Bundesgerichtshof:
Urteil vom 27. Oktober 2008
Aktenzeichen: II ZR 158/06
(BGH: Urteil v. 27.10.2008, Az.: II ZR 158/06)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In dieser Gerichtsentscheidung geht es um einen Rechtsstreit zwischen einer schweizerischen Aktiengesellschaft (Klägerin) und einer anderen Partei (Beklagte) wegen einer Mietvertragskündigung. Die Klägerin fordert von der Beklagten die Herausgabe eines Grundstücks sowie die Zahlung der ausstehenden Miete und Anwaltskosten. Der Fall dreht sich um die Frage, ob zwischen den beiden Parteien ein Mietvertrag besteht und ob dieser wirksam gekündigt wurde. Das streitige Grundstück war Teil eines größeren Geländes, das der Trabrennverein G.e.V. gepachtet hatte. Im Jahr 2002 wurde das Vermögen des Trabrennvereins insolvent und der Insolvenzverwalter schloss mit dem G.Rennverein (GR) Pachtverträge ab. Die Klägerin erwarb das Erbbaurecht im Juli 2004, aber die Beklagte schloss einen Nachtrag zum Pachtvertrag mit dem GR, um den Übergang des Mietvertrags auf die Klägerin zu verhindern. Die Klägerin kündigte den Mietvertrag aufgrund eines Sonderkündigungsrechts und wegen Zahlungsverzugs. Das Landgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung eines Teilbetrags der ausstehenden Miete, während die Berufung beider Parteien teilweise abgewiesen wurde. Beide Parteien legten Revision ein, aber die Revision der Beklagten hatte Erfolg und führte zur vollständigen Abweisung der Klage. Die Revision der Klägerin blieb erfolglos. In Bezug auf die Rechtsfähigkeit der Klägerin befand das Gericht, dass sie nach deutschem internationalem Privatrecht rechts- und parteifähig ist. Es gab jedoch an, dass die Klägerin nicht als Aktiengesellschaft rechtsfähig ist, sondern als offene Handelsgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts behandelt werden sollte. Das Gericht fand heraus, dass die Zustimmungserklärung der Stadt für den Erwerb des Erbbaurechts durch die Klägerin unwirksam war, da der Stadtkämmerer keine wirksame Vollmacht hatte. Daher hatte die Klägerin kein Recht auf Zahlung der Miete oder Herausgabe des Grundstücks. Die Kosten des Rechtsstreits wurden von der Klägerin getragen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Urteil v. 27.10.2008, Az: II ZR 158/06
Tenor
Auf die Revision der Beklagten und unter Zurückweisung der Revision der Klägerin wird das Urteil des 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 26. Mai 2006 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zu Lasten der Beklagten entschieden worden ist.
Auf die Berufung der Beklagten und unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wird das Urteil der 16. Zivilkammer des Landgerichts Essen vom 6. Oktober 2005 teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit drei Aktionären, von denen einer den Verwaltungsrat bildet. Sie verlangt von der Beklagten aufgrund einer Mietvertragskündigung Herausgabe eines Grundstücks und Zahlung der Miete und Erstattung von Anwaltskosten i.H.v. zusammen 42.194,95 €. Die Parteien streiten über die Rechts- und Parteifähigkeit der Klägerin sowie über die Fragen, ob zwischen ihnen ein Mietvertrag bestanden hat und ob er ggf. wirksam gekündigt worden ist.
