Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 15. Oktober 2012
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 48/12
(BGH: Beschluss v. 15.10.2012, Az.: AnwZ (Brfg) 48/12)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 15. Oktober 2012 (Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 48/12) entschieden, dass der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 19. Juni 2012 abgelehnt wird. Die Kosten des Zulassungsverfahrens trägt der Kläger. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Der Kläger hatte sich gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gewandt, weil er aufgrund von Vermögensverfall darin eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden sah. Der Anwaltsgerichtshof wies die Klage ab, woraufhin der Kläger die Zulassung der Berufung beantragte.
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hatte jedoch keinen Erfolg. Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass kein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung im angefochtenen Urteil mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wurde. Der Anwaltsgerichtshof kam zu Recht aufgrund aussagekräftiger Beweisanzeichen zu dem Ergebnis, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Widerrufs seiner Zulassung zum Rechtsanwalt tatsächlich in Vermögensverfall geraten war.
Der Kläger hatte zwar einige der aufgeführten Verbindlichkeiten in Abrede gestellt, jedoch besteht auch ohne diese Forderungen eine erhebliche Höhe an offenen Verbindlichkeiten, die der Kläger nicht ausgeglichen hatte. Diese Schulden zeigen, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs in ungeordneten Vermögensverhältnissen war.
Ein weiterer Einwand des Klägers, dass er nach Erlass des Widerrufsbescheids weitere Forderungen getilgt habe, wurde als unerheblich angesehen, da solche Entwicklungen in einem gesonderten Wiederzulassungsverfahren zu berücksichtigen sind.
Da gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO grundsätzlich von einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden bei Vermögensverfall eines Rechtsanwalts ausgegangen wird, wurde auch im vorliegenden Fall keine Ausnahme begründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf den entsprechenden gesetzlichen Bestimmungen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 15.10.2012, Az: AnwZ (Brfg) 48/12
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 19. Juni 2012 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die Beklagte hat mit Bescheid vom 14. September 2011 die Zulassung des Klägers wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO) widerrufen. Dessen hierauf erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Dagegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
II.
Der nach § 112e Satz 2, § 124a Abs. 4 VwGO statthafte Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der Kläger macht der Sa-1 che nach geltend, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dies trifft nicht zu.
1. Der Zulassungsgrund nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (BVerfGE 110, 77, 83; BVerfG, NJW 2009, 3642; Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Der Anwaltsgerichtshof ist zutreffend aufgrund aussagekräftiger Beweisanzeichen zu der Überzeugung gelangt, dass der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs - ein Widerspruchsverfahren war vorliegend gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 68 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 VwGO, § 26 Abs. 5 Satz 1 AZG Berlin entbehrlich - in Vermögensverfall geraten war (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO).
a) Nach der dem Widerrufsbescheid beigefügten Forderungsaufstellung waren der Beklagten offene Forderungen verschiedener Gläubiger des Klägers in Höhe von 183.535,26 € bekannt geworden, die größtenteils im Zeitraum von 2009 bis 2011 entstanden sind. Einige der Gläubiger haben erfolglos Zwangsvollstreckungsmaßnahmen betrieben. Die aufgelisteten Verbindlichkeiten stellt der Kläger nur punktuell in Abrede. Er macht vor allem geltend, die von der Beklagten berücksichtigte Forderung seines früheren Mandaten B. in Höhe von 11.986,20 € habe nie bestanden; das insoweit gegen ihn geführte staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren sei seit geraumer Zeit eingestellt. Auch ohne Berücksichtigung dieser Forderung bestanden bei Erlass des Widerrufbescheids aber offene Verbindlichkeiten in beträchtlicher Höhe, die der Kläger (teilweise trotz Titulierung) nicht ausgeglichen hat. 3 Das gilt insbesondere für die beim Finanzamt R. aufgelaufenen Steuerrückstände, die sich nach Mitteilung der Steuerbehörde zum 17. Januar 2011 auf 72.161,83 € beliefen und zum 4. Juli 2011 auf 96.709,52 € angewachsen sind. Der Kläger macht nicht geltend, diese Steuerverbindlichkeiten bei Erlass des Widerrufsbescheids ganz oder zumindest in signifikanter Höhe zurückgeführt zu haben. Weiter ergibt sich aus im Mai/Juni 2010 abgegebenen Drittschuldnererklärungen der Sparkasse S. und der Landesbank Be. , bei denen der Kläger Kontoverbindungen unterhielt, dass diesen Kreditinstituten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse wegen Forderungen Dritter in Höhe von rund 68.000 € beziehungsweise von rund 66.000 € vorlagen. Die Sparkasse S. hat zudem wegen eigener unbeglichener Forderungen von ihrem vertraglich vereinbarten Pfandrecht an möglichen girovertraglichen Auszahlungsansprüchen des Klägers Gebrauch gemacht. Dass sich die genannten Pfändungen und Forderungen zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheids erledigt hätten, hat der Kläger nicht dargelegt. Auch im Zulassungsverfahren hat er sich mit dem pauschalen und unbelegten Hinweis begnügt, zahlreiche Verbindlichkeiten zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt und in nicht bekannter Höhe beglichen zu haben.
Die beschriebenen Schulden belegen sowohl bei einer Gesamtbetrachtung als auch jeweils für sich genommen, dass sich der Kläger zum maßgeblichen Zeitpunkt des Zulassungswiderrufs in ungeordneten Vermögensverhältnissen befand.
b) Soweit der Kläger beanstandet, zu seinen Ungunsten sei nicht berücksichtigt worden, dass er nach Erlass des Widerrufsbescheids weitere Forderungen getilgt habe, ist dieser Einwand für das vorliegende Verfahren unerheblich. Im Hinblick auf die mit Wirkung zum 1. September 2009 erfolgte Änderung des Verfahrensrechts ist eine nachträgliche Konsolidierung der wirtschaft-5 lichen Verhältnisse des betroffenen Rechtsanwalts nicht im Anfechtungsprozess über einen Zulassungswiderruf zu berücksichtigen; die Beurteilung solcher Entwicklungen ist vielmehr einem gesonderten Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.). Auf die - ohnehin nicht belegten - Angaben des Klägers zum Stand seiner derzeitigen finanziellen Verhältnisse kommt es daher nicht an.
2. Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Ihr Vorliegen wird nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden können (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschluss vom 22. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 12/11, juris Rn. 3). Denn die Annahme einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden im Falle des Vermögensverfalls des beauftragten Rechtsanwalts ist regelmäßig schon im Hinblick auf dessen Umgang mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, aaO Rn. 8 m.w.N.). Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung beim Widerruf der Zulassung des als Einzelanwalt tätigen Klägers ausnahmsweise nicht bestand, sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Der Kläger ist im Gegenteil bereits berufsrechtlich in Erscheinung getreten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
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AGH Berlin, Entscheidung vom 19.06.2012 - II AGH 19/11 - 9
BGH:
Beschluss v. 15.10.2012
Az: AnwZ (Brfg) 48/12
Link zum Urteil:
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