Bundespatentgericht:
Beschluss vom 12. April 2007
Aktenzeichen: 15 W (pat) 359/03
(BPatG: Beschluss v. 12.04.2007, Az.: 15 W (pat) 359/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 12. April 2007 (Aktenzeichen 15 W (pat) 359/03) entschieden, dass das Patent widerrufen wird. Die Entscheidung wurde aufgrund eines Einspruchs gegen die Erteilung des Patents getroffen. Die Einsprechende argumentierte, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht neu sei und nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe. Die Einsprechende führte unter anderem auf Stand der Technik hin, der ihre Argumente unterstützen sollte. Die Patentinhaberin widersprach diesen Argumenten und betonte die Patentfähigkeit ihres Produkts.
Das Gericht stellte fest, dass der Einspruch zulässig ist und die dafür erforderlichen Tatsachen dargelegt wurden. Es wurde festgestellt, dass der Gegenstand des Streitpatents nicht patentfähig ist. Insbesondere wurde festgestellt, dass die im Patentanspruch 10 angegebene Verwendung nicht neu gegenüber dem Stand der Technik ist. Der Gegenstand des Patents wurde als nicht rechtsbeständig erachtet und das Patent wurde daher insgesamt widerrufen.
Die Patentinhaberin hatte beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrechtzuerhalten, stellte jedoch keine Hilfsanträge und nahm nicht an der mündlichen Verhandlung teil. Daher wurde das Patent insgesamt widerrufen. Auf die anderen Patentansprüche wurde nicht gesondert eingegangen, da sie im Hinblick auf den Ausgang der Entscheidung keine Rolle mehr spielten.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 12.04.2007, Az: 15 W (pat) 359/03
Tenor
Das Patent wird widerrufen.
Gründe
I.
Auf die am 15. November 1996 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichte Patentanmeldung ist das Patent 196 47 236 mit der Bezeichnung "Geschichtete Gasfiltermedien, ihre Herstellung und ihre Verwendung" erteilt worden. Die Veröffentlichung der Patenterteilung ist am 18. Juni 2003 erfolgt.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet:
"1. Geschichtete Gasfiltermedien, bestehend aus Klebstoff und Adsorbenspartikeln, dadurch gekennzeichnet, dass die Gasfiltermedien aus mindestens je einer netzartigen, flächigen Lage eines thermoplastischen Klebstoffes mit mindestens einer auf die Klebstofflage aufgestreuten und daran fixierten Schicht aus Adsorbenspartikeln bestehen."
Der erteilte, nebengeordnete Patentanspruch 6 lautet:
"6. Verfahren zum Herstellen von geschichteten Gasfiltermedien nach Anspruch 1 bis 5, dadurch gekennzeichnet, dass der thermoplastische Klebstoff mit einer Verdüsungseinrichtung auf eine relativ zur Verdüsungseinrichtung bewegte Unterlage gesprüht wird und dass die derart gebildete netzartige Lage aus klebrigem Klebstoff unmittelbar anschließend mit einer aus einer Dosiervorrichtung aufgebrachten Schicht aus Adsorbenspartikeln belegt wird."
Der erteilte, nebengeordnete Patentanspruch 10 lautet:
"10. Verwendung von geschichteten Gasfiltermedien nach Anspruch 1 bis 9 in Filtern für den Atemschutz, in Raumluftfiltern, in Lüftungsfiltern für Fahrzeuge oder in Gerätefiltern, insbesondere für Staubsauger."
Gegen die Erteilung des Patents ist mit Schriftsatz vom 17. September 2003 Einspruch erhoben worden.
Die Einsprechende führt aus, es sei unklar, wie der thermoplastische Klebstoff vernetzt sei. Im Wesentlichen macht sie geltend, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig, weil er gegenüber dem Stand der Technik nicht neu sei, zumindest jedoch nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe und weist u. a. auf folgenden Stand der Technik hin:
EP 0 818 230 A1 (D3).
Der Vertreter der Einsprechenden stellt den Antrag, das Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin hat sich zum Einspruch schriftlich geäußert. Zur mündlichen Verhandlung ist sie - ordnungsgemäß geladen - nicht erschienen und hat auf telefonische Rückfrage erklärt, den Termin nicht wahrnehmen zu wollen. In ihren Schriftsätzen hat sie im Wesentlichen ausgeführt, der einfache Aufbau mit Verzicht auf die in den Entgegenhaltungen geforderten, üblichen Trägermaterialien führe überraschend zu den erfindungsgemäßen Vorteilen und begründe die Patentfähigkeit der Anspruchsgegenstände.
