Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen:
Beschluss vom 6. Oktober 2004
Aktenzeichen: L 3 B 79/03 KA
(LSG Niedersachsen-Bremen: Beschluss v. 06.10.2004, Az.: L 3 B 79/03 KA)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Sozialgericht Niedersachsen-Bremen hat in seinem Beschluss vom 6. Oktober 2004 entschieden, dass die Beschwerde gegen die Kostengrundentscheidung im vorliegenden Verfahren unzulässig ist. Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass die Kostentragung im sozialgerichtlichen Verfahren nicht, wie von der Antragsgegnerin argumentiert, nach § 788 der Zivilprozessordnung (ZPO) zu erfolgen hat, sondern nach den Bestimmungen im Sozialgerichtsgesetz (SGG). Es wird darauf verwiesen, dass die Kostengrundentscheidung im vorliegenden Fall unanfechtbar ist, da der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist. Die Antragsgegnerin hatte sich geweigert, einer Verpflichtung aus einem Beschluss nachzukommen und dadurch Kosten verursacht. Das Gericht folgt nicht der Auffassung des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen, wonach die Entscheidung nach § 197a SGG die Beschwerde gemäß § 172 Abs. 1 SGG uneingeschränkt zulässt. Das Gericht begründet dies damit, dass die Kostengrundentscheidung nach § 158 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) unanfechtbar ist, wenn in der Hauptsache keine Entscheidung ergangen ist. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts wird daher verworfen. Die Antragsgegnerin muss die Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 98,05 € festgesetzt. Der Beschluss ist nicht anfechtbar.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LSG Niedersachsen-Bremen: Beschluss v. 06.10.2004, Az: L 3 B 79/03 KA
Auch im sozialgerichtlichem Verfahren ist die Kostengrundentscheidung unanfechtbar, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen ist und weder Kläger noch Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen gehören (Abgrenzung zu LSG Nordrhein-Westfalen, Breithaupt 2003, 877).
Tenor
Die Beschwerde wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Antragsgegnerin.
Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 98,05 € festgesetzt.
Tatbestand
Das Sozialgericht (SG) Hannover ordnete mit Beschluss vom 30. April 2002 die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Honorarrückforderungsbescheide der Antragsgegnerin vom 29. November 2000 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. März 2001 sowie des weiteren Bescheides vom 14. Dezember 2001 an, hob die Vollziehung dieser Bescheide auf und ordnete außerdem an, dass die Antragsgegnerin dem Honorarkonto des Antragstellers bis zum Abschluss des Klageverfahrens in der ersten Instanz 14.208,34 € gutschreibt. Nachdem die Antragsgegnerin dem nicht nachgekommen war, beantragte der Antragsteller am 02. Oktober 2002 bei dem SG, gegen die Antragsgegnerin wegen Nichtvornahme der Gutschrift ein Zwangsgeld bis zur Höhe von 25.000,00 € festzusetzen, hilfsweise bis zur Höhe von 1.000,00 € anzuordnen und ggf. festzusetzen. Das Verfahren wurde mit Schriftsatz vom 12. Februar 2003 vom Antragsteller für erledigt erklärt, nachdem die Antragsgegnerin die Honorargutschrift erteilt hatte.
Unter dem 23. Mai 2003 hat das SG daraufhin die Erledigung des Verfahrens festgestellt und außerdem beschlossen, dass die Antragsgegnerin die Kosten des Verfahrens trägt. Im Rahmen der gemäß § 161 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zu treffenden Ermessensentscheidung sei berücksichtigt worden, dass die Antragsgegnerin durch ihre unberechtigte Weigerung, der Verpflichtung aus dem Beschluss nachzukommen, die Kosten des Verfahrens verursacht habe.
Gegen den ihr am 17. Juni 2003 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 20. Juni 2003 Beschwerde eingelegt, der das SG nicht abgeholfen hat. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, im Rahmen des richtigerweise anzuwendenden § 198 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 788 Zivilprozessordnung (ZPO) sei kein Raum für eine Kostengrundentscheidung. Richtigerweise sei vielmehr zu fragen, ob die dem Gläubiger entstandenen Kosten erforderlich im Sinne des § 788 ZPO gewesen seien; das sei zu verneinen, weil im Zeitpunkt der Antragstellung die allgemeinen Voraussetzungen der Zwangsvollstreckung mangels wirksamer Erteilung der Vollstreckungsklausel nicht vorgelegen hätten.
Der Antragsteller ist dem entgegengetreten. Es könne kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass die Antragsgegnerin für die Einleitung des Vollstreckungsverfahrens Veranlassung gegeben habe.
