Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 26. Juli 2004
Aktenzeichen: VIII ZR 10/04
(BGH: Beschluss v. 26.07.2004, Az.: VIII ZR 10/04)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. Juli 2004 mit dem Aktenzeichen VIII ZR 10/04 betrifft einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde. Der Antrag der Klägerin wird jedoch zurückgewiesen. Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in einem Urteil des Landgerichts wird ebenfalls verworfen. Die Klägerin macht einen Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes an einer Wohnung geltend, die sie 1991 von den Beklagten gemietet hat. Nach einem Brand im April 1998 hat sie die Wohnung verlassen. Das Amtsgericht und das Landgericht haben die Klage abgewiesen und die Revision nicht zugelassen. In der Entscheidung des Bundesgerichtshofs wird dargelegt, dass der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin zwar zulässig, aber nicht begründet ist. Es wird festgestellt, dass die Klägerin nicht ohne eigenes Verschulden und ohne Verschulden ihrer Prozessbevollmächtigten gehindert war, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten. Der Beschluss endet damit, dass die Nichtzulassungsbeschwerde unzulässig ist, da sie nicht innerhalb der verlängerten Frist begründet wurde.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 26.07.2004, Az: VIII ZR 10/04
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil der Zivilkammer 67 des Landgerichts Berlin vom 10. November 2003 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 24.338,34 €.
Gründe
I.
Die Klägerin macht einen Anspruch auf Wiedereinräumung des Besitzes an einer Wohnung geltend, die sie 1991 von den Beklagten gemietet und nach einem Brand im April 1998 verlassen hatte; hilfsweise begehrt sie Schadensersatz wegen Nichtgewährung des Gebrauchs in Höhe von zuletzt noch 17.417,46 € nebst Zinsen sowie die Feststellung einer weitergehenden Schadensersatzpflicht der Beklagten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben; das Landgericht hat die Revision in dem der Klägerin am 10. Dezember 2003 zugestellten Berufungsurteil nicht zugelassen.
Dagegen hat die Klägerin am 12. Januar 2004, einem Montag, Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Auf ihren Antrag ist die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde bis zum 13. April 2004 verlängert und sind ihrem seinerzeitigen Prozeßbevollmächtigten am 26. Februar 2004 die Gerichtsakten zur Einsicht überlassen worden. Am 1. April 2004 hat dieser angezeigt, daß er die Klägerin nicht mehr vertrete, und die Gerichtsakten zurückgesandt. Am 13. April 2004 hat sich der jetzige Prozeßbevollmächtigte der Klägerin bestellt und eine erneute Verlängerung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde um einen Monat sowie die Überlassung der Gerichtsakten beantragt. Die Gerichtsakten sind ihm am 16. April 2004 übermittelt worden. Mit Schriftsatz vom selben Tag hat er gebeten, die Akten eines Vorprozesses beim Amtsgericht Mitte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht gewesen sind, beizuziehen und ihm ebenfalls auszuhändigen. Die Beklagten, vertreten durch ihren Prozeßbevollmächtigten II. Instanz, haben der Verlängerung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde nicht zugestimmt und, nachdem die Senatsvorsitzende mit Schreiben vom 19. April 2004 darauf hingewiesen hatte, daß eine Fristverlängerung nicht mit einer Verzögerung der Entscheidung verbunden sein würde, mit einem am 29. April 2004 eingegangenen Schriftsatz an der Verweigerung ihrer Zustimmung festgehalten. Daraufhin hat die Vorsitzende am 4. Mai 2004 den Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist über den 13. April 2004 hinaus zurückgewiesen. Die Akten des Vorprozesses beim Amtsgericht Mitte, in dem einerseits die jetzigen Beklagten von der Klägerin erfolglos die Räumung der Wohnung verlangt hatten, andererseits aber die Widerklage der Klägerin und ihres damaligen Lebensgefährten auf Feststellung des Fortbestandes des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit abgewiesen worden war, sind dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin wegen Verzögerungen bei der Übermittlung durch das Berufungsgericht erst am 17. Mai 2004 übersandt worden.
