Bundespatentgericht:
Beschluss vom 6. März 2006
Aktenzeichen: 19 W (pat) 59/03
(BPatG: Beschluss v. 06.03.2006, Az.: 19 W (pat) 59/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In dieser Gerichtsentscheidung geht es um ein Verfahren zum Steuern eines elektrisch beheizten Warmwasserbereiters. Die Prüfungsstelle für Klasse H 05 B des Deutschen Patent- und Markenamtes hatte die Anmeldung abgelehnt, da das beanspruchte Verfahren nicht klar genug offenbart war. Die Anmelderin hat gegen diesen Beschluss Beschwerde eingelegt und in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen vorgelegt. Das Bundespatentgericht hebt den Beschluss der Prüfungsstelle auf und erklärt, dass das Verfahren gemäß dem geänderten Patentanspruch ausführbar offenbart und patentfähig ist.
Der geltende Patentanspruch besagt, dass das Verfahren aus Schritten besteht, bei denen die Wassersäule in gleich große Teilvolumina aufgeteilt wird. Für jedes Teilvolumen wird die Temperaturerhöhung berechnet und die Leistung am Steuerheizkörper angepasst. Der Fachmann ist in der Lage, die fehlenden Informationen im Patentanspruch zu ergänzen, da er aus seinem Fachwissen heraus die Bedeutung der Temperaturen und Temperaturerhöhungen erkennen kann. Die Beschwerde ist zulässig und erfolgreich, da das Verfahren neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht.
Es bestehen jedoch Bedenken hinsichtlich der stabilen Steuerung der Auslauftemperatur, wenn die Wassersäule in zu viele Teilvolumina unterteilt wird. Bei einer geringen Anzahl von Teilvolumina ist jedoch eine stabile Steuerung möglich. Das Verfahren erfüllt die Voraussetzungen für eine Patenterteilung.
Die Inhaltsangabe fasst die wichtigsten Punkte der Gerichtsentscheidung zusammen, indem sie den Hintergrund, die Beschwerde, die Entscheidung des Bundespatentgerichts und die Begründung dafür erläutert. Es wird auch auf die neue Unterlage eingegangen und auf Bedenken hinsichtlich der stabilen Steuerung der Auslauftemperatur hingewiesen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 06.03.2006, Az: 19 W (pat) 59/03
Tenor
Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H 05 B des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 30. Mai 2003 aufgehoben.
Das Patent wird mit folgenden Unterlagen erteilt:
einziger Patentanspruch und Beschreibung Seite 1 bis 5, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2006, im Übrigen Zeichnungen gemäß Offenlegungsschrift.
Bezeichnung: Verfahren zum Steuern eines elektrisch beheizten Warmwasserbereiters.
Anmeldetag: 13. Dezember 1994.
Priorität: 13. Dezember 1993, Österreich, 2520/93.
Gründe
I Das Deutsche Patent- und Markenamt - Prüfungsstelle für Klasse H 05 B - hat die am 13. Dezember 1994 eingereichte Anmeldung durch Beschluss vom 30. Mai 2003 mit der Begründung zurückgewiesen, dass das beanspruchte Verfahren nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, dass ein Fachmann es ausführen könne, ohne selbst erfinderisch tätig zu werden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie hat in der mündlichen Verhandlung neue Unterlagen eingereicht, und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
einziger Patentanspruch und Beschreibung Seite 1 bis 5, jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung vom 6. März 2006, im Übrigen Zeichnungen gemäß Offenlegungsschrift.
