Bundespatentgericht:
Beschluss vom 30. Juni 2009
Aktenzeichen: 6 W (pat) 311/09
(BPatG: Beschluss v. 30.06.2009, Az.: 6 W (pat) 311/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In der vorliegenden Gerichtsentscheidung (Aktenzeichen 6 W (pat) 311/09) ging es um das Patent mit der Bezeichnung "Schiebetürsystem mit einer in einem Kämpfer angeordneten Antriebsvorrichtung". Es wurde gegen dieses Patent Einspruch erhoben, mit der Begründung, dass der erteilte Anspruch nicht neu bzw. nicht erfinderisch sei. Die Einsprechende berief sich dabei auf verschiedene Druckschriften. Die Patentinhaberin reichte neue Ansprüche ein und beantragte, das Patent unter Berücksichtigung dieser neuen Ansprüche aufrechtzuerhalten.
Das Bundespatentgericht war zuständig für die Entscheidung über den Einspruch. Der Einspruch wurde als zulässig erachtet. Die geltenden Ansprüche wurden ebenfalls als zulässig befunden. Es wurde festgestellt, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 neu ist und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die Argumentation der Einsprechenden, dass sich der Gegenstand des Anspruchs 1 aus der Zusammenschau verschiedener Entgegenhaltungen ergebe, konnte nicht überzeugen, da diese Entgegenhaltungen nicht alle Merkmale des Anspruchs 1 offenbarten. Daher wurde der Einspruch abgewiesen und das Patent mit den eingereichten neuen Ansprüchen aufrechterhalten.
Diese Entscheidung zeigt, dass das Patent im Hinblick auf die Neuheit und die erfinderische Tätigkeit des Anspruchs 1 bestehen bleibt. Die Patentinhaberin konnte ihre Ansprüche erfolgreich verteidigen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 30.06.2009, Az: 6 W (pat) 311/09
Tenor
Das Patent 10 2004 023 927 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrechterhalten:
-neue Patentansprüche 1 bis 8 vom 23. Februar 2006 -übrige Unterlagen wie erteilt.
Gründe
I.
Gegen das am 11. August 2005 veröffentlichte Patent 10 2004 023 927 mit der Bezeichnung "Schiebetürsystem mit einer in einem Kämpfer angeordneten Antriebsvorrichtung" ist am 11. November 2005 Einspruch erhoben worden. Der Einspruch ist mit Gründen versehen und auf die Behauptung gestützt, der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 sei nicht neu bzw. beruhe nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
In der Einspruchsbegründung verweist die Einsprechende auf folgende Druckschriften:
(E1) DE 101 41 313 A1 (E2) DE 39 04 058 A1 (E3) DE 42 33 681 A1 (E4) WO 97/14 865 A2 (E5) EP 1 059 406 A2.
Die Einsprechende beantragt, das angegriffene Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin hat mit Schriftsatz vom 23. Februar 2006 neue Ansprüche 1 bis 8 eingereicht und beantragt, das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhalten:
-neue Patentansprüche 1 bis 8 vom 23. Februar 2006, -übrige Unterlagen wie erteilt.
Sie ist der Auffassung, dass der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sowohl neu sei als auch auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
Der geltende Anspruch 1 lautet:
"Schiebetürsystem (1) mit einer in einem Kämpfer (2) angeordneten Antriebsvorrichtung (8) für wenigstens einen Türflügel (3, 37) und einer elektromechanischen Betätigungsvorrichtung (9) für eine Verriegelung des Türflügels (3, 37) gegenüber dem Kämpfer (2), mit einem über eine Abtriebsscheibe (10) der Antriebsvorrichtung (8) geführten, am Türflügel (3, 37) zugfest angeschlossenen endlosen Zugmittel (7), wobei die Abtriebsscheibe (10) an einem im oder am Kämpfer (2) angeordneten, die elektromechanische Betätigungsvorrichtung (9) aufnehmenden Gehäuse (11) gelagert ist, an einem dem Gehäuse (11) benachbarten Flansch (12) Verriegelungselemente (13) aufweist, wobei am Gehäuse (11) an den Verriegelungselementen (13) des Flansches (12) komplementäre, nach Maßgabe eines Impulses einer Verriegelungssteuerung von der elektromagnetischen Betätigungsvorrichtung (9) beaufschlagbare, gegen die Verriegelungselemente (13) des Flansches (12) anstellbare Verriegelungselemente (14) abgestützt sind, wobei die Verriegelungselemente (13) des Flansches (12) aus einer an der dem Gehäuse benachbarten Fläche (15) angeordneten Verzahnung (16) bestehen, dadurch gekennzeichnet, dass die gegen die Verzahnung (16) des Flansches (12) der Abtriebsscheibe (10) anstellbaren, am Gehäuse (11) abgestützten Verriegelungselemente (14) aus einer an einer stationären Zahnscheibe (17) angeordneten Gegenverzahnung (18) bestehen, dass die Zahnscheibe (17) mittels Druckfedern (19, 20) am Gehäuse (11) abgestützt und durch Beaufschlagung eines von einem Stößel (21) der elektromechanischen Betätigungsvorrichtung (9) verschiebbaren, im Gehäuse (11) gelagerten Verriegelungsbolzen (22) gegen die Federkraft der Federn (19, 20) gegen den Flansch (12) der Abtriebsscheibe (10) anstellbar ist, dass die Zahnscheibe (17) mittels mehrerer, die Außenwand (23) des Gehäuses (11) verschiebbar durchgreifender Verbindungszapfen (25) abstandsunveränderlich mit einer im Gehäuse (11) gelagerten Druckplatte (26) verbunden ist, dass der Stößel (21) der elektromagnetischen Betätigungsvorrichtung (9) mit einem koaxial zum Stößel (21) verlaufenden Verriegelungsbolzen (22) zugund druckfest verbunden ist, und dass am Verriegelungsbolzen (22) und an der Druckplatte (26) Vorrichtungen zur Umsetzung der Axialbewegung des Verriegelungsbolzens (22) in eine hierzu orthogonal gerichtete Bewegung der Druckplatte (26) angeordnet sind."
