Oberlandesgericht Köln:
Beschluss vom 13. Januar 2014
Aktenzeichen: 18 U 174/13

(OLG Köln: Beschluss v. 13.01.2014, Az.: 18 U 174/13)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Bei der vorliegenden Gerichtsentscheidung geht es um die Freigabe eines Beschlusses einer Gläubigerversammlung. Die Antragstellerin, die von verschiedenen Anleiheinhabern verklagt wurde, begehrt die Feststellung, dass die Klagen gegen den Beschluss unzulässig sind. Die Antragsgegner haben die Gültigkeit des Beschlusses angefochten und behaupten, dass durch die Umstrukturierungsmaßnahmen die Rechte der Alt-Aktionäre verletzt werden. Die Antragstellerin bringt vor, dass die Fortführung des Unternehmen von den Sanierungsmaßnahmen abhängt und bei einem Nichtvollzug des Beschlusses Insolvenz droht. Das Gericht kommt zu dem Ergebnis, dass der Beschluss der Gläubigerversammlung gültig ist und weist die Klagen der Antragsgegner ab. Die Antragsgegner müssen die Gerichtskosten und einen Teil der außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin tragen. Die Entscheidung beruht auf dem SchVG und dem AktG. Das Gericht führt aus, dass keine besonders schweren Rechtsverstöße vorliegen und dass das schnelle Wirksamwerden des Beschlusses im Interesse der Anleihegläubiger überwiegt. Der Streitwert wurde mit 10.000 Euro festgelegt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Köln: Beschluss v. 13.01.2014, Az: 18 U 174/13


Tenor

Gemäß § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG iVm. § 246a Abs. 1 S. 1 AktG wird festgestellt, dass die Erhebung der beim Landgericht Bonn unter den Aktenzeichen 16 O 48/13 und 16 O 49/13 rechtshängigen Klagen der Antragsgegner gegen den Beschluss zu dem Tagesordnungspunkt 2 der Gläubigerversammlung der Antragstellerin vom 6. August 2013 mit dem folgenden Wortlaut:

...

dem Vollzug dieses Beschlusses nicht entgegensteht und Mängel dieses Beschlusses die Wirkung des Vollzugs unberührt lassen.

Die Antragstellerin hat die gerichtlichen Kosten des Freigabeverfahrens und ihre außergerichtlichen Kosten zu 1/3 zu tragen, die Antragsgegner haben die gerichtlichen Kosten des Freigabeverfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin zu 2/3 zu tragen. Die Antragstellerin hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsgegnerin zu 3) zu tragen. Die Antragsgegner zu 1) und 2) haben ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen.

Gründe

I.

Die Parteien - die Antragstellerin als Schuldnerin und die Antragsgegner jeweils als Inhaber von Schuldverschreibungen - streiten um die Freigabe eines Beschlusses der Gläubigerversammlung, der den Umtausch einer Anleihe in Aktien der Antragstellerin und neue Schuldverschreibungen vorsieht.

Die Antragstellerin ist die Muttergesellschaft des T-Konzerns. Sie wurde am 26. März 1999 als Aktiengesellschaft unter HRB 8xxx in das Handelsregister eingetragen. Ihr Grundkapital beträgt derzeit 111.720.000,- EUR. Gegenstand des vorgenannten Konzerns sind die Produktion von Solarstrommodulen, der weltweite Vertrieb dieser Module und der weltweite Vertrieb von Großprojekten in Zusammenhang mit Solarstrom. Dabei übernimmt die Antragstellerin das Konzern-Controlling, das Konzern-Rechnungswesen, die Finanzierung, die Betreuung der Beziehungen zu Investoren und die Kommunikation. Die Aktien der Antragstellerin sind seit Juni 2003 an der H Wertpapierbörse notiert. Zum Bilanzstichtag am 31. Dezember 2012 wies der im Bundesanzeiger veröffentlichte, allerdings nicht geprüfte und unter Änderungsvorbehalt stehende Jahresabschluss der Antragstellerin ein negatives Eigenkapital in Höhe von 38,3 Mio. EUR aus. Die Einzelheiten ergeben sich aus der als Anlage Ast 4 zur Gerichtsakte gereichten Ablichtung des betreffenden Jahresabschlusses. Nach einem ebenfalls unter Änderungsvorbehalt stehenden und nicht geprüften Zwischenabschluss zum 30. Juni 2013 betrug das negative Eigenkapital bereits 94,97 Mio. EUR. Einzelheiten ergeben sich aus einer eidesstattlichen Versicherung des zuständigen Vorstandsmitgliedes der Antragstellerin (Anlage Ast 5). U.a. vor dem Hintergrund dieser Daten und der entsprechenden wirtschaftlichen Entwicklung holte die Antragstellerin ein Sanierungsgutachten einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ein, das zwar zu einer positiven Fortführungsprognose gelangte, aber einen ganze Reihe von Restrukturierungsmaßnahmen als erforderlich ansah. Hinsichtlich der Details wird auf die als Anlage Ast 6 zur Gerichtsakte gereichte Anlage verwiesen. Zu diesen Maßnahmen gehört auch eine erhebliche Reduzierung des Fremdkapitals: Die Antragstellerin ist derzeit mit den folgenden Fremdverbindlichkeiten belastet:

