Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. März 2002
Aktenzeichen: 33 W (pat) 318/01
(BPatG: Beschluss v. 19.03.2002, Az.: 33 W (pat) 318/01)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Anmelderin hat Beschwerde gegen den Beschluss der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts eingelegt, mit dem die Anmeldung der Wortmarke "GoIndustry" zurückgewiesen wurde. Die Markenstelle war der Ansicht, dass die angemeldete Marke keine notwendige Unterscheidungskraft besitzt und eine beschreibende und freihaltebedürftige Angabe darstellt. Die Anmelderin argumentiert, dass die Wortmarke in ihren einzelnen Bestandteilen verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten hat und durch die ungewöhnliche Zusammenführung der Markenbestandteile ein neuer Gesamteindruck entsteht. Das Bundespatentgericht gibt der Beschwerde statt und hält die angemeldete Marke für unterscheidungskräftig und nicht freihaltebedürftig. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft werbeähnlicher Wortfolgen ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, und die angemeldete Marke erfüllt die erforderliche Originalität, Kürze und Prägnanz, um als Unterscheidungsmittel wahrgenommen zu werden. Die sprachliche Zusammenziehung der Sloganartigen Wortfolge führt zu einer gewissen Verfremdung und Intepretationsbedürftigkeit, wodurch keine eindeutige beschreibende Aussage über die beanspruchten Dienstleistungen erkennbar ist. Aufgrund dieser Gründe steht der Eintragung der Marke keine Schutzhindernisse im Sinne des Markenrechts entgegen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 19.03.2002, Az: 33 W (pat) 318/01
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 20. August 2001 aufgehoben.
Gründe
I Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 18. Februar 2000 die Wortmarke
"GoIndustry"
für folgende Dienstleistungen angemeldet worden:
Klasse 35: Versteigerung, Vermittlung von Waren und Dienstleistungen gegen Höchst- bzw. Niedrigstgebot, Organisation und Durchführung von Auktionsverkäufen über Internet und andere Computernetze; Organisation und Durchführung von An- und Verkäufen über Internet, World Wide Web und andere Computernetze; Beratung für angebots- und nachfrageorientierte Handelsformen; Durchführung und Unterstützung von angebots- und nachfrageorientierten Handelsformen auch für unter Inanspruchnahme des Internets, World Wide Web und anderer Computernetze vermittelten Handel mit Informationen und Produkten aller Art; Organisation und Unterstützung bei der Durchführung von Handelsgeschäften, insbesondere bei per Inanspruchnahme des Internets, World Wide Web und anderer Computernetze vermittelten Handel mit Informationen und Produkten aller Art; Erstellung und Durchführung von Konzepten für die Sicherheit von Handelsgeschäften auch für per Inanspruchnahme des Internets, World Wide Web und anderer Computernetze vermittelten Handel mit Informationen und Produkten aller Art.
Klasse 36: Dienstleistungen eines Maklers; Vermittlung und Durchführung von elektronischem Zahlungs- und Kapitalverkehr, insbesondere für unter Inanspruchnahme des Internets, World Wide Web und anderer Computernetze vermittelte Handelsgeschäfte; Kreditvermittlung, Übernahme von Vermittlung von Bürgschaften sowie Garantien, Stellung von Sicherheiten; Bewertung von Produkteigenschaften sowie Bewertung von Leistungsangeboten; Vermittlung von Versicherungen, Beratung im Versicherungswesen.
Klasse 38: Entwicklung und Betreiben von Online-Gesprächsforen/Handelsforen (Online-Communities, Chat-Räumen).
Klasse 42: Sammeln und Übermitteln von Informationen, insbesondere unter Inanspruchnahme des Internets, World Wide Web und anderer Computernetze, Aufbau und Bereithaltung eines mittels Datenfernübertragung erstellten Informationsnetzwerks, insbesondere zur Sammlung und Zusammenführung von Angeboten und Nachfragen für den Handel mit Produkten und Informationen aller Art, Aufbau und Ermöglichung des Zugriffs auf ein mittels Datenfernübertragung erstelltes Netzwerk, insbesondere für unter Inanspruchnahme des Internets, World Wide Web und anderer Computernetze vermittelten Handel mit Informationen und Produkten aller Art, Erstellung und Bereithaltung einer angebots- und nachfrageorientierten Angebotsstruktur unter Inanspruchnahme des Internets, World Wide Web und anderer Computernetze, insbesondere für unter Inanspruchnahme des Internets, World Wide Web und anderer Computernetze vermittelte Handelsgeschäfte.
Die Markenstelle für Klasse 35 hat die Anmeldung durch Beschluß vom 20. August 2001 mit der Begründung zurückgewiesen, daß es der angemeldeten Marke im Hinblick auf die beanspruchten Dienstleistungen an der erforderlichen Unterscheidungskraft fehle und eine beschreibende und freihaltebedürftige Angabe vorliege. Die Wortfolge beinhalte die Aufforderung "Geh zur Industrie" und stelle für den angesprochenen Verkehrskreis lediglich eine werbemäßige Aufforderung dar, um das Interesse an Industrieangeboten zu fördern.
Gegen diese Entscheidung des Patentamts hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Sie trägt vor, daß selbst wenn man die angemeldete Wortmarke in ihre Einzelteile zerlege und diese einzeln analysiere, ein unmittelbares Verständnis der beteiligten Verkehrskreise fern liege. Für die Bestandteile "Go" und "Industry" gebe es verschiedene Übersetzungsmöglichkeiten. Darüber hinaus ergebe sich durch die ungewöhnliche Zusammenfügung der Markenbestandteile ein neuer Gesamteindruck, auch wenn man die Einzelworte jeweils für sich genommen für schutzunfähig halten sollte.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II Die Beschwerde ist begründet.
