Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 12. Juli 2010
Aktenzeichen: AnwZ (B) 88/09
(BGH: Beschluss v. 12.07.2010, Az.: AnwZ (B) 88/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In dem Beschluss vom 12. Juli 2010 (Aktenzeichen AnwZ (B) 88/09) hat der Bundesgerichtshof (BGH) die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshofs vom 10. August 2009 zurückgewiesen.
Der Antragsteller, der als Rechtsanwalt zugelassen ist, hatte gegen den Widerruf seiner Zulassung aufgrund Vermögensverfalls Beschwerde eingelegt. Gemäß der Bundesrechtsanwaltsordnung kann die Zulassung zur Anwaltschaft widerrufen werden, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall gerät und dadurch die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das Verzeichnis des Insolvenz- oder Vollstreckungsgerichts eingetragen wurde.
Im vorliegenden Fall wurden diese Voraussetzungen erfüllt. Der Antragsteller hatte zuvor eine eidesstattliche Versicherung abgegeben und war im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Darüber hinaus konnten keine Umstände dargelegt werden, die die Vermutung des Vermögensverfalls widerlegt hätten. Außerdem bestand eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden, da die Gläubiger des Antragstellers Forderungen betrafen, die auf nicht ausgekehrten Mandantengeldern beruhten.
Der BGH entschied, dass die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung trotz des gerichtlichen Verfahrens nicht entfallen waren. Der Antragsteller konnte nicht nachweisen, dass er seine wirtschaftlichen Verhältnisse in Ordnung gebracht hatte. Zwar war er nicht mehr im Schuldnerverzeichnis eingetragen, jedoch hatte er die gegen ihn erhobenen Forderungen nicht umfassend dargelegt und nur teilweise beglichen. Darüber hinaus konnte er seine restlichen Verbindlichkeiten nicht begleichen, da seine Immobilien zwangsverwaltet oder bereits zwangsversteigert worden waren und seine Einnahmen nicht ausreichten.
Der BGH kam zu dem Schluss, dass eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden weiterhin nicht ausgeschlossen werden konnte. Daher wurde die sofortige Beschwerde zurückgewiesen und der Antragsteller wurde dazu verurteilt, die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und die außergerichtlichen Auslagen der Antragsgegnerin zu erstatten. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wurde auf 50.000 Euro festgesetzt.
Die Entscheidung des BGH bestätigte damit den Beschluss des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshofs vom 10. August 2009 (Aktenzeichen AGH I 5/07).
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 12.07.2010, Az: AnwZ (B) 88/09
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des 1. Senats des Brandenburgischen Anwaltsgerichtshofs vom 10. August 2009 wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen und der Antragsgegnerin die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Auslagen zu erstatten.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist im Bezirk der Antragsgegnerin zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 17. Oktober 2007 widerrief die Antragsgegnerin die Zulassung wegen Vermögensverfalls. Der Anwaltsgerichtshof hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen. Mit seiner sofortigen Beschwerde will der Antragsteller weiterhin die Aufhebung des Widerrufsbescheides erreichen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 42 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 BRAO a.F., § 215 Abs. 3 BRAO). Sie bleibt jedoch ohne Erfolg.
1. Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO ist die Zulassung zur Anwaltschaft zu widerrufen, wenn der Rechtsanwalt in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Rechtsuchenden nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn der Rechtsanwalt in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die er in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außer Stande ist, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Beweisanzeichen hierfür sind insbesondere die Erwirkung von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen ihn (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH, Beschl. v. 14. April 2007 - AnwZ (B) 6/06, Rn. 5 m.w.N.). Ein Vermögensverfall wird vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Rechtsanwalts eröffnet oder der Rechtsanwalt in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis eingetragen worden ist (§ 14 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO).
2. Im Zeitpunkt der Widerrufsentscheidung waren diese Voraussetzungen erfüllt. Der Antragsteller hat am 23. November 2005 die eidesstattliche Versicherung abgegeben und war im Schuldnerverzeichnis beim Amtsgericht F. eingetragen. Umstände, welche geeignet wären, die hieraus folgende Vermutung des Vermögensverfalls zu widerlegen, hat der Antragsteller nicht dargetan. Im Gegenteil: Im Jahre 2007 haben weitere Gläubiger des Antragstellers ihre Forderungen titulieren lassen und die Zwangsvollstreckung gegen ihn betrieben.
Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden ließ sich ebenfalls nicht ausschließen. Der Vermögensverfall führt regelmäßig zu einer derartigen Gefährdung, insbesondere im Hinblick auf den Umgang des Rechtsanwalts mit Mandantengeldern und den darauf möglichen Zugriff seiner Gläubiger (BGH, Beschl. v. 18. Oktober 2004 - AnwZ (B) 43/03, NJW 2005, 511). Im Falle des Antragstellers hatte sich die Gefahr bereits realisiert. Die Forderungen der Gläubigerin S. betreffen nicht ausgekehrte Mandantengelder.
3. Die Voraussetzungen für den Widerruf der Zulassung sind auch nicht, was bei der Entscheidung noch zu berücksichtigen wäre (BGHZ 75, 356, 357; 84, 149, 150), im Laufe des gerichtlichen Verfahrens entfallen.
a) Der Antragsteller befindet sich nach wie vor im Vermögensverfall.
(1) Der Rechtsanwalt ist darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass ein Vermögensverfall nicht mehr besteht (BGH, Beschl. v. 10. Dezember 2007 - AnwZ (B) 1/07, BRAK-Mitt. 2008, 73 Rn. 8). Die Berücksichtigung nachträglich eingetretener Veränderungen in der wirtschaftlichen Situation des Rechtsanwalts beruht auf der Überlegung, dass dieser anderenfalls nach Abschluss des gerichtlichen Verfahrens sogleich wieder zur Rechtsanwaltschaft zugelassen werden müsste. Erfolgte der Widerruf wegen Vermögensverfalls, besteht aber nur dann ein Anspruch auf Wiederzulassung, wenn geordnete Verhältnisse zweifelsfrei wiederhergestellt sind. Hierfür ist erforderlich, dass der betroffene Rechtsanwalt seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darlegt. Insbesondere muss er eine Aufstellung sämtlicher gegen ihn erhobener Forderungen vorlegen und im Einzelnen erläutern, wie er diese Forderungen zu erfüllen gedenkt (BGH, Beschl. v. 25. März 1991 - AnwZ (B) 80/90, NJW 1991, 2083). Der Rechtsanwalt ist nach dem hier noch anzuwendenden § 36a Abs. 2 BRAO a.F. (jetzt: § 32 BRAO i.V.m. § 26 Abs. 2 VwVfG) zu einer entsprechenden Mitwirkung im Verfahren verpflichtet.
(2) Diesen Anforderungen ist der Antragsteller nicht gerecht geworden. Er ist zwar nicht mehr im Schuldnerverzeichnis eingetragen. Seine Ansicht, er sei nunmehr wie jeder andere Rechtsanwalt zu behandeln, der zur Finanzierung seiner Immobilie Kredite aufgenommen hat und diese auch bedient, trifft jedoch nicht zu. Weil die Voraussetzungen für einen Widerruf wegen Vermögensverfalles im Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vorlagen, muss er nunmehr darlegen und beweisen, dass er seine wirtschaftlichen Verhältnisse in Ordnung gebracht hat. Für ihn gilt insoweit nichts anderes als für jeden anderen Betroffenen, der im gerichtlichen Verfahren eine nachträgliche Konsolidierung seiner Vermögensverhältnisse behauptet.
aa) Der Antragsteller hat die gegen ihn erhobenen Forderungen nicht umfassend dargelegt, sondern nur zu einzelnen Forderungen vorgetragen. Selbst diese Forderungen sind nicht durchweg durch Erfüllung, Stundung oder einen tatsächlich eingehaltenen Ratenzahlungs- oder Abgeltungsvergleich reguliert worden.
Die Forderung der D. Bank ist erledigt, wie sich aus einer Bescheinigung vom 29. Dezember 2009 ergibt.
Hinsichtlich der Forderung der A. GmbH, die zunächst etwa 350.000 € betragen hat, hat der Antragsteller ein Schreiben der Gläubigerin vom 1. Dezember 2009 vorgelegt, nach welchem er die Forderung durch Zahlung eines Betrages von 15.000 € bis zum 23. Dezember 2009 oder von 20.000 € bis zum 31. März 2010 hätte begleichen können. Beide Fristen hat er seinem eigenen Vorbringen nach nicht eingehalten. Im Termin hat er vorgetragen, ein privater Geldgeber habe am 9. Juli 2010 für ihn 20.000 € an die Gläubigerin überwiesen, die nach wie vor an ihrem Angebot festhalte; einen Beleg hierfür ist er schuldig geblieben.
