Bundesgerichtshof:
Urteil vom 9. September 2004
Aktenzeichen: I ZR 65/02
(BGH: Urteil v. 09.09.2004, Az.: I ZR 65/02)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 9. September 2004 (Aktenzeichen I ZR 65/02) das vorherige Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 25. Februar 2002 aufgehoben. Die Klägerin ist Trägerin des Marienhospitals Osnabrück und verwendet seit 1995 die Abkürzung "MHO" in einer bildlichen Darstellung auf dem Briefkopf des Krankenhauses. Die Beklagte, eine Werbeagentur in Osnabrück, ließ sich Anfang 1998 den Domainnamen "mho.de" registrieren und verwendet diesen für Datenbanksysteme ihrer Kunden. Die Klägerin behauptet, dass die Beklagte die Internetadresse "mho.de" bewusst besetzt hat, um ihr den Zugang zum Internet unter der bekannten Abkürzung "MHO" zu verwehren. Das Landgericht gab der Klage statt, doch das Berufungsgericht verurteilte die Beklagte lediglich dazu, die weitere Nutzung der Internet-Domain-Anschrift "mho.de" zu unterlassen. Die Revision der Beklagten gegen dieses Urteil wurde vom Bundesgerichtshof zugelassen. Der BGH hat entschieden, dass die Beklagte die Unternehmensbezeichnung der Klägerin nicht verletzt hat und das angefochtene Urteil somit keinen Bestand hat. Allerdings fehlen dem BGH Feststellungen zu einem möglichen Namenrecht der Beklagten. Die Sache wird daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen. (Textlänge: 396 Wörter)
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Urteil v. 09.09.2004, Az: I ZR 65/02
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 25. Februar 2002 aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch überdie Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Klägerin ist Trägerin des Marienhospitals Osnabrück. Seit 1995 verwendet sie bzw. ihr Rechtsvorgänger für das Krankenhaus die Abkürzung "MHO" in einer gleichbleibenden bildlichen Darstellung auf dem Briefkopf im Verkehr mit Krankenkassen, Geschäftspartnern und Patienten sowie in Stellenanzeigen in der Presse und auf der Übersichtstafel am Eingang des Krankenhauses. Seit der Ausgabe 1996/97 ist das Krankenhaus (auch) unter "MHO" im örtlichen Telefonbuch zu finden.
Die Beklagte, die in Osnabrück eine Werbeagentur betreibt, ließ Anfang 1998 den Domainnamen "mho.de" für sich registrieren. Sie nimmt für sich in Anspruch, die Bezeichnung "mho.de" seitdem zum Aufbau von Datenbanksystemen für Kunden zu verwenden, wobei "mho" für "Medienhaus Osnabrück" stehe. Es bedeute für sie einen erheblichen Aufwand, die bestehenden Datenbanksysteme ihrer Kunden auf eine neue Internetadresse umzustellen.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe die Internetadresse "mho.de" bewußt besetzt, um ihr den Zugang zum Internet unter der bekannten Abkürzung "MHO" zu vereiteln; sie ist der Ansicht, daß es sich um einen Fall einer mißbräuchlichen Registrierung eines Domainnamens ("Domain grabbing") handele. Sie hat die Beklagte auf Freigabe des Domainnamens "mho.de" in Anspruch genommen. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels hat das Berufungsgericht die Beklagte auf den Hilfsantrag der Klägerin verurteilt, 1.
die weitere Nutzung der für sie bestehenden Internet-Domain-Anschrift "mho.de" zu unterlassen;
2.
gegenüber dem Domainverzeichnis DENIC den Verzicht und die Freigabe des Domainnamens "mho.de" zu erklären.
Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision der Beklagten, mit der sie ihren Klageabweisungsantrag weiterverfolgt. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
I. Das Berufungsgericht hat einen Unterlassungsanspruch der Klägerin aus § 12 BGB bejaht. Zur Begründung hat es ausgeführt:
Indem die Beklagte unter der Abkürzung "MHO" auftrete, greife sie rechtswidrig in das Namensrecht der Klägerin ein. Dieses Namensrecht stehe der Klägerin bereits seit 1995 zu, weil sie seit diesem Zeitpunkt unter dieser Bezeichnung auftrete. Unmaßgeblich sei, daß die Beklagte die Bezeichnung "mho.de" als erste für sich habe registrieren lassen. Vielmehr komme es darauf an, wer als erster einen Namen verwende; dies sei unzweifelhaft die Klägerin, während sich die Beklagte erst seit 1998 der Abkürzung "MHO" bediene. Die Beklagte könne auch nicht mit Erfolg einwenden, daß der lediglich regionale Gebrauch der Bezeichnung "MHO" durch die Klägerin keinesfalls ein Verbot der weltweiten Benutzung dieser Bezeichnung rechtfertigen könne; denn für beide Parteien beschränke sich die Bedeutung der Internetbenutzung auf den regionalen Bereich.
