Bundespatentgericht:
Beschluss vom 18. Dezember 2000
Aktenzeichen: 30 W (pat) 111/00

(BPatG: Beschluss v. 18.12.2000, Az.: 30 W (pat) 111/00)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die Beschwerde gegen die Eintragung einer Wort-/Bildmarke mit dem Namen "SEMICONDUCTOR 300" wurde vom Bundespatentgericht abgelehnt. Die Marke wurde zur Eintragung in das Markenregister angemeldet, um elektronische Apparate, Geräte und Instrumente sowie andere damit verbundene Dienstleistungen zu kennzeichnen. Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts lehnte die Eintragung jedoch ab, da die Marke keine Unterscheidungskraft aufweise. Der Wortbestandteil "SEMICONDUCTOR" bedeute auf Deutsch "Halbleiter" und beziehe sich auf die beschriebenen Waren. Der Bildbestandteil der Marke zeige eine Halbleiter-Silicium-Scheibe und erkläre die Verwendung der "300-mm-Wafer" zur Chipproduktion. Beide Bestandteile der Marke seien beschreibende Sachangaben und nicht geeignet, als Herkunftshinweis für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen zu dienen. Daher fehle der Marke jegliche Unterscheidungskraft und könne nicht eingetragen werden. Die Tatsache, dass die Marke als Firmenlogo verwendet werde, ändere nichts an dieser Bewertung.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 18.12.2000, Az: 30 W (pat) 111/00


Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Gründe

I.

Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet istsiehe Abb. 1 am Endeals Kennzeichnung für die Waren und Dienstleistungen

"Elektrotechnische, elektronische Apparate, Geräte und Instrumente (soweit in Klasse 9 enthalten); elektrische Signal-, Meß-, Zähl-, Registrier-, Überwachungs-, Steuer-, Regel- und Schaltgeräte; elektrische Dateneingabe-, Verarbeitungs- Übertragungs-, Speicher- und Ausgabegeräte; elektronische Bauelemente; integrierte Schaltungen und deren Kombinationen (in Form von Baueinheiten); diskrete elektronische Schaltungsbauelemente; elektronische Hybridschaltungen; gedruckte Schaltbilder; Gehäuse für integrierte Schaltungen; Datenverarbeitungsprogramme; Entwicklung, Erstellung und Vermietung von Datenverarbeitungsprogrammen; Entwicklung von integrierten Schaltungen und elektronischen Apparaten".

Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat durch Beschluß die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und durch einen weiteren Beschluß die Erinnerung der Anmelderin zurückgewiesen. Begründend ist ausgeführt: Das englische Wort "semiconductor" bedeute "Halbleiter". Die Ziffer "300" sei als Typenbezeichnung zu verstehen. Die Bezeichnung "SEMICONDUCTOR 300" weise nur auf Beschaffenheit, Verwendungszweck, Inhalt und Bestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen hin. Der Bildbestandteil zeige eine Halbleiter-Silicium-Scheibe und erschöpfe sich in einem bildlichen Hinweis auf die Verwendung der "300-mm-Wafer" zur Chipproduktion. Die graphische Ausgestaltung der Marke entspreche dem werbegraphischen Standard und vermöge die Schutzfähigkeit der Marke nicht zu begründen.

Die Anmelderin hat Beschwerde erhoben. Sie erachtet die angemeldete Marke in ihrer Gesamtheit mit näheren Ausführungen für schutzfähig. Bei dem Bildbestandteil handele es sich zwar um die Darstellung eines Wafers, diese sei aber nicht derartig stark vereinfacht, daß von einer piktogrammartigen Abbildung gesprochen werden könne.

Die Anmelderin beantragt, die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 22. September 1999 und vom 28. Februar 2000 aufzuheben.

Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und den Inhalt der patentamtlichen Beschlüsse Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde ist in der Sache ohne Erfolg. Die angemeldete Wort-/Bildmarke ist nach den Vorschriften des Markengesetzes von der Eintragung ausgeschlossen. Sie ist ohne Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG.

Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für Waren eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden. Hierbei ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, das heißt, jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden, weil der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen idR so aufnimmt, wie es ihm entgegentritt, ohne es einer näheren analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (vgl Althammer/Ströbele, MarkenG, 6. Aufl, § 8 Rdn 17; 19 mwN). Dabei ist für die Frage der Unterscheidungskraft der Gesamteindruck des angemeldeten Zeichens maßgeblich (BGH PMZ 1969, 319, 320, "red white"); bei kombinierten, aus mehreren Bestandteilen bestehenden Marken kann grundsätzlich schon ein unterscheidungskräftiger Bestandteil die Unterscheidungskraft der Gesamtmarke begründen.

