Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Oktober 2006
Aktenzeichen: 28 W (pat) 136/05
(BPatG: Beschluss v. 30.10.2006, Az.: 28 W (pat) 136/05)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 30. Oktober 2006 entschieden, dass die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke zurückgewiesen wird. Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hatte zuvor die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, da zwischen den Vergleichsmarken eine klangliche Verwechslungsgefahr bestehe. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat daraufhin Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass keine Verwechslungsgefahr bestehe und die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geschwächt sei. Das Patentgericht hat jedoch festgestellt, dass die Vergleichsmarken sich klanglich sehr ähnlich sind und in den relevanten Warenbereichen identisch oder ähnlich sind. Daher bestehe klangliche Verwechslungsgefahr im Sinne des Markengesetzes. Das Gericht entschied ohne mündliche Verhandlung, da die Markeninhaberin keinen entsprechenden Antrag gestellt hatte. Es gab auch keine Anhaltspunkte dafür, dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke geschwächt sei. Das Gericht wies die Beschwerde daher zurück und ordnete die Löschung der angegriffenen Marke an. Es entstanden keine Kosten.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 30.10.2006, Az: 28 W (pat) 136/05
Tenor
Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Das Wort ERLANDER ist am 10. September 2002 in das Register eingetragen worden für die folgenden Waren der Klassen 29 und 43:
"Fleisch; Fleisch- und Wurstwaren; Fleisch- und Wurstkonserven, Fleisch- und Wurstpasteten; Fleischextrakte, tiefgekühlte Fleisch-, Wild- und Geflügelwaren; Fertiggerichte auch tiefgekühlte, im Wesentlichen bestehend aus Fleisch und/oder Geflügel und/oder Gemüse und/oder Kartoffeln; Fleischsalate; Suppen; Dienstleistungen zur Verpflegung von Gästen."
Dagegen ist Widerspruch erhoben worden aus der Marke 300 33 893 Melanderdie am 27. Juni 2000 in das Register eingetragen worden ist für die folgenden Waren der Klassen 29 und 31:
"Fleisch, Fisch, Fischkonserven, Zuchtfisch, Räucherfisch, nicht lebende Weich- und Krustentiere, Geflügel und Wild; Geflügel und Wildwaren, auch konserviert oder tiefgekühlt; Wurst; konserviertes, tiefgekühltes, getrocknetes, gekochtes oder zum Verzehr vorbereitetes Obst und Gemüse (einschließlich Pilze und Kartoffeln), insbesondere Pommes frites und andere Kartoffelprodukte; Suppen und Suppenpräparate; Feinkostsalate; Fleisch-, Fisch- , Geflügel-, Wild- und Gemüsegerichte, auch tiefgekühlt; Eier, Konfitüren, Marmeladen, Fruchtsaucen, Obst- und Gemüsegelees; Fleisch- und Fleischbrüheextrakte, Pflanzenextrakte und konservierte Kräuter für die Küche; Speiseöle; eiweißhaltige Nahrungsergänzungsmittel; landwirtschaftliche Erzeugnisse soweit in Klasse 31 enthalten."
Aufgrund dieses Widerspruches hat die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts für Klasse 29 mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Bei ihren Entscheidungen ist die Markenstelle davon ausgegangen, dass sich die Vergleichsmarken im Bereich identischer oder ähnlicher Waren und Dienstleistungen begegnen können und die angegriffene Marke daher einen deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke halten müsse. Bei diesen Vorgaben komme die angegriffene Marke der Widerspruchsmarke jedenfalls klanglich verwechselbar nahe, weil sich die Marken nur in den Konsonanten "R" und "M" und in deren Stellung in der jeweils ersten Silbe der Vergleichsmarken unterschieden und im Übrigen einschließlich der Vokalfolge mit einander übereinstimmten.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Inhaberin der angegriffenen Marke die Aufhebung der beiden Beschlüsse der Markenstelle und die Zurückweisung des Widerspruchs mit der Begründung, dass zwischen den Vergleichsmarken keine markenrechtliche Verwechslungsgefahr bestünde. Im patentamtlichen Verfahren hat die Markeninhaberin die Auffassung vertreten, dass zwischen der für die angegriffene Marke beanspruchten Dienstleistung der Klasse 43 "Verpflegung von Gästen" und den Waren der Widerspruchsmarke keine Ähnlichkeiten bestünden. Der Schwerpunkt ihres Vortrages liegt auf dem Einwand, dass die Silben "-lander" und "-länder" bei einer Vielzahl von Marken vorkämen und dadurch die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke so stark geschwächt werde, dass jede Verwechslungsgefahr ausgeschlossen werden würde. Dazu hat die Markeninhaberin auf die Eintragung von über 30 Wort- und Wort-Bild-Marken hingewiesen, die alle auf "-lander" oder "-länder" enden. Für die Marken "Burlander", "Oldenländer", "Deutschländer" und "Grünländer" hat die Markeninhaberin im Beschwerdeverfahren Internet-Auszüge vorgelegt, die auf eine Benutzung dieser Marken hinweisen. Im Übrigen meint die Markeninhaberin, dass auch zwischen den jeweils ersten Silben der Vergleichsmarken "ER-" und "ME-" deutliche Unterschiede bestünden.
