Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 26. April 2005
Aktenzeichen: X ZB 17/04
(BGH: Beschluss v. 26.04.2005, Az.: X ZB 17/04)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Beschwerdewert in Höhe von 70,04 € festgesetzt wird und dass der Beschuss des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24. Juni 2004 insoweit aufgehoben wird, als hiermit die erstattungspflichtigen Kosten zweiter Instanz auf mehr als 14.075,78 € festgesetzt wurden. Der Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten wird im Umfang der Aufhebung zurückgewiesen. Die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens trägt der Beklagte.
In dem Urteil vom 7. Januar 2003 wurde die Klägerin verurteilt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Der Rechtspfleger des Landgerichts hat auf Antrag des Beklagten die von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens auf insgesamt 14.153,47 € festgesetzt. Die Klägerin hat gegen diese Festsetzung sofortige Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht hat festgestellt, dass die Fertigung von 277 Seiten Ablichtungen gerechtfertigt war und hat den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts entsprechend neu gefasst.
Die Klägerin hat nun mit der Rechtsbeschwerde ihr Begehren nach vollständiger Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags weiterverfolgt, soweit dieser die Herstellung von Fotokopien aus der erstinstanzlichen Gerichtsakte betrifft.
Der Bundesgerichtshof hält die Rechtsbeschwerde für begründet. Die Kosten für Ablichtungen aus der Gerichtsakte sind nicht erstattungsfähig, wenn bereits vorhandene Ablichtungen oder Abschriften rechtzeitig zur Verfügung stehen. Im vorliegenden Fall konnte der zweitinstanzliche Prozessbevollmächtigte des Beklagten erwarten, die erstinstanzlichen Schriftsätze der Parteien anderweitig als durch eigene Ablichtung aus der Gerichtsakte zu erhalten. Es ist nicht dargelegt worden, dass er die Akten nicht rechtzeitig erhalten hätte. Daher ist die Festsetzung von 70,04 € unberechtigt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 26.04.2005, Az: X ZB 17/04
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluß des 6. Zivilsenats des Brandenburgischen Oberlandesgerichts vom 24. Juni 2004 aufgehoben, soweit hiermit die aufgrund des Urteils des Bundesgerichtshofs vom 7. Januar 2003, berichtigt durch Beschluß vom 12. März 2003, von der Klägerin an den Beklagten zu erstattenden Kosten zweiter Instanz auf mehr als 14.075,78 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 14. Februar 2003 festgesetzt worden sind.
Im Umfang der Aufhebung wird der die Kosten zweiter Instanz betreffende Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert beträgt 70,04 €.
Gründe
I. Die Klägerin ist durch am 12. März 2003 berichtigtes Urteil des Senats vom 7. Januar 2003 verurteilt, die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Auf Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten hin hat der Rechtspfleger des Landgerichts die von der Klägerin dem Beklagten zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens auf insgesamt 14.153,47 € festgesetzt. In diesem Betrag sind 77,69 € für die Fertigung von Fotokopien der erstinstanzlichen Gerichtsakte (320 Seiten) enthalten. Wegen der Festsetzung auch dieses Betrags hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt. Nach Nichtabhilfe durch den Rechtspfleger hat das Oberlandesgericht die Ablichtung von insgesamt 277 Seiten als berechtigt anerkannt, so daß sich insoweit ein festzusetzender Betrag von 70,04 € ergebe, und den Kostenfestsetzungsbeschluß des Landgerichts entsprechend neu gefaßt.
Die Klägerin verfolgt nunmehr mit der Rechtsbeschwerde ihr Begehren nach vollständiger Zurückweisung des das Berufungsverfahren betreffenden Kostenfestsetzungsantrags weiter, soweit dieser wegen der Fertigung von Fotokopien aus der erstinstanzlichen Gerichtsakte gestellt ist.
II. Die vom Oberlandesgericht zugelassene und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde der Klägerin führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, soweit der festgesetzte Erstattungsbetrag 14.075,78 € nebst Zinsen übersteigt.