Das streitige Grundstück ist Teil eines größeren Geländes, an dem die Stadt G. dem Trabrennverein G. e.V. ein Erbbaurecht bestellt hatte. Dieser hatte mit der Beklagten im Jahre 1978 - mit Neufassung in 1996 - einen "Pachtvertrag" über eine Teilfläche zum Zwecke der Veranstaltung von Trödelmärkten geschlossen. Am 3. Juni 2002 wurde über das Vermögen des Trabrennvereins das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Insolvenzverwalter schloss mit dem G. Rennverein (im Folgenden: GR) über das Gelände zwei Pachtverträge, denen zufolge auch die zu dem Geschäftsbetrieb gehörenden Verträge auf den GR übergehen sollten, soweit sie in einer Anlage aufgeführt waren. Der Mietvertrag mit der Beklagten war in der Anlage nicht aufgeführt. Gleichwohl vertraten sowohl der Insolvenzverwalter als auch der GR in der Folgezeit gegenüber der Beklagten die Auffassung, der mit ihr bestehende Mietvertrag sei auf den GR übergegangen. Die Beklagte stellte das in Abrede.
Mit Vertrag vom 16. Juli 2004 veräußerte der Insolvenzverwalter das Erbbaurecht an die Klägerin. Nachdem die Stadt dieser Veräußerung zugestimmt hatte - ob ordnungsgemäß vertreten, ist streitig -, wurde der Rechtsübergang am 24. September 2004 im Grundbuch eingetragen.
Offenbar um den Übergang des Mietvertrages auf die Klägerin zu verhindern, vereinbarte die Beklagte am 23. August 2004 mit dem GR - im Gegensatz zu ihrem bis dahin vertretenen Standpunkt - einen Nachtrag zu dem "Pachtvertrag" aus 1996 und schloss vorsorglich einen eigenständigen "Unterpachtvertrag" mit dem GR. Dementsprechend zahlte sie die Miete nicht an die Klägerin, sondern an den GR.
Gestützt auf das Sonderkündigungsrecht aus § 111 InsO erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 29. September 2004 die Kündigung des Mietvertrages. Mit Schreiben vom 9. Dezember 2004 erklärte sie die fristlose Kündigung wegen Zahlungsverzuges.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 19.928,12 € - das ist die Miete für die Zeit ab dem 1. November 2004 nebst MwSt - verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Auf die Berufung beider Parteien hat das Oberlandesgericht den Verurteilungsbetrag auf 17.179,41 € - das ist der Netto betrag - vermindert und die weitergehenden Rechtsmittel zurückgewiesen (OLG Hamm ZIP 2006, 1822). Dabei hat es die Revision zugelassen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, soweit es um die Frage der Anwendbarkeit der Gründungstheorie auf die Schweiz gehe.
Beide Parteien haben Revision eingelegt, die Klägerin hilfsweise auch Nichtzulassungsbeschwerde.
Gründe
Die Revision der Beklagten ist begründet und führt - im Umfang der Beschwer der Beklagten - unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur vollständigen Abweisung der Klage. Auch zugunsten der Klägerin hat das Berufungsgericht die Revision zugelassen. Eine Beschränkung der Zulassung ergibt sich weder aus dem Tenor des Urteils noch mit hinreichender Sicherheit aus den Gründen. Die Revision der Klägerin bleibt jedoch erfolglos.
I. Die Klage ist zulässig. Dabei ist für das Verfahren über die Revision der Beklagten als richtig zu unterstellen, dass die Klägerin - wie die Beklagte behauptet, das Berufungsgericht aber offen gelassen hat - ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat.
1. Die Klägerin ist in Deutschland rechts- und parteifähig.
a) Das Berufungsgericht hat dazu ausgeführt: Es könne offen bleiben, ob die Klägerin ihren Verwaltungssitz in der Schweiz oder in Deutschland habe. In jedem Fall sei sie nach deutschem internationalem Privatrecht rechtsfähig und damit auch parteifähig. Zwar gelte für sie nicht unmittelbar die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur Niederlassungsfreiheit, aus der sich ergebe, dass Gesellschaften mit Sitz in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums berechtigt seien, ihren Verwaltungssitz in einen anderen Mitgliedstaat zu verlegen, ohne deshalb nach dem Recht des Sitzstaates beurteilt zu werden. Die Schweiz sei aber hinsichtlich der Niederlassungsfreiheit schweizerischer Gesellschaften wie ein Mitgliedstaat zu behandeln. Ihr Recht sei nämlich - u.a. durch mehrere sektorielle Abkommen - dem Recht der Europäischen Union stark angenähert. Deshalb komme es auf den grundsätzlichen Streit über die Frage, ob die neuere Rechtsprechung zu den EU- und EWR-Gesellschaften auch auf Gesellschaften aus Drittstaaten auszudehnen sei, nicht an. Jedenfalls bezüglich der Schweiz sei es aus Gründen der Rechtssicherheit und -klarheit gerechtfertigt, die für EU- und EWR-Gesellschaften geltenden Grundsätze anzuwenden.