Die Klägerin hat am 18. Mai 2004 beantragt, ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu gewähren, und zugleich die Nichtzulassungsbeschwerde begründet. Zur Rechtfertigung ihres Wiedereinsetzungsgesuchs hat sie vorgetragen und an Eides Statt versichert: Ihr früherer Prozeßbevollmächtigter für die Revisionsinstanz habe das Mandat niederlegt und die Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründet, weil sie seine Vorschußrechnung vom 12. Januar 2004 nicht beglichen habe. Zur Nichtzahlung sei es gekommen, weil sie seit dem 9. September 2003 mit unterschiedlicher Intensität an einer Augenerkrankung und unter in diesem Zusammenhang aufgetretenen anderen Erkrankungen gelitten habe, aufgrund derer sie selbst schlecht habe tätig werden können. Außerdem unterhalte sie eine Rechtsschutzversicherung, die ihr für die Vorinstanzen Kostenschutz gewährt habe. Ihre Prozeßbevollmächtigte II. Instanz habe mit Schreiben vom 12. Januar 2004 bei der Rechtsschutzversicherung eine Kostendeckungszusage auch für das Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde erbeten. Die Rechtsschutzversicherung habe daraufhin mit Schreiben vom 13. Januar 2004 bei dieser weitere Informationen zu den Zulassungsgründen angefordert und daran mit Schreiben vom 26. März 2004 erinnert. Hiervon habe sie, die Klägerin, erst Anfang Mai erfahren. Sie habe angenommen, daß die Rechtsschutzversicherung den angeforderten Gebührenvorschuß wie in den Vorinstanzen direkt ausgleichen würde bzw. ausgeglichen habe. Ihr früherer Prozeßbevollmächtigter in der Revisionsinstanz habe mit Schreiben vom 31. März 2004 ihre Prozeßbevollmächtigte II. Instanz von der Niederlegung des Mandats unterrichtet, die sie ihrerseits mit Schreiben vom 2. April 2004 davon verständigt habe. Dieses Schreiben habe sie wegen eines Krankenhausaufenthaltes am 6. April 2004 nicht vor dem Abend desselben Tages zur Kenntnis nehmen können. Aufgrund ihrer Erkrankung und der bevorstehenden Osterfeiertage habe sie erst am 13. April 2004 ihren jetzigen Prozeßbevollmächtigten beauftragen können. Die Klägerin meint, daß sie den Gebührenvorschuß an ihren früheren Prozeßbevollmächtigten für die Revisionsinstanz nicht gezahlt habe, könne ihr nicht angelastet werden. Das Verlangen der Rechtsschutzversicherung, vor einer Deckungszusage die Gründe für die Zulassung der Revision zu erfahren, sei nicht gerechtfertigt gewesen, weil die dazu erforderliche Prüfung sachgerecht allein durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vorgenommen werden könne, der dafür seinerseits darauf angewiesen sei, daß ihm die Gerichtsakten zur Verfügung gestellt würden.
II. A. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist zulässig, aber nicht begründet.
1. Der gemäß § 233 ZPO statthafte und den Formerfordernissen des § 236 ZPO entsprechende Antrag ist innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist des § 234 ZPO eingereicht worden. Die zweiwöchige Frist des § 234 Abs. 1 ZPO begann jedenfalls nicht vor Aushändigung der vom Amtsgericht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Beiakten an den Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 17. Mai 2004, so daß sie mit dem am 18. Mai 2004 gestellten Wiedereinsetzungsantrag gewahrt worden ist.