Bei dem Wortbestandteil "SEMICONDUCTOR" handelt es sich um eine auch im Inland verwendete Bezeichnung mit der Bedeutung von "Halbleiter". Das sind elektronische Bauelemente, die auf der Basis von Halbleitermaterialien hergestellt werden (vgl Microsoft Press Computer Fachlexikon Ausgabe 2000, S 328); ohne diese wären die heutigen elektronischen Geräte nicht möglich (vgl Linke/Winkler, Das M&T-Computerlexikon 2000, S 347). Für die mehr als hundert Prozeßschritte von der Kristallzüchtung bis zum funktionsfähigen Schaltkreis (nähere Einzelheiten folgen unten) sind ausgereifte Herstellungstechnologien und -apparate entwickelt worden (vgl Brockhaus, Naturwissenschaften und Technik, 4. Band S 310). Das Wort "SEMICONDUCTOR" stellt damit hinsichtlich der angemeldeten Waren und Dienstleistungen ausschließlich einen beschreibenden Hinweis dar. Es bezeichnet die Art der Waren, nämlich Halbleiter; das betrifft "elektronische Bauelemente; integrierte Schaltungen und deren Kombinationen (in Form von Baueinheiten); diskrete elektronische Schaltungsbauelemente; elektronische Hybridschaltungen". Hinsichtlich der Apparate, Geräte und Instrumente sowie der Gehäuse weist es darauf hin, daß diese dazu bestimmt sind, Halbleiter herzustellen oder so beschaffen sind, daß sie Halbleiter enthalten; hinsichtlich der Schaltbilder sowie der Programme und Dienstleistungen wird auf den Gegenstand hingewiesen. An diesem - gleichsam elementaren Wort der Elektronik bzw Mikroelektronik - besteht damit ein Freihaltebedürfnis. Wegen des beschreibenden Inhalts der Bezeichnung werden die angesprochenen Verkehrskreise in dieser Bezeichnung ausschließlich eine Sachangabe, nicht aber einen Hinweis auf die Herkunft der damit gekennzeichneten Erzeugnisse/Dienstleistungen aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb sehen. Für den Bereich der Elektronik und Mikroelektronik ist Englisch nicht nur Fachsprache, sondern hat in breitem Umfang deutsche Begriffe gar nicht aufkommen lassen. So werden auch die Begriffe "Semiconductor" und "Halbleiter" nebeneinander verwendet (vgl Schulze aaO S 401).

Auch der Bildbestandteil ist nicht schutzfähig; er ist ohne Unterscheidungskraft; es handelt sich nur um ein die Wortbedeutung erläuterndes, beschreibendes Bildelement. Dies ergibt sich aus Folgendem:

Der wesentliche Grundstoff zur Herstellung der Halbleiter ist heute in erster Linie Silizium. Dieses wird üblicherweise als hochreiner Einkristall aus einer Schmelze in Stabform gezogen und durch Sägen in einzelne Scheiben (= Wafer) zerteilt. In diese für die bei der Herstellung von Chips als Zwischenprodukt verwendeten Scheiben werden anschließend durch komplizierte Prozesse die Strukturen zahlreicher identischer integrierter Schaltkreise eingebracht. Nach Fertigstellung wird die Scheibe zerschnitten (das Siliziumstück mit einem einzelnen Schaltkreis wird "chip" - englisch: Stück - genannt). Diese Chips werden anschließend in Gehäuse eingekapselt (vgl Sauter/Weinerth, Lexikon der Elektronik und Mikroelektronik, 1993, S 433; 130; Microsoft Press Computer Fachlexikon Ausgabe 2000, S 765; Schulze, Lexikon Computerwissen, S 402; 703).