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
"Verfahren zum Steuern eines elektrisch beheizten Warmwasserbereiters, der neben mehreren schaltbaren Heizkörpern einen am Auslaufende des Wasserbereiters angeordneten stufenlos steuerbaren Steuerheizkörper aufweist und bei dem zur Einhaltung einer bestimmten Auslauftemperatur in Abhängigkeit von Änderungen der Eingangsparameter wie Einlauftemperatur und Durchfluß die Heizkörper geschaltet und der Steuerheizkörper gesteuert wird, dadurch gekennzeichnet, daß der Bereich des gesamten Heizblocks in äquidistante Wasserteilvorlumina Vi, bzw. VO bis VN aufgeteilt wird, die längs des Strömungsweges hintereinander angeordnet sind und jeweils ein Schrittvolumen Vs aufweisen, wobei das erste Teilvolumen (VO) vor dem ersten Heizkörper vorgesehen und der ermittelten Einlauftemperatur Tein zugerechnet ist, das letzte Teilvolumen VN nach dem Steuerheizkörper vorgesehen und der Auslauftemperatur TN zugeordnet ist und die Temperaturerhöhung Ti eines jeden Teilvolumens Vi nach der Beziehung Ti = Pi à tV à (VS à c) -1 berechnet wird, wobei Pi die dem Element i während einer Verweilzeit tV elektrisch zugeführte Leistung [W] ist, tV die Verweilzeit [s] innerhalb eines Teilvolumens (Vi), das heißt, jene Zeit ist, die bei dem aktuellen Volumenstrom V des Wassers benötigt wird, um ein Teilvolumen Vi zu durchströmen, VS das Schrittvolumen [ml] und c die volumenspezifische Wärmekapazität von Wasser unter Normalbedingungen [4,176Ws / (K à m1) -1] bedeuten, wonach in einem zweiten Schritt alle Teilvolumen Vi um eine Position weitergeschoben und erneut die Temperaturerhöhung Ti aller Teilvolumen Vi für die nächste Verweilzeit tV berechnet wird, die nach der Beziehung:
tV = VS à V -1 errechnet wird, wobei V den aktuellen Volumenstrom [1 / s] des Wassers bedeutet und die Leistung PSt der Steuerstufe nach der Beziehung:
PSt = (Tsoll - TN-1) à VS à c/trerrechnet und angepasst wird, wobei Tsoll die Soll-Auslauftemperatur, TN-1 die Temperatur des letzten Teilvolumens der Steuerstufe und tr die Restzeit [s], die das Teilvolumen VN-1 noch innerhalb der Steuerstufe verweilt, bedeuten, wobei im Fall, daß TN-1 > Tsoll ist, die Leistung der Steuerstufe auf Null zurückgenommen wird."
Der Anmeldung liegt die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren vorzuschlagen, bei dem ein hohes Maß an Konstanthaltung der gewünschten Auslauftemperatur auch bei einer Änderung der Eingangsparameter, wie Wasserdurchfluss und Einlauftemperatur sichergestellt ist (S. 2 , Abs. 1 der geltenden Beschreibung).
Die Anmelderin führte aus, die Anmeldung löse das Problem dynamische Störungen wie Änderungen im Volumenstrom und eine ungleichmäßige Temperaturverteilung in der Wassersäule in einer Kompensationsphase, die vom Eintreten der Störung bis zu ihrer Ausregelung reiche, möglichst schnell und vollständig zu kompensieren. Dazu wende sich das anmeldungsgemäße Verfahren erstmals von der stationären Betrachtungsweise ab, bilde die Wassersäule durch eine Folge von Teilvolumina ab, und könne auf diese Weise den Temperaturverlauf rechnerisch nachverfolgen.
Beim eingereichten, gültigen Anspruch 1 bedeute Ti in der ersten Gleichung mit klein geschriebenem Index i die Temperaturerhöhung, TN-1 in der zweiten Gleichung mit groß geschriebenem Index N dagegen die (Absolut-)Temperatur. Dem Fachmann sei aus den Anmeldeunterlagen klar, dass sich die Schritte ständig wiederholten.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II Die Beschwerde ist zulässig und hat mit dem geänderten Patentbegehren Erfolg, weil das Verfahren nach dem geltenden Anspruch ausführbar offenbart und auch patentfähig ist.
1. Fachmann Der zuständige Fachmann ist ein Fachhochschulingenieur der Fachrichtung Elektrotechnik mit Berufserfahrung in der Entwicklung von elektrischen Durchlauferhitzern. Die Beziehungen zwischen Heizleistung, Durchfluss und Temperatur beziehungsweise Temperaturerhöhung sind ihm praktisch und formelmäßig geläufig.
2. Offenbarung und Zulässigkeit des geltenden Anspruchs.
Der ursprüngliche Anspruch wurde mit Merkmalen ergänzt, die auf Seite 2, Absatz 1, Seite 3, Absatz 1 und Seite 4, letzter Absatz der ursprünglichen Beschreibung als zur Erfindung gehörend offenbart sind.
Damit ist der Anspruch ursprünglich offenbart.
