Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 20. April 2016
Aktenzeichen: X ZR 112/14
(BGH: Beschluss v. 20.04.2016, Az.: X ZR 112/14)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Bei der vorliegenden Entscheidung des Bundesgerichtshofs ging es um die Nichtzulassung der Revision in einem Zivilverfahren. Der Streitwert wurde auf 280.000 Euro festgesetzt. Der Beschwerde des Klägers wurde stattgegeben, jedoch hatte sie in der Sache keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör nicht verletzt. Die vom Kläger angebotenen Beweise waren zum Teil nicht erheblich für die Entscheidung des Rechtsstreits. Auch ein Sachverständigengutachten war als Beweismittel ungeeignet. Das Berufungsgericht prüfte die vorgetragenen Indizien und kam zu dem Schluss, dass diese seine Würdigung der Aussagen nicht entgegenstanden. Die weiteren Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde griffen ebenfalls nicht durch. Vorinstanzen waren das Landgericht Frankfurt am Main und das Oberlandesgericht Frankfurt am Main.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 20.04.2016, Az: X ZR 112/14
Tenor
Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt vom 30. Oktober 2014 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Der Streitwert wird auf 280.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) nicht verletzt. Die Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde, das Berufungsgericht habe die angebotenen Beweise verfahrensfehlerhaft nicht erhoben, greifen nicht durch.
1. Die vom Kläger unter Beweis gestellten Tatsachen sind zum Teil für die Entscheidung des Rechtsstreits nicht erheblich.
a) Nach der Darstellung der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zeuge R. dafür benannt, dass er wiederholt die Produktionsanlagen der Beklag- ten zu 2 besichtigt habe und zu der Erkenntnis gekommen sei, dass "eine Herstellung von Thermowänden im Sinne des Klagepatents, die die Beklagte zu 2 als Vorbenutzung reklamiert, nicht möglich war und nicht durchgeführt wurde". An der in Bezug genommenen Stelle (Schriftsatz vom 21. März 2014, GA 1228 f.) wird jedoch auf ein Schreiben des Klägers an den benannten Zeugen vom 31. Mai 2011 verwiesen. In diesem Schreiben hält der Kläger fest, dass Herr R. bei Besichtigungen der Produktionsanlagen der Beklagten zu 2 "in der jüngsten Vergangenheit" festgestellt habe, dass diese Anlagen genau denen entsprechen, die der Zeuge selbst für die Herstellung patentgemäßer Bauelemente verwende. Mithin beziehen sich diese Angaben nicht auf den Zeitraum, für den eine Vorbenutzung geltend gemacht wird. Auch ist dem Schreiben nicht zu entnehmen, dass die Beklagte zu 2 vor dem Jahr 2000 nicht in der Lage gewesen wäre, erfindungsgemäße Bauelemente herzustellen.
b) Unerheblich ist ferner der Vortrag, bei einem Gespräch zwischen Vertretern des Klägers und der Beklagten zu 2, das Anfang 2004 stattgefunden habe, sei es um "andere Wände" gegangen als um die hier angegriffenen Bauelemente (Schriftsatz vom 13. März 2013, GA 1021). Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen, weil es sich davon überzeugt hat, dass die Beklagte zu 2 die in den Klagepatenten unter Schutz gestellten Erfindungen bereits vor deren Anmeldung in Benutzung genommen hat. Auf den Gegenstand des nach einer Abmahnung der Beklagten zu 2 durch den Kläger im Jahr 2004 erfolgten Gesprächs und die Frage, ob hierbei eine Absprache dahin getroffen wurde, dass der Kläger zukünftig keine Ansprüche wegen der Verletzung von Schutzrechten für die in Rede stehenden Bauelemente geltend mache, kommt es danach nicht an.
c) Auch die Behauptung, der Zeuge O. sei "der Erfinder der sogenann- ten Elementdecken und Doppelwand[bau]weise auf automatisierten Anlagen" gewesen (Schriftsatz vom 10. März 2011, GA 342), ist nicht erheblich. Soweit damit zum Ausdruck gebracht werden soll, dass der Zeuge Erfinder der in den Klagepatenten unter Schutz gestellten Lehren sei, ist der Vortrag unschlüssig.
