Verwaltungsgericht Berlin:
Urteil vom 23. Mai 2013
Aktenzeichen: 27 K 102.11

(VG Berlin: Urteil v. 23.05.2013, Az.: 27 K 102.11)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Verwaltungsgericht Berlin hat durch sein Urteil vom 23. Mai 2013 den Gebührenbescheid der Beklagten, welcher aufgrund einer Verlängerung der rundfunkrechtlichen Sendeerlaubnis erging, teilweise aufgehoben. Der Gebührenbescheid sah eine Gebühr in Höhe von 30.000 Euro vor, während die Klägerin der Meinung war, dass lediglich eine Mindestgebühr in Höhe von 5.000 Euro fällig wäre. Das Gericht folgte der Argumentation der Klägerin und hob den Gebührenbescheid insoweit auf, als die Gebühr den Betrag von 5.000 Euro übersteigt. Zudem wurde die Beklagte dazu verurteilt, der Klägerin 25.000 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu zahlen. Die Kosten des Verfahrens wurden zu 1/6 von der Klägerin und zu 5/6 von der Beklagten getragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, allerdings nur gegen Sicherheitsleistung. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages abwenden, sofern die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Tatbestand des Urteils umfasst die Darstellung des Sachverhalts. Demnach ist die Klägerin Veranstalterin eines bundesweiten Fernsehspartenprogramms, das sich hauptsächlich mit Astrologie und Lebensberatung beschäftigt. Sie beantragte im Dezember 2010 die Verlängerung ihrer Sendeerlaubnis. Die Kommission für Zulassung und Aufsicht beschloss daraufhin im Mai 2010 bestimmte Regelgebühren für die Verlängerung von Zulassungen, je nach Marktanteil des Fernsehprogramms. Die Beklagte leitete die geplanten Beteiligungsveränderungen der Klägerin an die Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich zur medienkonzentrationsrechtlichen Beurteilung weiter. In ihrer Sitzung im Februar 2011 beschloss die ZAK, dass eine Gebühr von 10.000 Euro angemessen sei. Die Klägerin erhielt daraufhin eine Zahlungsaufforderung über 30.000 Euro. Nachdem sie die Gebühr bezahlt hatte, wurde ihre Zulassung verlängert. Die Klägerin erhob daraufhin Klage und beantragte die Aufhebung des Gebührenbescheids und die Rückzahlung von 30.000 Euro.

Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass der Gebührenbescheid rechtswidrig ist und hob ihn insoweit auf, als die Gebühr 5.000 Euro übersteigt. Der Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 25.000 Euro nebst Zinsen ist begründet. Der Anspruch ergibt sich aus § 21 Verwaltungskostengesetz. Die Klägerin hat die überhöhte Gebühr bezahlt und hat somit einen Anspruch auf Rückzahlung. Die Klägerin hat auch einen Anspruch auf Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit. Die Kosten des Verfahrens wurden zu 1/6 der Klägerin und zu 5/6 der Beklagten auferlegt.

Abschließend wurde entschieden, dass die Beklagte Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages leisten muss, sofern die Klägerin Sicherheit in gleicher Höhe leistet.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

VG Berlin: Urteil v. 23.05.2013, Az: 27 K 102.11


Tenor

Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 18. April 2011 wird aufgehoben, soweit die Gebühr den Betrag von 5.000,00 Euro übersteigt.

Die Beklagte wird verurteilt, 25.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 18. Mai 2011 an die Klägerin zu zahlen.

Die Klägerin trägt 1/6 und die Beklagte trägt 5/6 der Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist Veranstalterin des von der Beklagten im Jahre 2004 zugelassenen bundesweiten Fernsehspartenprogramms "A...". Sie wendet sich gegen die Höhe der Gebühr für die Verlängerung der rundfunkrechtlichen Sendeerlaubnis. Das Programm beschäftigt sich überwiegend mit Astrologie und Lebensberatung und erreicht nach den Feststellungen der AGF-Fernsehforschung zusammen mit über 300 anderen Fernsehprogrammen insgesamt einen Zuschaueranteil von 2,2 %, hiervon entfällt nur ein geringer Teil auf €A...€.