Das anspruchsgemäße Verfahren ist auch ausführbar.
Der Anspruch lässt zwar einiges offen, das der Fachmann ergänzen muss:
a) So ist zwar ein zweiter, aber kein erster Schritt erwähnt.
b) Die Bedeutung der kleinen und großen Indizes bei Temperatur und Temperaturerhöhung ist nicht erläutert, und der Zusammenhang zwischen Temperatur und Temperaturerhöhung ist nicht definiert.
c) Der Anspruch lässt auch offen, ob (der erste und) der zweite Schritt nur einmal durchgeführt oder ständig wiederholt werden soll(en).
Nach Überzeugung des Senats ist der Fachmann aber dazu aus seinem Fachwissen heraus in der Lage:
a) Im Anspruch ist die Temperaturerhöhung Ti und - davon erkennbar abweichend - die (absolute) Temperatur TN-1 definiert. Auch erkennt der Fachmann in der Temperaturerhöhung und der Temperatur unterschiedliche Größen, die er auch richtig zuordnen kann, wenn er die physikalische Bedeutung der Gleichungen berücksichtigt.
b) Dem Fachmann ist insbesondere im Hinblick auf Seite 2, letzter Absatz, Zeilen 1 und 2 der ursprünglichen Unterlagen klar, dass die Aufteilung in Teilvolumina eine gedanklichrechnerische ist, wobei der Wasserfluss dadurch simuliert wird, dass die Teilvolumina gedanklichrechnerisch schrittweise gleichzeitig weitergeschoben werden. Mit diesem Verständnis wird der Fachmann der anspruchsgemäßen erneuten Berechnung der Temperaturerhöhung für die nächste Verweilzeit einen Rücksprung zum ersten Schritt - dem er die Berechnung der Temperaturerhöhung nach der ersten Formel zuordnet - entnehmen, und zusammen mit dem sich ständig weiterbewegenden Teilvolumen auch eine sich ständig wiederholende Berechnung der Temperaturerhöhung nach jedem Schiebeschritt.
c) Dem Fachmann ist auch klar, dass die Temperatur eines jeden Teilvolumens die Summe aus der Eingangstemperatur und allen inzwischen erfolgten Temperaturerhöhungen ist. Daraus kann er den Zusammenhang zwischen der nach der ersten Gleichung im Anspruch ermittelten Temperaturerhöhung und der in der dritten Gleichung benötigten (absoluten) Temperatur herstellen. Einen Hinweis darauf liefert zudem Seite 2, Absatz 4 der ursprünglichen Unterlagen.
Der im Zurückweisungsbeschluss beanstandete Begriff "Kompensationsphase" kommt im Anspruch nicht vor und ist auch für das Verständnis des anspruchsgemäßen Verfahrens nicht nötig. In Zusammenhang mit dem Begriff "Kompensationsmaßnahme" (S. 3 Abs. 1 Z. 6 der ursprünglichen Unterlagen) ist aber klar, dass die Kompensation der Störungen im Temperaturverlauf der Wassersäule gemeint ist.
Die Restzeit tr ist nach der Definition im Anspruch die Zeit, die das Teilvolumen VN-1 noch innerhalb der Steuerstufe verweilt. Bei den anspruchsgemäß äquidistanten - und damit gleich langen - Teilvolumina, deren letztes nach dem Steuerheizkörper vorgesehen ist, kann das nur heißen, dass das vorletzte Teilvolumen mit dem Steuerheizkörper endet, und somit die Zeit tr gleich der Zeit tv nach der zweiten Gleichung im Anspruch ist.
Dadurch, dass nunmehr dem ersten Teilvolumen die ermittelte Einlauftemperatur zugeordnet und die Leistung errechnet und angepasst wird, ist jetzt auch klargestellt, dass die tatsächliche Einlauftemperatur erfasst, und die in der dritten Gleichung errechnete Leistung auch tatsächlich an dem Steuerheizkörper eingestellt wird.
Der Senat hat zwar Bedenken ob das Verfahren eine stabile Steuerung der Auslauftemperatur ermöglicht, wenn die Wassersäule im Bereich des Steuerheizkörpers in eine große Anzahl von Teilvolumina unterteilt wird. Dann erfordert nämlich die nur noch geringe verbleibende Restzeit sehr große Leistungssprünge am Steuerheizkörper bereits bei relativ kleinen Temperaturabweichungen, die auch auf die nachkommenden Teilvolumina im Bereich des Steuerheizkörpers wirken und zu Regelschwingungen führen können.
