Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. April 2006
Aktenzeichen: 28 W (pat) 287/04
(BPatG: Beschluss v. 19.04.2006, Az.: 28 W (pat) 287/04)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Anmelderin möchte die Wortfolge "Wies'n Wirt" als Marke für verschiedene Waren und Dienstleistungen eintragen lassen. Die Markenstelle hat die Anmeldung jedoch abgelehnt, da die Wortfolge lediglich auf die Herkunft der Waren und Dienstleistungen von einem Oktoberfest-Wirt hinweise und somit keine Unterscheidungskraft besitze. Auch hinsichtlich der Telekommunikations- und Internet-Dienstleistungen sei die Wortfolge lediglich beschreibend und enthalte keinen betrieblichen Herkunftshinweis. Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass die Marke zumindest gewisse Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen anpreise und somit nicht jegliche Unterscheidungskraft fehle. Das Bundespatentgericht ist jedoch der Meinung, dass die Marke keinen Herkunftshinweis für die betroffenen Waren und Dienstleistungen darstelle. Die Wortfolge "Wies'n Wirt" sei bereits weit verbreitet und stehe für einen Gaststättenwirt, der auch auf dem Münchner Oktoberfest tätig ist. Sie werde daher vom Verkehr nicht als individueller Betriebshinweis verstanden. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass die Marke keine Unterscheidungskraft besitzt und bestätigt die Entscheidung der Markenstelle. Eine Zulassung der Rechtsbeschwerde ist nicht erforderlich, da keine grundsätzliche Rechtsfrage zu klären ist.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 19.04.2006, Az: 28 W (pat) 287/04
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
Die Anmelderin begehrt die Eintragung der Wortfolge Wies'n Wirtals Kennzeichnung für die Waren und Dienstleistungen der Klassen 29, 30 und 38
"Fleisch- und Wurstwaren, Fisch, Geflügel und Wild, jeweils auch in verzehrfertiger, konservierter, marinierter und tiefgefrorener Form; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees); Lebensmittelkonserven, Snackartikel, koch- und verzehrfertig zubereitete Speisen, auch mikrowellengeeignet, hauptsächlich enthaltend Fleisch- und Wurstwaren, Fisch, Geflügel und Wild, Pilze, Gemüse, Hülsenfrüchte, Kartoffeln und/oder Sauerkraut; Hot Dogs; Wurstwaren in Teighülle; Obst- und/oder Gemüsesalate; Speiseöle und -fette.
Reis, Brot, feine Backwaren, Salz, Senf, Saucen (Würzmittel), Ketchup, Gewürze, Salatsoßen; Lebensmittelkonserven, Snackartikel auch mikrowellengeeignet, koch- und verzehrfertig zubereitete Speisen auch mikrowellengeeignet, hauptsächlich enthaltend Teigwaren, Backwaren, Klöße und Reis.
Telekommunikation; Bereitstellung und Verbreitung von Informationen über Datennetze; Übermittlung von Nachrichten aller Art in Ton, Schrift und Bild, Vermietung von Telekommunikationseinrichtungen, Betreiben eines Teleshopping-Kanals, betrieb von Chatrooms."
Die Markenstelle für Klasse 29 hat die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen, denn die beanspruchte Wortfolge weise für den Verkehr ohne Weiteres erkennbar lediglich auf die Herkunft der so gekennzeichneten Waren von (irgend)einem Oktoberfest-Wirt hin; diese Bezeichnung für einen Wirt, der (auch) auf dem Münchner Oktoberfest seine Speisen verkaufe oder anbiete, sei nicht nur regional, sondern deutschlandweit bekannt. Hinsichtlich der beanspruchten Telekommunikations- und Internet-Dienstleistungen enthalte die Wortfolge den lediglich beschreibenden Gehalt, dass sie von einem Oktoberfest-Wirt angeboten würden oder sich mit dessen Berufsausübung beschäftigten. Wegen dieser im Vordergrund stehenden Sachaussage würden die beteiligten Verkehrskreise der Wortfolge keinen betrieblichen Herkunftshinweis entnehmen.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt und trägt vor, dass die beanspruchte Marke keine unmittelbare Beschreibung der Beschaffenheit der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen enthielte; vielmehr deute sie allenfalls Eigenschaften der Waren und Dienstleistungen an, so dass ihr zumindest nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden könne. Auch die vom Senat übersandten Fundstellen ließen keine Benutzung der Marke für die beanspruchten Waren erkennen, sondern allenfalls für Verpflegungsdienstleistungen. Hilfsweise regt die Anmelderin die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde muss in der Sache ohne Erfolg bleiben. Auch nach Auffassung des Senats fehlt der angemeldeten Marke jegliche Unterscheidungskraft i. S. von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl. zur st. Rspr. BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; EuGH GRUR 2003, 58 - COMPANYLINE zur GMV). Keine Unterscheidungskraft besitzen nach der Rechtsprechung vor allem solche Marken, denen die angesprochenen Verkehrskreise für die fraglichen Waren lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674, 678 - Postkantoor). Jedoch hat der EuGH auch darauf hingewiesen, dass eine unmittelbar beschreibende Bedeutung nicht Voraussetzung für die Annahme fehlender Unterscheidungskraft ist. Vielmehr kann die Unterscheidungskraft auch aus anderen Gründen fehlen (vgl. EuGH GRUR 2004, 674 - Postkantoor; GRUR 2004, 680 - Biomild). Maßgebend ist allein, ob der Verkehr in der angemeldeten Marke einen Herkunftshinweis erblickt oder nicht.
Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, ist die gewünschte Marke nichts anderes als die bloße Aneinanderreihung von zwei Worten, die in ihrer Gesamtheit die Waren dahingehend anpreisen, dass diese nämlich von einem Oktoberfestwirt, dem Wies'n Wirt, angeboten werden. Das ist eine nicht nur in Bayern geläufige, sondern weit verbreitete Bezeichnung für einen Gaststättenwirt, der - jedenfalls auch - auf dem Münchner Oktoberfest tätig ist, was auch von der Anmelderin nicht bestritten wird. Damit steht "Wies'n Wirt" in einer Reihe mit vergleichbar gebildeten, z. B. auf die historische Nutzung der Betriebsstätte hinweisenden Etablissementbezeichnungen wie "Postwirt", "Bräuwirt" und "Forstwirt". In solchen Bezeichnungen erkennt der Verkehr ihrer häufigen Verwendung wegen keinen betrieblichen Herkunftshinweis in Bezug auf damit gekennzeichnete Waren und Dienstleistungen, so dass eine solche weithin gebräuchliche Etablissementbezeichnung nicht ihre für eine konkrete Unterscheidungskraft erforderliche betriebliche Herkunftsfunktion erfüllen kann (vgl. dazu BGH, GRUR 1995, 507, 508 - City-Hotel). Entgegen der Auffassung der Anmelderin hat der Gesamtbegriff aber auch unmittelbar beschreibenden Sachbezug zu den beanspruchten Waren, da hiermit deutlich und unmissverständlich deren Verwendungsbereich, aber auch Qualität plakativ bezeichnet wird, weil nur ganz wenige Interessenten die Stellung eines solchen Wirtes erreichen; sie ist deshalb auch mit einem entsprechenden Renommee verbunden. Der Senat hat hierzu der Anmelderin umfangreiches Material übermittelt und aufgezeigt, dass auch in anderen Städten Feste mit Wies'n Wirten veranstaltet werden. Damit stellt sich die Wortkombination als Gesamtbegriff dar, dessen Bedeutung überregional bekannt ist und vom Verkehr lediglich als werbeübliche Anpreisung, nicht jedoch als individueller Betriebshinweis verstanden wird, weil sie bereits in den allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen ist und dort keine eigene - die vorliegenden Waren nicht beschreibende - Bedeutung hat. Das wäre aber für die Schutzfähigkeit erforderlich (vgl. EuGH, MarkenR 2004, 111 - BIOMILD, MarkenR 2004, 99 - KPN/Postkantoor, BGH, MarkenR 2004, 39 - Cityservice). Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch wesentlich von einer ähnlichen Wortbildung, bei denen diese Voraussetzungen nicht festzustellen waren (vgl. BPatG Az. 25 W (pat) 38/04 - STANGLWIRT).
Hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen tritt der beschreibende Gehalt der Marke noch deutlicher zutage, weil diese - wie zu Recht von der Markenstelle ausgeführt - lediglich den Gegenstand der Telekommunikation oder der übermittelten Nachrichten beschreibt bzw. die Bestimmung der vermieteten Telekommunikationseinrichtungen oder des betriebenen Teleshopping-Kanals.
Ob der angemeldete Marke darüber hinaus auch die Eintragung wegen einer im Allgemeininteresse freizuhaltenden beschreibenden Angabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu versagen ist, lässt der Senat dahingestellt.
Die Beschwerde der Anmelderin war daher zurückzuweisen. Für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand für den Senat kein Anlass, nachdem weder eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung dies erfordern würde.
BPatG:
Beschluss v. 19.04.2006
Az: 28 W (pat) 287/04
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