Am 10. Dezember 2010 beantragte die Klägerin die Verlängerung der im Mai 2011 auslaufenden Sendeerlaubnis bei der Beklagten und zeigte geplante Beteiligungsveränderungen an.

Bereits zuvor, am 18. Mai 2010, hatte die Kommission für Zulassung und Aufsicht - ZAK - auf Vorschlag des Arbeitskreises Recht beschlossen, in Fällen der Neuzulassung und Verlängerung von Zulassungen für bundesweite Veranstalter bestimmte gebührenrechtliche Regelsätze zur Ausfüllung des gesetzlichen Rahmens in § 2 Abs. 1 S. 2 der Kostensatzung in Verbindung mit 1.1 des Kostenverzeichnisses zugrundezulegen: in der Kategorie 1 (Fernsehprogramme mit einem Marktanteil von mehr als 10 %) eine Regelgebühr i.H.v. 90.000 €, in der Kategorie 2 (Fernsehprogramme mit einem Marktanteil zwischen 3 % und 10 %) eine Regelgebühr i.H.v. 60.000 € und in der 3. Kategorie (Fernsehprogramme mit einem Marktanteil unter 3 % sowie Neuzulassungen) eine Regelgebühr i.H.v. 30.000 €.

Die Beklagte leitete die von der Klägerin angezeigten geplanten Beteiligungsveränderungen der Kommission zur Ermittlung der Konzentration im Medienbereich - KEK - zur medienkonzentrationsrechtlichen Beurteilung zu und fertigte in Bezug auf den Verlängerungsantrag für die ZAK-Sitzung am 15. Februar 2011 eine Beschlussvorlage. In dieser Vorlage vom 28. Januar 2011 heißt es, der Veranstalter habe einen Anspruch auf die beantragte Verlängerung nach § 29 Abs. 2 MStV, da es bei den Zulassungsvoraussetzungen keine Änderung gebe. Für die Verlängerung sei eine Gebühr von 10.000 € angemessen. Zwar sehe die ZAK für Neuzulassungen und Programme bis 3 % Marktanteil eine Regelzulassungsgebühr von 30.000 € vor. Allerdings sei jeder Einzelfall zu prüfen. Diese Prüfung ergebe hier, dass eine Gebühr deutlich unter dieser Schwelle anzusetzen sei. Denn der Prüfungsaufwand sei weit unterdurchschnittlich. Es handele sich lediglich um die Verlängerung einer bestehenden Zulassung. Die veranstalterbezogenen Zulassungsvoraussetzungen € die sich nicht geändert hätten € seien nicht erneut umfassend zu prüfen. Ein eigener Prüfungsaufwand der KEK fehle, weil sich diese ohnehin mit der Klägerin wegen der Änderung der Inhaber- und Beteiligungsverhältnisse befasse. Zudem sei das wirtschaftliche Interesse der Lizenz wegen ihrer Befristung auf lediglich 7 Jahre geringer als dasjenige an Lizenzen mit einer längeren Laufzeit.

Am 8. Februar 2011 entschied die KEK, dass die geplanten Beteiligungsveränderungen bei der Klägerin medienkonzentrationsrechtlich unbedenklich seien.

Die ZAK beschloss in ihrer Sitzung am 15. Februar 2011 - bei der die Vorlage der Beklagten auf der B-Liste stand - dass die Angelegenheit in die Prüfgruppe zurückverwiesen werde. In der Diskussion wurden die kurze Sachverhaltsdarstellung und die niedrige Gebührenhöhe in der Beschlussvorlage kritisiert, die nicht den Regelgebühren der Kostensatzung und des Gebührenbeschlusses der ZAK vom 18. Mai 2010 entsprechen würde. Wie im Fall der vergleichbaren Zulassungsverlängerung 9...sei auch hier eine Gebühr i.H.v. 30.000 € angemessen. Auch die Laufzeiten der Zulassungen von 9... und A... seien vergleichbar.

