Oberlandesgericht Köln:
Urteil vom 18. November 1994
Aktenzeichen: 6 U 79/94
(OLG Köln: Urteil v. 18.11.1994, Az.: 6 U 79/94)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Berufung der Beklagten wurde vom Oberlandesgericht Köln als unbegründet abgewiesen. Die Beklagte hatte mit einer Werbung für Möbel geworben, bei der Preise von unter 1000 DM mit einem Sternchen versehen waren. Die Auflösung zu diesem Sternchen befand sich jedoch in einer Abbildung eines anderen Möbelstücks und war nicht ausreichend deutlich. Der Kläger, ein Verband zur Bekämpfung von Wettbewerbsverstößen, hat die Werbung der Beklagten wegen Irreführung beanstandet. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass die Werbung tatsächlich irreführend ist, da ein nicht unbeachtlicher Teil der Verbraucher annimmt, dass die Möbel zu den ausgewiesenen Preisen geliefert werden, obwohl die Beklagte zusätzliche Lieferkosten erhebt, wenn der Auftragswert unter 1000 DM liegt. Die Irreführung ist relevant, da sie den Verbraucher bei seiner Kaufentscheidung beeinflussen kann. Die Beklagte hat damit unlauteren Wettbewerb betrieben. Das Gericht verurteilte die Beklagte dazu, die Werbung zu unterlassen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens wurden der Beklagten auferlegt. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Köln: Urteil v. 18.11.1994, Az: 6 U 79/94
1. Für die Klagebefugnis eines Verbandes i.S. von § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist entscheidend darauf abzustellen, ob es sich bei seinen Mitgliedern um eine für das Wettbewerbsgeschehen repräsentative Anzahl von Mitbewerbern hinsichtlich der betreffenden Branche handelt, wobei unerheblich ist, ob die Mitglieder unmittelbare Verbandsangehörige sind oder nur mittelbar über die Zugehörigkeit von anderen Verbänden oder Vereinigungen dem Wettbewerbsverband zuzurechnen sind. 2. Relevant irreführend ist eine Preisstellungswerbung für Möbel, die in ihrer konkreten Gestaltung nicht hinreichend deutlich werden läßt, daß beim Erwerb eines Möbelstücks zum Preise von unter DM 1000,-- (anders als bei teureren Stücken) die Kosten der Anlieferung dem Kunden zusätzlich berechnet werden.
Tatbestand
Bei dem Kläger handelt es sich um einen gerichtsbekannten
Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört,
Wettbewerbsverstöße - gegebenenfalls unter Inanspruchnahme
gerichtlicher Hilfe - zu bekämpfen und zu unterbinden. Die Beklagte
betreibt bundesweit Möbelhäuser, unter anderem auch in K.
Am 11. August 1993 brachte die Beklagte als Beilage zum K. einen
Werbeprospekt, in dem unter anderem Polstermöbel vorgestellt wurden
(vgl. dazu den Original-Prospekt auf Bl. 9 des diesem Verfahren
vorangegangenen einstweiligen Verfügungsverfahrens 31 O 561/93 LG
Köln). Die 11. und 12. Innenseite dieser Beilagenwerbung
entsprechen der im Urteilstenor wiedergegebenen Farbkopie. Die
Preise der auf diesen Seiten angekündigten Polstermöbel befinden
sich in einem Kästchen und sind - soweit sie unter 1.000,-- DM
liegen - jeweils mit einem Sternchen versehen. Die Erläuterung zu
diesen Sternchen ist oberhalb dieses Kastens im Rahmen der
Abbildung der Sofa-Schlafecke A. angebracht und lautet wie
folgt:
,* Lieferung frei Haus ab DM 1.000,-im gesamten
M.-Wirtschaftsraum."