- Darlehen der F (F; noch offen) 52,5 Mio. EUR,

- Schuldschein-Darlehen von N (ausstehend) 90,0 Mio. EUR,

- Schuldschein-Darlehen der E AG (ausstehend) 50,0 Mio. EUR,

- Schuldschein-Darlehen der E AG (ausstehend) 97,0 Mio. EUR,

- Schuldschein-Darlehen der T (ausstehend) 65,0 Mio. EUR,

- Schuldschein-Darlehen der Q AG (ausstehend) 50,0 Mio. EUR,

- börsennotierte Anleihe 2010/2017 (ausstehend) 387,1 Mio. EUR,

- börsennotierte Anleihe 2011/2016 (ausstehend) 139,4 Mio. EUR.

Am 24. Januar 2013 gab die Antragstellerin eine Ad hoc-Mitteilung über die anstehende und mit gravierenden Einschnitten bei den Verbindlichkeiten der Gesellschaft verbundenen Restrukturierungsmaßnahmen heraus. Die Einzelheiten betreffend wird Bezug genommen auf die als Anlage Ast 10 zur Gerichtsakte gereichte Ablichtung. In Verhandlungen insbesondere mit den oben genannten Kreditinstituten einigte man sich am 18. Juni 2013 auf den Inhalt eines Termsheet. Danach soll zunächst das Kapital der Antragstellerin von aktuell 111.720.000,- EUR auf dann 744.800,- EUR herabgesetzt werden. Sodann ist vorgesehen, das (Sach-)Kapital der Antragstellerin um 14.151.200,- EUR zu erhöhen. Beides wird dazu führen, dass die Alt-Aktionäre der Antragstellerin nur noch mit 5% an der Gesellschaft beteiligt bleiben. Im Übrigen sollen neue Aktien ausgegeben werden, und zwar unter Ausschluss des Bezugsrechts der Alt-Aktionäre. Um nämlich im Ergebnis eine Umwandlung von Fremdverbindlichkeiten in Eigenkapital herbeizuführen und so eine finanzielle Restrukturierung der Antragstellerin zu bewirken, sollen die bisherigen Gläubiger ihre Forderungen teilweise als Sacheinlage einbringen, und zwar die Anleihe-Forderungen sowie die Schuldschein-Darlehen zu jeweils 55% und das F-Darlehen zu 40%. Die Forderungen aus den Schuldschein- und dem F-Darlehen bleiben zu 45% bzw. zu 60% bestehen. Hinsichtlich der Anleihen ist aus rechtlichen Gründen zwar in einem ersten Schritt eine 100%ige Einbringung vorgesehen. Sodann sollen jedoch an die Inhaber der Schuldverschreibungen aus den beiden o.g. Anleihen im Umfang von 45% neue Anleihen ausgegeben werden, so dass im Ergebnis auch hier eine 55%ige Umwandlung in Eigenkapital und eine Fortschreibung der Forderungen im Übrigen stattfände. Zu diesem Zweck soll den Anleihe-Gläubiger das Recht eingeräumt werden, ihre Schuldverschreibungen zu einem Teil in neue Aktien und im Übrigen in neue, gesicherte Schuldverschreibungen umzutauschen. Werden die Erwerbsrechte nicht ausgeübt, sollen die nicht bezogenen Aktien bzw. Schuldverschreibungen veräußert und soll der Erlös ersatzweise an die betreffenden Anleihe-Gläubiger ausgekehrt werden. Die Gläubiger der Schuldschein-Darlehen und des F-Darlehens sollen die von Ihnen erworbenen Aktien gegen insgesamt 46,0 Mio. EUR teilweise an die R und an Herrn Dr. -Ing. B, den Vorstandsvorsitzenden der Antragstellerin, veräußern. Die R wird danach mit 29% und Herr Dr. -Ing. B wird schließlich mit 19,5% am Grundkapital der Antragstellerin beteiligt sein.