Daraufhin erbat die Beklagte von der Klägerin mit Schreiben vom 9. März 2011 weitere Angaben zum veranstalteten Programm, insbesondere ein Programmschema und eine Erläuterung der einzelnen Programmformate. Die eingereichten umfangreichen klägerischen Angaben zum Programm gingen in die neue Beschlussvorlage der Beklagten vom 24. März 2011 für die anstehende ZAK-Sitzung am 5. April 2011 ein; zur Höhe der Gebühr heißt es in dieser Vorlage:

€Gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1 der Kostensatzung in Verbindung mit Nr. 1.1 des Kostenverzeichnisses wird eine Verwaltungsgebühr in Höhe von € 10.000 / 30.000 erhoben.€

In der Begründung der Gebühr wird zunächst auf die Regelgebühr der ZAK für Neuzulassungen und Programme bis 3 % Marktanteil i.H.v. 30.000 € verwiesen, allerdings aufgrund der Besonderheiten des konkreten Einzelfalls eine Gebühr lediglich von 10.000 € vorgeschlagen. Zur Begründung werden die Argumente aus der Beschlussvorlage vom 28. Januar 2011 wiederholt.

Nach Übermittlung der Beschlussvorlage zur Vorbereitung der ZAK-Sitzung an die Referentin Recht und Europa, die medienanstalten, erhielt die Beklagte von dort die Mitteilung per E-mail, dass der Fall erneut nur auf die B-Liste der kommenden ZAK-Sitzung gesetzt werden könne, weil neben der Regelgebühr von 30.000 € alternativ 10.000 € als Gebühr vorgeschlagen werde. Nach der Verwaltungspraxis der ZAK findet bei einer Platzierung auf der B-Liste der Tagesordnung eine (neuerliche) Aussprache statt, womit die Gefahr von Verzögerungen einhergeht. Die Tagesordnungspunkte der A-Liste werden dagegen regelmäßig ohne Aussprache beschlossen.

Daraufhin fertigte die Beklagte unter dem 28. März 2011 eine neue Beschlussvorlage für die ZAK Sitzung am 5. April 2011. In dieser hieß es nunmehr zur Höhe der Gebühr:

€Gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1 der Kostensatzung in Verbindung mit Nr. 1.1 des Kostenverzeichnisses wird eine Verwaltungsgebühr in Höhe von € 30.000 erhoben.€

Zur Begründung der Höhe der Gebühr heißt es unter Streichung der bisherigen Argumente für eine geringere Gebühr nur noch:

€Die ZAK sieht für Neuzulassungen und Programme bis 3 % Marktanteil eine Regel-Zulassungsgebühr von 30.000 € vor, allerdings ist jeder Einzelfall zu prüfen. In ihrer Sitzung am 15. Februar 2011 hatte die ZAK dementsprechend bereits die Gebühr auf 30.000 € festgelegt.€

Die ZAK beschloss in ihrer Sitzung vom 5. April 2011 die Verlängerung des bundesweiten Fernsehspartenprogramms Astro TV um weitere 7 Jahre mit Wirkung zum 1. Juni 2011. Ferner heißt es in dem Beschluss:

€Gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1 der Kostensatzung in Verbindung mit Nr. 1.1 des Kostenverzeichnisses wird eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 30.000 € erhoben.€

Eine Begründung zur Höhe der Gebühr enthält das Protokoll zur ZAK-Sitzung nicht.

Daraufhin teilte die Beklagte der Klägerin unter dem 18. April 2011 mit, dass die beantragte Verlängerung der rundfunkrechtlichen Sendeerlaubnis nach Eingang der Verwaltungsgebühr erteilt werde. Zugleich erließ die Beklagte einen Gebührenbescheid. Hierin wies sie auf die gesetzlichen Grundlagen und den Gebührenrahmen in Nr. 1.1 des Kostenverzeichnisses als Anlage zur Kostensatzung hin, der Gebühren zwischen 5.000 bis 100.000 € zulasse. Danach folgt:

€Im vorliegenden Fall hat die Kommission für Zulassung und Aufsicht der Landesmedienanstalten (ZAK) auf ihrer Sitzung am 5. April 2011 beschlossen, die Gebühr für die Zulassung für weitere sieben Jahre auf 30.000 € festzusetzen. Die Gebühr für die Zulassungsverlängerung wird dementsprechend auf 30.000 € (in Worten: dreißigtausend Euro) festgesetzt.€

Die Klägerin zahlte die geforderte Gebühr und erhielt daraufhin die Zulassungsverlängerung.

