Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 24. Mai 2013
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 15/13
(BGH: Beschluss v. 24.05.2013, Az.: AnwZ (Brfg) 15/13)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Bundesgerichtshof hat in einem Beschluss vom 24. Mai 2013 entschieden, dass der Antrag des Klägers auf Zulassung einer Berufung gegen ein Urteil des Anwaltsgerichtshofs Berlin abgelehnt wird. Der Kläger hatte gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls geklagt, doch der Anwaltsgerichtshof hatte die Klage abgewiesen. Der Kläger hat daraufhin einen Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt.
Der Bundesgerichtshof hat den Antrag als unbegründet abgelehnt. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 der Bundesrechtsanwaltsordnung (BRAO) kann die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft widerrufen werden, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist und dadurch die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind. Eine solche Gefährdung wird unter anderem vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das Schuldnerverzeichnis eingetragen ist.
Da der Kläger sowohl aufgrund eines Haftbefehls als auch aufgrund der Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, wird der Vermögensverfall vermutet. Der Kläger hat es jedoch versäumt, diese Vermutung zu widerlegen. Er hat weder ausreichend Informationen zu seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen vorgelegt, noch Umstände genannt, die die Vermutung widerlegen könnten. Tatsächlich verfügte er nicht über ausreichende liquide Mittel zur Tilgung seiner Schulden und hatte auch keine Ratenzahlungsvereinbarungen mit allen Gläubigern getroffen.
Die Vermutung einer Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden aufgrund des Vermögensverfalls wird grundsätzlich als gerechtfertigt angesehen. Ausnahmen hiervon sind selten und setzen voraus, dass der Rechtsanwalt seine selbstständige anwaltliche Tätigkeit vollständig und nachhaltig aufgegeben hat und nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät arbeitet, mit der er rechtlich abgesicherte Maßnahmen vereinbart hat, um eine Gefährdung der Mandanten zu verhindern. Da dies im vorliegenden Fall nicht gegeben ist, wurde der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung abgelehnt.
Der Kläger muss die Kosten des Zulassungsverfahrens tragen und der Streitwert für das Verfahren wurde auf 50.000 € festgesetzt. Die Entscheidung der Vorinstanz, des Kammergerichts Berlin, wurde am 29. Januar 2013 verkündet.
Quellen:
- Bundesgerichtshof: Beschluss vom 24. Mai 2013, Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 15/13
- Vorinstanz: Kammergericht Berlin, Entscheidung vom 29. Januar 2013 - I AGH 8/12
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 24.05.2013, Az: AnwZ (Brfg) 15/13
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 29. Januar 2013 verkündete Urteil des I. Senats des Anwaltsgerichtshofs Berlin wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Rechtsanwaltszulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung.
II.
Der zulässige Antrag, mit dem der Kläger der Sache nach das Bestehen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils geltend macht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), hat keinen Erfolg.
1. Nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind; ein Vermögensverfall wird unter anderem vermutet, wenn der Rechtsanwalt in das vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 915 ZPO a.F.; jetzt § 882b ff. ZPO) eingetragen ist. Hierbei ist der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Widerrufs nach dem ab 1. September 2009 geltenden Verfahrensrecht der Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur Beschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 47/12, juris Rn. 6 und vom 4. Februar 2013 - AnwZ (Brfg) 31/12, juris Rn. 7). Zu diesem Zeitpunkt - hier: Widerrufsbescheid der Beklagten vom 18. April 2012 - lagen die Voraussetzungen für einen Widerruf vor; sie sind im Übrigen auch heute noch gegeben.
a) Der Kläger ist aufgrund eines Haftbefehls vom 22. Dezember 2011 ( M , AG T. ) und aufgrund der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vom 10. Januar 2012 ( M , AG T. ) im zentralen Schuldnerverzeichnis beim AG S. eingetragen. Damit wird der Vermögensverfall kraft Gesetzes vermutet. Diese Vermutung hat der Kläger nicht widerlegt. Zunächst hat er schon keine umfassende Darlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse gegenüber der 2 Beklagten abgegeben (vgl. hierzu nur Senatsbeschlüsse vom 22. März 2010 - AnwZ (B) 84/09, juris Rn. 7 und vom 4. April 2012 - AnwZ (Brfg) 1/12, juris Rn. 3, 7). Er hat aber auch im Übrigen zur Widerlegung der Vermutung geeignete Umstände weder ausreichend vorgetragen noch nachgewiesen. Der Kläger verfügte nicht über liquide Mittel, um die Forderungen seiner Gläubiger zu tilgen. Zum Zeitpunkt des Widerrufs hatte er auch nicht mit sämtlichen Gläubigern Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen und diese vereinbarungsgemäß bedient. Der Hinweis in der Begründung des Zulassungsantrags auf die Klagschrift vom 24. Mai 2012 - dort hat der Kläger ausgeführt, dass die dem