Die Patentinhaberin hat schriftsätzlich den Antrag gestellt, das Patent im vollen Umfang aufrecht zu erhalten.
Wegen der übrigen, rückbezogenen Patentansprüche sowie weiterer Einzelheiten wird auf die Patentschrift und den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1. Das Bundespatentgericht bleibt auch nach Wegfall des § 147 Abs 3 PatG für die Entscheidung über die Einsprüche zuständig, die in der Zeit vom 1. Januar 2002 bis zum 30. Juni 2006 eingelegt worden sind. Es bestehen weder Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des § 147 Abs. 3 PatG (BGH v. 17. April 2007 X ZB 9/06 Tz. 26 ff. - Informationsübermittlungsverfahren I), noch berührt die Aufhebung dieser Bestimmung ihre Geltung für alle bereits tatbestandlich erfassten Fälle (BPatG 19 W (pat) 344/04 und 23 W (pat) 313/03). Nach dem allgemeinen verfahrensrechtlichen Grundsatz der perpetuatio fori (§ 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO) besteht eine einmal begründete gerichtliche Zuständigkeit vielmehr fort, solange der Gesetzgeber nichts anderes bestimmt hat (BGH v. 27. Juni 2007 X ZB 6/05 Tz. 10 - Informationsübermittlungsverfahren II).
2. Der rechtzeitig und formgerecht eingelegte Einspruch ist zulässig, denn es sind innerhalb der Einspruchsfrist die den Einspruch nach § 21 Abs. 1 PatG rechtfertigenden Tatsachen im Einzelnen dargelegt worden, so dass die Patentinhaberin und der Senat daraus abschließende Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen der geltend gemachten Widerrufsgründe ohne eigene Ermittlungen ziehen können (§ 59 Abs. 1 PatG).
3. Der Einspruch hat Erfolg, denn der Gegenstand des Streitpatents ist nicht patentfähig. Es kann dabei dahinstehen, ob bereits den geschichteten Gasfiltermedien des Patentanspruchs 1 und dem Verfahren zum Herstellen von geschichteten Gasfiltermedien gemäß Patentanspruch 6 gegenüber dem in der EP 0 818 230 A1 (D3) beschriebenen Stand der Technik jeweils die Patentfähigkeit fehlt. Jedenfalls ist die im nebengeordneten Patentanspruch 10 angegebene Verwendung gegenüber dem Inhalt dieser Entgegenhaltung nicht neu (§ 21 Abs. 1 S. 1). Das Patent war deshalb zu widerrufen (§ 61 PatG Abs. 1 S. 1).
a. Durch die Merkmale im erteilten Anspruch 1 ergänzt und mit Gliederungspunkten versehen lautet der erteilte Patentanspruch 10:
M1 Verwendung von geschichteten Gasfiltermedien, M2 bestehend aus Klebstoff und Adsorbenspartikeln, M3 wobei die Gasfiltermedien aus mindestens je einer netzartigen, flächigen Lage eines thermoplastischen Klebstoffes mit mindestens einer auf die Klebstofflage aufgestreuten und daran fixierten Schicht aus Adsorbenspartikeln bestehen M4 in Filtern M5 für den Atemschutz, in Raumluftfiltern, in Lüftungsfiltern für Fahrzeuge oder in Gerätefiltern, insbesondere für Staubsauger.
b. Die erteilten Patentansprüche 1 bis 10 sind formal zulässig, denn sie stimmen mit der am Anmeldetag eingereichten Anspruchsfassung überein.
c. Dem Patent liegt die Aufgabe zugrunde, unter Verzicht auf ein zusätzliches Träger- oder Deckmaterial Gasfiltermedien vorzuschlagen, die nur aus einem Klebstoff und Adsorbenspartikeln bestehen und über das zugehörige Herstellungsverfahren über eine wirksame Möglichkeit verfügen, um niedrigere oder höhere Packungsdichten und demgemäß niedrigere oder höhere Druckabfälle des Filtermaterials einzustellen (Patentschrift Sp. 1 Abs. [0005]).
d. Als zuständiger Fachmann ist hier ein in der Entwicklung von Gasfiltern tätiger Diplom-Chemiker anzusehen.
e. Die im Anspruch 10 in dessen Rückbezug auf den Anspruch 1 angegebene Verwendung ist nicht neu gegenüber dem in der D3 beschriebenen Stand der Technik.