Der Senat hält die angemeldete Marke "GoIndustry" für unterscheidungskräftig und für nicht freihaltungsbedürftig, so daß ihrer Eintragung gemäß §§ 33 Abs 2, 41 MarkenG keine absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 oder Nr 2 MarkenG entgegenstehen.
1. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft als der einer Marke innewohnenden konkreten Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfaßten Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefaßt zu werden, ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab anzulegen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um dieses Schutzhindernis zu überwinden (stRspr vgl BGH GRUR MarkenR 2000, 48 - Radio von hier; MarkenR 2000, 50 - Partner with the Best). Dieser Beurteilungsmaßstab gilt auch für sloganartige Wortfolgen, wie der hier angemeldeten "GoIndustry", denn unterschiedliche Anforderungen an die Unterscheidungskraft von Werbeslogans gegenüber anderen Wortmarken zu stellen, wäre nicht gerechtfertigt (vgl BGH aaO - Radio von hier). Während bei Werbeslogans, die lediglich beschreibende Angaben oder Anpreisungen und Werbeaussagen allgemeiner Art enthalten, von mangelnder Unterscheidungskraft auszugehen ist, können dagegen Kürze, eine gewisse Originalität und Prägnanz einer Wortfolge sowie eine Mehrdeutigkeit oder Interpretationsbedürftigkeit der Werbeaussage, Indizien für die hinreichende Unterscheidungskraft bieten (BGH aaO - Partner with the Best).
Bei der Beurteilung der hier angemeldeten Bezeichnung ist zwar davon auszugehen, daß Verbindungen des Verbs "Go" in Form eines Imperativs mit einem Substantiv werbesprachlich gebräuchlich sind (vgl z.B. "go public"; "go West"; "GO SILVER, GO MITSUBISHI" in ADAC Motorwelt, Heft 3/02, S 31; "GO-RHEIN-NECKAR", Website gorheinneckar.de), es handelt sich insoweit auch um eine sprachübliche Bildung (vgl z.B. v. Eichborn, Die Sprache unserer Zeit, S 800 ff.:"go apprentice" = einen Ausbildungsvertrag abschließen, "go Conservative = die konservative Partei wählen oder "go security" = Bürgschaft leisten).
Der angemeldete Sologan besitzt jedoch die erforderliche Unterscheidungskraft, weil er bezüglich der angemeldeten Dienstleistungen keinen eindeutigen Sinngehalt erkennen läßt, sondern noch zu diffus, mehrdeutig und intepretationsbedürftig bleibt. Zwar ist die nächstliegende wörtliche Bedeutung des Ausdrucks mit "Gehe zur Industrie" den angesprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres verständlich, weil es sich um Begriffe aus dem Grundwortschatz der englischen Sprache handelt und das Wort "Industry" hier offenbar dem deutschen Begriff "Industrie" entspricht. Eine unmittelbar eindeutig beschreibende sachliche Aussage hinsichtlich der beanspruchten Dienstleistungen läßt sich daraus jedoch nicht ohne weiteres erkennen. Denn es handelt sich insoweit lediglich um eine allgemein gehaltene Aufforderung, sich der Industrie zuzuwenden, die sich im Zusammenhang mit den angemeldeten Dienstleistungen, insbesondere hinsichtlich der zur Verfügungstellung einer entsprechenden Internetplattform, sowohl an potentielle Verkäufer als auch Käufer richtet. Eine nähere Deutung ist jedoch nicht möglich. Insgesamt bedarf es daher mehrerer analysierender Zwischenschritte, um die angemeldete Marke dahingehend zu interpretieren, daß durch Vermittlung der Anmelderin entsprechende Kontakte zwischen Industrie und Käufern hergestellt werden, die im wesentlichen dem An- oder Verkauf von Industriegütern dienen sollen.
Zu einer weiteren Unschärfe führt die sprachliche Zusammenziehung des Slogans von ursprünglich zwei Begriffen zu einem Wort. Die Verbindung des "o" mit dem großen "Binnen-I", und damit von zwei Vokalen führt zu einer gewissen Verfremdung, wobei ein Teil der angesprochenen Verkehrskreise möglicherweise sich nicht sicher ist, ob es sich um ein "Binnen-I" oder ein kleines "l" handelt. Insgesamt fehlt es daher an ausreichenden Anhaltspunkten dafür, daß der Verkehr den Begriff "GoIndustry" nur im Sinne einer schlagwortartigen Aussage über die damit gekennzeichneten Dienstleistungen werten, nicht aber als Kennzeichnungsmittel verstehen wird.
2. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung weiter solche Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeichnung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Dienstleistungen dienen können. Dabei ist davon auszugehen, daß ein Eintragungshindernis auch dann besteht, wenn eine Benutzung als Sachangabe bisher noch nicht erfolgt ist, eine solche jedoch nach den Umständen erfolgen wird (vgl BGH GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH). Zu diesen Angaben oder Umständen gehört die angemeldete Wortfolge "GoIndustry" nicht. Eine Verwendung dieser Bezeichnung als beschreibende Angabe ist derzeit nicht nachweisbar. Von einem auf gegenwärtiger Benutzung als Sachangabe beruhenden Freihaltungsbedürfnis kann deshalb nicht ausgegangen werden. Ebensowenig liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, daß im Zusammenhang mit den beanspruchten Dienstleistungen in Zukunft eine Verwendung der angemeldeten Bezeichnung als Sachangabe erfolgen wird.
3. Eine eventuell erforderliche abschließende Klärung des Dienstleistungsverzeichnis bleibt dem Deutschen Patent- und Markenamt vorbehalten.
Winklerv. Zglinitzki Dr. Hock Cl
BPatG:
Beschluss v. 19.03.2002
Az: 33 W (pat) 318/01
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