Gründe
Die Beschwerde ist unzulässig. Ein Rechtsmittel gegen die erstinstanzliche Kostengrundentscheidung ist nicht statthaft.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin richtet sich die Kostentragung im vorliegenden Verfahren nicht nach § 788 ZPO. Maßgeblich sind vielmehr die im SGG getroffenen Regelungen zur Kostengrundentscheidung bei unstreitiger Verfahrenserledigung. Dies gilt unabhängig davon, ob die Vollstreckung hier gemäß § 198 Abs. 1 SGG oder (bei Zugrundelegung des Hilfsantrages) nach § 201 Abs. 1 SGG analog durchzuführen gewesen wäre. Denn auch im ersten Fall verweist das Gesetz nur soweit auf das 8. Buch der ZPO, als sich aus dem SGG nichts anderes ergibt. Dies ist im Hinblick auf die Kostenregelungen der §§ 183 ff. SGG jedoch der Fall (im Ergebnis ebenso: Meyer-Ladewig, SGG, 7. Aufl., § 198 Rd.Nr. 5 c, wonach § 788 ZPO nur €heranzuziehen" sei).
Maßgeblich ist hier das am 02. Januar 2002 geltende Kostenrecht i.d.F. des 6. SGG-Änderungsgesetzes (6. SGGÄndG) vom 17. August 2001, weil der Antrag auf Festsetzung eines Zwangsgeldes am 02. Oktober 2002 und damit nach dem Inkrafttreten des 6. SGGÄndG gestellt worden ist. Nur für Verfahren, die vorher anhängig gewesen sind, sind nach der überzeugenden Rechtsprechung des BSG (SozR 3-1500 § 193 Nr. 14) noch die früher geltenden Kostenvorschriften des SGG anzuwenden. Dabei ist das Vollstreckungsverfahren wegen seiner eigenständigen Ausgestaltung auch kostenrechtlich als eigenes Verfahren anzusehen, so dass nicht entscheidend ist, ob das vorangegangene (hier: auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gerichtete) Erkenntnisverfahren bereits vor dem 02. Januar 2002 eingeleitet worden war.
Nach § 197 a Abs. 1 Satz 1 SGG n.F. sind die §§ 154 bis 162 VwGO entsprechend anzuwenden, wenn in einem Rechtszug - wie hier - weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen (Versicherte, Leistungsempfänger, Behinderte) gehören. Zu den angegebenen Vorschriften zählt § 158 Abs. 2 VwGO, wonach die Entscheidung über die Kosten unanfechtbar ist, wenn eine Entscheidung in der Hauptsache nicht ergangen ist. Dies schließt auch eine Überprüfung der erstinstanzlichen Kostengrundentscheidung nach § 161 Abs. 2 VwGO im Beschwerdeweg aus, wenn der Rechtsstreit in der Hauptsache - wie vorliegend - erledigt ist (Clausing in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Lsbls - Stand September 2003 - , § 161 Rd.Nr. 26).
Der Senat folgt damit nicht der Auffassung des LSG Nordrhein-Westfalen (Breithaupt 2003, 877, 878 f.; ebenso: Knittel in: Hennig, SGG, Lsbls. - Stand Februar 2004 -, § 197 a Rd.Nr. 17 f.), wonach die in § 197 a SGG enthaltene Verweisung nur die Kostengrundentscheidung selbst, nicht aber das Verfahren betreffe und deshalb auch im Bereich des § 197 a SGG die Beschwerde gegen eine solche Entscheidung gemäß § 172 Abs. 1 SGG uneingeschränkt statthaft sei. Dies widerspricht dem eindeutigen Wortlaut der Norm, die in Hinblick auf § 158 Abs. 2 VwGO gerade keine Ausnahme von der Anordnung der entsprechenden Anwendung macht.
Angesichts der eindeutigen gesetzlichen Regelung wäre eine einschränkende Auslegung nur möglich, wenn sich Anhaltspunkte hierfür aus den Materialien des Gesetzgebungsverfahrens, aus systematischen oder teleologischen Gesichtspunkten oder aus Gründen des Verfassungsrechts ergäben. Dies ist jedoch nicht der Fall.