Nachdem die erste Versammlung der Gläubiger der Anleihe 2010/2017 (ISIN XS0478xxxxx5, WKN A1xxxx) am 9. Juli 2013 nicht beschlussfähig gewesen war, berief die Antragstellerin mit Bekanntmachungen vom 12. Juli 2013 eine zweite Gläubigerversammlung für den 6. August 2013 ein. Hier wurde zu Tagesordnungspunkt 2 ein Beschuss über den Umtausch in die oben beschriebenen Erwerbsrechte gefasst. Die Einzelheiten der Versammlung und des gefassten Beschlusses ergeben sich aus der Niederschrift des Notars Dr. T2 vom 6. August 2013 (UR-Nr.: D xxx/2013; Anlage ASt 1).

Diesen Beschluss haben die Antragsgegner in den Verfahren 16 O 48/13 sowie 16 O 49/13 Landgericht Bonn angefochten.

Die Antragstellerin behauptet insofern, die Fortführung des Unternehmens hänge von den angefochtenen Maßnahmen zur Restrukturierung ab. Das ergebe sich aus dem Sanierungsgutachten. Könne der angefochtene Beschluss nicht umgehend vollzogen werden und könne das Unternehmen nicht in der geplanten Weise fortgeführt werden, werde das im Hinblick auf die bestehende Überschuldung der Antragstellerin zwingend die Insolvenz zur Folge haben. Spätestens im Februar 2014 müsse der Beschluss vollzogen werden, denn im Januar und Februar 2014 werde sich die wirtschaftliche Lage der Antragstellerin zuspitzen. So würden schon am 4. Januar 2014 162 Mio. EUR aus den Schuldschein-Darlehen fällig, am 21. Januar 2014 würden Anleihe-Zinsen in Höhe von 23.709.875,- EUR fällig und den Individualgläubigern stehe ein Kündigungsrecht des Termsheet für den Fall zu, dass der Beschluss nicht bis zum 31. Januar 2014 vollzogen worden sei. Schon die Kosten einer Verzögerung des Vollzugs überstiegen das wirtschaftliche Interesse der Antragsgegner erheblich. Diese hielten Schuldverschreibungen in Höhe von nominell 42.000,- EUR insgesamt, und zwar die Antragsgegner zu 1) und 3) in Höhe von jeweils 1.000,- EUR sowie der Antragsgegnerin zu 2) in Höhe von 40.000,- EUR. Gegenwärtig hätten die Schuldverschreibungen allerdings nur einen Börsenkurs von 37,2% ihres Nominalwertes. Nach einem Liquiditätsstatus zum 31. Dezember 2012 werde die Insolvenzquote 7,49% betragen.

Im Hinblick auf diese Erwägungen hat die Antragstellerin zunächst Freigabe hinsichtlich aller drei Antragsgegner beantragt. Nachdem sie sich mit der Antragsgegnerin zu 3) geeinigt hat, in der Sitzung des Landgerichts Bonn vom 27. November 2013 ein entsprechender Vergleich geschlossen worden ist (Sitzungsprotokoll, Anlage Ast 20, Bl. 227 ff. GA) und die Antragsgegnerin zu 3) ihre Anfechtungsklage zurückgenommen hat (Schriftsatz vom 29. November 2013, Anlage Ast 21, Bl. 243 GA), hat sie jedoch ihren Freigabeantrag hinsichtlich der Antragsgegnerin zu 3) zurückgenommen. Insofern wird auf S. 3 des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 19. Dezember 2013 (Bl. 207 GA) Bezug genommen.

Die Antragstellerin beantragt,

wie erkannt.

Die Antragsgegner zu 1) und 2) beantragen jeweils,

den Freigabeantrag zurückzuweisen.

Der Antragsgegnerin zu 1) ist der Freigabeantrag am 30. Oktober 2013 zugestellt worden (Bl. 130 GA), Sie hat mit einem per Fax am 5. November 2013 eingegangenen Schriftsatz eine Bescheinigung der D vom 30. Oktober 2013 über Anleihen im Nominal-Wert von 1.000,- EUR in Ablichtung vorgelegt (Bl. 127 GA). Das Original des Schreibens der D ist am 7. November 2013 hier eingegangen (Bl. 141 f. GA).