Der Kläger hat die im Urteilstenor wiedergegebene Werbung der
Beklagten gemäß § 3 UWG beanstandet. Er hat geltend gemacht, bei
den dort abgebildeten Waren handele es sich nicht um typische
Mitnahmemöbel; auch seien die Preise nicht als ,Abholpreise"
angegeben. Der Endverbraucher erwarte deshalb, daß ihm zum Beispiel
das Q.-Sofa B. zum angegebenen Preis in Höhe von 865,-- DM von der
Beklagten angeliefert wird. Tatsächlich liefere jedoch die Beklagte
,frei Haus" nur ab einem Auftragswert in Höhe von 1.000,-DM. Dies
erfahre aber der Endverbraucher nur, wenn er die gesamte
zweiseitige Werbung bis ins Detail durchlese, denn der Hinweis,
wonach die Lieferung frei Haus erst ab 1.000,- DM Auftragswert
erfolge, befinde sich allein im Rahmen der Abbildung der
Sofa-Schlafecke A. Interessiere sich aber der Endverbraucher nicht
für diese Schlafecke, sondern für ein anderes auf den in Rede
stehenden Seiten angebotenen Möbelstück, so erfahre er hiervon
nichts. Soweit hinter einzelnen Preisangaben ein ,Sternchenhinweis"
angebracht sei, suche der Endverbraucher die dazu gehörige
,Aufklärung" nicht im Rahmen eines ganz anderen Angebots, welches
ihn überhaupt nicht interessiere. Der Endverbraucher werde deshalb
in relevanter Weise irregeführt, wenn er für die Lieferung des zum
Beispiel von ihm ausgesuchten Einzelelements B. noch weitere Kosten
aufbringen müsse.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines vom Gericht
für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes
bis zur Höhe von 500.000,-DM zu unterlassen, in der an den
Endverbraucher gerichteten Werbung, wie nachstehend wiedergegeben,
Möbel unter einer Preisangabe anzukündigen, wenn bei Möbeln im
Auftragswert unter 1.000,-- DM ein Mehrpreis für Lieferung
berechnet wird:
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat behauptet, eine unrichtige Preisvorstellung könne durch
die beanstandete Werbung beim Endverbraucher nicht hervorgerufen
werden, denn der Aufklärungshinweis zu den Sternchen neben den
Preisen finde sich im unmittelbaren räumlichen Zusammenhang und im
gleichen Blickfeld sofort über der Preistabelle. Derjenige, der die
Preistabelle sehe, der die Preise lese und das Sternchen hinter
einzelnen Preisen bemerke, könne den Aufklärungshinweis nicht
übersehen. Dies gelte auch dann, wenn sich der Betrachter zuvor zum
Beispiel die Abbildung des Möbelstücks ,G." angesehen habe, denn
dort finde er keinen Preis. Die Preise seien vielmehr zu einer
geschlossenen Gesamttabelle zusammengefaßt, zu der wiederum die
Erläuterung dazugehöre, auf die das jeweilige Sternchen
hinweise.
Das Landgericht hat die Akte des in derselben Sache geführten
einstweiligen Verfügungsverfahrens 31 O 561/93 LG Köln zur
Information beigezogen.
Durch Urteil vom 24. Februar 1994, auf das Bezug genommen wird,
hat das Landgericht die Beklagte antragsgemäß verurteilt, wobei das
Urteil in seiner Begründung den Rechtsansichten des Klägers
folgt.
Gegen dieses ihr am 8. März 1994 zugestellte Urteil hat die
Beklagte am 24. März 1994 Berufung eingelegt und diese - nach
entsprechender Fristverlängerung - rechtzeitig am 25. Mai 1994
begründet.
