Bundesfinanzhof:
Beschluss vom 22. Juli 2013
Aktenzeichen: I B 158/12
(BFH: Beschluss v. 22.07.2013, Az.: I B 158/12)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In dieser Gerichtsentscheidung ging es um die Wirksamkeit einer körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft. Die Klägerin, eine AG, schloss einen Gewinnabführungsvertrag mit der V-GmbH, ohne darin ausdrücklich eine Verlustübernahme zu vereinbaren. Nach einem Hinweis des Finanzamts änderte die Klägerin den Vertrag, um die Verlustübernahme gemäß § 302 des Aktiengesetzes zu vereinbaren. Das Finanzamt erkannte jedoch die Organschaft nicht an und erließ entsprechende Bescheide für 2008 über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbetrag. Die Klägerin legte Einspruch gegen diese Bescheide ein, aber ohne Erfolg. Das Finanzgericht wies die Klage ab und ließ die Revision nicht zu.
Während des Verfahrens über die Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision wurde das Körperschaftsteuergesetz geändert. Gemäß den Übergangsvorschriften ist § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 auch anwendbar, wenn ein vor Inkrafttreten der Änderung abgeschlossener Gewinnabführungsvertrag keinen Verweis auf § 302 AktG enthält, aber eine Verlustübernahme tatsächlich erfolgt ist und eine Verlustübernahme gemäß § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 bis zum 31. Dezember 2014 wirksam vereinbart wird. Das Finanzamt erließ daher antragsgemäße Bescheide für 2008 über Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbescheid. Die Beteiligten erklärten daraufhin das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde für erledigt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens wurden der Klägerin auferlegt. Die einvernehmliche Erledigungserklärung des Finanzamts und der Klägerin war wirksam, auch wenn die Nichtzulassungsbeschwerde möglicherweise unzulässig gewesen wäre. Gemäß § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) sind im Falle einer Erledigung des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde die Kosten nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zu entscheiden. Da die Nichtzulassungsbeschwerde wahrscheinlich als unzulässig verworfen worden wäre, trägt die Klägerin die Kosten des Verfahrens.
Die Klägerin konnte keine klärungsbedürftigen Rechtsfragen darlegen, die eine Zulassung der Revision rechtfertigten. Die vom Finanzamt angeführten Formvorschriften im Rahmen von § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 wurden in früherer Rechtsprechung bereits ausführlich behandelt. Die Frage, ob das Vereinbarungserfordernis verfassungswidrig ist, und ob ein Ergebnisabführungsvertrag eine entsprechende Vereinbarung enthalten muss, wurden ebenfalls bereits in zahlreichen Beschlüssen behandelt. Die Klägerin konnte nicht überzeugend darlegen, warum weitere Klarstellung zu diesen Fragen erforderlich ist.
Insgesamt wurden die Kosten des erledigten Beschwerdeverfahrens der Klägerin auferlegt, da die Nichtzulassungsbeschwerde wahrscheinlich als unzulässig verworfen worden wäre.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BFH: Beschluss v. 22.07.2013, Az: I B 158/12
Tatbestand
I. In der Sache stritten die Beteiligten über die Wirksamkeit einer körperschaftsteuerlichen und gewerbesteuerlichen Organschaft.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist eine AG und alleinige Gesellschafterin der V-GmbH. Mit dieser schloss die Klägerin am 18. Dezember 2008 einen Gewinnabführungsvertrag (GAV), ohne darin ausdrücklich eine Verlustübernahme entsprechend § 302 des Aktiengesetzes (AktG) zu vereinbaren.
Auf einen Hinweis des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt --FA--) hin änderte die Klägerin den Gewinnabführungsvertrag am 17. Dezember 2009. Für die Verlustübernahme sollte § 302 AktG in der jeweils geltenden Fassung Anwendung finden (§ 2 Abs. 1 GAV). Der geänderte Gewinnabführungsvertrag sollte mit seiner Eintragung in das Handelsregister spätestens rückwirkend auf den 1. Januar 2009 wirksam werden (§ 5 Abs. 2 GAV).
Für das Jahr 2008 erkannte das FA eine Organschaft zwischen der Klägerin und der V-GmbH nicht an und erließ entsprechende Bescheide für 2008 über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbetrag. Darin wurde ein Verlust der V-GmbH in Höhe von 23.814.785 EUR nicht berücksichtigt.
Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos; die daraufhin erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg mit Urteil vom 12. September 2012 3 K 2384/11, das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 159 veröffentlicht worden ist, ab. Das FG ließ die Revision nicht zu.
