Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. September 2001
Aktenzeichen: 8 W (pat) 4/00
(BPatG: Beschluss v. 11.09.2001, Az.: 8 W (pat) 4/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss entschieden, dass die Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss des Patentamts zurückgewiesen wird. Die Patentabteilung des Patentamts hatte das Patent mit der Bezeichnung "Verfahren zum Einspannen eines Werkstücks in einer CNC-Drehmaschine" widerrufen, da der Hauptanspruch des Patents nicht neu war. Die Patentinhaberin hatte Beschwerde eingelegt und einen neuen Patentanspruch vorgelegt, der ihrer Meinung nach das Patent in einer zulässigen Weise beschränkt. Die Einsprechenden waren jedoch anderer Meinung und beantragten, die Beschwerde abzuweisen. Das Bundespatentgericht entschied, dass der neue Patentanspruch eine unzulässige Erweiterung des Schutzbereichs des Patents darstellt. Im erteilten Patentanspruch wurde ein Verfahren beschrieben, bei dem die Axialkraft bzw. das Drehmoment auf einen bestimmten Wert gehalten wird. Der neue Patentanspruch erlaubt jedoch beliebige Werte, solange ein vorgegebener Maximalwert nicht überschritten wird. Diese Änderung wurde als unzulässige Erweiterung des Schutzbereichs angesehen. Daher wurde die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 11.09.2001, Az: 8 W (pat) 4/00
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Nach Prüfung zweier Einsprüche hat die Patentabteilung 14 des Patentamts das Patent 42 08 701 mit der Bezeichnung "Verfahren zum Einspannen eines Werkstücks in einer CNC-Drehmaschine" (Anmeldetag 18. März 1992) mit Beschluß vom 18. November 1999 widerrufen, weil der Gegenstand seines Hauptanspruchs gegenüber dem nach der deutschen Offenlegungsschrift 39 41 756 nicht neu sei.
Gegen den Widerrufsbeschluß hat die Patentinhaberin Beschwerde eingelegt.
Sie hat in der mündlichen Verhandlung einen neugefaßten Patentanspruch 1 überreicht. Dieser lautet (ohne die Bezugszeichen):
"Verfahren zum Einspannen eines Werkstücks in einer CNC-Drehmaschine bei der das Werkstück am einen Ende in der Hauptspindel und am anderen Ende in einem mittels Elektromotor axial verfahrbaren Reitstock jeweils in einer Spanneinrichtung einspannbar ist, wobei sowohl die axiale Position des werkstückseitigen Endes der Reitstock-Spanneinrichtung, als auch die vom Elektromotor erzeugte, auf das Werkstück ausgeübte Axialkraft in einer Steuerung überwacht und mit einem Sollwert verglichen wird, dadurch gekennzeichnet, daß beim Halten des Werkstücks der Steuerung ein Positionsgrenzwert für die Reitstock-Spanneinrichtung vorgegeben wird, bei welchem deren werkstückseitiges Ende innerhalb des Werkstückes liegt, daß das der Axialkraft entsprechende Drehmoment des Elektromotors ständig überwacht und die dem Sollwert entsprechende Axialkraft während weiterer Einwirkung auf das Werkstück als Haltekraft unter Bewegungsregelung begrenzt wird und die Haltekraft während der Bearbeitung in Übereinstimmung mit Bearbeitungsparametern eingestellt wird."
Die Patentinhaberin vertritt die Auffassung, mit diesem neugefaßten Patentanspruch sei das Streitpatent in zulässiger Weise beschränkt. Der Gegenstand des Anspruchs 1 unterscheide sich in erfinderischer Weise von dem der genannten deutschen Offenlegungsschrift wie auch von dem der japanischen Patent-Offenlegungsschrift 3-170 202, die im Beschwerdeverfahren eingereicht worden ist.
Die Patentinhaberin beantragt, den Beschluß der Patentabteilung 14 des Patentamts vom 18. November 1999 aufzuheben und das Patent 42 08701 mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung, Patentansprüche 2 bis 6 gemäß Patentschrift, Beschreibung wie Patentschrift mit der Maßgabe, daß in Spalte 1 nach Zeile 67 der am 10. September 2001 eingegangene Abschnitt eingefügt wird, 1 Blatt Zeichnung wie Patentschrift.
Die Einsprechenden treten der Auffassung der Patentinhaberin entgegen, halten die mit dem geltenden Hauptanspruch gegenüber der erteilten Fassung vorgenommenen Änderungen für unzulässig und beantragen, die Beschwerde zurückzuweisen.
II Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Mit dem neugefaßten Patentanspruch 1 wäre der Nichtigkeitsgrund nach § 22 Abs 1 PatG (Erweiterung des Schutzbereichs des Patents) gegeben, der Patentanspruch 1 ist daher nicht zuzulassen.
Mit dem erteilten Patentanspruch 1 war ein Verfahren zum Einspannen eines Werkstücks in einer CNC-Drehmaschine unter Schutz gestellt, bei dem "das der Axialkraft entsprechende Drehmoment des Elektromotors ständig überwacht und die dem Sollwert entsprechende Axialkraft während weiterer Einwirkung auf das Werkstück als Haltekraft aufrechterhalten wird". In Verbindung mit der Angabe aus dem Oberbegriff des Anspruchs, daß "die vom Elektromotor erzeugte, auf das Werkstück ausgeübte Axialkraft in einer Steuerung überwacht und mit einem Sollwert verglichen wird", wird dem sachverständigen Leser die Lehre vermittelt, daß die Axialkraft bzw das Drehmoment nach Art einer Regelung trotz Störeinflüssen auf einem dem vorgebbaren Sollwert entsprechenden Wert gehalten werden, dh abgesehen von kurzzeitigen auszuregelnden Abweichungen nur diesen Wert annehmen soll.
Mit diesen Angaben im erteilten Hauptanspruch ist bezüglich der Axialkraft bzw. des Drehmoments die Arbeitsweise einer Regelungsvorrichtung schlüssig dargestellt, so daß der Fachmann keinen Anlaß hat, in der Beschreibung der Streitpatentschrift nach Hilfen zur Auslegung unklarer Begriffe zu suchen. Im übrigen gingen aus der einzigen Zeichnungsfigur keine Einzelheiten oder gar Unterschiede bezüglich der Weiterverarbeitung der vom Strommeßfühler 10 und vom Positions-Drehmelder 14 stammenden Istwertsignale hervor, und auch im Text sind zur Schilderung der Positionsregelung (Sp 4, Z 18 bis 23, wobei "zugeführt" für "durchgeführt" zu lesen ist) und der Kraft- bzw Drehmoment- bzw Motorstrom-Signalverarbeitung (Sp 4, Z 25 bis 32) die selben Wörter gewählt. Allein die Darlegung in Sp 2, Z 27 bis 31 deutet im Sinne des ursprünglichen Anspruchs 1 eine Verfahrensweise an, die von derjenigen im erteilten Hauptanspruch, der jedoch Vorrang zukommt, abweicht.
Die Neufassung des Hauptanspruchs sieht demgegenüber - in Anpassung an den Wortlaut des ursprünglichen Anspruchs 1 ("auf einen Maximalwert begrenzt") - vor, "daß das der Axialkraft entsprechende Drehmoment des Elektromotors ständig überwacht und die dem Sollwert entsprechende Axialkraft während weiterer Einwirkung auf das Werkstück als Haltekraft unter Bewegungsregelung begrenzt wird". Dies bedeutet, daß nunmehr die Axialkraft bzw das Drehmoment beliebige Werte annehmen kann, solange dabei ein Grenzwert im Sinne eines Maximalwerts nicht überschritten wird. In diesem Übergang von der Forderung "Axialkraft gleich Sollwert" im erteilten Hauptanspruch zu der Forderung "Axialkraft kleiner oder gleich Sollwert" im neugefaßten Anspruch 1 sieht der Senat, worauf in der Verhandlung auch hingewiesen worden ist, eine unzulässige Änderung im Sinne einer Erweiterung des Schutzbereichs. Denn war mit dem erteilten Patent (unter Beschränkung gegenüber dem Ursprungsoffenbarten) nur ein einschlägiges Einspannverfahren unter Schutz gestellt, bei dem die Axialkraft auf einem einzigen, jeweils vorgebbaren Wert gehalten wird ("aufrechterhalten"), so fielen mit der Neufassung auch Einspannverfahren unter den Schutz des Patents, bei denen die Axialkraft beliebige Werte bis zu einem vorgebbaren Maximalwert annehmen kann ("begrenzt").
Kowalski Dr. Maier Viereck Dr. Huber Hu
BPatG:
Beschluss v. 11.09.2001
Az: 8 W (pat) 4/00
Link zum Urteil:
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