Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen:
Urteil vom 12. Februar 1999
Aktenzeichen: L 1 AL 26/98
(LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 12.02.1999, Az.: L 1 AL 26/98)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg wurde abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten wurde aufgehoben und die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen wurden der Beklagten auferlegt. Die Revision wurde zugelassen.
Die Klägerin wurde zur Erstattung von Arbeitslosengeld und Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung herangezogen, die die Beklagte für einen ehemaligen Mitarbeiter aufgewendet hatte. Der Mitarbeiter war seit August 1960 bei der Firma E.W. AG beschäftigt. Im Jahre 1969 wurde ein Anstellungsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin begründet. Das Anstellungsverhältnis endete zum 30.09.1976. Danach war der Mitarbeiter vorübergehend bei einem zum T. Konzern gehörenden Unternehmen beschäftigt und wurde anschließend wieder bei der Klägerin angestellt. Der Dienstvertrag wurde mehrfach verlängert und endete schließlich zum 30.09.1995. Der Mitarbeiter meldete sich zum 01.10.1995 arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld von der Beklagten. Die Beklagte forderte daraufhin von der Klägerin die Erstattung der ausgezahlten Leistungen.
Die Klägerin erhob Klage gegen die Erstattungspflicht. Sie argumentierte, dass eine Regelungslücke im Arbeitsförderungsgesetz bestehe und die Erstattungspflicht nicht zum Nachteil des Arbeitgebers geschlossen werden dürfe. Die Klage wurde vom Sozialgericht Duisburg aufgehoben.
Die Beklagte legte Berufung gegen das Urteil ein und füllte einen Fragebogen zur Erstattungspflicht aus. Der ehemalige Mitarbeiter beantwortete die Fragen und gab an, dass er erst nach einem Jahr Arbeitslosigkeit Altersrente bezogen hat. Die Beklagte setzte daraufhin die Erstattungspflicht fest und forderte die Klägerin zur Zahlung auf.
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen wies die Berufung der Beklagten ab. Es stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Erstattungspflicht gemäß § 128 Arbeitsförderungsgesetz nicht vorliegen. Der Mitarbeiter war länger als 720 Tage bei der Klägerin beschäftigt und hatte vor Beginn des Leistungsbezugs bereits das 61. Lebensjahr vollendet. Der Senat stellte weiterhin fest, dass die Klägerin nicht für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses verantwortlich war, da es aufgrund einer vereinbarten Befristung endete. Der Senat sah auch keinen sachlichen Grund für eine Verlängerung des Beschäftigungsverhältnisses. Die Klage wurde daher für begründet erklärt und der Bescheid der Beklagten wurde aufgehoben. Die außergerichtlichen Kosten wurden der Beklagten auferlegt. Die Revision wurde zugelassen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LSG Nordrhein-Westfalen: Urteil v. 12.02.1999, Az: L 1 AL 26/98
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.02.1998 wird zurückgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 16.10.1998 wird aufgehoben. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu tragen. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zur Erstattung von Arbeitslosengeld und Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung, die die Beklagte für den am ...1934 geborenen E ... G ... (G.) aufgewendet hat.
G. war seit August 1960 bei der Firma E.W. AG als Sachbearbeiter im Personalwesen beschäftigt. Dieses Unternehmen trat 1960 in den T. Konzern ein. Im Jahre 1969 wurde ein Anstellungsvertrag mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der R.S. AG, begründet. Dieses Anstellungsverhältnis endete zum 30.09.1976. G. war anschließend vorübergehend bei der zum T. Konzern gehörenden W. GmbH als Personalleiter beschäftigt. Mit Dienstvertrag vom 05./07.05.1977 wurde G. wiederum bei der Klägerin angestellt. Er wurde zum Mitglied des Geschäftsbereichsvorstandes T. A. und zum Mitglied der Geschäftsführung der T.A. GmbH bestellt. G. führte die Dienstbezeichnung Direktor. Der Dienstvertrag wurde befristet zum 31.07.1980.