Die Antragsgegnerin zu 1) meint zunächst, dass die beschlossenen Restrukturierungsmaßnahmen schon deshalb unwirksam seien, weil die Erlöse der Ausgabe neuer Aktien nicht der Antragstellerin als liquide Mittel zuflössen, sondern "Heuschrecken-Fonds", die nach Meldungen über Schwierigkeiten in großem Umfang Anleihen der Antragstellerin erworben hätten und diese später für 3,36 EUR/Stück an Asbeck bzw. für 8,40 EUR/Stück an die R verkauften.

Auch treffe die Behauptung der Antragstellerin nicht zu, dass sie nicht über die notwendige Liquidität verfüge. Es werde bestritten, dass die von der Antragstellerin selbst genannten 152 Mio. EUR hinter dem Bedarf für die Jahre 2013/2014 zurückbleibe. Dementsprechend liege auch die behauptete Notsituation der Antragstellerin nicht vor und bestehe kein Eilbedarf. Vielmehr habe der Vorstandsvorsitzende noch am 19.August 2013 erklärt, das Unternehmen stehe "finanziell auf gesunden Füßen". Darüber hinaus habe die Antragstellerin nach der Beschlussfassung wochenlang mit dem Freigabeantrag zugewartet.

Berücksichtige man den Wert der als Sacheinlage eingebrachten Schuldverschreibungen einerseits und den Wert der als Gegenleistung erhaltenen, gesicherten neuen Schuldverschreibungen sowie der neuen Aktien andererseits, werde den Anleihegläubigern im Vergleich zu den Alt-Aktionären ein nicht gerechtfertigter Sondervorteil gewährt. Insofern seien auch die alten Schuldverschreibungen als Sacheinlage erheblich überbewertet worden.

Ebenso werde Herrn Dr. B ein ungerechtfertigter Sondervorteil eingeräumt, indem er nämlich ein den übrigen Alt-Aktionären nicht eröffnetes Sondererwerbsrecht erhalte. Hinzu komme noch die ganz erhebliche Preisdifferenz im Vergleich zum voraussichtlichen Marktpreis der neuen Aktien, der den Erwerbspreis zu Gunsten der R zugrunde liege.

Indem ein viel zu niedriger Ausgabekurs ermittelt worden sei, liege eine Verletzung des § 255 Abs. 2 AktG vor. So betrage der Ausgabekurs nur einen Bruchteil derjenigen Preise, die unmittelbar im Anschluss an die Ausgabe gezahlt würden.

Die Überbewertung der Sacheinlagen begründe im Übrigen eine verbotene Unterpari-Emission. Faktisch würden insofern nur wertlose Teile der Forderungen als Sacheinlagen eingebracht, als ein die voraussichtliche Insolvenzquote deutlich übersteigender Teil der Forderungen bestehen bleiben solle. Das gelte insbesondere für die Anleihegläubiger. Diese würde unangemessen bevorzugt. Der Vorstand selbst habe erklärt, dass diese im Hinblick auf eine in Betracht kommende Differenzhaftung evtl. nicht Aktien erwerben würden. Insbesondere dem Vorstandsvorsitzenden B sei die unangemessene Bevorzugung der Anleihe-Gläubiger bewusst gewesen. Das eine Bevorzugung drohe, zeige auch der Anstieg der Börsenkurse der beiden Anleihen.

Insgesamt hätten die beschlossenen Maßnahmen eine Verwässerung der Aktionärsstruktur zur Folge.

Schließlich seien die Informationsrechte der Gläubiger massiv beeinträchtigt worden, indem ihnen nicht einmal der wesentliche Inhalt des Sanierungsgutachtens rechtzeitig bekannt gegeben worden sei. Die Gläubiger hätten aufgrund der allzu geringen Informationen die Gesamtumstände nicht beurteilen können. Nicht einmal die zwecks Sanierung geschlossenen Verträge, die Kreditverträge und ein detailliertes, plausibles Geschäftskonzept für die Zukunft sei ihnen präsentiert worden.

Dem Antragsgegner zu 2) ist der Freigabeantrag am 7. November 2013 zugestellt worden (Bl. 146 GA). Mit einem schon am 4. November 2013 eingegangenen Schriftsatz hat der Antragsgegner zu 2) den Ausdruck einer Bescheinigung der C vom Vortag über Schuldverschreibungen im Nominal-Wert von 40.000,- EUR vorgelegt (Bl. 118 f. GA).