Während des Verfahrens über die Beschwerde wegen der Nichtzulassung der Revision hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Änderung und Vereinfachung der Unternehmensbesteuerung und des steuerlichen Reisekostenrechts (UntSt/RKVereinfG) vom 20. Februar 2013 (BGBl I 2013, 285, BStBl I 2013, 188) § 17 Satz 2 Nr. 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) geändert. Zugleich hat er in den Übergangsvorschriften geregelt, dass die §§ 14 bis 16 KStG 2002 auch dann anwendbar sind, wenn ein vor Inkrafttreten des Änderungsgesetzes abgeschlossener Gewinnabführungsvertrag keinen den Anforderungen des § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 entsprechenden Verweis auf § 302 AktG enthält, aber eine Verlustübernahme entsprechend § 302 AktG tatsächlich erfolgt ist und eine Verlustübernahme entsprechend § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 in der Fassung des UntSt/RKVereinfG (KStG 2002 n.F.) bis zum Ablauf des 31. Dezember 2014 wirksam vereinbart wird (§ 34 Abs. 10b Satz 2 KStG 2002 n.F.).
In Folge dieser Rechtsänderung hat das FA antragsgemäße Bescheide für 2008 über Körperschaftsteuer und den Gewerbesteuermessbescheid erlassen. Die Beteiligten haben das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde daraufhin einvernehmlich für erledigt erklärt.
Gründe
II. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens waren im Streitfall nach der Erledigung des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin aufzuerlegen.
1. Aufgrund der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten ist das Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde erledigt. Auf die Erklärung des FA, "die zulässige Beschwerde [...] als erledigt zu beenden" und "die Kosten für die Nichtzulassungsbeschwerde [...] dem Beschwerdeführer aufzuerlegen", hat die Klägerin das "Verfahren ebenfalls für erledigt" erklärt und beantragt, im "Rahmen der Kostenentscheidung [...] die Kosten des Verfahrens" dem FA aufzuerlegen. Eine hierin zum Ausdruck kommende Beschränkung der übereinstimmenden Erledigungserklärungen auf das Beschwerdeverfahren wegen Nichtzulassung der Revision ist zulässig (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 25. Juli 1991 III B 10/91, BFHE 165, 17, BStBl II 1991, 846; vom 12. Oktober 1992 IX B 152/91, juris).
2. Für die Wirksamkeit der Erledigungserklärungen ist unerheblich, ob die Nichtzulassungsbeschwerde zulässig erhoben worden ist. Ebenso wie ein unzulässiges Klageverfahren durch einvernehmliche Erledigungserklärung wirksam für erledigt erklärt werden kann, ist auch die Erledigung eines Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde durch hierauf beschränkte einvernehmliche Erledigungserklärungen möglich (BFH-Beschluss in BFHE 165, 17, BStBl II 1991, 846). Etwas anderes würde nur dann gelten, wenn die Beteiligten den Rechtsstreit insgesamt hätten für erledigt erklären wollen (BFH-Beschluss vom 14. April 2011 IV B 81/09, BFH/NV 2011, 1181), weil dann dem Rechtsmittelgericht von vornherein die Möglichkeit gefehlt hätte, sachlich auf den Antrag des Rechtsmittelführers einzugehen (BFH-Beschluss vom 1. August 2012 V B 59/11, BFH/NV 2012, 2013). Dies ist aber --wie erläutert-- aufgrund der von den Beteiligten abgegebenen Erklärungen nicht der Fall.
3. Entsprechend § 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hat im Streitfall die Klägerin die Kosten des erledigten Beschwerdeverfahrens zu tragen.
a) § 138 FGO ist zwar nicht unmittelbar anwendbar, da sich der Rechtsstreit nicht in der Hauptsache erledigt hat. § 138 FGO ist jedoch bei einer Erledigung des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde entsprechend anwendbar. Die in der Vorschrift zum Ausdruck kommenden Prinzipien müssen nach ihrem Sinn entsprechend gelten, wenn sich nur das Rechtsmittelverfahren erledigt hat (BFH-Beschluss in BFHE 165, 17, BStBl II 1991, 846).
b) Die Kosten waren nicht entsprechend § 138 Abs. 2 Satz 1 FGO dem FA aufzuerlegen, weil dieses während des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde antragsgemäße Bescheide erlassen hat (vgl. hierzu BFH-Beschluss vom 12. Oktober 1992 IX B 152/91, juris). Das Risiko der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts trägt die Behörde nach dieser Bestimmung nur bei unveränderter Sach- und Rechtslage, nicht aber wie im Streitfall bei einer während des Rechtsmittelverfahrens erfolgenden und in die Streitzeiträume rückwirkenden Gesetzesänderung (so auch Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 138 FGO Rz 62, 74; offenlassend BFH-Urteil vom 15. Mai 1990 VII R 78/89, BFH/NV 1991, 123; BFH-Beschlüsse vom 12. Mai 1992 VII R 42/91, BFH/NV 1992, 854; vom 7. April 2004 III R 53/01, BFH/NV 2004, 1119; vom 29. Oktober 2004 III R 44/02, juris).
c) Nach dem deshalb analog anzuwendenden § 138 Abs. 1 FGO, nach dem über die Kosten des erledigten Beschwerdeverfahrens nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des Sach- und Streitstandes zu entscheiden ist, hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Denn die Nichtzulassungsbeschwerde wäre ohne Eintritt des erledigenden Ereignisses als unzulässig zu verwerfen gewesen. Die Begründung der Klägerin genügt nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. In ihr wird weder die grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch das Erfordernis der Zulassung der Revision zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) in der gebotenen Weise dargelegt. Die Klägerin hat in ihrer Beschwerdebegründung keine klärungsbedürftige Rechtsfrage herausgearbeitet.