In ihrer Beschwerdebegründung vom 4. Mai 2006 hat die Markeninhaberin sinngemäß beantragt, die Beschlüsse der Markenstelle 29 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 21. September 2004 und vom 26. September 2005 aufzuheben und den Widerspruch aus der Marke 300 33 893 zurückzuweisen.
Einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat die Markeninhaberin nicht gestellt.
Die Widersprechende hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.
II.
Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke hat in der Sache keinen Erfolg. Denn zwischen den Vergleichsmarken besteht - wie in den angegriffenen Beschlüssen der Markenstelle zutreffend festgestellt - klangliche Verwechslungsgefahr i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG.
Diese Entscheidung konnte im schriftlichen Verfahren ergehen. Das Patentgericht entscheidet über Beschwerden in Markensachen grundsätzlich ohne mündliche Verhandlung, § 69 MarkenG. Eine mündliche Verhandlung ist lediglich vorgeschrieben, wenn einer der Beteiligten sie beantragt, Beweis erhoben werden soll oder wenn das Patentgericht eine solche für sachdienlich hält. Die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens haben also zu gewärtigen, dass das Beschwerdegericht ohne mündliche Verhandlung entscheidet. Das Gericht ist bei seiner Beschlussfassung im schriftlichen Verfahren nicht an einen bestimmten Termin gebunden. Die Parteien können deshalb nicht darauf vertrauen, dass das Gericht sie über einen Termin zur Beschlussfassung unterrichtet. Das Gericht ist als Beschwerdegericht grundsätzlich auch nicht gehalten, den Beteiligten Äußerungsfristen zu setzen oder einen beabsichtigten Termin zur Beschlussfassung mitzuteilen. Das Gebot zur Wahrung des rechtlichen Gehörs gebietet lediglich, dass für die Verfahrensbeteiligten die Möglichkeit besteht, sich zu dem Vorbringen der Gegenseite zu äußern. Insoweit genügt in der Regel ein Zeitraum von zwei Wochen (vgl. BGH GRUR 1997, 223, 224 - "Ceco"). Hier hat die anwaltlich vertretene Beschwerdeführerin keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt, auch nicht mit ihrer Beschwerdebegründung vom 4. Mai 2006. Einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zum jetzigen Zeitpunkt stand daher nichts im Wege.
Da sich keine Benutzungsfragen stellen, ist für die Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen die Registerlage maßgeblich. Danach können sich die Vergleichsmarken im Bereich identischer oder ähnlicher Waren und Dienstleistungen begegnen. Im Hinblick auf die Ähnlichkeit der Waren ergibt sich das direkt aus den hier zum Vergleich stehenden Verzeichnissen der Waren und Dienstleistungen. Für die Dienstleistung aus der Klasse 43 "Dienstleistungen zur Verpflegung von Gästen", die für die angegriffene Marke beansprucht wird, gibt es im Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen der Widerspruchsmarke keine Entsprechung. Gleichwohl sind diese Dienstleistungen jedenfalls den Waren "Fleisch; Geflügel und Wildwaren; Wurst; gekochtes oder zum Verzehr vorbereitetes Obst und Gemüse (einschließlich Pilze und Kartoffeln), insbesondere Pommes frites und andere Kartoffelprodukte; Suppen und Suppenpräparate; Feinkostsalate; Fleisch-, Fisch- , Geflügel-, Wild- und Gemüsegerichte; Fleisch- und Fleischbrüheextrakte" aus dem Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke ähnlich. Denn solche Waren werden neben fabrikmäßiger Herstellung und dem Vertrieb über Läden des Einzelhandels in sehr bedeutendem Umfang in solchen Betrieben hergestellt und/oder zum selbständigen Kauf angeboten, die gleichzeitig auch die Dienstleistung "Verpflegung von Gästen" erbringen. Das gilt u. a. für allgemeine Restaurantketten wie McDonald's oder Wienerwald sowie für eine Vielzahl individueller Gaststätten, die alle ihre Gäste nicht nur im Haus bewirten, sondern daneben ihre Waren auch zum Mitnehmen verkaufen. Andererseits sind auch vielen in erster Linie auf den Warenverkauf gerichteten Geschäften wie Feinkosthandlungen (z. B. Dallmayer und Käfer in München), landwirtschaftlichen Betrieben (z. B. Herrmannsdorfer Landwerkstätten in Glonn), Metzgereien und Geflügelhandlungen mehr oder weniger große Gaststätten oder Stehimbisse angegliedert. Wegen dieser Strukturen des Gaststättenwesens und des Lebensmittelhandels kann der Verkehr zu der Auffassung gelangen, dass die Dienstleistung "Verpflegung von Gästen" und die genannten Lebensmittel und Lebensmittelzubereitungen dort, wo sie mit einander in Berührung kommen, auf einer selbständigen gewerblichen Tätigkeit desselben oder eines wirtschaftlich verbundenen Unternehmens beruhen, wenn sie unter gleichen oder verwechselbar ähnlichen Marken angeboten werden. (Ständige Rechtsprechung, vgl. beispielsweise BPatGE 28, 169, 172 ff. m. w. Nachw.; im Übrigen s. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Auflage, § 9 Rdn. 83.)