Die Beklagte wiederholt und vertieft in erster Linie ihr
erstinstanzliches Vorbringen. Sie ist der Ansicht, eine
Irreführung, wie sie das Landgericht Köln im angefochtenen Urteil
annehme, sei nicht gegeben. Schon die Annahme des Landgerichts, daß
der Verkehr bei Waren der hier beworbenen Art wegen deren Volumen
und Gewicht grundsätzlich die Anlieferung erwarte, treffe heute
nicht mehr zu. Die Betrachtung von Prospekten der in Rede stehenden
Branche zeige vielmehr, daß in der Regel nur noch mit Abholpreisen
auch bei großvolumigen Einrichtungsgegenständen geworben werde. Von
einer derartigen Werbung habe sie - die Beklagte - abgesehen, weil
der Verkehr bei einer Werbung mit Abholpreisen erwarte, daß er die
Ware direkt mitnehmen könne, obwohl dies in der Regel - sofern es
sich nicht um einen reinen Abholmarkt handele - nicht der Fall sei.
Da sie - die Beklagte - bei der Anlieferung von
Einrichtungsgegenständen unter einem Auftragswert von 1.000,-- DM
eine Kostenpauschale von 40,-- DM verlange, habe sie den Hinweis
,Lieferung frei Haus ab DM 1.000,-- Auftragswert im gesamten
M.-Wirtschaftsraum." in ihre Werbung aufgenommen.
Zu übersehen sei dieser Hinweis auch auf der Seite
,Funktions-Polster" im mehrseitigen, farbigen Originalprospekt
nicht. Anhand der Schwarz-Weiß-Kopie, die in der Klageschrift und
in das Urteil einkopiert worden sei, lasse sich kein realistisches
Bild gewinnen.
Die Annahme des Landgerichts, daß der Betrachter der
beanstandeten Werbung die Erläuterung des Sternchens im
Preisangabe-Kasten oder unmittelbar unterhalb desselben erwarte,
sei nicht nachvollziehbar. Sie widerspreche auch den späteren
Ausführungen des Landgerichts. In dem Kasten mit den Preisangaben
sei kein Platz für diese eingehende Erläuterung. Wäre der
Preisangabe-Kasten vergrößert worden, wäre die
Sternchen-Erläuterung genau so nah bzw. genau so weit von den
Preisangaben mit den Sternchen entfernt, wie es im
streitgegenständlichen Prospekt der Fall sei. So aber würden auf
einen Blick des Lesers das Sternchen und seine Auflösung erfaßt.
Zudem falle die schwarze Schrift auf der Abbildung des braunen T.
oberhalb des Preisangabekastens ins Auge, und zwar eher als eine
schwarze Schrift auf grauem Grund in Verbindung mit den zahlreichen
Angaben von Preisen und Programmnamen. Unterhalb des
Preisangabe-Kastens wäre die Anbringung der Sternchen-Erläuterung
in das Bild des Q. B. gelaufen, also ebenfalls in die Abbildung
eines bestimmten Möbelstücks.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Berufungsvorbringens der
Beklagten wird auf die Schriftsätze der Beklagten vom 25. Mai 1994
und 14. Juli 1994 nebst den dazu überreichten Anlagen
verwiesen.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils der 1. Kammer für
Handelssachen des Landgerichts Köln vom 24. Februar 1994 - 81 O
201/93 - die Klage abzuweisen,
ihr - der Beklagten - als Gläubigerin Sicherheitsleistung, auch
durch selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik
Deutschland ansässigen Großbank oder öffentlichrechtlichen
Sparkasse, zu gestatten,
hilfsweise ihr für den Fall des teilweisen oder vollständigen
Unterliegens nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung, auch durch selbstschuldnerische Bürgschaft
einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Großbank oder
öffentlichrechtlichen Sparkasse abzuwenden.
Der Kläger beantragt,
die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß
bei der Einblendung der konkreten Verletzungsform eine farbige
Seite des angegriffenen Prospektes aufgenommen wird; hilfsweise,
ihm - dem Kläger - nachzulassen, die Zwangsvollstreckung durch
Sicherheitsleistung abzuwenden, die auch in Form der
selbstschuldnerischen Bürgschaft einer deutschen Großbank und/oder
öffentlichrechtlichen Sparkasse erbracht werden kann.
