Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 18. Oktober 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 18/10
(BGH: Beschluss v. 18.10.2010, Az.: AnwZ (B) 18/10)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In diesem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 18. Oktober 2010 geht es um die sofortige Beschwerde eines Antragstellers gegen den Beschluss des Anwaltsgerichtshofs Berlin. Der Antragsteller ist seit 2001 als Rechtsanwalt zugelassen und seine Zulassung wurde von der Antragsgegnerin wegen Vermögensverfalls widerrufen. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag des Antragstellers auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen Widerrufsbescheid zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung und die Festsetzung des Gegenstandswerts hat der Antragsteller sofortige Beschwerde eingelegt. Der Bundesgerichtshof verwirft die Beschwerde als unzulässig, soweit sie sich gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts richtet, und weist sie im Übrigen zurück. Der Antragsteller muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen und der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Auslagen ersetzen. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt. Der Anwaltsgerichtshof hat die Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft widerrufen, da er in Vermögensverfall geraten ist. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung liegen vor, da gegen den Antragsteller Haftbefehle ergangen sind, die titulierte Forderungen gegen ihn zum Inhalt haben. Diese Forderungen erfüllen die Voraussetzungen für die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls. Der Antragsteller hat nicht ausreichend substanziierte Angaben über sein Vermögen gemacht und konnte die Vermutung für den Vermögensverfall nicht widerlegen. Der Vermögensverfall eines Rechtsanwalts führt grundsätzlich zu einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden. Auch wurden keine neuen Umstände vorgetragen, die darauf schließen lassen, dass die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht mehr besteht. Die Beschwerde ist unzulässig in Bezug auf die Festsetzung des Gegenstandswerts. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 18.10.2010, Az: AnwZ (B) 18/10
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des II. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 27. Januar 2010 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts richtet; im Übrigen wird sie zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu ersetzen.
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist seit dem Jahre 2001 im Bezirk der Antragsgegnerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Diese widerrief mit Bescheid vom 25. März 2009 seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung gegen diesen Bescheid hat der Anwaltsgerichtshof zurückgewiesen. Dagegen und gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts auf 50.000 € durch den Anwaltsgerichtshof wendet sich der Antragsteller mit der sofortigen Beschwerde. Die Antragsgegnerin beantragt, das Rechtsmittel zurückzuweisen.
II.
Die Beschwerde zur Hauptsache ist nach § 215 Abs. 3 BRAO i.V.m. § 42 Abs. 1 und 4 BRAO a.F. zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. März 2009 unterliegt nicht deshalb der Aufhebung, weil die Antragsgegnerin das Ende der am 26. März 2009 ablaufenden Frist zur Äußerung, die dem Antragsteller anlässlich der Androhung des Widerrufs gesetzt worden war, nicht abgewartet und den Inhalt des Schriftsatzes des Antragstellers vom 26. März 2009 bei ihrer Entscheidung nicht berücksichtigt hat. Ein etwaiger Verstoß gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs wäre jedenfalls geheilt; denn der Antragsteller hatte im anwaltsgerichtlichen Verfahren umfassend Gelegenheit zum Vortrag (vgl. Henssler/Prütting, BRAO, 2. Aufl., § 16 Rn. 6; Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl., § 16 Rn. 5).
2. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall ist gegeben, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (BGH, Beschluss vom 25. März 1991, AnwZ (B) 73/90, BRAK-Mitt. 1991, 102; Beschluss vom 21. November 1994, AnwZ (B) 40/94, BRAK-Mitt. 1995, 126; Beschluss vom 26. November 2002, AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577).
a) Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung des Antragstellers zur Rechtsanwaltschaft lagen bei Erlass des Widerrufsbescheids am 25. März 2009 vor.