Ohne abschließende Feststellung in der Sache kann zugunsten der Markeninhaberin sogar von einer unterdurchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen werden; denn im Ergebnis kommt es nicht darauf an.
Soweit die Markeninhaberin darüber hinaus die Auffassung vertreten hat, dass die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke deutlich geschwächt sei, ist ihr Tatsachenvortrag unschlüssig und deswegen unbeachtlich. Inzwischen ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass die Schwächung der Kennzeichnungskraft einer Marke durch Drittmarken nur die Ausnahme sein kann (für alle s. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Auflage, § 9 Rdn. 198 ff.). Sie setzt in der Regel voraus, dass die Drittmarken nicht nur in das Register eingetragen sind, sondern in einem Umfang benutzt werden, der den Verkehr dazu nötigt und daran gewöhnt, wegen des Nebeneinanders mehrer ähnlicher Marken sorgfältiger auf etwaige Unterschiede zu achten und so Verwechslungen zu vermeiden. Eine Benutzung dieses Umfangs muss im Widerspruchsverfahren unstreitig sein oder amtsbekannt oder zumindest glaubhaft gemacht. Daran fehlt es hier. Dabei können die konkretisierten Behauptungen der Markeninhaberin über eine Benutzung der Marken "Burlander", "Oldenländer", "Deutschländer" und "Grünländer", die die Widersprechende nicht bestritten hat, als zutreffend unterstellt werden. Denn eine Benutzung von vier vergleichbaren Marken ist nicht dazu geeignet, die allgemeinen Wahrnehmungsgewohnheiten der hier in Rede stehenden weitesten Verkehrskreise in irgendeiner Richtung zu verändern.
Die von der Markeninhaberin vorgetragene Eintragung von über 30 Marken, die den Vergleichsmarken ähnlich sein sollen, können auch nicht als ein Indiz dafür gewertet werden, dass es der Widerspruchsmarke von Haus aus an Originalität fehlte und ihre Kennzeichnungskraft dadurch geschwächt wäre. Eine solche Annahme verlangt über die strengen Voraussetzungen hinaus, wie sie für benutzte Drittmarken gelten, zusätzlich eine wesentlich größere Anzahl eingetragener Marken, die sich im engsten Ähnlichkeitsbereich zur Widerspruchsmarke bewegen müssten (so schon BGH GRUR 1967, 246, 250 - Vitapur; in jüngerer Zeit BPatG GRUR 2002, 438, 439 - WISCHMAX/MAX - und OLG Köln GRUR-RR 2003, 71, 72 - Fioccini). Davon kann hier auch nach dem Vortrag der Inhaberin der angegriffenen Marke nicht die Rede sein. Bei einem Bestand von über eine Million Marken, die in der Bundesrepublik Deutschland Geltung haben, und jährlich über 60.000 Neuanmeldungen kann eine Gruppe von 30 Eintragungen in keiner Richtung stilbildend sein.
Bei dieser Ausgangssituation - die Waren und Dienstleistungen sind identisch oder ähnlich, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke gegebenenfalls unterdurchschnittlich - muss die angegriffene Marke zwar keinen großen, jedoch einen eindeutigen Abstand zur Widerspruchsmarke halten. Diese Anforderung wird hier nicht erfüllt, denn die angegriffene Marke kommt der Widerspruchsmarke jedenfalls klanglich verwechselbar nahe. Die wesentlichen klanglichen Merkmale beider Marken stimmen völlig mit einander überein und die wenigen Unterschiede sind dagegen unwesentlich. Die Vergleichsmarken haben dieselbe Vokalfolge und identische zweite und dritte Silben. Sie unterscheiden sich nur durch den Konsonanten in der ersten Silbe und dessen Stellung in der Buchstabenfolge. Dabei tritt der Anfangsbuchstabe "M" der Widerspruchsmarke als Labiallaut neben dem nachfolgenden Vokal "E" kaum in Erscheinung, so dass der einzige Laut, der eine Unterscheidung erlaubt, der Buchstabe "R" in der ersten Silbe der angegriffenen Marke ist. In diesem einen Punkt kann es bei den überwiegenden Übereinstimmungen jederzeit zu einem Verhören und damit zu einer Verwechslung i. S. v. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG kommen. Die Markenstelle hat daher zu Recht wegen des Widerspruchs aus der Marke 300 33 893 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet und die Beschwerde der Inhaberin dieser Marke war zurückzuweisen.
Für eine Kostenauferlegung nach § 71 Abs. 1 MarkenG besteht keine Veranlassung.
BPatG:
Beschluss v. 30.10.2006
Az: 28 W (pat) 136/05
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