Er meint, hier liege eine massive Ungleichbehandlung der beteiligten Gläubiger vor. Denn während die Anleihe-Gläubiger die neuen Aktien an Herrn Dr. B und die R verkaufen sollten, sollten das die Schuldschein-Gläubiger nicht tun. Auch gewährten die Beschlüsse Herrn Dr. B und der R insofern einen Sondervorteil, als die Anleihe-Gläubiger an sie veräußern müssten.

Darüber hinaus seien Informationspflichten in erheblichem Umfang verletzt worden, indem auf die geplante Unterpari-Emission nicht hingewiesen worden sei. Eine verbotene Unterpari-Emission liege hier schon deshalb vor, weil die Sacheinlagen zu hoch und die im Gegenzug gewährten Aktien und gesicherten Anleihen zu niedrig bewertet worden seien.

Schließlich bestreitet der Antragsgegner zu 2) die Insolvenzgefahr. Mit der Behauptung einer Insolvenzgefahr sei der Erwerb des Bosch-Solargeschäftes durch die Antragstellerin nicht zu vereinbaren.

II.

Der Beschluss beruht hinsichtlich der Antragsgegner zu 1) und 2) - die Antragsgegnerin zu 3) betreffend ist nur noch gemäß § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG iVm. § 246a Abs. 1 S. 1 AktG iVm. § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO über die Kosten zu entscheiden - auf § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG iVm. § 246a Abs. 1 S. 1 AktG. Er ergeht, weil das alsbaldige Wirksamwerden des Beschlusses der Gläubigerversammlung vom 6. August 2013 (Gläubiger der Anleihe 2010/2017, ISIN XS0478864225, WKN A1CR73) zu Tagesordnungspunkt 2 vorrangig erscheint (2) und besonders schwere Rechtsverstöße nicht ersichtlich sind (3), § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG iVm. § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG.

Ob die Antragsgegner hier binnen einer Woche nach Zustellung des Antrages die gemäß § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG iVm. § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG erforderlichen Urkunden vorgelegt haben oder ob es mit Rücksicht auf § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG iVm. § 246a Abs. 1 S. 2 AktG iVm. § 420 ZPO jeweils der Vorlage eines Originals innerhalb der Wochenfrist bedurft hätte, kann der Senat offen lassen. Ebenso wenig braucht der Senat zu entscheiden, ob die seitens der Antragsgegner zu 1) und 2) geltend gemachten Beschlussmängel mit Rücksicht auf die Anfechtungsfrist des § 246 Abs. 1 AktG im Hauptsacheverfahren rechtzeitig geltend gemacht worden sind oder ob die Frist etwa wegen Anrufung eines unzuständigen Gerichts insgesamt bzw. wegen nicht rechtzeitiger Geltendmachung einzelner Mängel im Verfahren insofern abgelaufen ist. Denn selbst wenn man von § 246a Abs. 2 Nr. 2 AktG absieht und außerdem von einer rechtzeitigen Geltendmachung sämtlicher Beschlussmängel ausgeht, die die Antragsgegner zu 1) und 2) im vorliegenden Verfahren geltend machen, bedarf es nach § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG iVm. § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG der beantragten Freigabe.

1. Der Freigabeantrag der Antragstellerin ist zulässig.

a) Das von den Antragsgegnern angezweifelte Rechtsschutzinteresse für den Antrag ergibt sich bereits aus den laufenden Anfechtungsverfahren gegen den hier gegenständlichen Beschluss der Gläubigerversammlung, denn diese hindern den Vollzug des Beschlusses im Sinne des § 246a Abs. 1 S. 1 AktG.

b) Eines darüber hinausgehenden Eilbedürfnisses bedarf es allerdings im Rahmen des § 246a Abs. 3 S. 2 AktG. Dass ein solches hier vorliegt und es sich dementsprechend um einen dringenden Fall handelt, ergibt sich aus den seitens der Antragstellerin dargelegten Fälligkeitsterminen der im Tatbestand aufgeführten Fremdverbindlichkeiten sowie den mit weiteren Verzögerungen verbundenen Kosten und Risiken (Kündigung der im Termsheet niedergelegten Vereinbarung durch einen der Hauptgläubiger) für die Antragstellerin. Mag es auch so sein, dass der Antragstellerin - wie die Antragsgegner pauschal ausführen - nicht unmittelbar die Zahlungsunfähigkeit droht, so kann mit Rücksicht auf die ganz erhebliche Höhe der offenen Fremdverbindlichkeiten einerseits und auf die in den vorgetragenen Abschlüssen zum Ausdruck kommende desolate wirtschaftliche Lage der Antragstellerin (schnell wachsendes negatives Eigenkapital) andererseits doch keine Rede davon sein, dass ein Abwarten auf die rechtskräftige Entscheidung über die seitens der Antragsgegner zu 1) und 2) erhobenen Anfechtungsklagen für die Antragstellerin folgenlos bliebe und ihr deshalb ohne weiteres zugemutet werden könnte. Vielmehr steht zur Überzeugung des Senats insbesondere aufgrund der vorgetragenen Abschlüsse, deren Inhalt von den Antragsgegnern nicht im Einzelnen in Abrede gestellt wird, fest, dass der Antragstellerin ohne Vollzug des angefochtenen Beschlusses der Gläubigerversammlung kurz-, jedenfalls aber mittelfristig nicht nur die bilanzielle Überschuldung, sondern die Zahlungsunfähigkeit droht. Dementsprechend bedarf es dringend einer Entscheidung über die Freigabe und kommt eine mit weiterer Verzögerung verbundene mündliche Verhandlung der Sache nicht in Betracht.