Wegen der auf den Anspruch 1 rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 sowie wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Im Prüfungsverfahren vor dem Deutschen Patentund Markenamt ist zusätzlich noch die DE 44 15 708 C1 berücksichtigt worden.
II.
1.
Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Einspruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fassung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig geblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. -Informationsübermittlungsverfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. -Informationsübermittlungsverfahren II; BGH GRUR 2009, 184 f. -Ventilsteuerung).
2.
Der fristund formgerecht erhobene Einspruch ist ausreichend substantiiert und auch im Übrigen zulässig.
Dies ist seitens der Patentinhaberin nicht bestritten worden.
3.
Die geltenden Ansprüche sind zulässig.
Der geltende Anspruch 1 ergibt sich aus den erteilten bzw. ursprünglichen Ansprüchen 1 bis 4, 6 und 10, die geltenden Ansprüche 2 bis 8 entsprechen den erteilten bzw. ursprünglichen Ansprüchen 5, 7 bis 9 und 11 bis 13.
Die Zulässigkeit der geltenden Ansprüche ist im Übrigen seitens der Einsprechenden nicht bestritten worden.
4. Der Gegenstand des angefochtenen Patents stellt eine patentfähige Erfindung im Sinne der §§ 1 bis 5 PatG dar.
a. Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ist neu.
Die Neuheit des Gegenstandes des geltenden Anspruchs 1 wird seitens der Einsprechenden nicht mehr bestritten, sie ist im Übrigen auch gegeben, da die nunmehr im kennzeichnenden Teil des geltenden Anspruchs 1 enthaltenen Merkmale im nachgewiesenen Stand der Technik nicht verwirklicht sind, wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen.
b. Das zweifelsfrei gewerblich anwendbare Schiebetürsystem gemäß dem geltenden Anspruch 1 beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Die Einsprechende hat in der mündlichen Verhandlung detailliert vorgetragen, der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 ergebe sich aus einer einfachen Zusammenschau der Entgegenhaltungen (E1) DE 101 41 313 A1 oder (E2) DE 39 04 058 A1 mit den Entgegenhaltungen (E3) DE 42 33 681 A1 und (E4) WO 97/14 865 A2 in Verbindung mit dem fachlichen Können des zuständigen Konstrukteurs. Denn die Entgegenhaltungen (E1) DE 101 41 313 A1 oder (E2) DE 39 04 058 A1 zeigten magnetische Verriegelungen, stirnverzahnte Eingriffselemente seien aus der (E3) DE 42 33 681 A1 bekannt und die Entgegenhaltung (E4) WO 97/14 865 A2 zeige eine Möglichkeit auf, wie eine Axialbewegung in eine dazu orthogonal gerichtete Bewegung überführt werden könne.
Diese Ausführungen vermögen aus den nachfolgenden Gründen jedoch nicht zu überzeugen.
Die (E3) DE 42 33 681 A1 offenbart nicht einmal sämtliche Merkmale des Oberbegriffs des geltenden Anspruchs 1. Denn dort ist erfindungsgemäß angegeben, dass eine elektromechanische Betätigungsvorrichtung für die Verriegelung des Türflügels vorgesehen sein soll. Eine solche ist in der (E3) DE 42 33 681 A1 jedoch weder expressis verbis offenbart noch entnehmbar. Denn wie sich aus der Beschreibung, insbes. Sp. 3, Z. 28 bis 52 ergibt, ist dort eine Kupplungseinrichtung 5 erläutert, mit deren Hilfe die Treibriemenscheibe 6 mit dem Getriebemotor 1 in und außer Eingriff gebracht werden kann. Dazu ist an der Abtriebswelle 4 des Getriebemotors 1 eine Stirnverzahnung 20a vorgesehen, welche mit einer korrespondieren Stirnverzahnung 20b der Treibriemenscheibe 6 in Eingriff bringbar ist. Die Stirnverzahnungen 20a und 20b bilden somit eine Kupplung zur Übertragung eines Drehmoments, nicht aber eine Verriegelung des Türflügels.