Mit der am 18. Mai 2011 erhobenen Klage begehrt die Klägerin Rückzahlung der entrichteten Gebühr.

Sie meint, der Gebührenbescheid sei formell und materiell rechtswidrig. Für die Gebührenentscheidung sei nicht die ZAK, sondern die Beklagte selbst zuständig. Der Bescheid sei unzureichend begründet worden. In der Sache verstoße die Gebührenbemessung gegen die gebührenrechtlichen Grundsätze des Äquivalenzprinzips, des Kostendeckungsprinzips und der Typengerechtigkeit. Darüber hinaus sei durch die Erhebung von 30.000 € für eine einfache Lizenzverlängerung die Rundfunkfreiheit verletzt. Aus der Art und Weise der Beschlussfassung der ZAK folgten mehrere Ermessensfehler.

Nachdem die Klägerin zunächst die Aufhebung des Gebührenbescheides, später ergänzt um Rückzahlung von 30.000 € zuzüglich Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit an sie begehrt hat, beantragt sie nunmehr nur noch,

den Gebührenbescheid der Beklagten vom 18. April 2011 aufzuheben, soweit die Gebühr den Betrag von 5.000,00 Euro übersteigt und die Beklagte zu verurteilen, 25.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Gebührenbescheid sei rechtmäßig. Der Leistungsantrag gehe deshalb ins Leere.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakte sowie des vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgangs verwiesen, die vorgelegen haben und - soweit wesentlich - Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Gründe

Die zulässige Klage ist in dem zuletzt anhängigen Umfang begründet.

Die Erweiterung des Klageantrags um das Rückzahlungsbegehren ist eine Klageergänzung gemäß § 264 Nr. 3 ZPO i.V.m. § 173 VwGO (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Auflage, § 113 Rn. 93), die teilweise Klagerücknahme des Anfechtungs- und Leistungsbegehrens vor Antragstellung im Termin zur mündlichen Verhandlung ist zulässig gemäß § 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

1. Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 18. April 2011 ist rechtswidrig, soweit er die Mindestgebühr von 5.000 € übersteigt und verletzt insoweit die subjektiven Rechte der Klägerin. Er ist insoweit aufzuheben, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Rechtsgrundlage für den Erlass des streitgegenständlichen Gebührenbescheides sind § 35 Abs. 11 Rundfunkstaatsvertrag (RStV) in Verbindung mit §§ 1 Abs. 1, 2 der Satzung zur Erhebung von Kosten im Bereich des bundesweiten privaten Rundfunks der Beklagten vom 9. Oktober 2009 (Kostensatzung, KS). Danach sind durch die zuständigen Landesmedienanstalten von den Verfahrensbeteiligten Kosten in angemessenem Umfang zu erheben. Näheres regeln übereinstimmende Satzungen der Landesmedienanstalten. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Bestimmtheit des § 35 Abs. 11 RStV bestehen mit Blick auf die sprachliche Fassung (€Kosten in angemessenem Umfang€) nicht, weil der Gesetzgeber damit den Satzungsnormgebern aufgegeben hat, die Angemessenheit der Gebührenhöhe durch Schaffung geeigneter Gebührentatbestände in übereinstimmenden Satzungen sicherzustellen. Dem sind die Landesmedienanstalten mit der Schaffung inhaltlich identischer Kostensatzungen nachgekommen. Tatbestandlich sieht die Kostensatzung der Beklagten Gebühren für die Zulassung bundesweiter Veranstalter vor, sie betragen gemäß Ziffer 1.1 des Kostenverzeichnisses als Anlage zur Kostensatzung im Bereich des Fernsehens zwischen 5.000 € und 100.000 €. Diese weite, indessen inhaltlich durch § 2 Abs. 1 S. 2 KS näher ausgestaltete Bestimmung eines Gebührenrahmens verstößt weder gegen den Gleichheitssatz noch gegen das Bestimmtheitsgebot. Ohne einen solchen Gebührenrahmen wäre die Festsetzung leistungsgerechter Gebühren oft gar nicht möglich (vgl. zu ähnlichen Gebührenrahmen OVG Berlin, Urteil vom 27. Juli 1978 - V B 11.77 -, juris Rn. 16 m.w.N.; OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juni 2007 - OVG 11 B 6.06 -, juris Rn. 26; OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Oktober 2011 - 2 LB 10/11-, juris Rn. 37 f.). Die Ausfüllung eines durch einen Gebührenrahmen vorgesehenen Gestaltungsrahmens im Einzelfall ist eine Ermessensbetätigung (ausdrücklich OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27. Oktober 2011 - 2 LB 10/11-, juris Rn. 39 m.w.N.; ebenso OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juni 2007 - OVG 11 B 6.06 -, juris Rn. 26; von Dreising, VerwKostG, § 9 Ziffer 1 a.E.). § 2 Abs. 1 Satz 2 KS bestimmt im Einzelnen, wie die Höhe der Gebühr festgesetzt werden soll, wenn das Kostenverzeichnis keine Festgebühr, sondern - wie hier - nur einen Rahmen vorgibt. Dann soll die Höhe der Gebühr nach dem Verwaltungsaufwand und der Bedeutung der Angelegenheit, insbesondere dem wirtschaftlichen oder sonstigen Interesse des Kostenschuldners bemessen werden, und zwar gemäß § 2 Abs. 3 KS durch das für die Sachentscheidung zuständige Organ der Landesmedienanstalt. Dem Entscheidungsorgan steht es dabei prinzipiell frei, die Ausübung dieses Ermessens durch selbstbindende Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien im Vorfeld zu regeln, wobei es auch überlassen ist, wie konkret diese Verwaltungsvorschriften gefasst sind, d.h. wie weit das Entscheidungsorgan sein Ermessen im Vorfeld bindet. Sofern den von der Kostensatzung festgelegten Bemessungselementen Rechnung getragen und die Ausübung eines die besonderen Umstände berücksichtigenden Einzelfallermessens nicht ausgeschlossen wird, sind derartige Richtlinien grundsätzlich geeignet, für eine dem Art. 3 Abs. 1 GG entsprechende einheitliche Verwaltungspraxis zu sorgen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. Juni 2007 - OVG 11 B 6.06 -, juris Rn. 27; Hess. VGH, Beschluss vom 19. Mai 2010 - 5 V 71/10 -, juris).

Ob der Beschluss der ZAK vom 18. Mai 2010, der Gebühren in Abhängigkeit vom Marktanteil in drei Stufen vorsieht, diesen Grundsätzen genügt, kann hier offengelassen werden (bejahend VG München, Urteil vom 7. April 2011 - M 17 K 10.4615 -, juris). Ebenso wenig braucht dem Einwand der Klägerin nachgegangen zu werden, die ZAK sei deshalb unzuständig, weil § 2 Abs. 3 KS in rechtswidriger Weise die Entscheidung über die Gebührenhöhe von der Landesmedienanstalt auf ihr für die Sachentscheidung zuständiges Organ verlagere. Wenn dies zuträfe, wäre der Gebührenbescheid vom 18. April 2011 bereits wegen eines formellen Fehlers rechtswidrig. Hält man § 2 Abs. 3 KS demgegenüber für rechtmäßig - etwa weil dem Gesetz nicht zu entnehmen ist, dass es den Landesmedienanstalten verwehrt sein soll, die Entscheidungsbefugnis für die Gebührenhöhe auf ihre Organe zu übertragen und wofür im Übrigen auch der Vergleich mit § 15 Abs. 2 MStV spricht, der ebenfalls die Entscheidung über die Gebührenhöhe dem sachlich zuständigen Organ abverlangt - ist die ZAK für die Entscheidung über die Höhe der Gebühr und damit auch für die Ausübung des Ermessens zwar zuständig. Denn der ZAK obliegt die Sachentscheidung €Zulassungsverlängerung€ gemäß §§ 36 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 20a RStV und die Klägerin hat als Veranstalterin des bundesweiten Fernsehspartenprogramms "A..." eine Verlängerung ihrer rundfunkrechtlichen Sendeerlaubnis von der Beklagten erhalten, mithin den Gebührentatbestand - der erstmalige Zulassungen wie auch Verlängerungen gleichermaßen umfasst - realisiert. Dann aber erfolgte jedenfalls die Ausfüllung des kostenrechtlichen Gebührenrahmens durch die ZAK in rechtswidriger Weise, § 114 Satz 1 VwGO. Es spricht hier viel für einen nicht heilbaren Ermessensausfall gemäß § 114 Satz 2 VwGO (unter a). Selbst wenn jedoch Ermessen durch Anwendung des Beschlusses des ZAK vom 18. Mai 2010 ausgeübt worden sein sollte, läge ein Ermessensfehlgebrauch vor (dazu b).