1. Keinen Erfolg hat allerdings die Verfahrensrüge der Klägerin, an dem angefochtenen Beschluß des Oberlandesgerichts habe mindestens ein Richter mitgewirkt, der von einem Wahlausschuß gewählt worden sei, der nicht dem Richtergesetz des Landes Brandenburg entsprechend besetzt gewesen sei. Dabei kann dahinstehen, ob der von der Klägerin unter Hinweis auf Verlautbarungen des zuständigen Ministeriums und der Presse erhobene Vorwurf, Brandenburgs Richterstellen seien wegen eines Widerspruchs der für die Wahl von Richtern erlassenen Verordnung mit dem Richtergesetz des Landes seit 1993 "formal falsch besetzt" worden und mindestens einer der am angefochtenen Beschluß mitwirkenden Richter sei hiervon betroffen. Denn der behauptete Fehler bedeutet weder, daß die Klägerin entgegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ihrem gesetzlichen Richter entzogen worden ist, noch, daß der beschließende Senat des Oberlandesgerichts Brandenburg nicht vorschriftsmäßig besetzt war.
a) Damit ein mitwirkender Richter -abgesehen von weiteren hier nicht interessierenden Voraussetzungen -gesetzlicher Richter ist, muß er wirksam zum Richter bestellt sein (BVerfG, Beschl. v. 10.05.1992 -2 BvR 528/92, DtZ 1992, 281 unter Hinweis auf Art. 92 GG). Bei einem Berufsrichter reicht dazu nach § 17 DRiG aus, daß er durch Aushändigung einer entsprechenden Urkunde ernannt ist. Ein bloßer Mangel des Auswahlverfahrens, wie er hier geltend gemacht ist, entzieht damit grundsätzlich niemand seinem gesetzlichen Richter (BGH, Beschl. v. 16.09.2004 -III ZR 201/03, NJW 2004, 3784; vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 27.10.1996 -2 BvR 1375/96; BGHSt 38, 47). Etwas anderes kann erst gelten, wenn vorgekommene Fehler die Zusammensetzung der Richterbank im Einzelfall als manipuliert erscheinen lassen können (vgl. BVerfG, aaO). Sieht das Richtergesetz des betreffenden Landes als die Ernennung vorbereitende Maßnahme eine Wahl durch einen Richterwahlausschuß vor, mag diese Ausnahme gegeben sein, wenn von einer Wahl im Rechtssinne überhaupt nicht mehr gesprochen werden kann (vgl. BGHSt 26, 206). Davon kann hier jedoch nicht die Rede sein, weil ein -wie gesetzlich vorgesehen -aus Richtern, Landtagsabgeordneten und einem Rechtsanwalt bestehender Wahlausschuß die betreffenden Richter gewählt hat, die richterlichen Mitglieder des die Richterwahl durchführenden Ausschusses ihrerseits nach Maßgabe der einschlägigen Landesverordnung gewählt sind und nur in Frage steht, ob deren Wahl auch den Vorgaben des Richtergesetzes des Landes Brandenburg entspricht.
b) Entsprechendes gilt für die Rüge nicht vorschriftsmäßiger Besetzung des Senats des Oberlandesgerichts, der den angefochtenen Beschluß getroffen hat. Der geltend gemachte Mangel des Verfahrens bei der Auswahl der zu ernennenden Berufsrichter kann auch die ordnungsgemäße Besetzung dieses Gerichts nicht in Frage stellen (vgl. BGHZ 38, 47), weil das beanstandete Geschehen für die Bestimmung der konkret zuständigen Richter nur vorbereitende Bedeutung hat.
2. In der Sache ist die Rechtsbeschwerde jedoch begründet.
a) Die allein streitigen Kosten für die Fertigung von Ablichtungen aus der erstinstanzlichen Gerichtsakte macht der Beklagte als Teil des an seinen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten zu zahlenden Betrags geltend. Die Erstattungsfähigkeit richtet sich deshalb -entgegen der Meinung der Rechtsbeschwerde -nicht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO, sondern nach § 91 Abs. 2 Satz 1 1. Halbsatz ZPO (BGH, Beschl. v. 04.02.2003 -XI ZB 21/02, NJW 2003, 1532). Hiernach gelten die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei stets als zweckentsprechende Kosten der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (BGH, Beschl. v. 27.03.2003 -V ZB 50/02, Umdr. S. 4; Beschl. v. 04.02.2003, aaO). Wird Erstattung von Fotokopiekosten verlangt, die der Prozeßbevollmächtigte der obsiegenden Partei verauslagt hat, ist deshalb allein zu prüfen, ob der Prozeßbevollmächtigte gegenüber der von ihm vertretenen Partei Anspruch auf deren Ersatz hat.