Auch der Kläger wiederholt und vertieft seinen Vortrag aus der
ersten Instanz. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens des Klägers
wird auf die Berufungserwiderungsschrift vom 22. Juni 1994 und den
Schriftsatz vom 20. Juli 1994 Bezug genommen.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet.
Der Kläger nimmt die Beklagte mit Erfolg auf Unterlassung der im
Tenor dieses Urteils als Farbkopie wiedergegebenen Werbung in
Anspruch.
Bedenken gegenüber der Zulässigkeit des Unterlassungsbegehrens
bestehen nicht, auch nicht im Hinblick auf die Klagebefugnis des
Klägers gemäß § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG n.F..
Die Neufassung des § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG mit Wirkung zum 1.
August 1994 hat nach Auffassung des Senats nichts an der
Doppelnatur dieser Vorschrift geändert, wie auch die amtliche
Begründung zu § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG n.F. (abgedruckt in WRP
1994/369 f., 378) bestätigt. Wie die frühere Fassung der Vorschrift
(vgl. dazu BGH GRUR 1991/684 f. ,Verbandsausstattung" m.w.N.)
regelt auch § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG n.F. sowohl die in jeder Lage
des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Prozeßvoraussetzung der
Prozeßführungsbefugnis als auch die Aktivlegitimation der in dieser
Vorschrift angesprochenen Verbände. Nach den für die Feststellung
der Prozeßvoraussetzungen maßgeblichen Grundsätzen des
Freibeweisverfahrens ist aber die Befugnis des Klägers zur
Geltendmachung des streitgegenständlichen Unterlassungsanspruchs
auch nach den ab dem 1. August 1994 geltenden Anforderungen des §
13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG zu bejahen. Daß der Kläger nach seiner
personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung imstande ist,
seine satzungsgemäßen Aufgaben der Verfolgung gewerblicher
Interessen tatsächlich wahrzunehmen, ist dem Senat aufgrund der
jahrzehntelangen gerichtlichen Tätigkeit des Vereins in
Wettbewerbssachen bekannt und wird daher zu Recht von der Beklagten
nicht in Frage gestellt. Wie von § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG n.F.
weiterhin gefordert, gehören dem Kläger auch eine erhebliche Zahl
von Gewerbetreibenden an, die Waren oder gewerbliche Leistungen
gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt wie die Beklagte
vertreiben. Hierbei ist nach der amtlichen Begründung zu § 13 Abs.
2 Ziffer 2 UWG n.F. nicht maßgeblich, ob dem Kläger eine bestimmte
Anzahl dieser Mitglieder angehören (vgl. die amtliche Begründung
a.a.O.). Entscheidend ist vielmehr, ob es sich bei diesen
Mitgliedern um eine für das Wettbewerbsgeschehen auf dem Markt
repräsentative Anzahl von Mitbewerbern aus der betroffenen Branche
handelt, wobei unerheblich ist, ob die Mitglieder unmittelbare
Verbandsangehörige sind oder nur mittelbar durch die Zugehörigkeit
von Verbänden oder Vereinigungen zu dem Wettbewerbsverband erfaßt
werden (vgl. die amtliche Begründung, abgedruckt in WRP 1994/378).
Da dem Kläger nach dessen überzeugenden (und von der Beklagten
gleichfalls nicht bestrittenen) Angaben im Berufungstermin (vgl.
Bl. 97 d.A.) unter anderem der Einzelhandelsverband K., in dem auch
Möbelhändler Mitglieder sind, der Deutsche Verband des Möbelhandels
e.V. sowie eine Reihe namhafter Möbelhändler in K. als Mitglieder
angehören, bestehen danach keine Bedenken, daß dem in Rede
stehenden Erfordernis des § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG n.F. damit
Genüge getan ist.