Gemäß § 234 Abs. 2 ZPO wird die Wiedereinsetzungsfrist mit dem Tag in Lauf gesetzt, an dem das Hindernis für die Einhaltung der Frist behoben ist. Das ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschluß vom 13. Dezember 1999 -II ZR 225/98, NJW 2000, 592 unter II 1 m.w.Nachw.) der Fall, wenn entweder die bisherige Ursache der Verhinderung beseitigt ist oder das Fortbestehen des Hindernisses nicht mehr als unverschuldet angesehen werden kann, insbesondere weil die Partei oder ihr Prozeßbevollmächtigter bei Anwendung der gebotenen Sorgfalt hätte erkennen können und müssen, daß die Rechtsmittelfrist versäumt war. Die Klägerin war an der Begründung ihrer Nichtzulassungsbeschwerde zunächst dadurch gehindert, daß sie ab dem 1. April 2004 nicht mehr durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten war, dessen sie nach § 78 Abs. 1 Satz 4 ZPO für die Begründung bedurfte. Dieses Hindernis war allerdings am 13. April 2004 und damit noch vor Ablauf der Begründungsfrist entfallen. Der von der Klägerin an diesem Tag mandatierte Prozeßbevollmächtigte konnte auch nicht davon ausgehen, daß der von ihm noch vor Fristablauf eingereichte (weitere) Fristverlängerungsantrag genügen würde, um die Begründungsfrist wahren zu können. Denn mit einem Erfolg dieses Fristverlängerungsantrags konnte er nicht rechnen, weil gemäß § 551 Abs. 2 Satz 6 ZPO die Frist ohne Einwilligung des Gegners nur um bis zu zwei Monate verlängert werden kann, dieser Zeitraum bereits verstrichen war und ein Einverständnis des Gegners mit einer darüber hinaus gehenden Fristverlängerung nicht vorlag (vgl. zu der entsprechenden Regelung des § 520 Abs. 2 Satz 2 ZPO für die Berufung BGH, Beschluß vom 17. Mai 2004 -II ZB 14/03, zur Veröffentlichung bestimmt, unter II 2 b; Beschluß vom 4. März 2004 -IX ZB 121/03, NJW 2004, 1742 unter 2). Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mußte deshalb bereits mit Ablauf des 13. April 2004 erkennen, daß die Frist versäumt war.
Es bestand jedoch an diesem Tag ein erneutes Hindernis für eine fristgerechte Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde unter ordnungsgemäßer Darlegung der Zulassungsgründe (§ 544 Abs. 2 Satz 3 ZPO), weil dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin die Prozeßakten nicht zur Verfügung standen.
Der Prozeßbevollmächtigte in der Revisionsinstanz ist zum einen für die Rüge von Verfahrensfehlern (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO), die als Grund für die Zulassung der Revision in Betracht kommen und sich nicht schon aus dem Berufungsurteil ergeben müssen, auf die Prozeßakten angewiesen. Zum anderen ist er wegen des durch § 78 Abs. 1 Satz 4 ZPO zwingend vorgeschriebenen Anwaltswechsels erstmals mit der konkreten Rechtssache befaßt. Es ist ihm deshalb nicht zuzumuten, die Begründung für die Nichtzulassungsbeschwerde zunächst allein auf der Grundlage des Berufungsurteils zu fertigen und (nur) zur Nachholung einzelner Verfahrensrügen, die ohne Kenntnis der Akten nicht begründet werden konnten, nach Akteneinsicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu beantragen, wie dies im Strafprozeß in Betracht kommen kann (BGH, Beschluß vom 1. Februar 2000 -4 StR 635/99, NStZ 2000, 326 unter 1; Beschluß vom 6. Mai 1997 -4 StR 152/97, NStZ-RR 1997, 302 unter 1). Für die zivilprozessuale Revision hat der Gesetzgeber aufgrund dieser Einschätzung eine Änderung von § 551 Abs. 2 Satz 6 ZPO in die Wege geleitet mit dem Ziel, eine Verlängerung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde und der Revision durch den Vorsitzenden auch ohne Einwilligung des Gegners um bis zu zwei Monate nach Übersendung der Prozeßakten zu ermöglichen, wenn dem Beschwerdeführer bzw. Revisionskläger innerhalb der Frist des § 551 Abs. 2 Satz 6 ZPO nicht für einen angemessenen Zeitraum Einsicht in die Prozeßakten gewährt werden kann (vgl. Art. 1 Nr. 19 des Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Modernisierung der Justiz in der Fassung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses des Bundestags vom 30. Juni 2004, BT-Drucks. 15/3482, und Beschluß des Bundestages vom 1. Juli 2004, Plenarprotokoll 15/118, S. 10770). Um sicherzustellen, daß dem Rechtsmittelführer auch nach geltendem Recht in ausreichendem Maße rechtliches Gehör gewährt wird, ist es daher gerechtfertigt, ihn jedenfalls solange als an der fristgemäßen Einreichung der Beschwerdebegründung gehindert anzusehen, wie ihm die Prozeßakten trotz eines rechtzeitigen Akteneinsichtsgesuchs nicht oder nicht vollständig zur Verfügung stehen.