b) Dieser Begründung kann nicht gefolgt werden.
Im Verhältnis zwischen Deutschland und der Schweiz findet die sog. Gründungstheorie nach geltendem Recht keine Anwendung.
aa) Es bestehen - anders als etwa im Verhältnis zu den Staaten der Europäischen Union oder des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) - keine völkerrechtlichen Verträge, nach denen eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Verwaltungssitz in Deutschland nach dem Recht ihres Gründungsstaates zu behandeln ist.
Die Schweiz ist zwar Mitglied der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA), nicht aber auch Partei des von den übrigen EFTA-Staaten mit der Europäischen Union geschlossenen EWR-Abkommens. Deshalb sind die Regeln über die Niederlassungsfreiheit in Art. 31, 24 des EWR-Abkommens auf schweizerische Gesellschaften ebenso wenig anwendbar wie diejenigen der Art. 43, 48 EG-Vertrag.
Auch aus dem "Abkommen zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit" vom 21. Juni 1999 (ABl. EG Nr. L 114 v. 30. April 2002, S. 6 ff.) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Dieses Abkommen begründet für die Angehörigen der Vertragsstaaten Dienstleistungsfreiheit in dem jeweiligen anderen Vertragsstaat für die Dauer von 90 Arbeitstagen. Daraus ergibt sich keine - zeitlich begrenzte - Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften (Jung, NZG 2008, 681, 683, a.A. Beretta, GPR 2006, 95, 96), denn die Gesellschaften können von der Dienstleistungsfreiheit auch ohne Verlegung ihres Verwaltungssitzes Gebrauch machen. Im Übrigen hat die Klägerin ihren Verwaltungssitz nach dem als richtig zu unterstellenden Vortrag der Beklagten dauerhaft in Deutschland.
Eine Pflicht zur Anerkennung schweizerischer Gesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland lässt sich auch nicht aus dem Allgemeinen Übereinkommen über den Handel mit Dienstleistungen (GATS, BGBl 1994 II S. 1643) herleiten (MünchKommBGB/Kindler, 4. Aufl. IntGesR Rdn. 481 f.; a.A. Hoffmann in Anwaltkomm.BGB, Anh. zu § 12 EGBGB Rdn. 146 ff.). Dieses Übereinkommen, das allein eine Förderung des Handels mit Dienstleistungen bezweckt, richtet sich nur an die Mitgliedstaaten und begründet keine subjektiven Rechte der Angehörigen dieser Staaten. Eine völkerrechtsfreundliche Auslegung des nationalen Rechts (vgl. BVerfG NJW 1982, 507, 510 - Eurocontrol I; NJW 1982, 512, 514 - Eurocontrol II) im Sinne einer Gewährleistung auch der Niederlassungsfreiheit für Gesellschaften scheitert bereits daran, dass das Übereinkommen international nicht so verstanden wird (Lehmann, RIW 2004, 816 ff.; Jung, NZG 2008, 681, 683).