Ob die in § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG n.F. darüber hinaus verlangte
Eignung der beanstandeten Handlung zur wesentlichen
Beeinträchtigung des Wettbewerbs auf dem steitgegenständlichen
Markt Voraussetzung der Klagebefugnis ist oder - wie in der
amtlichen Begründung zu dieser Vorschrift angeführt (vgl. WRP
1994/378) - die Begründetheit des Anspruchs, somit die
Aktivlegitimation betrifft, bedarf im Streitfall keiner
Entscheidung. Wie nachstehend bei Prüfung der Begründetheit der
Klage erörtert, ist der Tatbestand des § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG
n.F. auch insoweit erfüllt und die Prozeßführungsbefugnis des
Klägers selbst dann zu bejahen, wenn das Merkmal der wesentlichen
Wettbewerbsbeeinträchtigung Tatbestandsmerkmal dieser
Prozeßvoraussetzung ist.
Die Klage ist gemäß §§ 3, 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG aber ebenfalls
begründet.
Die beanstandete Werbung ist irreführend im Sinne von § 3 UWG,
denn ein nicht unbeachtlicher Teil der angesprochenen
Verkehrskreise wird danach annehmen, die Beklagte liefere sämtliche
in der Werbung vorgestellten Möbel zu den ausgewiesenen Preisen,
also auch dann, wenn es nur um die Lieferung eines Möbelstücks
geht, dessen Preis unter 1.000,-- DM liegt; tatsächlich berechnet
aber die Beklagte Kosten für die Anlieferung, sofern der
Auftragswert nicht 1.000,-- DM überschreitet.
Dies können die Mitglieder des Senats, die ebenso wie die
Mitglieder der Kammer des Landgerichts zu den von der Werbung der
Beklagten angesprochenen Verbrauchern gehören, aus eigener
Sachkunde und Erfahrung feststellen.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein herkömmliches
Möbelhaus, nicht um einen sogenannten Abholmarkt für Möbel. Wenn
daher die Beklagte - wie in der streitgegenständlichen Werbung
geschehen - großvolumige schwere Möbel wie S, ,Q.S." und ,Sch."
anbietet, erwartet grundsätzlich der Verbraucher, daß ihm diese
Möbel zu dem beworbenen Preisen ohne zusätzliche Kosten geliefert
werden; er wird somit die Preise als sogenannte Lieferpreise
verstehen.
Ohne Erfolg wendet die Beklagte hiergegen ein, es sei heute
nicht mehr zutreffend, daß der Verkehr bei Möbeln der in Rede
stehenden Art wegen deren Volumen und Gewicht grundsätzlich die
Anlieferung erwarte. Vielmehr würde auch bei großvolumigen
Einrichtungsgegenständen in der Regel nur noch mit Abholpreisen
geworben. Abgesehen davon, daß auch die Beklagte danach ersichtlich
nicht behauptet, sämtliche Verbraucher verstünden Preise für Möbel,
wie sie im Steitfall beworben werden, stets als sogenannte
Abholpreise, entspricht diese Behauptung der Beklagten weder der
Erfahrung der Mitglieder des Senats und der Kammer des Landgerichts
als Teil der angesprochenen Verbraucherkreise, noch wird diese
Behauptung durch die von der Beklagten zu den Akten gereichten
Prospekten von Wettbewerbern der Beklagten bestätigt. Diesen
Prospekten ist zwar zu entnehmen, daß in der Möbelbranche vermehrt
großvolumige Einrichtungsgegenstände zu sogenannten Abholpreisen
angeboten werden. Hierauf wird aber in den Prospekten jeweils
ausdrücklich hingewiesen, was bekräftigt, daß die Verbraucher ohne
entsprechenden Hinweis des Werbenden grundsätzlich von einer
Anlieferung dieser Möbel ohne zusätzliche Kosten ausgehen. Einer
derartigen Verbrauchererwartung entspricht im übrigen auch die von
der Beklagten selbst in dem beanstandeten Prospekt praktizierte
Verfahrensweise. In diesem Prospekt werden nämlich nur diejenigen
Preise mit einer ,SternchenErläuterung" versehen, die unterhalb
1.000,-- DM liegen und bei denen somit Lieferungskosten anfallen,
wenn der Verbraucher nicht durch einen weiteren Kauf den
Auftragswert von 1.000,-- DM überschreitet. Preise über 1.000,-- DM
werden dagegen nicht mit einer derartigen ,SternchenErläuterung"
versehen, was darauf hindeutet, daß der Verbraucher auch nach
Verständnis der Beklagten ohne einen gegenteiligen Hinweis
grundsätzlich von einer Anlieferung der in Rede stehenden Möbel
ohne zusätzliche Lieferkosten ausgeht.
