Brandenburgisches Oberlandesgericht:
Beschluss vom 22. August 2005
Aktenzeichen: 6 W 132/05
(Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 22.08.2005, Az.: 6 W 132/05)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Brandenburgische Oberlandesgericht hat mit Beschluss vom 22. August 2005 (Aktenzeichen 6 W 132/05) die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam zurückgewiesen. Die Klägerin muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen. Der Beschwerdewert beträgt 656,56 €.
Die Klägerin hatte im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht einen Teil ihrer Zinsforderung zurückgenommen, während die Beklagte den Klaganspruch im Übrigen anerkannte. Das Landgericht verurteilte die Beklagte daraufhin durch Anerkenntnisurteil zur Zahlung der Klageforderung nebst 2 % Zinsen und legte ihr die Kosten des Verfahrens auf.
Der Rechtspfleger des Landgerichts setzte mit Beschluss vom 6.4.2005 die von der Beklagten zu erstattenden Kosten fest, wobei er die von der Klägerin angemeldete Einigungsgebühr in Höhe von 566 € zzgl. Mehrwertsteuer nicht berücksichtigte. Gegen diesen Beschluss legte die Klägerin sofortige Beschwerde ein, da sie der Meinung war, dass die Einigungsgebühr zu Unrecht abgesetzt wurde.
Das zuständige Landgericht lehnte die Beschwerde ab und legte sie dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vor. Das Oberlandesgericht erklärte die Beschwerde für zulässig, aber nicht begründet. Die Einigungsgebühr sei zu Recht abgelehnt worden, da sie nur entstehe, wenn die Parteien einen vom Gericht protokollierten Vergleich abschließen. Im vorliegenden Fall sei jedoch kein solcher Vergleich geschlossen worden.
Das Gericht stellte klar, dass eine Festsetzung der von der unterlegenen Partei zu erstattenden Kosten klare Berechnungsgrundlagen erfordere. Eine Einigung der Parteien, die nicht zur Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs führe, könne oft nicht eindeutig als Vergleich gewertet werden. Es sei nicht Aufgabe des Rechtspflegers, diese Frage im Kostenfestsetzungsverfahren aufzuklären.
Wenn die Parteien eine Vergleichsgebühr festsetzen lassen möchten, müssen sie einen protokollierten Vollstreckungstitel abschließen. Dies gelte auch dann, wenn im Einzelfall die Feststellung eines vertraglichen Konsenses der Parteien ohne Schwierigkeiten möglich sei. Das Gericht verwies dabei auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs zu ähnlichen Fällen.
Das Gericht betonte, dass es bekannt sei, dass Parteien den Weg der Teilklagerücknahme und des Anerkenntnisses der verbleibenden Klageforderung wählen, um die anwaltlichen Kosten gering zu halten. Dies sei jedoch keine ausreichende Grundlage, um eine Vergleichsgebühr geltend zu machen. Die Klägerin habe den Grund für diesen Vorgehensweise im Kostenfestsetzungsverfahren "vergessen" und sich daher treuwidrig verhalten. Das Gericht stützte sich bei seiner Entscheidung auf klare Vorgaben des Bundesgerichtshofs zum Erstattungsanspruch von Vergleichsgebühren.
Die Kostenentscheidung beruht auf den geltenden Gesetzen und die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, da die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
Brandenburgisches OLG: Beschluss v. 22.08.2005, Az: 6 W 132/05
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Potsdam vom 6.4.2005 € 10 O 452/04 € wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt 656,56 €.
Gründe
I. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht nahm die Klägerin einen Teil ihrer Zinsforderung zurück, die Beklagte erkannte den Klaganspruch im Übrigen an. Das Landgericht hat die Beklagte durch Anerkenntnisurteil verurteilt, die mit der Klageforderung geltend gemachte Forderung nebst 2 % Zinsen zu zahlen, und ihr die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Der Rechtspfleger des Landgerichts hat mit Beschluss vom 6.4.2005 die von der Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten festgesetzt und dabei die von der Klägerin zur Festsetzung angemeldete 1,0 Einigungsgebühr gemäß VV RVG 1000, 1003 in Höhe von 566 € zzgl. Mehrwertsteuer unberücksichtigt gelassen.
Gegen diesen Beschluss, der ihr am 7.4.2005 zugestellt worden ist, wendet sich die Klägerin mit ihrer am 19.4.2005 bei Gericht eingegangenen sofortigen Beschwerde, mit der sie geltend macht, die Einigungsgebühr sei zu Unrecht abgesetzt worden.
Der zuständige Rechtspfleger hat mit Beschluss vom 13.6.2005 dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und ihn dem Brandenburgischen Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde ist gemäß den §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3, 567 Abs. 1 und 2, 569 Abs. 1 ZPO zulässig.