Die Merkmale des kennzeichnenden Teils des geltenden Anspruchs 1 können in der (E3) DE 42 33 681 A1 somit schon allein deshalb nicht verwirklicht sein, da dieser eine speziell ausgebildete Verriegelung beansprucht, die in der (E3) DE 42 33 681 A1 nicht einmal ansatzweise angesprochen ist, da es dort um eine Kupplung geht. Die (E3) DE 42 33 681 A1 unterscheidet sich daher bereits grundsätzlich vom Streitgegenstand, bei dem es um eine Verriegelung geht. Somit können von dort auch keine Anregungen zur Ausgestaltung des patentierten Schiebetürsystems ausgehen.
Aber selbst wenn man eine Kupplung unter den Begriff "Verriegelung" subsumieren würde, ist in der (E3) DE 42 33 681 A1 die spezielle, im kennzeichnenden Teil des geltenden Anspruchs 1 angegebene Ausgestaltung der Verrieglung nicht offenbart, wie sich durch einen einfachen Vergleich zeigt. Denn während in der (E3) DE 42 33 681 A1 die beiden Verzahnungen 20a, 20b eine Kupplung bilden, um die Treibriemenscheibe 6 mit dem Elektromotor zu koppeln und dessen Drehmoment auf die Schiebetür zu übertragen, ist erfindungsgemäß die Zahnscheibe 17 stationär, d. h. nicht drehbar angeordnet, mit der Folge, dass die Stirnverzahnungen 16, 18 eine Drehung der Treibriemenscheibe 10 verhindern und diese verriegeln. Und auch der beanspruchte Ein-/Ausrückmechanismus für die Verrieglung unterscheidet sich grundsätzlich vom Ein-/Ausrückmechanismus nach der (E3) DE 42 33 681 A1, wie sich schon allein durch einen Vergleich der jeweiligen Figuren zeigt.
Die (E1) DE 101 41 313 A1 offenbart eine Öffnungssicherung für ein Schiebetürsystem, bei der die Verriegelungselemente 13, 14 allein über magnetische Kräfte zusammengehalten werden (vgl. Ansprüche 1 und 2). Erfindungsgemäß dagegen erfolgt die Verriegelung rein mechanisch, indem die Stirnverzahnungen 16, 18 ineinander greifen.
Die (E2) DE 39 04 058 A1 erläutert eine Verriegelung für eine Tür, die genauso aufgebaut ist wie der Verriegelungsmechanismus nach der (E1) DE 101 41 313 A1 und ausschließlich über magnetische Kräfte wirkt (vgl. Sp. 3, Z. 2 bis 45 und Fig. 2).
Die (E4) WO 97/14 865 A2 erläutert eine Verriegelung für eine ortsveränderliche Wand, bei der ein aus der Wand ausfahrbarer Bolzen in eine im Fußboden befindliche Öffnung eintreten kann (vgl. Fig. 6 und 7).
Die (E5) EP 1 059 406 A2 offenbart eine elektronische Schaltung zur Verriegelung einer Tür.
Die bereits im Prüfungsverfahren berücksichtigte und in der Beschreibungseinleitung des Streitpatents gewürdigte DE 44 15 708 C1 offenbart eine Verriegelung für den Antrieb einer Schiebetür, bei der ein Mitnahmestück kraftund formschlüssig mit einem umlaufenden Zahnriemen zusammen wirkt. An dem Mitnahmestück befindet sich ein Mitnehmer, der mit einer hakenförmigen Verriegelung zusammenarbeitet. Der Verriegelungshaken wird einerseits über den Mitnehmer betätigt, der über eine Auslösekurve fährt, andererseits über das Trumm des Antriebsriemens.
Aus Vorstehendem ergibt sich, dass der nachgewiesene Stand der Technik weder einzeln noch in einer Zusammenschau Anregungen zu der erfindungsgemäßen Ausgestaltung geben können, da dort entweder keine Verriegelungen, sondern Kupplungen beschrieben sind, oder aufgrund anders gearteter Konstruktionen keine Hinweise zu der im kennzeichnenden Teil des geltenden Anspruchs 1 angegebenen Merkmalskombination ausgeben können.
Der geltende Anspruch 1 ist somit gewährbar.
c. Zusammen mit dem Anspruch 1 sind auch die auf ihn rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 8 gewährbar, da sie nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen des erfindungsgemäßen Schiebetürsystems betreffen.
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BPatG:
Beschluss v. 30.06.2009
Az: 6 W (pat) 311/09
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