Im Streitfall ist jedoch der Hinweis auf die bei einem
Auftragswert unter 1.000,-- DM für die Lieferung frei Haus
zusätzlich verlangten Kosten in der beanstandeten Werbung nicht
hinreichend deutlich, so daß insoweit die Gefahr einer Irreführung
der Verbraucher besteht.
Zwar sind alle Preise unter 1.000,-- DM mit einem Sternchen
versehen; die ,Auflösung" zu diesen Sternchen ist auch in
räumlicher Nähe zu dem Kasten angebracht, in dem sämtliche Preise
der vorgestellten Möbel tabellarisch zusammengefaßt sind. Schon
wegen ihrer Plazierung innerhalb der Abbildung für das Möbelstück
A. erscheint jedoch die Auflösung trotz dieser Nähe zu den Preisen
nicht als Bestandteil bzw. als Erläuterung zu der Preistabelle.
Diese Zuordnung des Hinweises auf die Lieferkosten zu der Abbildung
von ,A." durch die Plazierung des Hinweises in die Abbildung des T.
von ,A." wird aus der Sicht des Betrachters zusätzlich noch dadurch
verstärkt, daß das Braun des T., das den Hintergrund dieses
Hinweises darstellt, einen starken Kontrast zu dem hellgrauen
Untergrund des Kastens mit Preistabelle bildet und dergestalt die
Abbildung ,A." mit all ihren Bestandteilen optisch deutlich von der
Preistabelle trennt. Hinzu kommt, daß der Hinweis mit der
Erläuterung zu den Sternchen im Verhältnis zu dem sonstigen Text
der beanstandeten Werbung und insbesondere auch zu den Preisen in
sehr viel kleinerer und dünnerer Schrift gehalten ist und auch
insoweit vom Betrachter nicht als zur Preistabelle gehörender
Bestandteil empfunden wird.
Der Verbraucher, der sich zum Beispiel für den Sessel ,G." oder
für das Schlafsofa ,B." interessiert und seinen Blick auf die
oberhalb der Abbildung dieser Möbel angebrachten Preistabelle
richtet, wird angesichts der dargestellten optischen und farblichen
Gestaltung der Werbung zumal bei der üblichen flüchtigen
Betrachtungsweise derartiger Prospekte nicht stets zugleich die
darüber in der Abbildung für ,A." befindliche Erläuterung zu den
Sternchen erfassen. Zudem besteht wegen der aufgezeigten Gestaltung
der Werbung die Gefahr, daß der Verbraucher selbst dann nicht über
die Lieferkosten bei einem Auftragswert unter 1.000,-- DM
aufgeklärt wird, wenn er nach Wahrnehmung der Sternchen neben den
Preisen nach der Auflösung zu diesen Sternchen sucht. Es liegt auf
der Hand, daß er diese Auflösung in oder unmittelbar neben der
Preistabelle und allenfalls noch in der Abbildung bzw. in dem Text
für den Sessel ,G." bzw. für das Sofa ,B." vermutet und deshalb
zunächst nur dort suchen wird, nicht aber in einer optisch davon
deutlich abgesetzten Abbildung eines Möbels, für das er sich nicht
interessiert (und dessen Preis im übrigen auch keine Sternchen
aufweisen). Da jedoch ,Sternchen-Erläuterungen" in der Werbung mit
vielfältiger Bedeutung eingesetzt werden, im Streitfall zum
Beispiel das Sternchen aus der Sicht der Verbraucher ohne weiteres
nur eine nähere Erläuterung zur Art der Polsterung oder der Art der
Bezugsstoffe für die angeführten Preisklassen enthalten könnte,