2. Der Freigabeantrag der Antragstellerin ist auch begründet. Die von der Antragstellerin dargelegten und von den Antragsgegnern nicht hinreichend bestrittenen wesentlichen Nachteile jeder weiteren Verzögerung des Vollzuges des streitgegenständlichen Beschlusses für die Gläubiger der vorgenannten Anleihe überwiegen nach freier Überzeugung des Senats die Nachteile des Vollzuges des streitgegenständlichen Beschlusses für die Antragsgegner.

a) Kommt es wegen der vor dem Landgericht Bonn eingeleiteten Anfechtungsverfahren nicht zum Vollzug des Beschlusses der Gläubigerversammlung die Anleihe 2010/2017, ISIN XS047xxxxx25, WKN Axxxxx betreffend, so drohen nicht nur der Antragstellerin als Schuldnerin der vorgenannten Anleihe unmittelbar, sondern mittelbar auch den Gläubigern der Anleihe und darunter ebenfalls den Antragsgegnern zu 1) und 2) erhebliche wirtschaftliche Nachteile.

Maßgebend sind hier die bereits in Zusammenhang mit der Dringlichkeit angestellten Erwägungen: Wie die Antragsgegner zu 1) und 2) nicht in Abrede stellen, ist nicht nur das Eigenkapital der Antragstellerin verbraucht, sondern treffen der Jahresabschluss zum 31. Dezember 2012 und der Zwischenabschluss zum 30. Juni 2013 insofern zu, als dort jeweils ein negatives Eigenkapital der Antragstellerin ausgewiesen ist; lediglich die seitens der Antragstellerin behauptete unzureichende Liquidität stellen die Antragsgegner zu 1) und 2) pauschal in Abrede. Aus den betreffenden Daten ergibt sich insofern außerdem eine negative Tendenz, als der nicht gedeckte Fehlbetrag in recht kurzer Zeit ganz erheblich angewachsen ist. Woher die zur Deckung der ebenfalls unstreitig sehr hohen Belastung der Antragstellerin mit Fremdkapital (vgl. nur die Auflistung im Tatbestand) in kurzer bzw. mittlerer Frist erforderlichen Geldmittel angesichts dieser finanziellen Lage ohne umfassende Sanierung kommen sollen, haben die Antragsgegner nicht einmal andeutungsweise dargetan und vermag der Senat ohne weiteres auch nicht zu erkennen. Dementsprechend steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die Antragstellerin ohne umfassende Sanierung nicht nur bilanziell überschuldet ist, sondern ihr unabhängig vom genauen Umfang ihrer aktuellen Liquidität jedenfalls mittelfristig auch die Zahlungsunfähigkeit droht, zumal ein notwendiges Entgegenkommen aller Gläubiger der Antragstellerin ohne Rücksicht auf die im Termsheet niedergelegte, vereinbarte umfassende Sanierung nicht zu erwarten ist. Eine zur Überschuldung hinzutretende Zahlungsunfähigkeit der Antragstellerin hätte aber insofern gravierende Nachteile für die Gläubiger der hier maßgebenden Anleihe 2010/2017, ISIN XS047xxxxx25, WKN Axxxxx zur Folge, als sie hinsichtlich der noch offenen Beträge mangels Sicherheiten jedenfalls weitgehend auf die Insolvenzquote von ca. 7,5% verwiesen wären.