Auch aus Art. 6 Abs. 1, Art. 14 EMRK i.V.m. Art. 1 Abs. 1 und Art. 5 des ersten Zusatzprotokolls ergibt sich keine Pflicht Deutschlands, schweizerische Kapitalgesellschaften mit Verwaltungssitz in Deutschland als rechtsfähig anzuerkennen (Großfeld/Boin, JZ 1993, 370 f.; Ebenroth/Auer, JZ 1993, 374 f.; a.A. Meilike, RIW 1992, 578; BB 1995, Beilage 9, S. 8 ff.). Danach genießen juristische Personen zwar Grundrechtsschutz nach der Europäischen Menschenrechtskonvention. Dieser Schutz gilt aber nur für diejenigen juristischen Personen, die nach dem jeweiligen Kollisionsrecht anerkannt sind. Welche Regeln für die Anerkennung maßgebend sind, wird von der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht vorgegeben, sondern den nationalen Rechtsordnungen überlassen.
bb) Aufgrund der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs in den Entscheidungen "Centros", "Überseering" und "Inspire Art" (ZIP 1999, 438; 2002, 2037; 2003, 1885) hat sich der Bundesgerichtshof für diejenigen Auslandsgesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des EWR oder in einem mit diesen aufgrund eines Staatsvertrages in Bezug auf die Niederlassungsfreiheit gleichgestellten Staat gegründet worden sind, der sog. Gründungstheorie angeschlossen (BGHZ 154, 185; 164, 148; BGH, Urt. v. 14. März 2005 - II ZR 5/03, ZIP 2005, 805). Danach ist die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft nach dem Recht ihres Gründungsstaats zu beurteilen. Die Rechtsfähigkeit von Gesellschaften, die in einem "Drittstaat" gegründet worden sind, der weder der Europäischen Union angehört noch aufgrund von Verträgen hinsichtlich der Niederlassung gleichgestellt ist, hat die Rechtsprechung dagegen weiter nach der Sitztheorie beurteilt, wonach für die Rechtsfähigkeit einer Gesellschaft das Recht des Sitzstaates maßgeblich ist (BGHZ 153, 353, 355; Bay-ObLG DB 2003, 819; OLG Hamburg ZIP 2007, 1108; offen gelassen von BGH, Urt. v. 2. Dezember 2004 - III ZR 358/03, Tz. 11, juris, insoweit in BGHZ 161, 224 nicht abgedruckt).
Ob diese Beurteilung bezüglich der Gesellschaften aus Drittstaaten nach wie vor richtig ist, kann entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht mit der Begründung offen gelassen werden, jedenfalls im Verhältnis zur Schweiz sei von der Gründungstheorie auszugehen (dagegen auch Wachter, GmbHR 2005, 1484, 1485 und Weller, ZGR 2006, 748, 765). Auch wenn die Schweiz ihre Rechtsordnung dem Recht der EU-Mitgliedstaaten stark angeglichen haben mag, ist sie nicht Mitglied der Europäischen Union und hat auch das EWR-Abkommen nicht ratifiziert. Das ist eine bewusste Entscheidung gegen die dort für die EWR-Mitgliedstaaten eröffnete europäische Niederlassungsfreiheit, die von den deutschen Gerichten nicht unbeachtet gelassen werden kann. Eine nur für die Schweiz geltende Ausnahme von den allgemeinen Regeln des deutschen internationalen Privatrechts kommt zudem aus Gründen der Rechtssicherheit nicht in Betracht. Auch bei anderen Staaten müsste dann jeweils geprüft werden, ob ihre Rechtsordnung so weit den europäischen Standards angeglichen wäre, dass man sie wie einen EU-Mitgliedstaat behandeln könnte. Bezüglich der Schweiz gelten daher die allgemeinen Regeln für die Rechtsfähigkeit ausländischer Gesellschaften, auf die nicht die Grundsätze der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit anwendbar sind.