Durch Vereinbarungen vom 18.09./02.10.1979 und vom 04./12.12.1984 wurde die Bestellung zum Mitglied des Geschäftsbereichsvorstandes sowie zum Mitglied der Geschäftsleitung der T. A. GmbH um jeweils fünf Jahre verlängert. Auf den Anstellungsvertrag vom 05./07.05.1977 wurde Bezug genommen. Durch Vereinbarung vom 27.10./20.11.1989 erfolgte abermals eine Verlängerung, nunmehr befristet bis zum 31.07.1995. Der Anstellungsvertrag aus dem Jahre 1977 wurde dabei mit einer ergänzenden Klausel versehen. Unter dem 14.09./21.09.1994 schloß die Klägerin mit G. folgende Vereinbarung:
"1. Ihre Bestellung zum Mitglied es Vorstandes des Geschäftsbereichs T.A.und zum Mitglied der Geschäftsführung der T.A. GmbH wird um zwei Monate bis zum Ende des Geschäftsjahres 1994/95, dem 30.09.1995, verlängert.
2. Am 30.09.1995 scheiden Sie aus dem Unternehmen aus und beantragen unter der Voraussetzung einer einjährigen Arbeitslosigkeit ab dem 01.10.1996 die Sozialversicherungsrente bei der BfA.
3. Mit Beginn der Rentenzahlung durch die BfA ab 01.10.1996 erhalten Sie im Rahmen der betrieblichen Altersversorgung Ruhegeld nach den Regeln und Richtlinien des E. Verbandes (Leisungsordnung A). Es wird gewährt nach der Gruppe R zu züglich 25 % Zuschlag. Davon werden gemäß §§ 3, 7 der Leistungsordnung 18 % gekürzt. Außerdem wer den noch gemäß § 8 LO 50 % der Sozialversicherungsrente auf das Ruhegeld angerechnet.
4. Da Sie am 15.08.1995 auf eine 35jährige Unternehmenstätigkeit zurückblicken können, erhalten
Sie entsprechend unseren Richtlinien ein Jubiläumsgeschenk in Höhe von 2 Monatsgehältern brutto, zahlbar mit der Endgeldzahlung August 1995.
5. Die Tantieme für das Geschäftsjahr 1994/95 wird im Januar 1996 gezahlt."
G. meldete sich zum 01.10.1995 arbeitslos. Er bezog vom 02.10.1995 bis 30.09.1996 von der Beklagten Arbeitslosengeld und im Anschluß daran Altersrente von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte.
Nach Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 22.10.1996 die Erstattungspflicht der Klägerin dem Grunde nach fest. Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 26.11.1996 als unbegründet zurückwies.
Mit Bescheid vom 05.12.1996 stellte die Beklagte ohne vorherige Anhörung der Klägerin die Erstattungspflicht für den Zeitraum vom 02.10.1995 bis 30.09.1996 in Höhe von insgesamt 58.510,50 DM fest und forderte die Klägerin zur Zahlung auf.
Mit der am 23.12.1996 erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die Vorschrift des § 128 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) weise in bezug auf befristete Anstellungsverhältnisse eine Regelunglücke auf, die nicht zum Nachteil des Arbeitgebers geschlossen werden dürfe. Die Erstattungspflicht solle nach Sinn und Zweck dieser Vorschrift den Arbeitgeber nur dann treffen, wenn er die Arbeitslosigkeit eines Arbeitnehmers in einer Weise herbei führt, die es rechtfertigt, ihm die sozialen Folgekosten aufzubürden. Dies setze voraus, daß der Arbeitgeber die Initiative zur Beendigung des Anstellungsverhältnisses er griffen habe, wie es bei einer Kündigung oder dem Abschluß eines Aufhebungsvertrages der Fall sei. Die Vertragsbeendigung durch Befristung stelle eine in § 128 AFG nicht ausdrücklich genannte gesetzeskonforme Möglichkeit der Vertragsbeendigung dar.