also nicht notwendigerweise preiserhöhende Angaben, wie es
tatsächlich der Fall ist, besteht die Gefahr, daß der
durchschnittliche Verbraucher, der solche ,alltägliche" Werbung
regelämßig ohne langes überlegen nach ihrem ersten Eindruck
beurteilt, wenn er die ,Auflösung" zu den Sternchen nicht gleich
findet, annimmt, daß es sich bei den Erläuterungen zu diesen
Sternchen um weniger wichtige Angaben handelt, und sich damit
zufriedengibt und nicht weiter sucht, weil er - zu Recht -
erwartet, daß preiserhöhende Informationen nicht an versteckter
Stelle angebracht werden.
Nach alledem ist der Senat davon überzeugt, daß zumindest ein
nicht unbeachtlicher Teil der von der Beklagten umworbenen
Verbraucher durch die beanstandete Werbung irregeführt wird, weil
diese Verbraucher unrichtig annehmen, die Möbelstücke ,B.", ,G."
oder ,E." würden ihnen in sämtlichen ausgewiesenen Preisklassen zu
den in der Werbung genannten Preisen geliefert.
Diese Irreführung ist relevant im Sinne von § 3 UWG, denn sie
ist geeignet, den Verbraucher bei seiner Kaufentscheidung irgendwie
zu beeinflussen. Auch dies können die Mitglieder des Senats als
Teil der angesprochenen Verbraucher aus eigener Sachkunde und
Erfahrung beurteilen.
Die zusätzlichen Lieferkosten von 40,-- DM bei einem
Auftragswert unter 1.000,-- DM fallen gerade bei den
niedrigpreisigeren Einrichtungsgegenständen der Werbung an, für die
sich in erster Linie Verbraucher mit einem geringen Einkommen
interessieren werden. Für diese Verbraucher stellen aber
zusätzliche Kosten von 40,-- DM zu den in der Tabelle angeführten
Preisen keinen zu vernachlässigenden Betrag dar, sondern sind ein
Posten, der bei der Entscheidung, sich dem Angebot der Beklagten
zuzuwenden oder ein Konkurrenzprodukt vorzuziehen, durchaus
Bedeutung erlangen kann. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich
diese Verbraucher für den beabsichtigten Kauf ein bestimmtes
Preislimit gesetzt habe, das bei Einbeziehung der Lieferkosten von
40,-- DM überschritten wird.
Da der Beklagten zudem zahlreiche Möglichkeiten offen stehen,
den Verbraucher in ausreichend deutlicher Weise auf etwaige
zusätzliche Lieferkosten hinzuweisen, steht auch die im Rahmen des
§ 3 UWG gebotene Abwägung der Interessen des Klägers an der
Unterbindung der beanstandeten Werbung und des Interesses der
Beklagten am Beibehalten dieser Werbung dem danach aus § 3 UWG
begründeten Klagebegehren nicht entgegen.
Daß die Beklagte bereits in der Vergangenheit mit
,Sternchen-Erläuterungen" zu Lieferkosten bei einem Auftragswert
unter 1.000,-- DM geworben hat, ist unerheblich. Eine Verwirkung
des Unterlassungsanspruchs des Klägers, auf die sich im übrigen die
Beklagte auch nicht ausdrücklich berufen hat, scheitert schon
daran, daß - wie die von der Beklagten vorgelegten Prospekte zeigen
- diese frühere Werbung in sehr unterschiedlicher Weise gestaltet
ist. Zudem geht es bei dem Unterlassungsanspruch aus § 3 UWG um die
Wahrung von Allgemeininteressen, so daß auch aus diesem Grund eine
Verwirkung im Streitfallnicht in Betracht kommt (vgl.