cc) Nach diesen allgemeinen Regeln des deutschen Privatrechts ist die Rechtsfähigkeit einer in der Schweiz gegründeten Gesellschaft nach dem Recht des Ortes zu beurteilen, an dem sie ihren Verwaltungssitz hat (BGHZ 97, 269, 271). Eine in der Schweiz gegründete Aktiengesellschaft ist also nur dann in Deutschland rechtsfähig, wenn sie im deutschen Handelsregister eingetragen ist, was eine Neugründung voraussetzt. Der Senat sieht keinen Anlass, diese Rechtsprechung grundsätzlich aufzugeben. Allerdings herrscht im Schrifttum Streit über die Frage, ob der Übergang von der "Gründungstheorie" zur "Sitztheorie" für Gesellschaften unter dem Regime der europarechtlichen Niederlassungsfreiheit einen ebensolchen Schritt für Gesellschaften aus Drittstaaten rechtfertigt oder gar erfordert. Die dies befürwortenden Autoren berufen sich zur Begründung ihrer Meinung vor allem auf die Einheit des deutschen Kollisionsrechts und den durch die "Gründungstheorie" ausgelösten Wettbewerb der internationalen Gesellschaftsformen (Eidenmüller, ZIP 2002, 2233, 2244; Behrens in Großkomm.z.GmbHG Einl. B Rdn. 36; Rehm in Eidenmüller, Ausländische Kapitalgesellschaften im deutschen Recht 2004, § 2 Rz. 87; Leible/Hoffmann, ZIP 2003, 925, 930; Paefgen, WM 2003, 561, 570). Die Gegenmeinung sieht die Gründe für die ursprünglich umfassende Geltung der "Sitztheorie" - Schutz der Gläubiger und Minderheitsgesellschafter nach deutschen Standards, Verhinderung einer Flucht in Gesellschaftsrechte mit den geringsten Anforderungen ("race to the bottom") - im Verhältnis zu den Drittstaaten als nach wie vor gegeben an und will deshalb ein "gespaltenes" Kollisionsrecht in Kauf nehmen (Hüffer, AktG 7. Aufl. § 1 Rdn. 32 f.; Münch-KommBGB/Kindler aaO Rdn. 433; Erman/Hohloch, BGB 12. Aufl., Anh. II Art. 37 EGBGB Rdn. 32; MünchKommAktG/Heider, 2. Aufl. Einl. Rdn. 122 ff.; Hausmann in Reithmann/Martiny, Internationales Vertragsrecht, 6. Aufl. Rdn. 2284 b; Wiedemann, GesR II § 1 IV 2, 3; Palandt/Heldrich, BGB 67. Aufl. Anh. zu Art. 12 EGBGB Rdn. 9; Bayer, BB 2003, 2357, 2363 f.; Ebke, JZ 2003, 927, 929 f.; Horn, NJW 2004, 893, 897; Wachter, GmbHR 2005, 1484, 1485; Weller, ZGR 2006, 748, 765).
Der Gesetzgeber hat dazu bisher noch keine Regelung getroffen. Insbesondere enthält § 4 a GmbHG idF des Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Verhinderung von Missbräuchen (MoMiG) vom 23. Oktober 2008 (BGBl I S. 2026) keine Regelung über die Anerkennung ausländischer Gesellschaften mit Verwaltungssitz im Inland (Kindler, AG 2007, 721, 725 f.). Wohl hat der Gesetzgeber - einer Empfehlung des Deutschen Rates für Internationales Privatrecht folgend (abgedruckt bei Sonnenberger/Bauer, RIW 2006 Beil. 1 zu Heft 4) - am 14. Dezember 2007 einen Referentenentwurf eines Gesetzes zum Internationalen Privatrecht der Gesellschaften, Vereine und juristischen Personen vorgelegt. Darin schlägt er vor, die "Gründungstheorie" im deutschen Recht zu kodifizieren (Art. 10 EGBGB-E). Dieses Gesetzgebungsvorhaben ist indes noch nicht abgeschlossen. Gegen die generelle Geltung der "Gründungstheorie" sind im politischen Meinungsbildungsprozess Bedenken geäußert worden. Angesichts dessen ist es schon vom Ansatz her nicht Sache des Senats, der Willensbildung des Gesetzgebers vorzugreifen und die bisherige Rechtsprechung zu ändern. Ein Bedürfnis für eine solche Entscheidung ist im vorliegenden Fall schon deshalb nicht ersichtlich, weil die Klägerin nicht daran gehindert wird, ihre Rechte vor deutschen Gerichten geltend zu machen.