Die Klägerin hat beantragt,
den Bescheid vom 22.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.11.1996 und den Bescheid vom 05.12.1996 aufzuheben.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat geltend gemacht, lediglich die Bestellung des G. als Organmitglied der T.A. GmbH, nicht aber das Anstellungsverhältnis bei der Klägerin sei befristet gewesen. Schon deshalb komme eine erweiternde Auslegung der Befreiungstatbestände des § 128 AFG nicht in Betracht.
Mit Urteil vom 13.02.1998 hat das Sozialgericht Duisburg den Bescheid vom 22.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.11.1996 und den Bescheid vom 05.12.1996 aufgehoben. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.
Gegen das am 16.03.1998 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 16.04.1998 Berufung eingelegt.
Anschließend übersandte die Beklagte dem ehemaligen Arbeitnehmer G. einen Fragebogen zur Erstattungspflicht gem. § 128 AFG. Darin beantwortete G. die Fragen über das Vorliegen von krankheitsbedingten Fehlzeiten innerhalb der letzten zwei Jahren vor Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses, zu einem etwaigen Kausalzusammenhang zwischen Erkrankungen und der Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses sowie zum Bezug von Sozialleistungen mit nein. Er gab an, er habe erst nach einem Jahr der Arbeitslosigkeit vorgezogenes Altersruhegeld von der BfA bezogen. Das Ergebnis der Befragung teilte die Beklagte sodann der Klägerin im Rahmen der Anhörung zur Erstattungspflicht nach § 128 AFG mit. Die Klägerin bekräftigte daraufhin abermals ihren Standpunkt zum Nichteintritt der Erstattungspflicht.
Mit Bescheid vom 16.10.1998 setzte die Beklagte den Erstattungsbetrag für die Zeit vom 02.10.1995 bis 30.09.1996 abermals in Höhe von 58.510,50 DM fest und führte zur Begründung aus, eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Ablauf der Befristung sei nicht als Befreiungstatbestand in § 128 AFG aufgeführt. Sonstige Befreiungstatbestände lägen nicht vor. Die Rückzahlungspflicht ruhe bis zum Ablauf des Berufungsverfahrens. Dieser Bescheid ersetze den Abrechnungsbescheid vom 05.12.1996.
Mit der Berufungsbegründung macht die Beklagte geltend, der Befreiungstatbestand in § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AFG sei auf die Fälle beschränkt, in denen der Arbeitnehmer selbst ausdrücklich eine Kündigung ausspreche. Die nunmehr erfolgte Festsetzung der Erstattungsforderung stehe im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 13.02.1998 zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, den Bescheid der Beklagten vom 16.10.1998
aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Sie nimmt auf die Gründe des angefochtenen Urteils und ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorganges der Beklagten (Arbeitsamt Essen - Stammnummer x) Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Gründe
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet. Für den Grundlagenbescheid vom 22. 10. 1996 bietet § 128 AFG keine Rechtsgrundlage. Der Abrechnungsbescheid vom 05.12.1996 ist bereits wegen fehlender Anhörung rechts widrig. Der Senat nimmt gemäß § 153 Abs. 2 SGG insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des sozialgerichtlichen Urteils Bezug.
Die Klage gegen den Bescheid vom 16.10.1998 ist begründet.
Der Senat hat nur noch über den Bescheid der Beklagten vom 16.10.1998 zu entscheiden. Dieser hat den Erstattungsbescheid vom 05.12.1996 ersetzt und ist gemäß §§ 96, 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Berufungsverfahrens geworden. Der Grundlagenbescheid vom 22.10.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.11.1996 ist prozessual überholt, da der anschließend ergangene Abrechnungsbescheid die Erstattungspflicht der Klägerin dem Grunde und der Höhe nach zum Gegenstand hat. Dem Grundlagenbescheid kommt mithin keine eigenständige Bedeutung über den Regelungsgehalt des Erstattungsbescheides hinaus zu (BSG SozR 3-4100 § 128 AFG Nr. 5).