Dies war hier jedenfalls bis zum 17. Mai 2004, dem Tag, an dem dem Prozeßbevollmächtigten der Klägerin die vom Amtsgericht zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Beiakten überlassen worden sind, der Fall. Der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hatte noch am Tag seiner Bestellung die Gewährung von Akteneinsicht beantragt und unmittelbar nach Übersendung der Akten gerügt, daß diese nicht vollständig waren. Ob und in welchem Umfang dem Beschwerdeführer bzw. seinem Anwalt nach Übermittlung der vollständigen Prozeßakten noch eine angemessene Frist zur Einsichtnahme in die Akten und anschließenden Fertigung der Begründungsschrift zuzubilligen ist, bevor von einer Beseitigung des in der fehlenden Aktenkenntnis liegenden Hindernisses ausgegangen werden kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung. Denn der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zusammen mit dem Wiedereinsetzungsantrag bereits am 18. Mai 2004, also einen Tag nach Gewährung umfassender Akteneinsicht und damit in jedem Fall innerhalb der Frist des § 234 ZPO eingereicht.
2. Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin ist jedoch unbegründet, weil nicht festgestellt werden kann, daß sie ohne eigenes Verschulden und ohne ein ihr zuzurechnendes Verschulden ihrer zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten verhindert war, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde einzuhalten (§ 233 ZPO).
a) Der jetzige Prozeßbevollmächtigte der Klägerin hat allerdings die Versäumung der Begründungsfrist nicht zu vertreten. Er ist erst am Tag des Fristablaufs von der Klägerin beauftragt worden und hat noch an diesem Tag einen -erfolglosen -Antrag auf Fristverlängerung gestellt.
b) Auch den früheren Prozeßbevollmächtigten der Klägerin in der Revisionsinstanz trifft kein Verschulden daran, daß die Begründungsfrist nicht eingehalten worden ist. Die Niederlegung des Mandats geschah nicht grundlos. Er war berechtigt, die Fertigung der Begründung für die Nichtzulassungsbeschwerde von der Zahlung eines angemessenen Vorschusses für die in der Revisionsinstanz entstandenen und voraussichtlich entstehenden Gebühren und Auslagen abhängig zu machen. Als angemessener Vorschuß im Sinne von § 17 BRAGO in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung, die hier nach § 61 RVG weiterhin anzuwenden ist, gilt ein Vorschuß in der vollen Höhe der voraussichtlich entstehenden Vergütung einschließlich der Auslagen (BGH, Beschluß vom 21. Juni 1990 -IX ZR 227/89, VersR 1991, 122). Ausweislich des von der Klägerin vorgelegten Schreibens vom 31. März 2004, mit dem er das Mandat niedergelegt hat, hat der frühere Prozeßbevollmächtigte der Klägerin mehrfach den Ausgleich der Kostenrechnung angemahnt und am 12. März 2004 angekündigt, das Mandat niederzulegen, wenn bis zum 22. März 2004 keine Zahlung erfolgt sein würde.
c) Ein der Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnendes Verschulden an der Fristversäumnis ist jedoch ihrer Prozeßbevollmächtigten II. Instanz vorzuwerfen. Diese war für die Klägerin nach dem Abschluß der Berufungsinstanz und der Übernahme des Mandats durch deren früheren Prozeßbevollmächtigten für die Revisionsinstanz weiterhin als Verkehrsanwältin tätig, indem sie es übernommen hat, die Klägerin sowohl im Rahmen des Rechtsmittelauftrags gegenüber dem Prozeßbevollmächtigten als auch gegenüber der Rechtsschutzversicherung zu vertreten. Der Verkehrsanwalt ist Bevollmächtigter der Partei, für dessen Verschulden diese nach § 85 Abs. 2 ZPO einzustehen hat (BGH, Beschluß vom 17. Dezember 1997 -IV ZB 30/97, RuS 1998, 174).