b) In Anbetracht des Zeitpunkts, zu dem der Beklagte seinen zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten beauftragt hat, richtet sich das im Streitfall nach § 27 Abs. 1 Nr. 1 BRAGO (§ 61 RVG). Hiernach ist maßgeblich, ob die Herstellung der streitigen Ablichtungen zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Das ist aus der Sicht zu beurteilen, die ein verständiger und durchschnittlich erfahrener Prozeßbevollmächtigter (vgl. OVG Münster BauR 2002, 530; Thüringisches LSG JurBüro 2004, 430) haben kann, wenn er sich mit der betreffenden Gerichtsakte beschäftigt und alle Eventualitäten bedenkt, die bei der dann noch erforderlichen eigenen Bearbeitung der Sache auftreten können (vgl. LSG Rheinland-Pfalz NZS 1998, 2007; BayVGH NVwZ-RR 2001, 413 m.w.N.). Wenn deshalb im Rahmen der Festsetzung der von dem unterlegenen Gegner zu erstattenden Beträge und deren Überprüfung auch kein kleinlicher Maßstab angelegt werden darf (BayVGH NVwZ-RR 2001, 413 m.w.N.), sind gleichwohl nicht erstattungsfähig nicht nur -wie das Oberlandesgericht meint -Kosten für die Ablichtung von Aktenbestandteilen, die für das weitere Vorgehen des Rechtsanwalts von vornherein irrelevant sind, sondern auch Kosten für Aktenbestandteile, von denen der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte sicher erwarten konnte, daß von ihnen bereits Ablichtungen gefertigt sind oder Abschriften existieren und hierauf rechtzeitig zurückgegriffen werden kann. Dann kann es nicht geboten sein, nochmals Ablichtungen zu fertigen, um die Sache sachgerecht bearbeiten zu können (vgl. LSG Rheinland-Pfalz NZS 1998, 207). Die insoweit gebotene Handlung besteht dann darin, für den Erhalt dieser Ablichtungen und Abschriften zu sorgen, und die Fertigung eigener Kopien aus der Gerichtsakte kommt erst in Betracht, wenn und soweit vorhandene Ablichtungen und Abschriften gleichwohl nicht rechtzeitig zu dem Prozeßbevollmächtigten gelangen.
c) Hiervon ausgehend ist die Festsetzung von 70,04 € unberechtigt. Gemäß § 50 Abs. 1 BRAO hatte der erstinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beklagten Handakten anzulegen, die ein geordnetes Bild über die von diesem entfaltete Tätigkeit geben können. Hierzu gehört jedenfalls die Sammlung der von den Parteien in erster Instanz gewechselten Schriftsätze. Gemäß §§ 667, 675 BGB hatte der Beklagte einen Anspruch auf Herausgabe dieser Handakten. Dieser Anspruch konnte durch Übersendung an den zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten realisiert werden. Diese Übersendung war gemäß § 37 Nr. 7 BRAGO auch Teil der zu dem erstinstanzlichen Rechtszug gehörenden, von dem erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten zu erledigenden Tätigkeiten. Der zweitinstanzliche Rechtsanwalt des Beklagten konnte deshalb erwarten, auf diesem Wege beispielsweise die erstinstanzlichen Schriftsätze der Parteien auch auf andere Weise als durch eigene Ablichtung aus der Gerichtsakte zu erhalten und der weiteren eigenen Bearbeitung der Sache zugrunde legen zu können. Denn etwas Gegenteiliges ist vom Oberlandesgericht nicht festgestellt und kann deshalb auch der rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Beschlusses nicht zugrunde gelegt werden. Insbesondere ist nichts dafür festgestellt, daß der zweitinstanzliche Prozeßbevollmächtigte des Beklagten die Handakten des erstinstanzlichen Kollegen im Streitfall bei entsprechender Anforderung nicht rechtzeitig erhalten hätte.
d) Allenfalls hinsichtlich der gerichtlichen Verfügung, auf Grund der die Klage zugestellt worden ist, der Zustellungsurkunde und des die Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an den Gegner betreffenden Empfangsbekenntnisses bestand unter diesen Umständen Anlaß zu Zweifeln, ob auch sie in Ablichtung oder Abschrift in den Handakten des erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten des Beklagten enthalten und rechtzeitig zu erhalten sind. Auch insoweit ist jedoch nicht ersichtlich, warum es gerade der Herstellung von Fotokopien aus der Gerichtsakte bedurfte, um die Sache sachgerecht bearbeiten zu können. Bedeutsam sind insoweit jeweils nur der Vorgang und sein Zeitpunkt. Diese Umstände lassen sich jedoch ohne weiteres nach Akteneinsicht in Form entsprechender Vermerke in der eigenen Handakte festhalten.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Melullis Scharen Mühlens Meier-Beck Kirchhoff
BGH:
Beschluss v. 26.04.2005
Az: X ZB 17/04
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