Für eine relativ geringe Anzahl von Teilvolumina im Bereich des Steuerheizkörpers (z. B. zwei) hält der Senat aber eine stabile Steuerung der Auslauftemperatur für möglich.
2. Neuheit Das anspruchsgemäße Verfahren ist neu.
Die DE 37 12 648 C2 zeigt ein Verfahren zum Steuern eines elektrisch beheizten Warmwasserbereiters (Titel), der neben mehreren schaltbaren Heizkörpern R2, R3 einen am Auslaufende des Wasserbereiters angeordneten stufenlos steuerbaren Steuerheizkörper R1 aufweist (Sp. 2, Z. 18 bis 20, Sp. 2, Z. 63 bis Sp. 3, Z. 4). Zur Einhaltung einer bestimmten Auslauftemperatur werden auch dort in Abhängigkeit von Änderungen der Eingangsparameter Einlauftemperatur und Durchfluss ("Durchsatz bzw. Durchsatzgeschwindigkeit") die Heizkörper geschaltet und der Steuerheizkörper gesteuert (Sp. 3, Z. 5 bis 40). - Oberbegriff -
Eine Aufteilung in äquidistante Teilvolumina, deren Temperatur und Temperaturerhöhung schrittweise berechnet wird, um daraus die benötigte Leistung zu ermitteln, gemäß kennzeichnendem Teil des Anspruchs ist nicht vorgesehen.
Bei Änderungen von Wasserdurchsatz, Einlauftemperatur oder Speisespannung ist zwar eine Leistungsänderung zur Kompensation vorgesehen. (Sp. 3, Z. 41 bis 55). Diese Kompensationsleistungen werden aber abhängig vom Ort des Entstehens zeitverzögert eingestellt (Sp. 3, Z. 60 bis 68), um unbeheizte Strecken zu berücksichtigen (Sp. 3 Z. 60 bis Sp. 4 Z. 1).
Die weiteren Entgegenhaltungen liegen weiter ab und wurden nicht aufgegriffen.
3. Erfinderische Tätigkeit Das anspruchsgemäße Verfahren beruht auch auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Ausgehend von dem Verfahren nach DE 37 12 648 C2 stellt sich die Aufgabe, ein hohes Maß an Konstanthaltung der gewünschten Auslauftemperatur auch bei einer Änderung der Eingangsparameter, wie Wasserdurchfluss und Einlauftemperatur sicherzustellen (S. 2, Abs. 1 der geltenden Beschreibung) von selbst, und liegt ja auch dort schon sinngemäß als Aufgabe zugrunde (Sp. 1, Z. 62 bis Sp. 2, Z. 2). Dort wurde auch schon das Problem erkannt, dass eine rein stationäre Steuerung oder Regelung nicht in der Lage ist, Temperaturberge oder -täler aufgrund von unterschiedlichen Entstehungsorten der Störungen befriedigend auszugleichen. Die Lösung dieses Problems ist aber dort nur soweit beschrieben, als die Kompensation an unterschiedlichen Stellen erfolgen kann (Sp. 4 Z. 16 bis 31) und am Ende des Durchflusskanals auszugleichen ist (Sp. 4 Z. 50 bis 61). Wie die Kompensationsleistungen ermittelt werden ist nicht beschrieben. Die jeweils vollständige Berücksichtigung unbeheizter Teilflächen bei der Zeitverzögerung lässt den Fachmann auch nicht an eine Unterteilung in äquidistante Teilflächen denken.
Der Erfinder hat nun erkannt, dass eine Aufteilung der Wassersäule in äquidistante Teilvolumina, deren Temperaturerhöhungen schrittweise errechnet werden, eine räumlich und zeitlich recht genaue Nachbildung der Temperaturverhältnisse im Warmwasserbereiter, und eine exakte Zumessung der noch fehlenden Heizleistung/-energie am Ende der Heizstrecke ermöglicht. Dazu bedurfte es erfinderischer Überlegungen.
4. Die Beschreibung genügt den an sie nach § 34 PatG zu stellenden Anforderungen.
BPatG:
Beschluss v. 06.03.2006
Az: 19 W (pat) 59/03
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