aa) Dazu muss ausgeführt werden, in welchem Umfang, von welcher Seite und aus welchem Grunde die Beantwortung der Frage zweifelhaft und streitig ist (BFH-Beschlüsse vom 22. März 2011 X B 151/10, BFH/NV 2011, 1165; vom 6. März 2013 X B 113/11, BFH/NV 2013, 929). Liegt zu der vom Beschwerdeführer herausgestellten Rechtsfrage bereits höchstrichterliche Rechtsprechung vor, so muss eine fundierte Stellungnahme dazu erfolgen, weshalb diese Rechtsprechung noch nicht zu einer hinreichenden Klärung geführt habe oder aufgrund welcher neuer Entwicklung sie nunmehr erneut in Frage gestellt werden müsse (BFH-Beschlüsse vom 19. Oktober 2007 II B 107/06, BFH/NV 2008, 573; vom 23. März 2009 II B 119/08, juris). Hierfür müssen die vermeintlichen Unklarheiten möglichst genau beschrieben und insbesondere in Rechtsprechung und Schrifttum erhobene, vom BFH bislang nicht geprüfte Einwände unter Angabe der Quellen benannt werden (BFH-Beschluss vom 18. Juli 2006 X B 206/05, BFH/NV 2006, 1877; Beermann in Beermann/Gosch, FGO § 116 Rz 66).
bb) Soweit die Klägerin geltend gemacht hat, klärungsbedürftig sei die Rechtsfrage, ob die in § 41, § 42 der Abgabenordnung verankerte objektive Betrachtungsweise ein explizites Vereinbarungserfordernis gemäß § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 ausschließe, sind die vorstehend erläuterten Darlegungsvoraussetzungen nicht erfüllt. Im Kern will die Klägerin die Frage klären lassen, ob im Falle eines zivilrechtlich wirksamen und durchgeführten Gewinnabführungsvertrages das Festhalten an Formvorschriften sinnlos sei. Hiermit hat sich der erkennende Senat indes bereits in seinem Urteil vom 29. März 2000 I R 43/99 (BFH/NV 2000, 1250) ausführlich auseinandergesetzt; später hat er diese Rechtsprechung unter Auseinandersetzung mit Rechtsprechung und Literatur mehrmals bekräftigt (Senatsurteile vom 22. Februar 2006 I R 73/05, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2006, 1009, und I R 74/05, BFH/NV 2006, 1513). Die Klägerin hat nicht in ausreichender Weise dargelegt, warum eine erneute Auseinandersetzung mit dieser Frage geboten ist.
cc) Ebenso wenig hat die Klägerin die Klärungsbedürftigkeit der Frage ausreichend dargelegt, ob das konkrete Vereinbarungserfordernis nach § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 verfassungswidrig sei. Mit diesem Einwand hat sich der BFH bereits in mehreren Beschlüssen beschäftigt (BFH-Beschlüsse vom 16. Juni 2008 IV R 76/06, juris; vom 17. Juni 2006 IV R 88/05, BFH/NV 2008, 1705), ohne dass sich die Klägerin im Einzelnen mit den dort genannten Rechtfertigungsgründen unter Einbeziehung von Rechtsprechung und Schrifttum substantiiert auseinandergesetzt hätte.
dd) Soweit die Klägerin schließlich die Rechtsfrage aufwirft, ob ein Ergebnisabführungsvertrag gemäß § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG 2002 eine dem § 302 AktG entsprechende Vereinbarung enthalten müsse, hat sie ebenfalls keine klärungsbedürftige Rechtsfrage dargelegt. Hiermit wendet sich die Klägerin gegen die seit langem bestehende ständige Rechtsprechung des BFH (s. z.B. Senatsurteile vom 17. Dezember 1980 I R 220/78, BFHE 132, 285, BStBl II 1981, 383; in BFH/NV 2000, 1250; in HFR 2006, 1009; in BFH/NV 2006, 1513; vom 3. März 2010 I R 68/09, BFH/NV 2010, 1132; BFH-Beschluss in BFH/NV 2008, 1705; Senatsbeschluss vom 22. Dezember 2010 I B 83/10, BFHE 232, 190), was unter Einbeziehung von Rechtsprechung und Literatur eine besonders eingehende Auseinandersetzung damit erforderlich gemacht hätte, warum trotz der Vielzahl von Entscheidungen zu dieser Rechtsfrage eine weitere Klärung geboten erscheint. Angesichts der oberflächlichen Begründung der Klägerin fehlt es daran im Streitfall.
BFH:
Beschluss v. 22.07.2013
Az: I B 158/12
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/60c54f576722/BFH_Beschluss_vom_22-Juli-2013_Az_I-B-158-12