c) Zwar ist eine Aktiengesellschaft schweizerischen Rechts mit Verwaltungssitz im Inland nicht als Aktiengesellschaft rechtsfähig. Sie ist aber nach der Rechtsprechung des Senats als rechtsfähige Personengesellschaft deutschen Rechts zu behandeln, nämlich als offene Handelsgesellschaft oder Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die keiner Eintragung in ein deutsches Register bedürfen (BGHZ 151, 204; krit. Binz, BB 2005, 2361, 2363 ff.). Wenn diese Gesellschaft in Deutschland am Geschäftsverkehr teilnimmt, wäre es nicht hinnehmbar, ihr nicht die Möglichkeit zu geben, Rechte zu begründen und klageweise geltend zu machen. Als Kehrseite davon haften die Gesellschafter zwar persönlich und unbeschränkt für die Gesellschaftsverbindlichkeiten. Die Rechtsfolgen dieser Haftung zu regeln, ist aber eine Frage des Innenrechts der betreffenden Gesellschaften. Entgegen der Auffassung der Revision ist diese Rechtsprechung nicht auf Gesellschaften mit Satzungssitz auf der Insel Jersey oder in ähnlichen zur Europäischen Union gehörenden Gebieten mit einem Sonderstatus beschränkt.
2. Die Klägerin ist durch ihren Gesellschafter N. M. ordnungsgemäß vertreten.
Die Vertretungsmacht bestimmt sich nach den Vorschriften über die Personengesellschaften deutschen Rechts. Dabei kann offen bleiben, ob die Klägerin als offene Handelsgesellschaft oder als Gesellschaft bürgerlichen Rechts zu behandeln ist. In beiden Fällen ist M. zur (Allein-)Vertretung der Klägerin befugt. Das ergibt sich für die offene Handelsgesellschaft schon aus § 125 Abs. 1 HGB, wonach grundsätzlich jeder Gesellschafter zur (Allein-)Vertretung berechtigt ist (vgl. MünchKommHGB/K. Schmidt, 2. Aufl. § 125 Rdn. 25). Darüber hinaus ist die Alleinvertretungsmacht des Gesellschafters M. in der Satzung der Klägerin begründet. Darin ist bestimmt, dass M. - als alleiniger Verwaltungsrat - die Klägerin vertritt. Das gilt auch, soweit die Gesellschaft nach deutschem Recht als Personengesellschaft zu beurteilen ist.
II. Die somit zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin kann von der Beklagten weder Zahlung von Miete, noch Herausgabe des Grundstücks verlangen. Ebenso wenig steht ihr ein Anspruch auf Ersatz von Anwaltskosten zu. Sie hat das Erbbaurecht, aus dem sich diese Ansprüche allein ergeben könnten, nicht erworben, weil die hierfür erforderliche Zustimmungserklärung der Stadt G. von einem dazu nicht wirksam bevollmächtigten Beamten abgegeben worden ist.
Zum Erwerb des Erbbaurechts bedurfte es zunächst gemäß § 873 BGB i.V.m. § 11 Abs. 1 ErbbauRG einer Einigung und einer Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Darüber hinaus ist in § 7 des zwischen der Stadt G. und dem Trabrennverein G. e.V. geschlossenen Erbbaurechtsvertrages vom 29. Dezember 1978 vereinbart, dass jede Veräußerung des Erbbaurechts der schriftlichen Zustimmung der Stadt bedarf. Dieses Zustimmungserfordernis ist im Erbbau-Grundbuch eingetragen, wie sich der von der Klägerin vorgelegten Kopie des Grundbuchauszugs entnehmen lässt. Damit hängt die Wirksamkeit der Rechtsübertragung gemäß §§ 5 f. ErbbauRG von der Zustimmung ab. Fehlt die Zustimmung, sind sowohl das Verpflichtungs- als auch das Verfügungsgeschäft (schwebend) unwirksam (MünchKommBGB/von Oefele, 4. Aufl. § 6 ErbbauVO Rdn. 2).