b) Selbst nach dem Vorbringen der Antragsgegner zu 1) und 2) stehen dem nicht nur keine Nachteile für die Anleihe-Gläubiger beim Vollzug der seitens der Gläubigerversammlung beschlossenen Maßnahmen gegenüber, sondern vielmehr gehen die angegriffenen Maßnahmen nach dem Vorbringen der Antragsgegner zu 1) und 2) mit einer erheblichen Begünstigung der Anleihe-Gläubiger und darunter auch der Antragsgegner selbst einher. So tragen die Antragsgegner zu 1) und 2) übereinstimmend vor, dass die Gläubiger u.a. aufgrund des angefochtenen Beschlusses offene Forderungen als Sacheinlage einbrächten, die mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Lage der Antragstellerin als Schuldnerin und insbesondere die zu erwartende Insolvenzquote deutlich hinter dem Wert der ihnen beim Vollzug des angefochtenen Beschlusses eingeräumten Erwerbsrechte (neue Aktien und neue Schuldverschreibungen) zurückblieben: An die Stelle unsicherer, verbriefter Forderungen sollen besicherte, verbriefte Forderungen und neue Aktien treten, deren wirtschaftliche Verwertung bereits gesichert ist.

c) Soweit die Antragsgegner darüber hinaus mehr oder weniger erhebliche Eingriffe in die (Mitgliedschafts-)Rechte der Alt-Aktionäre der Antragstellerin als Konsequenz der beschlossenen Sanierung nach dem Termsheet einwenden, kann das im vorliegenden Zusammenhang - Abwägung der wechselseitigen Nachteile eines Beschlusses der Gläubigerversammlung der oben näher bezeichneten Anleihe - aus zwei Gründen nicht von Bedeutung sein: Zum einen sind Eingriffe in Aktionärsrechte nicht Gegenstand des angegriffenen Beschlusses der Gläubigerversammlung gewesen und haben dies nach den auf Angelegenheiten die Anleihe betreffend begrenzten Kompetenzen der Gläubigerversammlung auch gar nicht sein können. Zum anderen erstreckt sich die im vorliegenden Verfahren nach § 20 Abs. 3 S. 4 SchVG iVm. § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG gebotene Abwägung ihrem Gegenstand nach nur auf Nachteile für die an der Anleihe beteiligten Gläubiger, nicht hingegen auf solche der Alt-Aktionäre der Antragstellerin. Letztere können allenfalls Gegenstand einer Abwägung in dem einen Hauptversammlungsbeschluss der Antragstellerin betreffenden Parallelverfahren sein. Insofern differenzieren die Antragsgegner zu 1) und 2) bei ihrem Vorbringen nicht hinreichend zwischen den verschiedenen Streitgegenständen, den entsprechenden Verfahren und ihren Rollen als Alt-Aktionäre einerseits und als Anleihe-Gläubiger andererseits.

2. Besonders schwere Rechtsverstöße legen die Antragsgegner nicht dar und vermag der Senat auch ohne weiteres nicht zu erkennen.

a) Soweit die Antragsgegner zu 1) und 2) Verstöße gegen Vorschriften des Aktiengesetzes rügen und dies auf von der nach dem Termsheet vereinbarten Sanierung der Antragstellerin ausgehende Eingriffe in die Rechte der Alt-Aktionäre zu stützen suchen, braucht der Senat nicht zu entscheiden, ob solche Rügen mit Rücksicht auf den bereits erwähnten begrenzten Gegenstand des hier streitgegenständlichen Beschusses der Gläubigerversammlung im vorliegenden Verfahren und im entsprechenden Hauptsacheverfahren überhaupt mit Aussicht auf Erfolg erhoben werden können. Denn jedenfalls kann hierin nicht der in § 246a Abs. 2 Nr. 3 AktG als Hinderungsgrund vorgesehene besonders schwere Rechtsverstoß liegen, weil die Verletzung von Bestimmungen, die im Ergebnis nur den Schutz der (Alt-)Aktionäre zum Gegenstand haben, die im vorliegenden Verfahren ausschließlich maßgebenden Anleihe-Gläubiger nicht in gleicher Weise betreffen. Im Gegenteil: Maßnahmen, die mit tiefen Eingriffen in die Rechte der Alt-Aktionäre verbunden sind und diese daher schädigen, begünstigen die Anleihe-Gläubiger. Das ist bereits im Einzelnen dargelegt worden.