In der D3 ist ein Filtermedium beschrieben, das sich gemäß Sp. 6 Zn. 5 bis 9 u. a. durch einen hohen Luftdurchsatz mit entsprechend niedrigem Strömungswiderstand auszeichnet und das u. a. zur Entfernung von Schadstoffen aus gasförmigen Medien Anwendung findet (Sp. 6 Zn. 20 bis 27). Es handelt sich also u. a. um ein Gasfiltermedium, wie es - bis auf die Angabe des geschichteten Aufbaus - im Gliederungspunkt M1 des Patentanspruchs 1 angegeben ist.
Für die Herstellung dieses Gasfiltermediums ist in Sp. 5, Zn. 11 bis 51 beschrieben, dass eine Bodenlage 14 mit Schmelzkleber S besprüht wird und dass unmittelbar danach aus einem Partikel-Behälter bzw. Sieb 26 Aktivkohle in Form von Partikeln 16 aufgerüttelt wird, so dass die Kohlepartikel 16 gut haften. Es besteht somit aus Klebstoff und Adsorbenspartikeln, wie in M2 beschrieben. Aus Z. 42 ff. geht ferner hervor, dass ein weiterer Kleberauftrag und anschließende Partikelbeschichtung durchgeführt wurde, was noch zweimal wiederholt wurde, was nichts anderes bedeutet, als dass das Gasfiltermedium geschichtet ist (M1) und aus mindestens einer flächigen Lage eines Klebstoffes mit mindestens einer Schicht aus Adsorbenspartikeln, die auf die Klebstofflage aufgestreut und daran fixiert ist, besteht (teilweise M3). Dabei kann eine flächige oder fadenförmige Verteilung des Schmelzklebers erfolgen (Sp. 4 Zn. 36 bis 44; vgl. auch Sp. 7 Zn. 19 bis 28). Die bisher beschriebene Vorgehensweise aus der D3 stimmt im Wesentlichen mit dem im Absatz [0007] angegebenen Ausführungsbeispiel überein, so dass sich zwangsläufig auch in der D3 ein Filtermedium ergibt, das aus mindestens je einer - i. S. d. Patents - netzartigen, flächigen Lage eines Klebstoffes besteht. Der Schmelzkleber S kann dabei u. a. auf Polyethylen oder Polypropylen basieren (Sp. 6, Zn. 29 bis 49), ist also ein thermoplastischer Klebstoff, so dass schließlich M3 insgesamt gegeben ist.
Dieses geschichtete Gasfiltermedium bildet - wie aus Figur 1 i. V. m. Sp. 4 Zn. 36 bis 48 hervorgeht, zusammen mit der Bodenlage 14 und einer Deckenlage 18 ein Faserfilter 10, was nichts anderes bedeutet, als dass es in Filtern verwendet wird (M4). Anwendungsgebiete dieser Filter sind u. a. der spezielle Einsatz für PKW-Innenfilter, Flugzeugkabinenfilter oder dergleichen, die u. a. auch als Staubsaugerausblasfilter in Betracht kommen (Sp. 6 Zn. 20 bis 27). Somit ist i. V. m. M1 und M4 auch die Verwendung der in M2 und M3 angegebenen Gasfiltermedien für die in M5 angegebenen Einsatzbereiche in der D3 verwirklicht.
Der Patentanspruch 10 hat deshalb keinen Bestand.
f. Die Patentinhaberin hat beantragt, das Patent in vollem Umfang aufrecht zu erhalten. Sie ist zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen und hat auch schriftsätzlich keine Hilfsanträge gestellt. Im Übrigen ergeben sich auch keine Anhaltspunkte für ein stillschweigendes Begehren einer beschränkten Fassung. Somit hat die Patentinhaberin die Aufrechterhaltung des Patents erkennbar nur im Umfang eines Anspruchssatzes beantragt, der zumindest einen nicht rechtsbeständigen Anspruch enthält. Deshalb war das Patent insgesamt zu widerrufen. Auf die übrigen Patentansprüche brauchte bei dieser Sachlage nicht gesondert eingegangen zu werden (BGH v. 27. Juni 2007 - X ZB 6/05, Informationsübermittlungsverfahren II; Fortführung von BGH v. 26. September 1996 - X ZB 18/95, GRUR 1997, 120, Elektrisches Speicherheizgerät).
Kahr Schwarz-Angele Maksymiw Zettler Bb
BPatG:
Beschluss v. 12.04.2007
Az: 15 W (pat) 359/03
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