1. Die Zustimmungserklärung, die der Stadtkämmerer in Vertretung des Oberbürgermeisters der Stadt G. unter dem 28. Juli 2004 abgegeben hat, ist - wie die Revision zu Recht geltend macht und was der Senat gemäß § 545 Abs. 1 ZPO nachprüfen kann - gemäß § 164 Abs. 1 BGB unwirksam. Der Stadtkämmerer hatte keine wirksame Vollmacht zur Vertretung der Stadt.
Nach § 64 Abs. 1 GO NW sind Erklärungen, durch welche die Gemeinde verpflichtet werden soll, in Schriftform abzugeben und von dem Bürgermeister oder seinem Stellvertreter und einem vertretungsberechtigten Beamten oder Angestellten zu unterzeichnen. Darin liegt die Anordnung einer Gesamtvertretung (BGH, Urt. v. 4. Dezember 1981 - V ZR 241/80, NJW 1982, 1036, 1037; v. 15. April 1998 - VIII ZR 129/97, NJW 1998, 3058, 3060). Der Unterschrift dieser zwei Personen bedarf es nach § 64 Abs. 2 und 3 GO NW nur dann nicht, wenn ein Geschäft der laufenden Verwaltung betroffen ist oder wenn ein für ein bestimmtes Geschäft oder einen Kreis von Geschäften ausdrücklich Bevollmächtigter die Erklärung abgibt. Eine derartige Vollmacht ist allerdings nur wirksam, wenn sie nicht so weit gefasst ist, dass damit die Vorschriften über die Gesamtvertretung unterlaufen werden (vgl. BGH, Urt. v. 6. Mai 1997 - KZR 43/95, ZIP 1997, 2166, 2168). Die Gesamtvertretung dient dem Schutz des Vertretenen. Sie kann deshalb von den Vertretern nicht geändert werden. Ihnen ist es auch versagt, eine Einzelvollmacht zu erteilen, die so weit geht, dass sie einer Alleinvertretung gleichkommt (Sen.Urt. v. 25. November 1985 - II ZR 115/85, ZIP 1986, 501, 503).
Die Erklärung, dass der Veräußerung des Erbbaurechts zugestimmt werde, war eine Verpflichtungserklärung i.S. des § 64 Abs. 1 GO NW. Dadurch sollte die Gemeinde verpflichtet werden, das Grundstück von nun an dem Erwerber des Erbbaurechts - der Klägerin - zu überlassen. Das ist schon deshalb eine bedeutsame Rechtsänderung, weil gemäß § 33 ErbbauRG beim Heimfall (§ 2 Nr. 4 ErbbauRG) die von dem Erbbauberechtigten bewilligten Grundpfandrechte im Wesentlichen bestehen bleiben, die Person des Erbbauberechtigten für den Grundstückseigentümer also von erheblicher Bedeutung ist (Münch-KommBGB/von Oefele aaO § 5 Rdn. 1).
Die Erklärung betraf kein Geschäft der laufenden Verwaltung. Unter Geschäften der laufenden Verwaltung sind Geschäfte zu verstehen, die in mehr oder weniger regelmäßiger Wiederkehr vorkommen und nach Größe, Umfang der Verwaltungstätigkeit und Finanzkraft der beteiligten Gemeinde von sachlich weniger erheblicher Bedeutung sind (BGHZ 92, 164, 173; Urt. v. 6. Mai 1997 aaO S. 2167). Schon das erste Merkmal, die regelmäßige Wiederkehr, ist hier nicht erfüllt.
