Bundespatentgericht:
Beschluss vom 28. August 2002
Aktenzeichen: 26 W (pat) 118/01
(BPatG: Beschluss v. 28.08.2002, Az.: 26 W (pat) 118/01)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss entschieden, dass der Antrag der Antragsgegnerin auf Aufhebung des Markenbeschlusses der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts für die Bezeichnung "green logistics" erfolgreich ist. Die Markenstelle hatte zuvor den Antrag auf Akteneinsicht der Antragsteller in Bezug auf eine schwebende markenrechtliche Auseinandersetzung zunächst abgelehnt, jedoch auf Erinnerung der Antragsteller den Beschluss aufgehoben und Akteneinsicht gewährt. Die Antragsgegnerin hat hiergegen Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass kein berechtigtes Interesse der Antragsteller an der Akteneinsicht vorliege, da die Mandantschaft bzw. die entsprechende Markenanmeldung nicht bekannt gegeben wurde. Das Bundespatentgericht stellt fest, dass für den Akteneinsichtsantrag kein berechtigtes Interesse gemäß § 62 Abs. 1 MarkenG glaubhaft gemacht wurde. Es sei nur ein unterschiedlicher Sachvortrag der Antragsteller zu erkennen, jedoch keine nachprüfbaren Informationen zu der Mandantschaft oder entgegenstehenden älteren Rechten. Das erforderliche berechtigte Interesse an der Akteneinsicht könne daher nicht erkannt werden. Auch das allgemeine wissenschaftliche oder berufliche Interesse der Antragsteller reiche nicht aus, um einen Akteneinsichtsantrag zu begründen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 28.08.2002, Az: 26 W (pat) 118/01
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 22. Juni 2001 einschließlich des Berichtigungsbeschlusses vom 24. Juli 2001 aufgehoben.
Gründe
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Bezeichnunggreen logisticsfür Waren und Dienstleistungen der Klassen 12, 31 und 39 angemeldet worden. Die angemeldete Bezeichnung ist noch nicht zur Eintragung in das Markenregister gelangt.
Die Antragsteller haben unter Hinweis auf eine schwebende markenrechtliche Auseinandersetzung Akteneinsicht im Auftrag nicht genannter Dritter beantragt. Die Markenstelle für Klasse 39 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Antrag zunächst zurückgewiesen, weil ein berechtigtes Interesse nicht glaubhaft gemacht worden sei. Auf die Erinnerung durch die Antragsteller hat dieselbe Markenstelle diesen Beschluß aufgehoben (Erinnerungsbeschluß und Berichtigungsbeschluß) und den Antragstellern Einsicht in die Akte gewährt. Ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht sei glaubhaft gemacht. Es sei nämlich ein Sachverhalt vorgetragen worden, wonach die Kenntnis der Akte für die Wahrung und Verteidigung von Rechten der nicht genannten Mandantschaft der Antragsteller maßgeblich sein könne. Die Benennung dieser Mandantschaft oder der betreffenden prioritätsjüngeren Markenanmeldung sei hierfür nicht erforderlich. Dabei sei der Maßstab an die hinreichende Glaubhaftmachung des rechtlichen Interesses nicht zu hoch anzusetzen, da es ohnehin Praxis des Amtes sei, die wesentlichen Angaben von Neuanmeldungen zu veröffentlichen. Entgegenstehende überwiegende schutzwürdige Gründe, die gegen die Gewährung der Akteneinsicht sprechen würden, habe die Antragsgegnerin nicht vorgetragen und solche Gründe seien auch nicht ersichtlich.
Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde. Ob ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht vorliege, könne nicht beurteilt werden. Zwar werde von den Antragstellern von einer Mandantschaft gesprochen, die eine prioritätsjüngere ähnliche bzw identische Markenanmeldung habe, der Name dieser Mandantschaft bzw die ähnliche prioritätsjüngere Marke würden jedoch nicht preisgegeben. Daher könne nicht beurteilt werden, ob ein berechtigtes Interesse der Antragsteller vorliege. Auch eine Akteneinsicht im eigenen Namen der Antragsteller sei zurückzuweisen, denn ein lediglich allgemeines wissenschaftliches oder berufliches Interesse an einer Rechtsfrage reiche nicht zur Begründung eines Akteneinsichtsantrags aus.
Die Antragsgegnerin beantragt, die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zurückweisung des Akteneinsichtsantrages.
Die Antragsteller beantragen, unter Zurückweisung der Beschwerde dem Akteneinsichtsantrag stattzugeben.
An der Akteneinsicht bestehe ein berechtigtes Interesse. Es schwebe eine markenrechtliche Auseinandersetzung bzw ihre Mandantschaft müsse befürchten, aufgrund einer prioritätsjüngeren ähnlichen bzw identischen Markenanmeldung in Anspruch genommen zu werden. Es gehe ihrer Mandantschaft also gerade nicht um die Befriedigung eines allgemeinen Informationsbedürfnisses. Vielmehr bestehe ein aktuelles Informationsbedürfnis aufgrund einer Markenanmeldung, die die Aktenkenntnis für ein künftiges Verhalten der Mandantschaft erforderlich mache. Ein Abwarten des Verletzungsfalls durch konkrete Benutzung ohne Vorabinformation sei nicht zumutbar. Die Richtigkeit des Sachverhalts werde anwaltlich versichert.