Die Klägerin ist durch den Erstattungsbescheid vom 16.10.1998 gemäß § 54 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert, weil dieser Bescheid rechtswidrig ist. Die Voraussetzungen für die Erstattung von Arbeitslosengeld sind nicht erfüllt.
Der Bescheid ist allerdings nicht bereits wegen fehlender Anhörung rechtswidrig. Die gemäß § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch 10. Buch (SGB X) erforderliche Anhörung ist vor Erlaß dieses Bescheides erfolgt. Der zuvor bestehende Anhörungsmangel entfällt damit (vgl. dazu: BSGE 75, 159 = SozR 3-1300 § 41 AFG Nr. 7; BSG SozR 3-4100 § 128 AFG Nr. 4).
Die Voraussetzungen für das Eintreten der Erstattungspflicht liegen jedoch nach § 128 AFG nicht vor. Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 AFG in der hier geltenden Fassung des Beschäftigungsförderungsgesetzes vom 26.07.1994 (BGBl. I, S. 1786) hat der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs. 2 die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 320 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der Bundesanstalt vierteljährlich das Arbeitslosengeld für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen, längstens für 624 Tage zu erstatten. Soweit danach Arbeitslosengeld zu erstatten ist, schließt dies die auf diese Leistungen entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung ein (Absatz 4). G. war bei der Beklagten innerhalb der letzten vier Jahre vor Beginn der Arbeitslosigkeit mehr als 720 Kalendertage beitragspflichtig beschäftigt und hatte vor Beginn des Leistungsbezuges bereits das 61. Lebensjahr vollendet.
G. war als Angestellter bei der Klägerin gemäß § 168 Abs. 1 Satz 1 AFG beitragspflichtig beschäftigt. Gemäß § 173 a AFG ist § 7 Sozialgesetzbuch 4. Buch (SGB IV) entsprechend anzuwenden. Nach dieser Regelung fällt unter den Begriff "Beschäftigung" die nicht selbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis.
Zur Überzeugung des Senats steht fest, daß G. als leitender Angestellter und damit als Arbeitnehmer bei der Klägerin beschäftigt war. Arbeitnehmer ist nach den vorgenannten Vorschriften derjenige, der von einem Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Dies bedeutet Eingliederung in den Betrieb und Unterordnung unter das Weisungsrecht des Arbeitgebers, insbesondere in Bezug auf Zeit, Dauer und Ort der Arbeitsausführung. Vor allem bei Diensten höherer Art, wie etwa bei leitenden Angestellten kann das Weisungsrecht erheblich eingeschränkt sein, darf jedoch nicht völlig entfallen. Selbständige Tätigkeiten sind hingegen durch das Unternehmerrisiko und durch das Recht und die Möglichkeit gekennzeichnet, über die eigene Arbeitskraft, über Arbeitsort und Arbeitszeit frei zu verfügen (BSG SozR 3-4100 § 168 AFG Nrn. 5 und 22; BSG SozR 3-2400 § 7 SGB IV Nr. 4; BSGE 13, 196). In Zweifels fällen kommt es darauf an, welche Merkmale überwiegen. Dies richtet sich nach den Umständen des Einzelfalles, wobei die vertragliche Ausgestaltung im Vordergrund steht. Diese tritt allerdings dann zurück, wenn die tatsächlichen Verhältnissse entscheidend davon abweichen.
