Bundespatentgericht:
Beschluss vom 2. Juli 2003
Aktenzeichen: 32 W (pat) 233/02
(BPatG: Beschluss v. 02.07.2003, Az.: 32 W (pat) 233/02)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde gegen die Eintragung einer Marke zurückgewiesen. Bei der angegriffenen Marke handelt es sich um die Wortmarke "PARADISE ROAD", die für verschiedene Waren aus Leder, Holz, Kunststoff und Textilien angemeldet wurde. Gegen diese Markeneintragung hatte die Inhaberin einer älteren EU-Marke "Paradies" Widerspruch erhoben. Der Widerspruch richtet sich nur gegen bestimmte Waren aus Textilien, wie Bettwäsche und Bettdecken.
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts hatte den Widerspruch zurückgewiesen, da sie kein Risiko für eine Verwechslungsgefahr sah. Das Wort "PARADISE" in der angegriffenen Marke habe keine eigenständige betriebliche Kennzeichnungsfunktion. Es gehe vollständig in dem Gesamtbegriff "PARADISE ROAD" auf, der sich dem deutschen Publikum auch ohne weiteres erschließe. Die Widersprechende ging gegen diese Entscheidung in Beschwerde.
Das Bundespatentgericht stellte fest, dass zwischen den Waren des Widerspruchszeichens und den angegriffenen Waren Warenidentität besteht. Die Kennzeichnungskraft der älteren Marke war allenfalls durchschnittlich. Die Vergleichszeichen sind sowohl bildlich als auch klanglich gut unterscheidbar. Auch begrifflich besteht keine Verwechselbarkeit, da das Wort "PARADISE" nicht dem deutschen Wort "Paradies" gleichgesetzt wird. Es besteht daher keine Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht und verwechselt werden. Das Gericht wies somit die Beschwerde zurück.
Es wurden keine Gründe für eine Kostenauferlegung ersichtlich.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 02.07.2003, Az: 32 W (pat) 233/02
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegen die am 21. Juni 2000 angemeldete und am 28. August 2000 in das Markenregister für Waren aus Leder und Lederimitationen, nämlich Taschen und andere, nicht an die aufzunehmenden Gegenstände angepasste Behältnisse sowie Kleinlederwaren, insbesondere Geldbeutel, Brieftaschen, Schlüsseltaschen; Reise- und Handkoffer; Regenschirme, Sonnenschirme und Spazierstöcke; Möbel, Spiegel, Rahmen; Waren aus Holz oder Holzersatzstoffen, nämlich Profilleisten für Bilderrahmen, Vorhangleisten, Dübel (Holzpflöcke); Kisten, Transportpaletten, Fässer und Hähne, Spalierlatten (Pfähle zum Stützen von Pflanzen), Werkzeugstiele, Garnspulen, Kleiderbügel, Wäscheklammern, Kunstgegenstände, Ziergegenstände; Waren aus Kunststoff, nämlich Profilleisten für Bilderrahmen, Transportbehälter, Fässer, Tanks, Nieten, Schrauben, Stifte, Schilder, Möbel-, Fenster- und Türbeschläge, Gardinenleisten, -haken, Innenlamellenstores, Kleiderhüllen, Kleiderbügel, Wäscheklammern, Flaschenverschlüsse, Spalierstäbe; Textilwaren, nämlich Gardinen, Haushaltswäsche, Tisch- und Bettwäsche; Bett- und Tischdecken; Taschentücher aus textilem Material; Bekleidungsstücke einschließlich Sportbekleidungsstücke und Unterbekleidungsstücke; Schuhwaren einschließlich Sportschuhwaren, Kopfbedeckungen, Handschuhe, Gürtel; Turn- und Sportartikel und -geräte, soweit in Klasse 28 enthalten; Fitnessgeräte, soweit in Klasse 28 enthalteneingetragene Marke 300 46 686 PARADISE ROAD hat die Inhaberin der prioritätsälteren EU-Marke 63 305 Paradies Widerspruch erhoben. Die Widerspruchsmarke genießt Schutz für Seifen, Parfümerien, Mittel zur Körper- und Schönheitspflege.
Bettgestelle, Polsterbetten, Polstersessel, Matratzen-Rahmen, Lattenroste, Matratzen, Untermatratzen, Unterbetten, Matratzenauflagen, Kissen, Nackenstützkissen, Nackenrollen, Schlafsäcke.
Füllungen aus Daunen, Federn, Naturhaaren, Naturfasern, Seide, Kunststoffasern und Schaumstoffen für Polsterbetten, Polstersessel, Matratzen, Untermatratzen, Matratzenauflagen, Unterbetten, Steppdecken, Zudecken, Daunen- und Federdecken, Bettüberwürfe, Kissen, Nackenstützen, Nakkenrollen.