Hilfsweise werde Akteneinsicht im eigenen Namen beantragt. Der Schutzumfang der vorliegenden Markenanmeldung sei für die gegenwärtige und künftige Beratungspraxis im Zusammenhang mit Markenanmeldungen von erheblichem Interesse. Der fragliche Akteninhalt werde weiter u a zur Überprüfung der rechtlichen Erfolgschancen einer Löschungsklage benötigt. Es stelle ein rechtlich erhebliches eigenes Interesse dar, mögliche Beanstandungen des Amtes aufgrund der Anmeldeakten frühzeitig festzustellen, um geeignete Verfahrensmaßnahmen ergreifen zu können.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin und Antragsgegnerin ist begründet. Für den Antrag auf Gewährung der Einsicht in die Akten der Anmeldung 300 06 755 ist kein berechtigtes Interesse gem § 62 Abs 1 MarkenG glaubhaft gemacht worden.
Ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht ist regelmäßig anzunehmen, wenn die Kenntnis der Akten für das künftige Verhalten der Antragsteller bei der Wahrung oder Verteidigung von Rechten bestimmend sein kann. Hierzu genügt ein rein tatsächliches, insbesondere ein wirtschaftliches Interesse der Antragsteller (Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 62 Rdnr 4). Zu bejahen ist dieses berechtigte Interesse beispielsweise in den Fällen, in denen Rechte aus einer Anmeldung gegenüber den Antragstellern geltend gemacht werden, insbesondere durch die Erhebung von Widersprüchen oder Verwarnungen (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 62 Rdnr 6).
Ein solches berechtigtes Interesse kann jedoch dem Vortrag der Antragsteller, soweit sie im Auftrag (nicht genannter) Dritter handeln, nicht entnommen werden, denn der das berechtigte Interesse begründende Sachvortrag ist uneinheitlich. Während die Antragsteller im Verfahren vor dem (Erst-)Prüfer in ihrem Schriftsatz vom 1. Februar 2001 eine "schwebende", also in Gang gesetzte markenrechtliche Auseinandersetzung vortragen, äußern sie in dem zur Begründung ihrer Erinnerung eingereichten Schriftsatz vom 26. April 2001 die "Befürchtung" ihrer Mandantschaft, in Anspruch genommen zu werden; die Aktenkenntnis sei bedeutsam "für das künftige Verhalten" der Mandantschaft und ein Abwarten des Verletzungsfalls sei unzumutbar. Dieser unterschiedliche Sachvortrag könnte nur geklärt werden, wenn die eigentliche Antragstellerin und deren entgegenstehende und/oder ältere Rechte bekannt und nachprüfbar wären. Weder für die hinter dem Akteneinsichtsantrag stehende Mandantschaft der Antragsteller noch für entgegenstehende ältere Rechte oder das Vorliegen eines Verletzungsfalls liegen jedoch irgendwelche Anhaltspunkte vor. Zwar mag eine anwaltliche Versicherung zur Glaubhaftmachung einer Behauptung unter Umständen genügen. Ist - wie vorliegend - eine schlichte Behauptung nicht einmal im Ansatz überprüfbar, weil dies erklärtermaßen verhindert werden soll, kann das erforderliche berechtigte Interesse an der Akteneinsicht nicht erkannt werden. Vielmehr überwiegt in diesem Fall das schützenswerte Interesse der Antragsgegnerin an der Geheimhaltung des Akteninhalts bis zur Eintragung der Marke. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall auch von der Entscheidung des Bundesgerichtshofs in WRP 2001, 47, wo es sich um die gemäß § 99 Abs 3 PatG zu beurteilende Akteneinsicht in die Akten eines Patentnichtigkeitsverfahrens handelte. Zwar ging der Bundesgerichtshof in diesem Fall davon aus, daß es nicht erforderlich sei, daß der von dem Anwalt vertretene Mandant namhaft gemacht werde. Die Vorschrift des § 99 Abs 3 PatG unterscheidet sich jedoch insoweit von dem hier maßgeblichen § 62 Abs 1 MarkenG, als dort der Antragsteller sein berechtigtes Interesse erst dann dartun muß, wenn der Patentinhaber sein entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse geltend macht ( - was in jenem vom Bundesgerichtshof entschiedenen Fall nicht geschehen war).
Zwar lassen die Vorschriften des § 62 Abs 2 und 3 MarkenG weitgehend die Akteneinsicht zu. Daraus ergibt sich aber nicht zwangläufig der Schluß, in den verbliebenen Fällen des § 62 Abs 1 MarkenG könne von der Glaubhaftmachung eines berechtigten Interesses abgesehen werden. Vielmehr ist nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut gerade in diesen Fällen noch eine Prüfung vorzunehmen. Im übrigen läßt der vorliegende Fall schon wegen des nicht klärbaren Sachverhalts eine großzügige Handhabung nicht zu.
Auch soweit die Antragsteller im eigenen Namen handeln, ist ein berechtigtes Interesse nicht glaubhaft gemacht. Der lediglich allgemein gehaltene Vortrag begründet kein berechtigtes Interesse für die Beratung in einem konkreten Fall (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 62 Rdnr 8 aE), sondern lediglich ein allgemeines wissenschaftliches bzw berufliches Interesse an einer Rechtsfrage. Das aber reicht zur Begründung eines Akteneinsichtsantrags nicht aus (Althammer/Ströbele, aaO, § 62 Rdnr 9).
Unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses mußte es sonach bei der zunächst erfolgten Zurückweisung des Akteneinsichtsantrages durch die Markenstelle verbleiben.
Albert Kätker Eder Bb
BPatG:
Beschluss v. 28.08.2002
Az: 26 W (pat) 118/01
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