Dies schlösse nicht aus, dass im Betrieb der Beklagten zu 2 die gleiche technische Lehre entwickelt worden ist. Gerade auf eine solche Konstellation zielt § 12 PatG. Sollte der Vortrag dahin zu verstehen sein, dass der Zeuge die entsprechende Lehre zuerst entwickelt und bis zum Anmeldetag der Klagepatente kein anderer die gleiche Idee gehabt habe, ist der angebotene Zeugenbeweis ungeeignet.
2. Der Kläger hat sich im Schriftsatz vom 13. März 2013 (GA 1019 f.) für die Behauptung, dass die Beklagte zu 2 nicht bereits seit 1983 und auch nicht ab 1990 die angegriffenen Bauelemente hergestellt habe, auf Sachverständigengutachten bezogen. Diesem Beweisangebot musste das Berufungsgericht nicht nachgehen, weil ein Sachverständigengutachten insoweit ein ungeeignetes Beweismittel darstellte.
3. Eine Beweisaufnahme war auch nicht geboten, soweit der Kläger vorgetragen hat,
. dass in den 80er und 90er Jahren zur Errichtung von Kellerwänden Frostschutzschürzen verwendet worden seien, wenn eine Wand mit Ortbetonkern als zu teuer und als aus statischen Gründen nicht erforderlich angesehen worden sei (Schriftsatz vom 9. Oktober 2014, GA 1382),
. dass in den 90er Jahren zwar schon Doppelwände hergestellt worden seien, hierbei aber eine Dämmung erst ab Mitte der 90er Jahre gelegentlich und dann allenfalls von außen angebracht worden sei (Schriftsatz vom 21. März 2014, GA 1224),
. dass die Zeugen Dr. K. und R. bei einer Veranstal- tung des Klägers, die am 7. August 2006 stattgefunden habe, den Eindruck gewonnen hätten, dem Zeugen R. S.
seien die technischen Unterschiede zwischen Thermowand und Sockelelement im Einzelnen nicht bekannt gewesen (Schriftsatz vom 21. März 2014, GA 1228),
. dass eine Produktion von gedämmten Wänden durch die Beklagte zu 2 vor Erteilung der bauaufsichtlichen Zulassung für den Kläger nicht stattgefunden habe (Schriftsätze vom 10. März 2011, GA 343; vom 13. März 2013, GA 1019 f. und vom 16. September 2014, GA 1311 f.).
a) Diese Beweisangebote beziehen sich auf Indiztatsachen, die jeweils für sich und in ihrer Gesamtheit belegen sollen, dass die von den Beklagten geltend gemachten Vorbenutzungshandlungen tatsächlich nicht stattgefunden haben. Dies gilt auch für den im letzten Spiegelstrich wiedergegebenen Vortrag:
aa) Nach der Darstellung der Nichtzulassungsbeschwerde wurde der Zeuge P. zum Beweis dafür benannt, dass "eine Produktion von ge- dämmten Wänden durch die Beklagte zu 2 vor Erteilung der bauaufsichtlichen Zulassung für den Kläger" nicht stattgefunden habe. Diese Darstellung trifft jedoch nicht zu. Der Zeuge P. ist an der angegebenen Stelle lediglich da- für benannt worden, dass ihm als Mitinhaber eines Betonfertigteilwerks in räumlicher Nähe zu dem Werk der Beklagten zu 2 keine Hinweise darauf vorlagen, dass diese bereits vor Ende 1999 Halbfertigelemente nach der Lehre der Klagepatente hergestellt habe.