Der Bildbestandteil der Marke stellt ohne weiteres erkennbar eine oben beschriebene Halbleiterscheibe mit den Umrissen der aufgebrachten, zahlreichen integrierten Schaltkreise dar, die noch nicht ausgeschnitten und als Chips konfektioniert sind. Das Bild zeigt damit einen wesentlichen Teil aus dem Bereich der Produktion der Halbleiter und wird auch von den angesprochenen Verkehrskreisen zutreffend erkannt werden. Es ist in der Werbung üblich, durch einfache graphische Darstellungen Sachhinweise zu geben, wobei meist die Ware oder bei Dienstleistungen mit diesen eng zusammenhängende Waren oder Symbole verwendet werden. Im Bereich der Halbleiter bietet sich die Darstellung einer Halbleiterscheibe an, kommt deshalb häufig vor und ist nicht ungewöhnlich, wobei zu berücksichtigen ist, daß mit der Halbleiterfertigung weltweit nur wenige Spezialbetriebe befaßt sind. Wie die der Anmelderin übermittelten Nachweise belegen, sind derartige Darstellungen im Bereich der Halbleiterproduktion ein beliebtes Symbol, das piktogrammartig allein oder im Zusammenhang mit entsprechenden schriftlichen Angaben verwendet wird. Beispielhaft kann hierfür auf die Verwendung der Wafer-Darstellung auf der Internet-Seite der Firma Wafer Charging Monitors, Inc, der Firma Electroglas sowie der ADE Corporation verwiesen werden. Das Bild enthält auch keine besonderen Gestaltungsmerkmale, die seine Eignung, herkunftshinweisend zu wirken, begründen könnten. Zwar zeigt die Darstellung nicht die einzelnen Schaltungen, die durch Zwischenräume zum Zersägen in die einzelnen Chips voneinander getrennt sind. Verglichen mit der naturgetreuen Abbildung eines Wafers ist die hier vorliegende Darstellung aber nur geringfügig piktogrammartig stilisiert. Wie die der Anmelderin - auch die bereits vom Patentamt - übersandten Darstellungen von Wafern zeigen, besteht hinsichtlich der Anordnung der integrierten Schaltkreise auf dem Wafer ein gewisser Gestaltungsspielraum. Gleichwohl weisen sie im äußeren Erscheinungsbild eine erhebliche Ähnlichkeit sowohl unter den ins Verfahren eingeführten Darstellungen als auch mit dem vorliegenden Bild auf. Die Abweichungen beschränken sich insgesamt auf wenig einprägsame Nuancen, die sich der Verkehr deshalb regelmäßig nicht merken wird, wenn er sie überhaupt wahrnimmt (vgl BGH BlPMZ 1997, 318, 319 -Autofelge).

Auch die Zahl "300" begründet den Schutz der Marke nicht. Sie ist nach § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen. Es handelt sich um einen beschreibenden Hinweis auf den Durchmesser des gezüchteten, in der Schmelze gezogenen Siliziumstabs und der daraus dann geschnittenen - weiter zu bearbeitenden - Siliziumscheibe (= Wafer); dieser Durchmesser ist insoweit spektakulär für die Halbleiterfertigung, als er erst kürzlich erreicht wurde; früher waren Wafer sowie die zugrundeliegenden Siliziumstäbe wesentlich kleiner (vgl Linke/Winkler, aaO S 781, Stichwort "Wafer"). Die besondere Bedeutung der größeren Fläche dieser 300mm-Scheibe liegt in der Verbilligung der Fertigungskosten pro Stück: auf der größeren Fläche findet die zweieinhalbfache Zahl von Schaltungen Platz, so daß sich bei gleichen Produktionsabläufen wesentlich mehr Chips herstellen lassen als früher mit den kleineren Scheiben. Diese Silizium-/Halbleiterscheibe ist zwar das Zwischenprodukt zur Herstellung des Halbleiters als elektronisches Bauelement. Im Zusammenhang mit Erzeugnissen und Dienstleistungen, die der Herstellung des Endprodukts dienen können oder es zum Gegenstand haben, ist diese Zahl aber insoweit zur Beschreibung geeignet, als der Durchmesser des Wafers die Beschaffenheit des gesamten Fertigungs-Equipments bestimmt, das im Zusammenhang mit 300 mm-Wafern nötig ist und und erhebliche Investitionen erfordert (vgl dazu die der Anmelderin übersandte Kopie der VDI-Nachrichten vom 1. August 1997, S 9). Soweit das Warenverzeichnis Halbleiter enthält (s.o.), weist die Zahl "300" auf die Herstellung aus 300 mm -Wafer hin. In der Zahl "300" wird der angesprochene Verkehr im Zusammenhang mit dem Wort "SEMICONDUCTOR" lediglich einen Hinweis auf das neue Maß der Silizium-/Halbleiterscheibe sehen, nicht aber einen Herkunftshinweis.

Da die Bestandteile der Marke als reine Sachangaben für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen wirken, die graphische Ausgestaltung der angemeldeten Marke keinen hinreichend phantasievollen Gesamteindruck verleiht und die Anordnung der Zeichenelemente nicht von werbeüblichen Gestaltungen abweichen - worauf bereits die Markenstelle unter Übersendung von Werbebeispielen hingewiesen hat -, werden die beteiligten Verkehrskreise bei Betrachtung des angemeldeten Zeichens in seiner Gesamtheit in diesem keinen Hinweis auf einen bestimmten Herstellungsbetrieb erkennen. Mithin fehlt dem angemeldeten Zeichen jegliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG.

Der Hinweis der Anmelderin auf die Verwendung als Firmenlogo führt zu keinem anderen Ergebnis. Vorliegend geht es nicht um den Schutz eines Unternehmenskennskennzeichens, sondern um Markenschutz.

Dr. Buchetmann Winter Schrammbr/Hu Abb. 1 http://agora/bpatg2/docs/30W(pat)111-00.3.gif






BPatG:
Beschluss v. 18.12.2000
Az: 30 W (pat) 111/00


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/5a55f4f7652c/BPatG_Beschluss_vom_18-Dezember-2000_Az_30-W-pat-111-00




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