Steppdecken, Zudecken, Daunen- und Federdecken, Wohn- und Schlafdecken, Bettüberwürfe, Bettwäsche, Kissenbezüge, Handtücher, Frottierwäsche, Frottierstoffe, Vorhänge, Duschvorhänge.
Bekleidungsstücke, Nachtbekleidungsstücke, Morgen- und Bademäntel, T-Shirts, Strampelsäckchen für Kinder.
Teppiche, Badteppiche.
Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom 30. April 2002 zurückgewiesen. In der jüngeren Marke habe der Wortbestandteil "PARADISE" keine eigenständige betriebliche Kennzeichnungsfunktion. Vielmehr gehe dieses Wort völlig in dem Gesamtbegriff "PARADISE ROAD" auf, dessen Bedeutungsgehalt (Paradiesstraße) sich dem inländischen Publikum, das über die notwendigen Grundkenntnisse der englischen Sprache verfüge, auch ohne weiteres erschließe. Mithin habe dieses keinerlei Schwierigkeiten, die Vergleichsmarken in ihrer Gesamtheit sicher voneinander abzugrenzen. Eine assoziative Verwechslungsgefahr liege nicht vor, weil dem Markenwort "PARADISE" in der angegriffenen Marke keine eigenständige betriebliche Kennzeichnungsfunktion zukomme. Die Frage der Ähnlichkeit der gegenseitigen Waren könne von daher dahingestellt bleiben.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie trägt vor, die Markenstelle habe die nach der Rechtsprechung zu berücksichtigende Wechselwirkung der maßgeblichen Faktoren nicht beachtet. Vorliegend sei von Warenidentität bzw. höchster Warenähnlichkeit auszugehen; zudem komme der Widerspruchsmarke ein erhöhter Schutzumfang zu. Es handele sich um eine in Deutschland sehr bekannte Marke, insbesondere für Bettwaren. Die Widersprechende bezieht sich insoweit auf die Ergebnisse von ihr vorgelegter Markenbekanntheitsstudien. Außerdem sei "Paradies" zugleich ihre Firmenkennzeichnung. Bei mehrgliedrigen Marken könne der Gesamteindruck durchaus von einzelnen Bestandteilen geprägt werden. Der Verkehr neige dazu, lange Wortmarken - wie hier die jüngere Marke - zu verkürzen und sich an einzelnen Bestandteilen, insbesondere dem Wortanfang, zu orientieren. Mithin komme "PARADISE" eine eigenständige betriebliche Kennzeichnungsfunktion zu. Aber selbst bei einer Mitberücksichtigung des Bestandteils "ROAD" reichten die Übereinstimmungen zwischen "Paradies" und "PARADISE" aus, um bei Warenidentität von Verwechslungsgefahr auszugehen. Weiterhin bestehe auch die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht würden, weil das Widerspruchszeichen einerseits Firmenkennzeichnung sei, andererseits erhöhte Bekanntheit genieße.
Die Widersprechende beantragt, den Beschluss der Markenstelle für Klasse 24 vom 30. April 2002 aufzuheben und die Marke 300 46 686 zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
Ihrer Ansicht nach ist für die Beurteilung der Markenähnlichkeit der Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen maßgeblich, was insbesondere dann gelte, wenn es sich - wie hier bezüglich der jüngeren Marke - um einheitliche Gesamtbegriffe handele. Als Straßenbezeichnung sei "PARADISE ROAD" ein Gesamtbegriff, der als solcher erkannt und dementsprechend in voller Länge als Marke aufgefasst werde. Das zweite Wort "ROAD" präge die Marke mit, es bilde mit dem Eingangswort ein zusammenhängendes Begriffsgefüge und könne nicht hinweggedacht werden, ohne dass sich hierdurch die Gesamtaussage ändere. Auch die angeblich erhöhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aufgrund einer möglicherweise höheren Bekanntheit führe nicht dazu, dass der Verkehr den Bestandteil "PARADISE" innerhalb der Anmeldemarke besonders fokussiere. Die Frage, welcher Bestandteil den Gesamteindruck eines mehrgliedrigen Zeichens präge, sei im Widerspruchsverfahren unabhängig von der jeweiligen Kollisionslage zu beantworten. Somit bestehe weder unmittelbare, noch mittelbare Verwechslungsgefahr. Es lägen auch keine Anzeichen vor, aus denen der Verkehr auf geschäftliche, wirtschaftliche oder organisatorische Beziehungen zwischen den Beteiligten schließen könne.