Zu diesem Zeitpunkt waren u.a. gegen den Antragsteller zwei Haftbefehle ergangen, denen titulierte Forderungen der Landeskasse S. sowie des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in B. zugrunde lagen. Somit waren die Voraussetzungen für die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls erfüllt. Diese Vermutung kann der Rechtsanwalt nur widerlegen, indem er eine umfassende Übersicht über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse vorlegt; dabei muss er insbesondere eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobener Forderungen vorlegen und im Einzelnen darlegen, ob diese Forderungen inzwischen erfüllt sind oder in welcher Weise er sie zu erfüllen gedenkt (BGH, Beschluss vom 25. März 1991, AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083; Beschluss vom 31. März 2008, AnwZ (B) 8/07, BRAK-Mitt. 2008, 221; Beschluss vom 31. Mai 2010, AnwZ (B) 27/09); seine laufenden Einkünfte hat er ebenfalls umfassend darzulegen (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 1998, AnwZ (B) 18/98, NJW-RR 1999, 712). Den sich hieraus ergebenden Anforderungen genügte der Vortrag des Antragstellers - auch bei Berücksichtigung des Inhalts des Schriftsatzes vom 26. März 2009 - nicht. Mit diesem Vorbringen hat sich bereits der angefochtene Beschluss überzeugend auseinandergesetzt. Der Anwaltsgerichtshof hat insbesondere zutreffend ausgeführt, dass der Hinweis des Antragstellers auf sein eigenes, nach seinen Angaben vorwiegend aus - jedenfalls teilweise leerstehenden und renovierungsbedürftigen - Immobilien bestehendes Vermögen nicht ausreicht, um die Vermutung für den Vermögensverfall zu widerlegen (BGH, Beschluss vom 10. Mai 2010, AnwZ (B) 33/09).
b) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck gekommenen Wertung des Gesetzgebers ist mit einem Vermögensverfall eines Rechtsanwalts grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Diese Annahme ist regelmäßig schon im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Fremdgeldern und den darauf möglichen Zugriff von Gläubigern gerechtfertigt (st. Rspr.; vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004, AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511, und vom 25. Juni 2007, AnwZ (B) 101/05, NJW 2007, 2924, m.w.N.). Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass eine solche Gefährdung ausnahmsweise nicht gegeben war, sind weder vom Antragsteller vorgetragen noch sonst ersichtlich. Insbesondere das Vorbringen des Antragstellers, er veranlasse die Überweisung von Mandantengeldern grundsätzlich direkt an die Mandantschaft und sei bei einer Pfändung von Mandantengeldern in der Lage, den Betrag kurzfristig bereitzustellen, reicht nicht aus, um die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden auszuschließen. Ein solches Vorgehen hängt - worauf bereits der Anwaltsgerichtshof zutreffend hingewiesen hat - allein vom Willen des Antragstellers ab und ist nicht kontrollierbar.
3. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung des Antragstellers sind auch nicht - was zu berücksichtigen wäre (Senat, BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150) - im Verlaufe des gerichtlichen Verfahrens entfallen.
a) Für den Vermögensverfall streitet nach wie vor die gesetzliche Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO.
Zwar ist mittlerweile der Haftbefehl vom 16. April 2008 gelöscht, den das Amtsgericht L. auf Betreiben der Landeskasse S. erlassen hatte. Auch hat das Finanzamt P. eine Pfändungs- und eine Einziehungsverfügung, die in einem Vollstreckungsverfahren gegen den Antragsteller wegen Steuerrückständen ergangen waren, in der Zwischenzeit aufgehoben. Das Versorgungswerk der Rechtsanwälte in B. vollstreckt jedoch weiterhin wegen einer Forderung in Höhe von mehr als 30.000 € gegen den Antragsteller. In diesem Verfahren hatte das Amtsgericht L. bereits am 19. Februar 2009 einen Haftbefehl erlassen. Mittlerweile hat die zuständige Gerichtsvollzieherin unter dem 22. Juni 2009 mitgeteilt, der Antragsteller entziehe sich beharrlich der Zwangsvollstreckung; am 9. Juli 2009 ist ein weiterer Haftbefehl gegen den Antragsteller ergangen. Daneben macht unter anderem die Antragsgegnerin eine eigene Forderung in Höhe von mehr als 1.000 € gegen den Antragsteller geltend.