a. Eine Ermessensbetätigung der ZAK lässt sich nicht sicher feststellen.

Eine ausdrückliche Ausübung des Ermessens durch die ZAK liegt nicht vor. Der Beschluss der ZAK vom 5. April 2011, auf dem der Gebührenbescheid beruht, enthält keine auf den konkreten Einzelfall der Klägerin bezogenen Ermessenserwägungen. Dem Protokoll der ZAK-Sitzung lässt sich nicht entnehmen, ob die Mitglieder gesehen haben, dass sie Ermessen zur Höhe der Gebühr haben und dieses ausüben und damit erst recht nicht, welche Gesichtspunkte im Einzelnen gewürdigt und abgewogen worden sind. Denn der Beschluss enthält keinerlei Begründung. Der Gebührenbescheid der Beklagten vom 18. April 2011, der diesen Beschluss der ZAK als Grundlage der Gebührenentscheidung benennt, lässt (demzufolge) ebenfalls Ermessenserwägungen vermissen.

Auch aus den Umständen lässt sich keine stillschweigende Ermessensausübung des Entscheidungsorgans ZAK entnehmen. Die (letzte) Vorlage der Beklagten vom 28. März 2011 für den Beschluss der ZAK vom 5. April 2011 enthält nämlich auch keine Einzelfallerwägungen (mehr), die die ZAK sich hätte zu eigen machen können und die dann - was eine Bezugnahme auf konkrete Erwägungen in der Vorlage im Protokoll der ZAK-Sitzung erfordert hätte - als mitbeschlossen hätten gelten können (vgl. Urteile der Kammer vom 19. Juni 2012, VG 27 A 71.08 und VG 27 A 70.08 sowie Urteil vom 22. Mai 2012, VG 27 K 339.10). Vielmehr geht die Vorlage vom 28. März 2011 ersichtlich davon aus, dass sich die ZAK für den konkreten Fall der Klägerin in der früheren Sitzung vom 15. Februar 2011 entsprechend ihrem Beschluss vom Mai 2010 bereits auf die Gebühr von 30.000 € festgelegt habe (€In ihrer Sitzung am 15. Februar 2011 hatte die ZAK dementsprechend bereits die Gebühr auf 30.000 Euro festgelegt€). Indessen ist in der ZAK-Sitzung vom Februar 2011 kein Beschluss zur Gebührenhöhe ergangen, sondern die Angelegenheit wurde in die Prüfgruppe zurückverwiesen. Zwar hatte seinerzeit der Vertreter der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg die (damalige) Beschlussvorlage kritisiert, die nicht den Regelgebühren der Kostensatzung und des Gebührenbeschlusses der ZAK vom 18. Mai 2010 entsprechen würde und gemeint, wie im Fall der Zulassungsverlängerung 9...sei auch hier eine Gebühr i.H.v.30.000 € angemessen, zumal die Laufzeiten der Zulassungen von 9... und A... vergleichbar seien. Damit hat ein Mitglied der ZAK Erwägungen angestellt, die durchaus einzelfallbezogen sind. Dass sich aber die ZAK-Mitglieder in ihrer entscheidenden Sitzung am 5. April 2011, als über die konkrete Gebührenhöhe abgestimmt wurde, in Ansehung ihres Ermessensspielraums bewusst für die Gebühr i.H.v. 30.000 € entschieden haben und hierfür mehrheitlich diese Einzelfallerwägungen aufgegriffen und/oder andere angestellt haben, ist durch nichts belegt. Eine nachweisliche Einigung der ZAK-Mitglieder auf eine ganz konkrete Ermessensausübung fehlt mithin, wäre aber notwendig gewesen. Im Gegenteil, der zeitliche Ablauf der Ereignisse verdeutlich vielmehr, dass die ZAK eine den individuellen Umständen der Klägerin Rechnung tragende Ermessensentscheidung gerade nicht für erforderlich hielt: Sie hat solange auf die Vorlagen der Beklagten Einfluss genommen, bis dort keinerlei Einzelfallerwägungen mehr enthalten waren.