G. war aufgrund dienstvertraglicher Vereinbarungen verpflichtet, seine volle Arbeitskraft in den Dienst der Klägerin zu stellen. Er durfte ohne ausdrückliche Genehmigung der Klägerin weder Nebentätigkeiten noch Aufsichtsrats- oder Beiratsmandate oder ähnliche Stellungen bei anderen Gesellschaften übernehmen. Die Entlohnung bestand zum überwiegenden Teil aus einem Festgehalt, das durch eine erfolgsabhängige Tantieme ergänzt wurde. Nach Angaben der Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats erreichte die Tantieme 30 bis 40 % des Festgehalts. Darüber hinaus deuten die dienstvertraglichen Regelungen über Zusatzleistungen nach einem Arbeitsunfall sowie zur Altersversorgung auf eine abhängige Beschäftigung hin. G. war weder am Aktienkapital der Klägerin maßgeblich beteiligt noch hatte er eine Organstellung bei der Klägerin inne. Der Geschäftsbereichsvorstand T.A., dem G. angehörte, stellte ein unter der Vorstandsebene angesiedeltes Leitungsgremium dar. Die Stellung als Mitglied der Geschäftsführung der T.A. GmbH, eines Tochterunternehmens der Klägerin, nahm G. im Rahmen seiner dienstvertraglichen Pflichten wahr.
Das zu erstattende Arbeitslosengeld hat die Beklagte G. zu Recht bewilligt. Der Arbeitslosengeldanspruch ruhte nicht wegen Eintritts einer Sperrzeit gemäß § 119 AFG. Insbesondere hat G. nicht das Beschäftigungsverhältnis mit der Klägerin gelöst. Die vertragliche Vereinbarung mit der Klägerin kann nicht im Sinne des Sperrzeittatbestandes nach § 119 Abs. 1 Nr. 1 1. Alternative AFG als Lösung von einem Beschäftigungsverhältnis interpretiert werden.
Dieser Begriff ist zwar nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG SozR 3-4100 § 119 AFG Nr. 9) weit auszulegen. Danach können auch sog. Abwicklungs- und Umgehungsgeschäfte den Sperrzeittat bestand erfüllen. Als Lösung von einem Beschäftigungsverhältnis kann eine vertragliche Regelung jedoch nur dann interpretiert werden, wenn die Beendigung eines ansonsten weiter fortbestehenden Beschäftigungsverhältnisses vereinbart wird. Dies war hier jedoch nicht der Fall. Vielmehr wurde das bereits zuvor beendete Beschäftigungsverhältnis durch die abermals mit Fristsetzung versehene Vereinbarung verlängert und nicht etwa verkürzt.
Die Erstattungspflicht entfällt jedoch deshalb, weil § 128 AFG seinem Sinn und Zweck nach unter Beachtung des Grund rechts der Klägerin aus Artikel 12 Abs. 1 Grundgesetz (GG) keine Anwendung findet. Bei der Prüfung, ob die Erstattungspflicht den Arbeitgeber nicht im Übermaß belastet, ist zu berücksichtigen, daß dieser für einen lang jährig beschäftigten Arbeitnehmer ebenso langjährig Beitragsanteile zur Arbeitslosenversicherung entrichtet hat. Das gebietet, die Erstattungspflicht nur dann ein treten zu lassen, wenn den Arbeitgeber eine besondere Verantwortung für den Eintritt der Arbeitslosigkeit des älteren Arbeitnehmers und damit für die Gewährung der zu erstattenden Leistung trifft (BVerfGE 81, 197) und wenn somit die Beendigung des Beschäftigungsverhältnis in den "Verantwortungsbereich des Arbeitgebers" fällt (vgl. Bundestagsdrucksache 9/966, Seite 80).
