs. 1 Satz 1 1. oder 2. Alt. BGB) kommt nicht in Betracht, da die Klägerin ihre Unterlagen der Beklagten zu 1. sowie Personen wie dem Schwiegersohn von B J freiwillig zur Verfügung gestellt hat.
3. Es besteht auch kein Anspruch der Klägerin aus § 97 Abs. 2 UrhG. Insoweit ist zunächst hervorzuheben, dass hier grundsätzlich nur Urheberrechtsverstöße in Deutschland zu beurteilen sind, da die letztlich aus § 32 ZPO folgende internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte für Verstöße, die im Ausland - etwa in Russland - begangen worden sind, nicht gelten kann. Das Schutzlandprinzip, demzufolge es für die Anwendbarkeit eines nationalen Urheberrechts darauf ankommt, ob die Verletzung in dessen Geltungsbereich geschehen ist, schließt zwar nicht aus, im Ausland begangene Verletzungshandlungen nach ausländischem Recht im Inland zu verfolgen (Loewenheim/ Walter, Handbuch des Urheberrechts, § 58 Rdnrn. 7 und 12), doch bedarf es jedenfalls eines Gerichtsstandes. Überdies ist auch nicht ersichtlich, welche - gegebenenfalls nach russischem Recht zu beurteilenden - Urheberrechtsverletzungen die Beklagten in Russland begangen haben sollen. Insoweit fehlt jeder konkrete Vortrag der Klägerin. Ihr Hinweis auf das Internet geht schon deshalb fehl, weil sie selbst nicht vorträgt, dass irgendwelche Arbeitsergebnisse von ihr von Seiten der Beklagten in das Internet eingestellt worden sein könnten.
23Abzustellen ist auf etwaige Verletzungshandlungen in Deutschland. Insoweit kommt nach dem Vorbringen der Klägerin die Schaffung der Fassung €xxx€ und deren Vorstellung bei den Verhandlungen in Frankfurt am Main in Betracht, auch wenn dieser Verletzungsort - wie die Klägerin ausführt - €eher zufälliger Natur€ gewesen sein sollte. Es kann insoweit darauf ankommen, dass Exemplare des Gutachtens und/oder der Fassung €xxx€ bei der sechsten Verhandlungsrunde in Frankfurt am Main und zu dem beim Bundesministerium für Finanzen in Bonn eingereicht worden sein sollen. Urheberrechtlich relevant wäre dies, wenn sich der Text €xxx€ als unfreie Bearbeitung eines urheberrechtlich geschützten Werkes der Klägerin darstellen würde. Denn dann könnte dies gegen § 23 UrhG verstoßen und mithin könnten in der Schaffung und Verbreitung der Bearbeitung Urheberrechtsverletzungen liegen. Das setzt jedoch voraus, dass die Texte der Klägerin - Manuskript, Beratungsangebot und Kurzgutachten -, die fraglos Sprachwerke im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG sind, urheberrechtlich geschützt sind (§ 2 Abs. 2 UrhG). Dabei ist zu beachten, dass es sich um fachlich juristische Arbeiten handelt, die als letztlich wissenschaftliche Werke, die als Allgemeingut anzusehen sind, dem Urheberrecht nicht zugänglich sein könnten. Die Wiedergabe solcher Werke muss gewährleistet sein, da ansonsten der wissenschaftliche Austausch und die wissenschaftliche Weiterentwicklung leiden würden. Solchen Werken kann Schutzfähigkeit allenfalls aus der Art und Weise der Auswahl, Einteilung und Anordnung des Stoffes erwachsen (vgl. BGH GRUR 1981, 352/354 - €Staatsexamensarbeit; Loewenheim/Axel-Nordemann a.a.O. § 9 Rdnrn. 16 ff.), vielleicht auch noch aus der konkreten Darstellung. Bei der Beurteilung eines wissenschaftlichen Werkes unter diesem Aspekt stehen im Vordergrund Form und Art der Auswahl und Sammlung, der Anordnung und der Einteilung des dargebotenen Stoffes. Die Klägerin verweist im Hinblick auf die schöpferische Gestaltungshöhe der von ihr gefertigten Texte auf die Originalität der Idee, die Inflationsrechtsprechung des Reichsgerichts und die Rechtsprechung zur Wiedervereinigung zu Gunsten von Schuldnern anzuwenden, und auf die von ihr vorgenommene Auswertung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs in diesen Zusammenhängen. Ihr ist zuzugeben, dass auch ein Register zu einer Rechtsprechungsübersicht schöpferischen Werkcharakter besitzen kann (vgl. BGH GRUR 1980, 227 - €Monumenta Germaniae Historica€). Doch findet sich weder in ihrem Gutachten noch in dem Text €xxx€ eine entsprechend aufbereitete