Die Entwurfsbegründung zu § 197 a SGG (BT-Drs. 14/5943 S. 29) enthält zum Verweis auf die VwGO lediglich die Anmerkung, deren Vorschriften eigneten sich insbesondere, weil sie auch Bestimmungen über die Kosten des Vorverfahrens und über die Kostentragungspflicht der Beigeladenen enthielten. Dass der Gesetzgeber die Problematik des § 158 Abs. 2 VwGO übersehen haben könnte (so wohl LSG Nordrhein-Westfalen a.a.O., S. 878), erscheint schon deshalb fern liegend, weil er die Vorschrift erst zum 01.01.1991 (mit dem 4. VwGO-Änderungsgesetz) zur Entlastung der Gerichte in der jetzigen Weise neu gefasst hat und der sich daraus ergebende Ausschluss der Anfechtbarkeit isolierter Kostenentscheidungen in der Folgezeit kritisch diskutiert worden ist (vgl. hierzu Olbertz in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, a.a.O., § 158 Rd.Nr. 9 f.). Im Übrigen zeigt der Umstand, dass die Anwendbarkeit von § 161 Abs. 2 VwGO in Fällen der Klagerücknahme gemäß § 197 a Abs. 1 Satz 2 SGG ausdrücklich ausgeschlossen worden ist, dass der Gesetzgeber gerade keine unreflektierte Verweisung auf das verwaltungsprozessuale Kostenrecht vorgenommen hat.
Die unterschiedliche Verfahrensweise gegenüber der weiterhin mit der Beschwerde anfechtbaren Kostengrundentscheidung nach § 193 SGG ist auch sachlich begründbar. Der Gesetzgeber hat mit dem 6. SGGÄndG ersichtlich das Konzept verfolgt, kostenrechtlich zwischen Versicherten, Leistungsempfängern und Behinderten einerseits und sonstigen Beteiligten andererseits zu differenzieren. Der als besonders schutzbedürftig angesehene erstgenannte Personenkreis muss (weiterhin) keine Gerichtskosten tragen; für die Kostengrundentscheidung eröffnet § 193 SGG dem Gericht einen umfassenden, Billigkeitserwägungen einschließenden Entscheidungsspielraum. Die sonstigen Beteiligten sind dagegen gerichtsgebührenpflichtig und den Vorschriften der VwGO zur Kostengrundentscheidung unterworfen, die zumeist nur an das Unterliegen und/oder Obsiegen in der Hauptsache anknüpfen (vgl. etwa §§ 154 Abs. 1 und 2, 155 Abs. 1 und 2). Dieser Differenzierung entspricht es, wenn für die sonstigen Beteiligten das strengere Kostenrecht der VwGO auch im Hinblick auf den Ausschluss der Beschwerde gegen isolierte Kostengrundentscheidungen gilt. Darauf, ob die vom Gesetzgeber gewählte Lösung überzeugend ist, kommt es rechtlich nicht an. Ein Verfassungsverstoß liegt hierin schon deshalb nicht, weil weder Art. 19 Abs. 4 noch Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) noch das Rechtsstaatsprinzip verlangen, für eine gerichtliche Entscheidung ein Rechtsmittel an ein Gericht höherer Instanz vorzusehen (BVerfGE 74, 358, 377).
Nach alledem war die Beschwerde gemäß § 202 SGG i.V.m. § 572 Abs. 2 Satz 2 ZPO zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Der Wert des Streitgegenstandes im vorliegenden Beschwerdeverfahren bemisst sich gemäß § 13 Abs. 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG, in der bis zum 30. Juni 2004 geltenden Fassung, vgl. § 72 Nr. 1 GKG i.d.F.d. Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes (KostRMG) vom 05. Mai 2004) allein nach den zu erwartenden Rechtsanwaltskosten, da Gerichtsgebühren im sozialgerichtlichen Vollstreckungsverfahren nicht anfallen (Senatsbeschluss vom 20. August 2003 - L 3 B 24/03 KA). Unter Zugrundelegung eines Gegenstandswertes in Höhe von 3.552,09 € (vgl. den in der vorliegenden Angelegenheit unter dem AZ L 3 B 78/03 KA ergangenen Senatsbeschluss vom heutigen Tag) kann der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers im vorliegenden Verfahren eine 3/10-Gebühr nach §§ 31 Abs. 1 Nr. 1, 57 Abs. 1 BRAGO - die vorliegend gemäß § 61 Abs. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) vom 05. Mai 2004 noch anzuwenden sind - in Höhe von 73,50 € in Ansatz bringen. Hierzu kommen Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß § 26 BRAGO in Höhe von 11,03 € zuzüglich 16 % Mehrwertsteuer in Höhe von 13,52 €; zusammen ergibt dies mithin einen Betrag von 98,05 €.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
LSG Niedersachsen-Bremen:
Beschluss v. 06.10.2004
Az: L 3 B 79/03 KA
Link zum Urteil:
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