Nach dem Schreiben des früheren Prozeßbevollmächtigten der Klägerin für die Revisionsinstanz vom 31. März 2004 hatte dieser mehrfach Mahnungen wegen der Kostenrechnung und auch das die Fristsetzung bis zum 22. März 2004 enthaltende Schreiben vom 12. März 2004 an die Prozeßbevollmächtigte II. Instanz gerichtet. Diese wußte also, daß die Vorschußrechnung von der Klägerin noch nicht beglichen war. Gleichzeitig war ihr aufgrund der an sie ergangenen Rückfrage der Rechtsschutzversicherung vom 13. Januar 2004 nach den Gründen für eine Revisionszulassung bekannt, daß eine Deckungszusage bisher nicht erteilt war und jedenfalls derzeit ein Ausgleich der Kostenrechnung durch die Rechtsschutzversicherung nicht erfolgen würde. Sie hätte deshalb die Klägerin zumindest über die Verzögerung bei der Deckungszusage informieren müssen, so daß diese die Wahl gehabt hätte, entweder zunächst selbst Zahlung an den Prozeßbevollmächtigten für die Revisionsinstanz zu leisten und gegebenenfalls Deckungsklage gegen den Rechtsschutzversicherer zu erheben oder auf die Durchführung der Nichtzulassungsbeschwerde aus Kostengründen zu verzichten. Die Partei und ihr Vertreter sind zur wechselseitigen Information verpflichtet (Zöller/Greger, ZPO, 24. Aufl., § 233 Rdnr. 23 "Informationspflicht"). Eine Hinweispflicht der Verkehrsanwältin bestand hier unabhängig davon, ob die Rechtsschutzversicherung berechtigt war, vor der Deckungszusage von ihr weitere Aufklärung über die Revisionszulassungsgründe zu verlangen, oder ob der Versicherer verpflichtet gewesen wäre, vorab zur Prüfung dieser Gründe durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt Deckung zu gewähren, wie die Klägerin meint. Die Verkehrsanwältin durfte in keinem Fall die Anfrage der Rechtsschutzversicherung während des Laufs der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde sechs Wochen lang unbeantwortet lassen, ohne die Klägerin darüber aufzuklären, daß diese nicht von einem unmittelbaren Eintreten der Rechtsschutzversicherung ausgehen konnte. Das gilt um so mehr, als sie angesichts der mehrfachen Mahnungen des Prozeßbevollmächtigten für die Revisionsinstanz damit rechnen mußte, daß die Klägerin möglicherweise von einem direkten Ausgleich der Kostenrechnung durch die Rechtsschutzversicherung ausging, wie dies in der Berufungsinstanz geschehen war. Wie sich aus dem Vortrag der Klägerin ergibt, hat deren Prozeßbevollmächtigte II. Instanz ihrer Informationspflicht nicht genügt, sondern hat die Klägerin erst aufgrund einer eigenen Nachfrage im Mai 2004 erfahren, daß der Rechtsschutzversicherer vor einer Deckungszusage weitere Angaben erbeten hatte. Erst recht würde der Prozeßbevollmächtigten II. Instanz ein für die Fristversäumung ursächliches Verschulden zur Last fallen, wenn sie die Mahnungen des früheren Prozeßbevollmächtigten für die Revisionsinstanz nicht an die Klägerin weitergeleitet haben sollte, was nach deren Vortrag allerdings unklar ist.
d) Schließlich ist auch nicht auszuschließen, daß die Klägerin ein eigenes Verschulden an der Fristversäumnis trifft, weil sie fahrlässig nicht für einen rechtzeitigen Ausgleich der Kostenrechnung ihres früheren Prozeßbevollmächtigten für die Revisionsinstanz Sorge getragen hat (vgl. BGH, Beschluß vom 21. Juni 1990, aaO). Gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO hat die Partei, die Wiedereinsetzung begehrt, das Fehlen eines Verschuldens an der Fristversäumung darzulegen und glaubhaft zu machen. Bleibt danach die Möglichkeit einer verschuldeten Fristversäumung offen, kann Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden (BGH, Beschluß vom 17. Mai 2004 -II ZB 14/03, unter II 2 b; Beschluß vom 18. Oktober 1995 -I ZB 15/95, NJW 1996, 319 unter II 2).