Sammlung gerichtlicher Entscheidungen. Somit kann lediglich urheberrechtlich relevant die rechtliche Verknüpfung der russischen Schuldenproblematik mit der Rechtsprechung des Reichsgerichts zum Inflationsausgleich und mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Rahmen der Wiedervereinigung sein, wobei als €Idee€ der Klägerin hervorzuheben wäre, dass diese die besagte Rechtsprechung zu Gunsten der Schuldnerin - der Russischen Föderation - zur Anwendung bringen wollte. Der Bundesgerichtshof hat zu einem Anwaltsschriftsatz ausgeführt, dass ein solcher grundsätzlich dem rechtswissenschaftlichen und nicht dem literarischen Bereich zuzuordnen ist. Bei wissenschaftlichen Werken findet der erforderliche geistig-schöpferische Gehalt seinen Niederschlag und Ausdruck in erster Linie in der Form und Art der Sammlung, Einteilung und Anordnung des dargebotenen Stoffes und nicht ohne Weiteres auch - wie meist bei literarischen Werken - in der Gedankenformung und -führung des dargebotenen Inhalts (BGH GRUR 1986, 739/740 m.w.N.). Die Frage, ob ein Schriftsatz einen hinreichenden schöpferischen Eigentümlichkeitsgrad besitzt, bemisst sich dabei nach dem geistig-schöpferischen Gesamteindruck der konkreten Gestaltung, und zwar im Gesamtvergleich gegenüber vorbestehenden Gestaltungen. Lassen sich nach Maßgabe des Gesamtvergleichs mit dem Vorbekannten schöpferische Eigenheiten feststellen, so sind diese der durchschnittlichen Gestaltertätigkeit gegenüberzustellen. Die Urheberrechtsschutzfähigkeit erfordert ein deutliches Überragen des alltäglichen, des handwerksmäßigen, der mechanisch-technischen Aneinanderreihung des Materials (BGH a.a.O.; BGHZ 94, 276/285 - €Inkasso-Programm€). Ein solches Überragen lässt sich bei den Texten der Klägerin, wobei insbesondere auf das Kurzgutachten abzustellen ist, nicht feststellen. Das Kurzgutachten legt im Ergebnis nur die €Idee€ klar, dass die Inflations- und Wiedervereinigungs-Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofs auch zu Gunsten der Beklagten zu 1. im Hinblick auf die Schulden der Russischen Föderation anzuwenden sein könnten. Eine originelle eingehende Auseinandersetzung findet - was angesichts der Kürze des Gutachtens auch nicht verwundert - nicht statt und auch die zu Rate gezogene Rechtsprechung wird in keiner Weise dokumentiert. Eine solche als juristische Arbeit möglicherweise durchaus rühmenswerte Leistung kann keinen Anspruch auf urheberrechtliche Schutzfähigkeit erheben. Denn das Urheberrecht sieht den Schutz von irgendwelchen €Ideen€ ohnehin nicht vor. Der wissenschaftliche Gedankenaustausch auch im juristischen Bereich muss jedermann offenstehen, so dass sich eine Monopolisierung juristischer €Ideen€ ohnedies verbietet. Besonderheiten, die etwa in einer umfassenden Rechtsprechungsübersicht gesehen werden könnten, hat die Klägerin in ihrem Kurzgutachten nicht erbracht, auch wenn sie in der Vorbereitung desselben zahlreichere Rechtsprechung eingesehen hat. Dies findet keinen Niederschlag in ihrem Kurzgutachten und folglich auch nicht in der angeblichen Bearbeitung im Text €xxx€.
Unter diesen Umständen kann dahinstehen, ob angesichts des beschränkten Teilnehmerkreises der Konferenz überhaupt von einer Veröffentlichung ausgegangen werden kann und ob nicht etwa schon in der Darlegung der rechtlichen Grundzüge des Kurzgutachtens in dem Vortrag in Moskau eine Erschöpfung im urheberrechtlichen Sinne des § 17 Abs. 2 UrhG gesehen werden kann.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10 und 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Es geht um einen Einzelfall, wobei das Ergebnis im Wesentlichen von der Frage abhängt, inwieweit juristische Arbeiten urheberrechtlich geschützt sind. Diese Frage ist jedoch höchstrichterlich geklärt und das Urteil hält sich an die Vorgaben der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Somit erfordert die Wahrung der Rechtseinheit eine Zulassung der Revision nicht.
KG:
Urteil v. 30.05.2005
Az: 26 U 14/04
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