Die sofortige Beschwerde ist jedoch nicht begründet. Zu Recht hat der Rechtspfleger des Landgerichts die Festsetzung der Einigungsgebühr gemäß VV RVG 1000, 1003 abgelehnt. Diese Gebühr ist nicht entstanden. Diese Gebühr setzt - wie die Vorgängervorschrift des § 23 BRAGO - voraus, dass die Parteien einen vom Gericht protokollierten Vergleich abschließen.
Zwar wird in der kostenrechtlichen Literatur unter Bezugnahme auf ältere Rechtsprechung immer noch die Auffassung vertreten, ein Anerkenntnis der Klageforderung nach Teilklagerücknahme könne die Einigungsgebühr auslösen (so z. B. Hartmann, Kostengesetze, 35. Aufl. 2005, 1000 VV Rn 9 m. w. N.). Jedoch ist die gegenteilige Auffassung für die Vergleichsgebühr gemäß § 23 BRAGO schon vor längerer Zeit höchstrichterlich bestätigt worden (BGH NJW 2002, 3713), auch wenn diese Entscheidung offenbar noch nicht allseits bekannt ist (anders ist die Entscheidung OLG Naumburg, Beschluss vom 23.3.2004, 12 W 22/04, zitiert nach Juris, nicht zu erklären).
Die Festsetzung der von der unterlegenen an die obsiegende Partei zu erstattenden Kosten erfordert klare, praktikable Berechnungsgrundlagen. Bei einer Streitbeilegung der hier in Rede stehenden Art, bei der es nicht zur Protokollierung eines gerichtlichen Vergleichs kommt, sondern die durch einseitige Prozesshandlungen der Parteien erreicht wird, ist oft nicht klar, ob die Handlung auf einem Konsens der Parteien beruht und ob damit darin auch materiell-rechtlich ein Vergleich liegt oder nicht. Es ist nicht Aufgabe des Rechtspflegers, im Kostenfestsetzungsverfahren diese Frage aufzuklären.
Wollen die Parteien im Kostenfestsetzungsverfahren eine Vergleichsgebühr festsetzen lassen, müssen sie einen als Vollstreckungstitel tauglichen Vergleich protokollieren lassen. Dies gilt auch dann, wenn im Einzelfall die Feststellung eines vertraglichen Konsenses der Parteien, der materiell-rechtlich die Begriffsmerkmale eines Vergleichs i. S. des § 779 BGB erfüllt, ohne Schwierigkeiten möglich ist (BGH NJW 2002, 3713, 2714).
Nichts anderes gilt nach neuem Recht. Wie § 23 BRAGO nimmt auch VV RVG 1000 auf § 779 BGB Bezug und verzichtet lediglich auf das Tatbestandsmerkmal des "gegenseitigen Nachgebens". Danach ist jedoch ebenfalls ein Vertragsabschluss erforderlich, dessen Existenz im Rahmen der Kostenfestsetzung geprüft werden muss. Ohne Schwierigkeiten kann eine Einigung bejaht werden, wenn ein Vergleich gerichtlich protokolliert wird. Gelangt die - anwaltlich beratene - Partei ohne förmlichen Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs zu einem Vollstreckungstitel, ist der Nachweis einer Einigung im Einzelfall schwierig. Deshalb gelten auch hier die vom Bundesgerichtshof zur Vergleichsgebühr entwickelten Grundsätze. Danach kann im Kostenfestsetzungsverfahren vom Kostengläubiger nicht geltend gemacht werden, eigentlich hätten die Parteien einen Vergleich abgeschlossen, obwohl das Gericht einen Vergleich nicht protokolliert hat.
Es ist gerichtsbekannt, dass Parteien den Weg der Teilklagerücknahme und des Anerkenntnisses der verbleibenden Klageforderung wählen und gerade keinen gerichtlichen Vergleich abschließen, um die anwaltlichen Kosten gering zu halten. Die Gerichtskosten ermäßigen sich im einen wie im anderen Fall von drei auf eine Gebühr (KV GKG Nr. 1211). Der einzige Grund, weshalb also Teilklagerücknahme und Anerkenntnis erklärt werden und kein Vergleich geschlossen wird, ist die Ersparnis der Vergleichs- bzw. Einigungsgebühr. Die Partei, die diesen Grund im Kostenfestsetzungsverfahren "vergisst", verhält sich treuwidrig. Es bedarf jedoch angesichts der klaren Entscheidung des Bundesgerichtshofs zur Frage, wann die Vergleichsgebühr erstattungsfähig ist, weder eines Rückgriffs auf den Grundsatz von Treu und Glauben noch auf die Konstruktion eines Verzichtsvertrages (so aber OLG Stuttgart, Beschluss vom 24.3.2005, 8 W 112/2005, zitiert nach Juris).
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Festsetzung des Beschwerdewertes beruht auf den §§ 47 Abs. 1 GKG n. F., 3 ZPO.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
Brandenburgisches OLG:
Beschluss v. 22.08.2005
Az: 6 W 132/05
Link zum Urteil:
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