So liegt der Fall hier. Hätte die Klägerin den am 12. Januar 2004 angeforderten Vorschuß in angemessener Zeit gezahlt, wäre es weder zur Mandatsniederlegung noch zur Fristversäumnis gekommen. Nach Übersendung der unvollständigen Gerichtsakten an ihren damaligen Prozeßbevollmächtigten hätte dieser bis zum Ablauf der Begründungsfrist ausreichend Zeit gehabt, auch noch in die Beiakten nach deren Beiziehung Einsicht zu nehmen und die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde zu fertigen. Die Klägerin behauptet nicht, die Kostenrechnung ihres früheren Prozeßbevollmächtigten für die Revisionsinstanz nicht erhalten zu haben. Vielmehr macht sie nur geltend, zur Nichtzahlung der Vorschußrechnung sei es einerseits durch ihre seit September 2003 andauernde Augenerkrankung und in diesem Zusammenhang aufgetretene andere Erkrankungen sowie andererseits durch ihre Annahme gekommen, die Rechtsschutzversicherung werde den Betrag direkt ausgleichen, wie dies in den Vorinstanzen geschehen sei. Im Hinblick auf die behaupteten Erkrankungen ist jedoch unklar, auf welche Weise und in welchem Ausmaß diese die Klägerin in der Zeit zwischen dem Zugang der Vorschußrechnung vom 12. Januar 2004 und der Niederlegung des Mandats durch ihren seinerzeitigen Prozeßbevollmächtigten am 31. März 2004 in der Handlungsfähigkeit konkret beeinträchtigt haben. Davon, daß die Rechtsschutzversicherung unmittelbar die Vorschußrechnung ihres Prozeßbevollmächtigten für die Revisionsinstanz ausgleichen würde bzw. bereits ausgeglichen hatte, konnte die Klägerin jedenfalls dann nicht mehr ausgehen, wenn ihre Prozeßbevollmächtigte II. Instanz die in dessen Schreiben vom 31. März 2004 aufgeführten Mahnungen einschließlich der unter Ankündigung der Mandatsniederlegung bis zum 22. März 2004 erfolgten Fristsetzung für die Zahlung an die Klägerin weitergeleitet hat. Daß sie von diesen Mahnungen keine Kenntnis hatte, behauptet die Klägerin nicht. Es kann deshalb zumindest nicht ausgeschlossen werden, daß sie bereits im März 2004 wußte, daß die Kostenrechnung noch offen war, und daß sie nicht sicher davon ausgehen konnte, ein Ausgleich durch die Rechtsschutzversicherung werde noch vor dem Ablauf der Zahlungsfrist erfolgen. Bei einer solchen Sachlage hätte sie sich jedenfalls bei ihrer Prozeßbevollmächtigten II. Instanz nach dem Stand der Verhandlungen mit der Rechtsschutzversicherung erkundigen müssen, um einen rechtzeitigen Ausgleich der Kostenrechnung sicherzustellen. Die genannten Unklarheiten im Vortrag der Klägerin gehen zu ihren Lasten, weil sie gemäß § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO das Fehlen eines Verschuldens an der Fristversäumung darzulegen und glaubhaft zu machen hat.
B. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil sie nicht innerhalb der von der Vorsitzenden bis zum 13. April 2004 verlängerten Frist begründet worden ist (§ 544 Abs. 2 ZPO). Eine darüber hinausgehende Verlängerung der Begründungsfrist, wie sie die Klägerin beantragt hat, durfte gemäß § 544 Abs. 2 Satz 2 ZPO in Verbindung mit § 551 Abs. 2 Satz 5 und 6 ZPO nicht erfolgen, weil eine Verlängerung um mehr als zwei Monate zwingend der Einwilligung des Beschwerdegegners bedarf, und die Beklagten diese Einwilligung verweigert haben.
Dr. Deppert Dr. Beyer Wiechers Richter am Bundesgerichtshof Dr. Wolst befindet sich in Urlaub und ist deshalb an der Unter- zeichnung gehindert.
Dr. Deppert Karlsruhe, 12. August 2004 Hermanns
BGH:
Beschluss v. 26.07.2004
Az: VIII ZR 10/04
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