In der mündlichen Verhandlung hat die Widersprechende erklärt, dass sich der Widerspruch nur gegen "Textilwaren, nämlich Bettwäsche, Bettdecken" richte. Weiterhin hat sie zwei Verkehrsbefragungen zur Bekanntheit der Marken "Paradies" und "Bettenparadies" der GfK-Marktforschung vom November 2002 und Februar 2003 vorgelegt. Die Markeninhaberin hat deren Nichtberücksichtigung wegen verspäteter Vorlage beantragt und ihrerseits eine Markenrecherche nach Marken mit dem Bestandteil "PARADISE" vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet, denn die sich gegenüberstehenden Marken sind nicht miteinander verwechselbar (§ 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 125 b MarkenG).
Nach diesen Vorschriften ist die Eintragung einer Marke im Falle eines Widerspruchs zu löschen, wenn und soweit wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer eingetragenen Marke mit älterem Zeitrang und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke (st. Rspr.; vgl. BGH GRUR 2002, 626 - IMS).
1. Zwischen den Waren des Widerspruchszeichens der Klasse 24 und den angegriffenen Waren "Textilwaren, nämlich Bettwäsche, Bettdecken" des jüngeren Zeichens besteht Warenidentität.
2. Die Kennzeichnungskraft des Widerspruchszeichens ist allenfalls durchschnittlich, wenn zugunsten der Widersprechenden unterstellt wird, dass ihre Marke für die streitigen Waren bekannt ist, denn von Hause aus ist das Wort "Paradies" gerade für Bettdecken und Bettwäsche kennzeichnungsschwach, da es andeutet, dass sich der Verbraucher unter bzw. in ihnen "paradiesisch" wohl befinden wird.
3. Bei dieser Sachlage halten die Vergleichszeichen noch einen Abstand ein, der die Feststellung einer rechtserheblichen Verwechslungsgefahr nicht rechtfertigt.
a) Bildlich sind die Marken gut unterscheidbar, da die jüngere Marke aus zwei Wörtern, die Widerspruchsmarke hingegen nur aus einem Wort besteht.
b) Aus diesem Grunde sind die Marken auch klanglich nicht verwechselbar. Es besteht nämlich kein Anlass für die angesprochenen Verkehrskreise, den zweiten Wortbestandteil der Widerspruchsmarke "ROAD" bei der Benennung wegzulassen, denn "PARADISE ROAD" stellt einen englischsprachigen Gesamtbegriff dar, der auch von maßgeblichen Teilen des deutschen Verkehrs verstanden wird, da "PARADISE" nahezu mit dem deutschen Wort Paradies übereinstimmt und "ROAD" zum einfachsten Grundwortschatz der englischen Sprache gehört. Wie auch immer dieser Gesamtbegriff wiedergegeben wird, ob als "PA-RA-DIES-ROAD", "PA-RA-DI-SE-RO-AD" oder - übersetzt - "Paradiesstraße" ist er gegenüber "Paradies" unüberhörbar unterschiedlich.
c) Die Marken sind auch nicht begrifflich miteinander verwechselbar. Gedanklich stehen sich das Paradies und eine Straße gegenüber. Die Straße ist zwar nach dem Paradies benannt. Gleichwohl erweckt diese Bezeichnung aber nicht die Vorstellung einer im Paradies gelegenen Straße, sondern an eine übliche städtische oder dörfliche Straße, die sich mit dem schönen Namen "Paradies" geschmückt hat.
d) Es besteht auch nicht die Gefahr, dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht und deshalb mittelbar verwechselt werden. Für die Annahme einer solchen Verwechslungsgefahr reicht nicht jede gedankliche Verbindung aus. Sie ist insbesondere nur dann gegeben, wenn in beiden Zeichen ein übereinstimmender, kennzeichnender Stammbestandteil vorhanden ist. Dies ist im vorliegenden Fall nicht gegeben, denn es ist bislang nicht üblich, inhaltsgleiche Begriffe in unterschiedlichen Sprachen als Stammbestandteil von Serienzeichen zu verwenden. Daher wird hier das englischsprachige Wort "PARADISE" nicht dem deutschsprachigen Wort "Paradies" gleichgesetzt. Somit besteht kein Anlass für den Verkehr, die Zeichen demselben Unternehmen zuzurechnen.
4. Gründe für eine Kostenauferlegung (§ 71 Abs. 1 MarkenG) sind nicht ersichtlich.
Winkler Sekretaruk Viereckbr/Fa
BPatG:
Beschluss v. 02.07.2003
Az: 32 W (pat) 233/02
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