Widerrufsbescheid beigefügte Forderungsaufstellung unrichtig sei, da, wie bereits gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 30. November 2011 vorgetragen, die Forderungen Nr. 5, 11, 12, 14-18, 21 ausgeglichen wurden - ist untauglich, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils aufzuzeigen. In der Aufstellung ist zutreffend vermerkt, dass die Forderungen Nr. 14-18 getilgt wurden. Bezüglich der Forderung Nr. 5 ist angegeben, dass der Kläger die behauptete Bezahlung (anders als bei Nr. 14-18) nicht belegt habe. Bezüglich Nr. 11 und Nr. 12 hatte der Kläger im Schreiben vom 30. November 2011 gar keine Tilgung behauptet, sondern nur von laufenden Verhandlungen über eine Ratenzahlung bzw. vom zukünftigen Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung gesprochen. Nr. 21 war nicht Gegenstand des vorerwähnten Schreibens. Im Übrigen bestanden ausweislich der Aufstellung noch weitere nicht unerhebliche offene Forderungen, so u.a. zu Nr. 7, 8, 19-20. Der Kläger hatte bereits mit Schreiben vom 1. August 2011 angekündigt, er werde bis spätestens 30.09.2011 die offenen Forderungen ausgleichen und in der Lage sein, alle Ratenzahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Dies ist nicht geschehen, vielmehr hat der Kläger in seinem Schreiben vom 30. November 2011 nur erneut angekündigt, durch eine größere Einnahme noch in diesem Jahr alle offenen Posten auszugleichen. Stattdessen ist es dann zur Abgabe der eidesstattlichen Versi-
cherung gekommen, in der der Kläger seine monatlichen Einnahmen als Rechtsanwalt auf nur 1.000 bis 1.200 € beziffert hat. In der Klage vom 24. Mai 2012 hat der Kläger dann vorgetragen, er werde auf der Grundlage abgetretener Schadensersatzforderungen ein Darlehen erhalten, mit dem er in der Lage sein werde - auch durch entsprechende Vergleichsvereinbarungen - die Forderungen der Gläubiger zu befriedigen. Im Schriftsatz vom 11. Januar 2013 ist dann von erwarteten Honorareinnahmen, dem Beginn von Vergleichs- und Stundungsverhandlungen mit den Gläubigern und der Hoffnung auf Erledigung bis 30. Juni 2013 die Rede. Die in der Zulassungsbegründung aufgestellte Behauptung einer Tilgungsperspektive zum Zeitpunkt des Widerrufsbescheids sowie geordneter Vermögensverhältnisse in absehbarer Zeit erweisen sich angesichts dieses Ablaufs als Wunschdenken des Klägers ohne ausreichenden Hintergrund.
b) Nach der in § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO zum Ausdruck kommenden Wertung des Gesetzgebers ist mit dem Vermögensverfall grundsätzlich eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden verbunden. Auch wenn diese Regelung nicht im Sinne eines Automatismus zu verstehen ist, die Gefährdung daher nicht zwangsläufig und ausnahmslos schon aus dem Vorliegen eines Vermögensverfalls folgt, kann die Gefährdung im nach der gesetzlichen Wertung vorrangigen Interesse der Rechtsuchenden nur in seltenen Ausnahmefällen verneint werden (ständige Senatsrechtsprechung, vgl. nur Beschlüsse vom 31. Mai 2010 AnwZ (B) 54/09, juris Rn. 6; vom 22. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 12/11, juris Rn. 3; vom 11. Juni 2012 - AnwZ (Brfg) 20/12, juris Rn. 4 und vom 21. Februar 2013 - AnwZ (Brfg) 68/12, juris Rn. 10). Hierfür trägt der Rechtsanwalt die Feststellungslast (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 8. Februar 2010 - AnwZ (B) 67/08, BRAK-Mitt. 2010, 129 Rn. 11; vom 11. Juni 2012, aaO und vom 5. September 2012 - AnwZ (Brfg) 26/12, NJW-RR 2013, 175 Rn. 5). Die 5 Annahme einer solchen Sondersituation setzt jedoch zumindest voraus, dass der Rechtsanwalt seine selbständige anwaltliche Tätigkeit vollständig und nachhaltig aufgibt, diese nur noch für eine Rechtsanwaltssozietät ausübt und mit dieser rechtlich abgesicherte Maßnahmen verabredet hat, die eine Gefährdung der Mandanten effektiv verhindern (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511; vom 22. Juni 2011, aaO und vom 24. Oktober 2012 - AnwZ (Brfg) 43/12, juris Rn. 9). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Der Kläger ist weiterhin als Einzelanwalt tätig. Sein Hinweis in der Klage, er verwahre keine Fremdgelder und werde auch künftig, solange Gläubiger gegen ihn Forderungen hätten, keine in Empfang nehmen, ist - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend ausgeführt hat - ungeeignet, die von Gesetzes wegen vermutete Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden auszuschließen. Eine solche (behauptete) Selbstbeschränkung ist nicht kontrollierbar und kann jederzeit - ohne dass die Beklagte dies auch nur erfahren würde - aufgegeben werden; eine wirksame Kontrolle oder Sicherungsmaßnahmen, mit denen eine Gefährdung auf ein noch hinnehmbares Maß reduziert werden könnte, sind nicht möglich (vgl. auch Senatsbeschlüsse vom 31. Mai 2010, aaO Rn. 8; vom 15. März 2012 - AnwZ (Brfg) 55/11, juris Rn. 10; vom 16. Mai 2012 - AnwZ (Brfg) 13/12, juris Rn. 8 und vom 19. November 2012 - AnwZ (Brfg) 56/12, juris Rn. 5).
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.
Kayser Lohmann Seiters Quaas Braeuer Vorinstanz:
KG Berlin, Entscheidung vom 29.01.2013 - I AGH 8/12 - 6
BGH:
Beschluss v. 24.05.2013
Az: AnwZ (Brfg) 15/13
Link zum Urteil:
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