Eine derartige Verantwortlichkeit der Klägerin ist nicht erkennbar, weil das Beschäftigungsverhältnis nicht aufgrund aktiven Tuns der Klägerin beendet wurde, sondern mit Ablauf einer zu einem früheren Zeitpunkt vereinbarten Befristung endete. Der Senat hat die arbeitsrechtliche Wirksamkeit der mehrfach vereinbarten Befristungen und insbesondere die Wirksamkeit der zuletzt erfolgten Fristvereinbarung vom 14.09./21.09.1994 geprüft. Die mehrfach aufeinander folgende Befristung eines Arbeitsvertrages mit einem leitenden Angestellten ist nach der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung (BAG, Urteil vom 26.04.1979 - 2 AZR 431/77 - DB 1979, 1991; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 8. Auflage, München 1996, § 39 II 5b), der sich der Senat anschließt, jedenfalls dann wirksam, wenn ein sachlich gerechtfertigter Grund dafür vorhanden ist. Den sachlichen Grund für die wiederholte Befristung des Arbeitsverhältnisses sieht der Senat in der gemäß §§ 1 Abs. 1, 31 Abs. 1 des Gesetzes über die Mitbestimmung der Arbeitnehmer (Mitbestimmungsgesetz) anzuwendenden Vorschrift des § 84 Abs. 1 Aktiengesetz (AktG), die für die Bestellung der Mitglieder der Geschäftsführung der T. A. GmbH eine Befristung auf höchstens fünf Jahre vorsieht. Nach den Angaben der Klägervertreter im Termin zur mündlichen Verhandlung des Senats war die Anstellung des G. bei der Klägerin an die auf jeweils fünf Jahre ausgelegte Befristung der Bestellung des G. zum Mitglied der Geschäftsführung der T. A. GmbH geknüpft. Diese Verknüpfung ist zwar durch § 84 Abs. 1 AktG nicht zwingend vorgegeben. Da die Aufgaben des G. als leitender Angestellter der Klägerin im wesentlichen darin bestanden, die (befristete) Organstellung bei dem Tochterunternehmen wahrzunehmen, sieht der Senat in der gesellschaftsrechtlichen Regelung einen sachlichen Grund für die Befristung des Beschäftigungsverhältnisses. Durch die Vereinbarung vom 14./21.09.1994 wurde das Beschäftigungsverhältnis lediglich um zwei Monate verlängert, weil ein Nachfolger im Tätigkeitsbereich des G. eingearbeitet werden mußte. Darin sieht der Senat einen hinreichenden sachlichen Grund für die Vereinbarung einer Auslauffrist. Mithin endete das Arbeitsverhältnis aufgrund wirksamer Befristung zum 30.09.1995.
Das Unterlassen einer weitergehenden Verlängerung des Dienstvertrages kann eine besondere Verantwortlichkeit der Klägerin im Verhältnis zur Versichertengemeinschaft eben falls nicht begründen. Hier fehlt es an einer gesetzlich vorgeprägten Handlungs- oder Garantenpflicht des Arbeitgebers für den Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses. In § 128 Abs. 1 Satz 2, 1. Alternative AFG wird klargestellt, daß die Erstattungspflicht dann nicht eintritt, wenn das Arbeitsverhältnis vor Vollendung des 58. Lebensjahres des Arbeitslosen beendet wird. Diese Stichzeitpunkt-Regelung würde konterkariert, wenn an ein bloßes Unterlassen im Anschluß an eine bereits zuvor erfolgte Befristung des Arbeitsverhältnisses die Erstattungspflicht anknüpfen würde.
Aufgrund dieser Erwägungen hat der Senat eine besondere Verantwortlichkeit der Klägerin für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses auch darin nicht erkennen können, daß sie zu einem früheren Zeitpunkt die Befristung des Beschäftigungsverhältnisses mit G. vereinbart hat. Insbesondere kann aus § 128 AFG keine Verpflichtung des Arbeitgebers hergeleitet werden, das Beschäftigungsverhältnis eines älteren Arbeitnehmers unbefristet oder jedenfalls befristet auf den Zeitpunkt, in dem der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Altersruhegeld oder eine andere in § 128 Abs. 1 Satz 2 AFG genannte Sozialleistung, zu verlängern. Dem Regelungszusammenhang der Norm ist zu entnehmen, daß allein die Beendigung und mithin die Verkürzung eines ansonsten fortdauernden Beschäftigungsverhältnisses und nicht etwa die lediglich befristete Verlängerung eines Beschäftigungsverhältnisses die besondere Verantwortlichkeit des Arbeitgebers und in deren Folge die Erstattungspflicht hervorrufen soll.
Die Kostenregelung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
LSG Nordrhein-Westfalen:
Urteil v. 12.02.1999
Az: L 1 AL 26/98
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