Die Steuerschulden sind der eigenen Darstellung des Antragstellers nach nicht vollständig beglichen. Der Antragsteller hat ein Schreiben vom 14. Juni 2010 vorgelegt, in dem sich das zuständige Finanzamt F. mit Ratenzahlungen in Höhe von 500 € einverstanden erklärt. Die vom Finanzamt vorgeschlagene Vereinbarung enthält jedoch unter anderem die Auflage, dass der Antragsteller die rückständigen Beträge für die Jahreserklärungen Einkommensteuer und Umsatzsteuer einschließlich der verwirkten Säumniszuschläge für die Jahre 2006 und 2007, insgesamt 9.820,61 €, bis spätestens zum 30. September 2010 bezahlt. Wie er diesen Betrag aufbringen will, hat der Antragsteller nicht dargetan.
Hinsichtlich der Gläubigerin S. nimmt der Antragsteller auf einen Vergleich Bezug. Es dürfte sich um die "Teilzahlungsvereinbarung" vom 3. Juli 2008 handeln, welche der Antragsteller bereits im Verfahren vor dem Anwaltsgerichtshof zu den Akten gereicht hat. Darin hat sich der Antragsteller verpflichtet, an die Gläubigerin 29.283,28 € zuzüglich Zinsen und Kosten zu zahlen, und zwar in Raten von 300 €. Die erste Rate war am 15. Juli 2008 fällig, die folgenden ab August 2008, jeweils am 3. Werktag jeden Monats. Der gesamte Restbetrag sollte auf einmal fällig werden, wenn der Antragsteller mit einer Rate ganz oder teilweise mehr als 10 Tage in Rückstand geriet. Der Anwaltsgerichtshof hat diese Vereinbarung nicht anerkannt, weil der Antragsteller weder die pünktliche Aufnahme der Zahlungen am 15. Juli 2008 noch Zahlungen im Jahre 2009 nachgewiesen habe. Nunmehr trägt der Antragsteller - ohne auf die Frage der rechtzeitigen Aufnahme der Zahlungen einzugehen - vor, er habe die im Jahre 2009 fälligen Zahlungen von 3.600 € gezahlt. Eine vom Antragsteller selbst stammende Aufstellung der im Jahre 2009 geleisteten Zahlungen lässt jedoch erkennen, dass die Zahlungen nicht pünktlich erfolgten. Zahlungen im Jahre 2010 hat der Antragsteller behauptet, aber nicht belegt.
Die Sparkasse M. soll nach durchgeführter Versteigerung das Darlehenskonto noch nicht abgerechnet haben. Der Nachweis, dass die Forderung dieser Gläubigerin beglichen worden ist, ist dem Antragsteller damit ebenfalls nicht gelungen. Dass der Antragsteller - wie er im Termin vorgetragen hat - für die Darlehensforderung aus dem von ihm selbst geschlossenen Vertrag nicht persönlich, sondern nur mit dem belasteten Grundstück haftete, hat er nicht belegt.
bb) Vermögen, das er zur Begleichung der verbliebenen Verbindlichkeiten einsetzen könnte, hat der Antragsteller nicht. Die Immobilien, die ihm gehören oder gehörten, stehen unter Zwangsverwaltung oder wurden bereits zwangsversteigert. Seine Einnahmesituation erlaubt die Tilgung der bekannten Verbindlichkeiten ebenfalls nicht. Der Antragsteller hat eine vorläufige Einnahme- und Überschussrechnung für das Jahr 2009 vorgelegt, nach welcher er monatlich einen Betrag von 755,76 € zur Verfügung hat (Betriebsausgaben von 119.259,12 €, Einnahmen von 128.328,30 €, Überschuss 9.069,18 €). Zusätzlich erhält er für seinen neunjährigen Sohn, der bei ihm lebt, Kindergeld von monatlich 165 € und Unterhalt von 158 €. An festen Ausgaben hat er den Beitrag für seine Krankenversicherung von 270 € sowie Miete und Nebenkosten von 400 € angegeben. Wie er in dieser Lage insbesondere die offenen Steuerforderungen begleichen wird, ist nicht ersichtlich.
b) Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch den Vermögensverfall des Antragstellers (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 1 BRAO) lässt sich nach wie vor nicht ausschließen. Hier hat sich nichts geändert.
Tolksdorf Lohmann Schäfer Wüllrich Braeuer Vorinstanz:
AGH Brandenburg, Entscheidung vom 10.08.2009 - AGH I 5/07 -
BGH:
Beschluss v. 12.07.2010
Az: AnwZ (B) 88/09
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