Es handelt sich hierbei auch nicht nur um einen formellen Fehler, einen bloßen Begründungsmangel. Wenn Ermessen nicht gesehen und ausgeübt worden ist, liegt ein unheilbarer Ermessensfehler vor. § 114 Satz 2 VwGO schafft die prozessualen Voraussetzungen lediglich für eine Ergänzung defizitärer Ermessenserwägungen im Verwaltungsprozess, nicht aber für die erstmalige Ausübung des Ermessens; €Ergänzungen€ scheiden bei Ermessensausfall schon begrifflich aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Oktober 2007 - 1 C 10.07 -, juris Rn. 30 m.w.N.).

b. Selbst wenn man annähme, die ZAK habe durch Anwendung ihres Beschlusses vom 18. Mai 2010 Ermessen ausgeübt, wäre die Ermessensausübung rechtswidrig. Denn dann läge der Ermessensfehler Ermessensfehlgebrauch vor, weil die ZAK keine im Einzelfall der Klägerin zu berücksichtigende Umstände bedacht und abgewogen hat. Die Beklagte hat diese Umstände in ihrer ersten Vorlage vom 28. Januar 2011 klar benannt, sie lagen der ZAK damit vor und hätten - gegebenenfalls neben weiteren Besonderheiten des konkreten Falls - Berücksichtigung finden müssen.

Da die Klägerin aber unstreitig den Gebührentatbestand in Ziffer 1.1. des Kostenverzeichnisses als Anlage zur Kostensatzung realisiert hat, schuldet sie jedenfalls die Mindestgebühr i.H.v. 5.000 €.

2. Der geltend gemachte Zahlungsanspruch ist einschließlich des Zinsanspruchs in Höhe von 25.000 € begründet. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann gleichzeitig mit der Aufhebung des rechtswidrigen Verwaltungsakts ausgesprochen werden, dass und wie dessen Vollziehung rückgängig gemacht wird. Der Klägerin steht der Rückzahlungsanspruch auch zu. Sie hat die durch den angefochtenen Bescheid festgesetzte Gebühr bezahlt und anschließend die Zulassungsverlängerung erhalten. Damit ist der Verwaltungsakt €vollzogen€ i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Der Anspruch auf Rückzahlung eines Betrages i.H.v. 25.000 € ergibt sich - da die Kostensatzung insoweit keine Bestimmung enthält - aus § 21 VwKostG direkt oder zumindest seinem Gedanken nach (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. April 2003 - 6 C 5/02 -, juris Rn. 20). Danach sind überzahlte oder zu Unrecht erhobene Kosten unverzüglich zu erstatten. Mit der Aufhebung des angefochtenen Bescheides, soweit er eine höhere Gebühr als 5.000 € bestimmt, ist der Rechtsgrund für den weiteren Verbleib des übersteigenden Gebührenbetrages bei der Beklagten entfallen.

Der Klägerin stehen in entsprechender Anwendung von § 291 Satz 1 BGB Prozesszinsen von dem Eintritt der Rechtshängigkeit an zu. Die Höhe des Zinssatzes ergibt sich aus der analogen Anwendung von § 291 Satz 2 i.V.m. § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB; danach ist eine Geldschuld ab Rechtshängigkeit mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz im Sinne von § 247 BGB zu verzinsen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 und 2 VwGO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.






VG Berlin:
Urteil v. 23.05.2013
Az: 27 K 102.11


Link zum Urteil:
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