Der für den nachträglichen Wegfall des Vermögensverfalls darlegungs- und beweispflichtige Antragsteller (BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2007, AnwZ (B) 1/07, BRAK-Mitt. 2008, 73), der nach dem hier noch anzuwendenden § 36a Abs. 2 BRAO a.F. (jetzt: § 32 BRAO i.V.m. § 26 Abs. 2 VwVfG) zu einer entsprechenden Mitwirkung im Verfahren verpflichtet gewesen ist, hat die gesetzliche Vermutung des § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO auch durch sein weiteres Vorbringen nicht widerlegt:
Soweit er erneut auf sein Vermögen hingewiesen hat, bleibt er nach wie vor ausreichend substantiierte Angaben zu dessen Höhe sowie den Nachweis schuldig, dass und auf welche konkrete Art und Weise sein Vermögen zur Schuldentilgung eingesetzt werden soll. Zu der Forderung des Versorgungswerks der Rechtsanwälte in B. hat er im Beschwerdeverfahren zunächst vorgebracht, diese sei bei Nachreichung der Einkommensteuerbescheide auf 15.000 € reduziert worden und solle "aus bisher nicht eingezogenen eigenen Forderungen" - zu denen er allerdings keine näheren Angaben gemacht hat - beglichen werden. Eine Bestätigung dieser Vereinbarung durch das Versorgungswerk hat er nicht beigebracht. Entgegen seiner Ankündigung in der Beschwerdebegründung vom 3. März 2010 hat er darüber hinaus bis zur mündlichen Verhandlung weder die entsprechende Zahlung an das Versorgungswerk noch die Rücknahme der Vollstreckungsaufträge dargelegt. Vielmehr hat er mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2010 vorgetragen, es bestehe ein telefonischer Kontakt zum Versorgungswerk, in dessen Rahmen eine Einigung, die Forderung auf 15.000 bis 16.000 € zu reduzieren "einvernehmlich verhandelt" werde. Aus alldem ist nicht zu entnehmen, dass die Vermögensverhältnisse des Antragstellers sich konsolidiert haben; vielmehr ist mit Blick auf die nach wie vor bestehende Schuld gegenüber dem Versorgungswerk davon auszugehen, dass der Vermögensverfall anhält. Auf die weiteren Einwendungen des Antragstellers gegen die übrigen gegen ihn geltend gemachten Forderungen kommt es deshalb nicht an.
b) Neue Umstände, die dafür sprechen, dass die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden nicht mehr besteht, sind weder vom Antragsteller vorgetragen noch sonst ersichtlich. Dies gilt auch dann, wenn man davon ausgeht, dass der Vermögensverfall durch eine einzige Schuld begründet wird, deren Gläubigerin zudem eine anwaltliche Institution ist. Das anwaltliche Versorgungswerk wird - schon im Interesse der Gesamtheit seiner Mitglieder - auf weitere Vollstreckungsversuche nicht verzichten können, die möglicherweise Vermögenswerte von Mandanten des Antragstellers berühren (BGH, Beschluss vom 5. Oktober 1998, AnwZ (B) 18/98, NJW-RR 1999, 712).
III.
Die Beschwerde ist unzulässig, soweit sie sich gegen die Festsetzung des Gegenstandswerts durch den Anwaltsgerichtshof richtet (BGH, Beschluss vom 21. Februar 2007, AnwZ (B) 87/06, NJW-RR 2007, 1562).
IV.
Der Senat hat den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren seiner ständigen Praxis in vergleichbaren Fällen folgend - wie bereits der Anwaltsgerichtshof in erster Instanz - auf 50.000 € festgesetzt.
Tolksdorf Roggenbuck Schäfer Stüer Quaas Vorinstanzen:
AGH Berlin, Entscheidung vom 27.01.2010 - II AGH 9/09 -
BGH:
Beschluss v. 18.10.2010
Az: AnwZ (B) 18/10
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