bb) Der Kläger hat die Zeugen Dr. K. und O. dafür benannt, dass bei der Beklagten zu 2 vor dem Anmeldetag der Klagepatente "keine gedämmten Doppelwände" produziert worden seien bzw. die Beklagte zu 2 "nicht seit 1983 und nicht in großem Stil seit 1990" Elementwände hergestellt habe, die von der Lehre der Klagepatente Gebrauch machten. In der Sache geht diese Behauptung wiederum dahin, dass die Zeugen keine Hinweise auf die von den Beklagten behaupteten Vorbenutzungshandlungen erlangt haben. Dies ergibt sich daraus, dass die Zeugen weder im Zeitraum der Vorbenutzung noch später für die Beklagten zu 2 tätig waren, sondern für den Kläger. Es ist daher nichts dafür ersichtlich, inwiefern sie in der Lage sein sollten, Angaben zu betriebsinternen Vorgängen der Beklagten zu 2 zu machen, noch darüber über einen Zeitraum von mehreren Jahren. Die Zeugen hatten, wie sich aus dem Vorbringen des Klägers ergibt, allenfalls bei einzelnen Gelegenheiten Zugang zu den Betriebsräumen der Beklagten zu 2. Hinsichtlich des Zeugen O. hat der Klä- ger den Vortrag der Beklagten zu 2, diesem sei das vorbenutzte Verfahren bei einem Besuch bei der Beklagten zu 2 erläutert worden (Schriftsatz der späteren Beklagten zu 2 und damaligen Streitverkündeten zu 2 vom 14. September 2010, GA 291, und Schriftsatz vom 21. November 2013, GA 1131), ausdrücklich bestritten (Schriftsatz des Klägers vom 10. März 2011, GA 342, und vom 3. Januar 2014, GA 1155). Der Zeuge Dr. K. soll nach dem Vorbringen des Klägers lediglich einmal, zu einem nicht näher bezeichneten Zeitpunkt, deutlich vor dem Gespräch im Jahr 2004, das Werk B. der Beklagten zu 2 besichtigt haben (Schriftsatz des Klägers vom 9. Oktober 2014, GA 1366 und 1368, lt. Schriftsatz vom 10. März 2011, GA 343, soll die Besichtigung im Jahr 1993 stattgefunden haben).
b) Geht es um Hilfstatsachen (Indizien), darf und muss der Tatrichter vor der Beweiserhebung prüfen, ob der Beweisantrag schlüssig ist, d.h. ob die vorgetragenen Indizien, ihre Richtigkeit unterstellt, geeignet sind, ihn von der Wahrheit der Haupttatsache zu überzeugen (BGH, Urteil vom 4. Mai 1983 - VIII ZR 94/82, BGH NJW 1983, 2034, 2035, Juris-Rn. 25; Urteil vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 45 mwN), anderenfalls braucht er einem solchen Beweisangebot nicht nachzugehen. Werden mehrere Hilfstatsachen vorgetragen, die jeweils für sich betrachtet keine sicheren Rückschlüsse auf die Haupttatsache zulassen, ist vom Tatrichter auch zu prüfen, ob die Hilfstatsachen in einer Gesamtschau, gegebenenfalls im Zusammenhang mit dem übrigen Prozessstoff, geeignet sind, ihn von der beweisbedürftigen Behauptung zu überzeugen (BGHZ 193, 159 Rn. 45 mwN; BGH, Urteil vom 25. Oktober 2012 - I ZR 167/11, NJW-RR 2013, 743 Rn. 26; BAG NJW 2008, 3658, Juris Rn. 41), oder, wenn es wie hier um einen Gegenbeweis geht, ob sie geeignet sind, ihn von der Überzeugung der Wahrheit der Haupttatsache abzuhalten.
c) Das Berufungsgericht hat dargelegt, warum es eine Vernehmung des Zeugen P. nicht für geboten gehalten hat. Aus seinen Ausführungen ergibt sich, dass sich es die vom Kläger vorgetragenen Indizien zur Kenntnis genommen und sich mit ihnen auseinander gesetzt hat, jedoch zu dem Schluss gekommen ist, sie stünden, auch wenn man sie als zutreffend unterstellt, seiner Würdigung der Aussagen S. und Sch. nicht entgegen, weil es mög- lich sei, dass die behaupteten Vorbenutzungshandlungen wenig Aufmerksamkeit erregt hätten und auch in Fachkreisen unbemerkt geblieben seien. Unter diesen Umständen war es nicht von Verfassungs wegen geboten, dass das Berufungsgericht sämtliche Beweisangebote des Klägers für die von ihm angeführten Indizien im Einzelnen abhandelt.
4. Die weiteren Rügen der Nichtzulassungsbeschwerde greifen ebenfalls nicht durch. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbs. ZPO abgesehen.
Meier-Beck Gröning Bacher Deichfuß Kober-Dehm Vorinstanzen:
LG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 29.06.2012 - 2/6 O 518/09 -
OLG Frankfurt am Main, Entscheidung vom 30.10.2014 - 6 U 174/12 -
BGH:
Beschluss v. 20.04.2016
Az: X ZR 112/14
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