Die vorstehenden Erwägungen betreffen die Rügen der Antragsgegner, die liquiden Mittel aus der Ausgabe neuer Aktien flössen nicht der Antragstellerin zu und kämen nicht den Aktionären zugute, sondern nur den Anleihe-Gläubigern und darunter auch "Heuschrecken-Fonds", den Anleihe-Gläubigern werde im Vergleich zu den Alt-Aktionären ein Sondervorteil gewährt, indem u.a. ihre Sacheinlage überbewertet würde, dem Vorstandsvorsitzenden der Antragstellerin Asbeck würden im Hinblick auf den vereinbarten Erwerb neuer Aktien und den zu geringen Preis hierfür Sondervorteile gewährt, wegen der Überbewertung der Sacheinlagen liege eine verbotene Unterpari-Emission vor und die Aktionärsstruktur der Antragstellerin werde infolge der beschlossenen Sanierung massiv verwässert.

Hinsichtlich der streitigen Unterpari-Emission ist hinzuzufügen, dass nach dem eigenen Vorbringen der Antragsgegner insofern eine Differenzhaftung eingreifen könnte. Außerdem ist die Prüfung der Sacheinlage durch das Registergericht zu berücksichtigen. Auch diese Gesichtspunkte stehen der besonderen Schwere der insofern gerügten Rechtsverletzung entgegen.

b) Auch in Zusammenhang mit der Information der Gläubiger und darunter der Antragsgegner zu 1) und 2) vermag der Senat eine besonders schwere Rechtsverletzung nicht zu erkennen.

So bestehen gegen die Einberufung der Gläubigerversammlung und die Tagesordnung einschließlich der entsprechenden Bekanntmachungen als solche mit Rücksicht auf die insofern maßgebenden §§ 9 ff. SchVG keine Bedenken.

Ob es zur sachgerechten Beurteilung der anlässlich der Gläubigerversammlung erörterten Fragen einer rechtzeitigen Überlassung auch des Sanierungsgutachtens der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Q2 bedurfte oder ob davon mit Rücksicht auf die begrenzten wirtschaftlichen Interessen von Gläubigern - im Gegensatz zu Aktionären und anderen Gesellschaftern - einerseits und die begrenzte Reichweite der § 13, § 16 Abs. 1 SchVG (vgl. zu den Grenzen der Auskunftspflicht und des korrespondierenden Fragerechts auch BTDrucks. 16/12814, S. 23) andererseits abgesehen werden durfte, kann der Senat offen lassen. Denn jedenfalls liegt in einem evtl. Mangel angesichts der ordnungsgemäß bekannt gemachten Tagesordnung und der danach rechtzeitig bekannten Beschlussgegenstände kein hinreichend gravierender Verstoß gegen Informationsplichten vor, zumal weder die Antragsgegner konkrete Gesichtspunkte dargetan haben, zu denen sie für eine sachgerechte Entscheidung weiterer Informationen benötigt hätten, noch anlässlich der Gläubigerversammlung weiterführende Fragen zu konkreten Gesichtspunkten gestellt wurden. Schließlich ist bei der Beurteilung der Schwere einer evtl. Informationspflichtverletzung zu berücksichtigen, dass die beschlossene Maßnahme nach dem Vorbringen der Antragsgegner zu 1) und 2) für die hier maßgebenden Anleihe-Gläubiger vorteilhaft ist, weil ihnen angeboten wurde, verbriefte Forderungen von zweifelhaftem wirtschaftlichem Wert gegen gesicherte verbriefte Forderungen und neue Aktien bzw. einen entsprechenden Erlös umzutauschen. Angesichts dessen vermag der Senat ohne weiteres nicht zu erkennen, welcher weiteren Informationen, die nicht anlässlich der Versammlung seitens interessierter Gläubiger hätten erfragt werden können, sondern allen Anleihe-Gläubigern vorab schriftlich oder jedenfalls unabhängig von einer Nachfrage anlässlich der Gläubigerversammlung mündlich hätten erteilt werden müssen, es aus der Sicht der beteiligten Anleihe-Gläubiger und darunter auch der Antragsgegner zu 1) und 2) bedurfte.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 246a Abs. 1 S. 2 AktG iVm. § 91 Abs. 1, § 100, § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO.

Streitwert: 10.000,- EUR (Der Streitwert trägt einerseits der Bedeutung der Sache für sämtliche Anleihe-Gläubiger Rechnung, andererseits den begrenzten wirtschaftlichen Interessen der unterlegenen Antragsgegner, §§ 20 SchVG, 246a, 247 AktG.)






OLG Köln:
Beschluss v. 13.01.2014
Az: 18 U 174/13


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/5c9b5bb99453/OLG-Koeln_Beschluss_vom_13-Januar-2014_Az_18-U-174-13




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