Baumbach-Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 17. Aufl., § 3 UWG Rd. 441
m.w.N.).
Schließlich ist der Kläger gemäß § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG zur
Geltendmachung des sich danach aus § 3 UWG ergebenden
Unterlassungsanspruchs aktivlegitimiert, denn der festgestellte
Verstoß der Beklagten ist geeignet, den Wettbewerb auf dem hier
streitgegenständlichen Markt wesentlich zu beeinträchtigen.
Hierbei bedarf es keiner Entscheidung, ob jedwede
Verbrauchertäuschung im Sinne von § 3 UWG als eine derartige
wesentliche Beeinträchtigung zu werten ist. Im Streitfall ist eine
derartige Beeinträchtigung schon wegen der vorstehenden Erwägungen
zur Relevanz der Irreführung zu bejahen. Bei der
streitgegenständlichen Täuschung des Verbrauchers hinsichtlich der
von ihm für die Anlieferung der beworbenen Einrichtungsgegenstände
zu zahlenden Preise geht es nicht um einen geringfügigen Wert,
sondern um einen Betrag von 40,-- DM, der aus den bereits
angeführten Gründen geeignet ist, die Kaufentscheidung der
Verbraucher zu beeinflussen. Zugleich ist die Irreführung des
Verkehrs damit geeignet, der Beklagten Wettbewerbsvorteile vor
ihren Konkurrenten zu verschaffen, die im Gegensatz zur Beklagten
die Verbraucher mit der gebotenen Deutlichkeit aufklären, wenn bei
der Anlieferung von Möbeln zusätzliche Lieferkosten anfallen. Ein
Bagatellverstoß, vergleichbar zum Beispiel der PS-Werbung, wie er
nach der amtlichen Begründung zu § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG n.F.
(vgl. WRP 1994/373, 377, 378) nicht ausreichen soll, um von einer
wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs auszugehen, liegt
damit entgegen der von der Beklagten im Berufungstermin geäußerten
Ansicht nicht vor. Vielmehr sind die Auswirkungen dieses Verstoßes
auf das Wettbewerbsgeschehen so erheblich, daß die Interessen der
Allgemeinheit aus den angeführten Gründen ernsthaft betroffen sind
(vgl. dazu die amtliche Begründung zu § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG n.F.
abgedruckt in WRP 1994/377). Die Aktivlegitimation des Klägers (und
damit zugleich dessen Klagebefugnis, sofern das Merkmal der
wesentlichen Beeinträchtigung des Wettbewerbs insoweit
Voraussetzung ist) ist danach gemäß § 13 Abs. 2 Ziffer 2 UWG n.F.
nicht zweifelhaft.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht
auf § 97 Abs. 1 ZPO. Die Abänderung des Tenors der angefochtenen
Entscheidung entsprechend dem zuletzt vom Kläger gestellten Antrag
beinhaltet keine Klageänderung und ist damit kostenrechtlich ohne
Bedeutung. Diese Abänderung stellt lediglich eine genauere
Anpassung des Unterlassungsbegehrens an die konkret beanstandete
Wettbewerbshandlung dar und verändert nicht das ursprüngliche
Rechtsschutzziel des Klägers.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht
gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Beschwer der Beklagten war gemäß
§ 546 Abs. 2 ZPO festzusetzen und entspricht dem Wert des
Unterliegens der Beklagten im Rechtsstreit.
OLG Köln:
Urteil v. 18.11.1994
Az: 6 U 79/94
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/471dc6af9344/OLG-Koeln_Urteil_vom_18-November-1994_Az_6-U-79-94