II. Diese Beurteilung hält den Angriffen der Revision nicht stand. Sie führen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
1. Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht Ansprüche aus §§ 5, 15 MarkenG ungeprüft gelassen. Denn der Klägerin stehen gegenüber der Beklagten keine Ansprüche aus der Unternehmensbezeichnung "MHO" zu.
a) Allerdings geht der zeichenrechtliche Schutz aus §§ 5, 15 MarkenG in seinem Anwendungsbereich grundsätzlich dem Namensschutz des § 12 BGB vor (vgl. BGHZ 149, 191, 196 - shell.de; BGH, Urt. v. 11.4.2002 - I ZR 317/99, GRUR 2002, 706, 707 = WRP 2002, 691 - vossius.de). In seinem Anwendungsbereich vermittelt der zeichenrechtliche Schutz dem Inhaber des älteren Zeichens eine stärkere Rechtsposition, weil das prioritätsältere Zeichen grundsätzlich ein prioritätsjüngeres Zeichen verdrängt, so daß der Inhaber des jüngeren Zeichens auch dessen Verwendung als Domainname unterlassen muß (vgl. BGH, Urt. v. 21.2.2002 - I ZR 230/99, GRUR 2002, 898, 900 = WRP 2002, 1066 - defacto; vgl. auch BGH GRUR 2002, 706, 707 f. - vossius.de). Aus dem Namensrecht des § 12 BGB kann dagegen in der Regel nur gegen den Inhaber eines registrierten Domainnamens vorgegangen werden, dem an diesem Namen selbst keine eigenen Rechte zustehen (vgl. BGHZ 155, 273, 275 - maxem.de). Kann sich der Inhaber des Domainnamens dagegen auf ein eigenes Namensrecht stützen, kommt das Recht der Gleichnamigen zum Zuge. Dies bedeutet, daß sich im Streit um den registrierten Namen grundsätzlich derjenige durchsetzt, der als erster diesen Namen für sich hat registrieren lassen (BGHZ 149, 191, 200 - shell.de; BGH GRUR 2002, 898, 900 - defacto). Es gilt insoweit das Gerechtigkeitsprinzip der Priorität (vgl. BGHZ 148, 1, 10 - Mitwohnzentrale.de), das nur unter besonderen Umständen zurücktritt (vgl. BGHZ 149, 191, 201 f. - shell.de).
b) Aus den vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen ergibt sich, daß die Klägerin die Unternehmensbezeichnung "MHO" in der von ihr verwendeten bildlichen Darstellung durch Benutzung erworben hat (§ 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG). Grundsätzlich kann dieses aus einer Wort-/Bildkombination bestehende Kennzeichen auch einen Schutz gegenüber der Verwendung des Wortzeichens "MHO" vermitteln, weil die Unternehmensbezeichnung der Klägerin durch die Buchstabenfolge "MHO" geprägt wird. Im übrigen ist davon auszugehen, daß mit der festgestellten Verwendung der Wort-/Bildkombination eine Benutzung der bloßen Buchstabenfolge "MHO", etwa im Fernsprechverkehr, einhergeht, so daß der Klägerin auch ein Recht an der Unternehmensbezeichnung "MHO" als reiner Buchstabenfolge zusteht. Ungeachtet der Frage, ob die behauptete Verkehrsgeltung besteht, kann dieser Bezeichnung - auch wenn es sich um eine nicht als Wort aussprechbare Buchstabenkombination handelt - die Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden (vgl. BGHZ 145, 279, 280 ff. - DB Immobilienfonds).
c) Die Beklagte verletzt jedoch die Unternehmensbezeichnung der Klägerin nicht. Die Gefahr einer Verwechslung mit dem Klagezeichen (§ 15 Abs. 2 MarkenG) wird durch die beanstandete Verwendung des Domainnamens "mho.de" nicht hervorgerufen, weil die Tätigkeitsbereiche der Parteien derart weit auseinander liegen, daß es am Merkmal der Branchennähe fehlt. Auch ein Schutz aus § 15 Abs. 3 MarkenG scheidet aus. Weder den getroffenen Feststellungen noch dem Parteivorbringen läßt sich entnehmen, daß es sich bei dem Klagezeichen um eine im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung handelt.
2. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen rechtfertigen auch nicht die Annahme, daß die Beklagte ein Namensrecht der Klägerin nach § 12 BGB verletzt hat.
a) Grundsätzlich steht der Klägerin an ihrer Unternehmensbezeichnung mit Namensfunktion auch ein Namensrecht nach § 12 BGB zu. Allerdings geht der Schutzbereich des Namensrechts in der Regel nicht über den Schutzbereich des Unternehmenskennzeichens hinaus. Denn der aus § 12 BGB abgeleitete namensrechtliche Schutz einer Unternehmensbezeichnung ist auf den Funktionsbereich des betreffenden Unternehmens beschränkt und reicht nur so weit, wie geschäftliche Beeinträchtigungen zu befürchten sind (vgl. BGH, Urt. v. 12.2.1998
- I ZR 241/95, GRUR 1998, 696, 697 = WRP 1998, 604 - Rolex-Uhr mit Diamanten; BGHZ 149, 191, 197 f. - shell.de, m.w.N.). Eine Anwendung des § 12 BGB scheidet daher meist aus, weil sich der Funktionsbereich des Unternehmens in der Regel mit dem Anwendungsbereich des - das Namensrecht verdrängenden - Kennzeichenschutzes aus §§ 5, 15 MarkenG deckt.
Ausnahmsweise kann jedoch der Funktionsbereich des Unternehmens auch durch eine Verwendung der Unternehmensbezeichnung außerhalb des Anwendungsbereichs des Kennzeichenrechts berührt werden. In diesen Fällen kann der Namensschutz ergänzend gegen Beeinträchtigungen der Unternehmensbezeichnung herangezogen werden, die - weil außerhalb des geschäftlichen Verkehrs oder außerhalb der Branche und damit außerhalb der kennzeichenrechtlichen Verwechslungsgefahr - nicht mehr im Schutzbereich des Unternehmenskennzeichens liegen.
b) Eine Beeinträchtigung berechtigter geschäftlicher Interessen ist im allgemeinen dann gegeben, wenn ein Nichtberechtigter ein fremdes Kennzeichen als Domainname unter der in Deutschland üblichen Top-Level-Domain "de" benutzt und sich damit unbefugt ein Recht an diesem Namen anmaßt. Ein solcher unbefugter Namensgebrauch liegt grundsätzlich schon in der Registrierung, weil bereits damit die den berechtigten Namensträger ausschließende Wirkung einsetzt (BGHZ 149, 191, 199 - shell.de). Daher kann derjenige, dem an dieser Bezeichnung ein eigenes Namensrecht zusteht, im allgemeinen bereits gegen die Registrierung eines Domainnamens durch einen Nichtberechtigten vorgehen (BGHZ 155, 273, 276 f. - maxem.de). Der Nichtberechtigte kann demgegenüber in der Regel nicht auf schützenswerte Belange verweisen, die im Rahmen der gebotenen Interessenabwägung zu seinen Gunsten zu berücksichtigen wären.
Eine Ausnahme muß allerdings für den Fall gemacht werden, daß die Registrierung der erste Schritt im Zuge der - für sich genommen rechtlich unbedenklichen - Aufnahme einer entsprechenden Benutzung als Unternehmenskennzeichen ist. Dem liegt die Erwägung zugrunde, daß es der Inhaber eines identischen Unternehmenskennzeichens im allgemeinen nicht verhindern kann, daß in einer anderen Branche durch Benutzungsaufnahme ein Kennzeichenrecht an dem gleichen Zeichen entsteht. Ist ein solches Recht erst einmal entstanden, muß auch die Registrierung des entsprechenden Domainnamens hingenommen werden. Da es vernünftiger kaufmännischer Praxis entspricht, sich bereits vor der Benutzungsaufnahme den entsprechenden Domainnamen zu sichern, führt die gebotene Interessenabwägung dazu, daß eine der Benutzungsaufnahme unmittelbar vorausgehende Registrierung nicht als Namensanmaßung und damit als unberechtigter Namensgebrauch anzusehen ist.
c) Den Feststellungen des Berufungsgerichts ist nicht zu entnehmen, ob die Beklagte vor oder alsbald nach der Registrierung des Domainnamens die Bezeichnung "mho" oder - was hier allerdings nicht in Rede steht - "mho.de" in der Weise benutzt hat, daß ihr an diesem Zeichen ein eigenes Recht nach § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG zusteht. Liegen diese Voraussetzungen vor, stehen den Parteien an der Bezeichnung "mho" oder "MHO" unabhängig voneinander Kennzeichenrechte zu, die im Hinblick auf die bestehende Branchenverschiedenheit zu keiner Kollision führen. Die Beklagte wäre unter diesen Umständen eine berechtigte Namensträgerin, die ihren Namen als Domainnamen unabhängig davon registrieren lassen darf, ob ihre Berechtigung zur Führung des Namens schon länger besteht als die anderer berechtigter Namensträger.
III.
Das angefochtene Urteil kann unter diesen Umständen keinen Bestand haben. Dem Senat ist eine abschließende Entscheidung verwehrt, weil Feststellungen zu einem eigenen Unternehmenskennzeichen der Beklagten fehlen.
v.
Ungern-Sternberg Bornkamm Pokrant Schaffert Bergmann
BGH:
Urteil v. 09.09.2004
Az: I ZR 65/02
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