Eine damit nach § 64 Abs. 3 GO NW erforderliche Vollmacht ist dem Stadtkämmerer nicht wirksam erteilt worden. Nach dem Inhalt der Vollmachtsurkunde vom 30. Juni 2004 sollte der Kämmerer berechtigt sein, die Stadt "in allen Grundstücksangelegenheiten" zu vertreten. Damit betraf die Vollmacht einen wesentlichen Bereich der Geschäfte, für die nach § 64 Abs. 1 GO NW eine Gesamtvertretung angeordnet ist. Da die Geschäfte der laufenden Verwaltung davon ohnehin ausgenommen sind, sind es gerade die Grundstücksgeschäfte, die von der Gesamtvertretung erfasst werden. Für sie ist ein besonderer Schutz der Gemeinde angezeigt. Wenn für diesen Bereich eine umfassende Einzelvollmacht erteilt werden könnte, würde damit der von § 64 Abs. 1 GO NW bezweckte Schutz der Gemeinde unterlaufen. Die gesetzlich angeordnete Gesamtvertretung wäre dann für einen wichtigen Geschäftsbereich in eine Alleinvertretungsmacht umgewandelt. Das würde gegen den Zweck des § 64 GO NW verstoßen.
2. Die von dem Stadtkämmerer als Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegebene Erklärung ist von der Stadt nicht genehmigt worden. Dabei kann offen bleiben, ob die Zustimmung als einseitiges Rechtsgeschäft nach § 180 Abs. 2 BGB überhaupt genehmigungsfähig ist. Denn jedenfalls hätte die Stadt auch eine erneute und wirksame Zustimmungserklärung zu der Übertragung des Erbbaurechts abgeben können (vgl. BGHZ 33, 76, 85), was jedoch ebenfalls nicht geschehen ist.
Eine Genehmigung oder - erneute - Zustimmungserklärung ist weder ausdrücklich noch konkludent abgegeben worden. Eine konkludente Erklärung liegt insbesondere nicht in dem von dem Oberbürgermeister unterzeichneten Schreiben vom 3. Juni 2005 an die Klägerin. Sie setzt nämlich voraus, dass sich der Erklärende zumindest der Möglichkeit bewusst ist, durch sein Handeln eine schwebend unwirksame Erklärung oder einen schwebend unwirksamen Vertrag zu genehmigen (BGH, Urt. v. 22. Oktober 1996 - XI ZR 249/95, ZIP 1996, 2169, 2171; v. 17. Mai 2002 - V ZR 149/01, WM 2002, 2342, 2343). Dieses Bewusstsein oder auch nur der Zweifel, dass die Erklärung des Stadtkämmerers unwirksam sein könnte, ist dem Schreiben des Oberbürgermeisters nicht zu entnehmen. Darin wird im Hinblick auf die "formalrechtliche Ausfertigung und Unterzeichnung der Zustimmungserklärung" vom 28. Juli 2004 ausgeführt:
"Durch die am 30. Juni 2004 vom damaligen Oberbürgermeister der Stadt G. , Herrn O. W. , und Herrn Stadtrat J. H. unterzeichnete Vollmacht ist Herr Stadtkämmerer R. K. generell bevollmächtigt worden, die Stadt G. in allen Grundstücksangelegenheiten rechtsgeschäftlich zu vertreten ...
Durch diese Vollmacht wird die Unterzeichnung der Zustimmungserklärung durch Herrn Stadtkämmerer K. vom 28. Juli 2004 zur Übertragung des Erbbaurechtes in vollem Umfang abgedeckt."
Goette Kraemer Strohn Caliebe Reichart Vorinstanzen:
LG Essen, Entscheidung vom 06.10.2005 - 16 O 221/04 -
OLG Hamm, Entscheidung vom 26.05.2006 - 30 U 166/05 -
BGH:
Urteil v. 27.10.2008
Az: II ZR 158/06
Link zum Urteil:
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