Bundespatentgericht:
Beschluss vom 4. Juni 2002
Aktenzeichen: 24 W (pat) 156/01

(BPatG: Beschluss v. 04.06.2002, Az.: 24 W (pat) 156/01)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 4. Juni 2002 (Aktenzeichen 24 W (pat) 156/01) entschieden, dass die Beschwerde der Anmelderin erfolgreich ist und der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Mai 2001 aufgehoben wird. Ursprünglich war die Wortmarke "AngioCare" für verschiedene Dienstleistungen im Bereich Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Erziehung, Ausbildung, Versorgung von Ärzten, Gesundheits- und Schönheitspflege, wissenschaftliche und industrielle Forschung sowie Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung angemeldet worden. Die Markenstelle des Patent- und Markenamts hatte die Anmeldung jedoch teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Dienstleistungen Werbung, Erziehung, Ausbildung, Versorgung von Ärzten, Gesundheits- und Schönheitspflege, wissenschaftliche und industrielle Forschung sowie Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung. Begründet wurde die Zurückweisung damit, dass die Kombination der Wörter "Angio" und "Care" in ihrer Gesamtheit die Bedeutung "Gefäßpflege, Gefäßversorgung" aufweise und somit eine glatt beschreibende Angabe darstelle. Die Anmelderin legte dagegen Beschwerde ein und argumentierte, dass die angemeldete Marke nicht glatt beschreibend sei. Das Gericht gab der Beschwerde recht und entschied, dass die angemeldete Marke weder als beschreibende freihaltebedürftige Angabe noch wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft noch wegen Täuschungsgefahr von der Eintragung ausgeschlossen ist. Es wurde festgestellt, dass die Wortkombination "AngioCare" in Bezug auf die verbleibenden Dienstleistungen keine beschreibende Sachaussage hat und auch nicht als gebräuchliches Wort in der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache verstanden wird. Somit fehlt der Marke die erforderliche Unterscheidungskraft. Auch Täuschungsgefahr konnte nicht festgestellt werden, da in den angesprochenen Verkehrskreisen im Zusammenhang mit den Dienstleistungen keine Verbindung zur Pflege oder Behandlung von Gefäßen hergestellt wird.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 04.06.2002, Az: 24 W (pat) 156/01


Tenor

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 3. Mai 2001 aufgehoben.

Gründe

I.

Die Wortmarke AngioCareist ursprünglich für die Dienstleistungen

"Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten; Erziehung; Ausbildung; Versorgung von Ärzten; Gesundheits- und Schönheitspflege; wissenschaftliche und industrielle Forschung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung."

zur Eintragung in das Register angemeldet worden.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung durch Beschluß einer Beamtin des höheren Dienstes teilweise, nämlich für die Dienstleistungen

"Werbung; Erziehung; Ausbildung; Versorgung von Ärzten; Gesundheits- und Schönheitspflege; wissenschaftliche und industrielle Forschung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung"

als ausschließlich aus einer beschreibenden freihaltebedürftigen Angabe bestehend (§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG) zurückgewiesen. Die Kombination aus dem häufig in Wortverbindungen mit dem Bedeutungsgehalt "Gefäß-" zu findenden Wortbestandteil "Angio" und dem dem englischen Grundwortschatz entstammenden Wort "Care" mit dem Sinngehalt "Pflege, Versorgung" weise in ihrer Gesamtheit die Bedeutung "Gefäßpflege, Gefäßversorgung" auf. In Zusammenhang mit den betreffenden Dienstleistungen handele es sich damit um eine glatt beschreibende Angabe, die lediglich den inhaltlichen Gegenstand der Dienstleistungen benenne. Da die Wortneuschöpfung entsprechend existierender Begriffe mit "Angio" und "care" sprachüblich gebildet sei und ein beachtlicher Teil des angesprochenen Verkehrs der Marke eine eindeutige Sachinformation entnehmen werde, bestehe an der angemeldeten Marke ein Freihaltebedürfnis der Mitkonkurrenten.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor, daß die angemeldete Marke nicht glatt beschreibend sei. Aus der Verbindung einer beschreibenden Angabe und eines von einer beschreibenden Angabe abgeleiteten Begriffs entstehe ein eigentümliches Gebilde. Es gebe zahlreiche eingetragene Marken mit dem Wortbestandteil "care", die ebenso wie die angemeldete Marke gebildet seien. Es bestehe kein Freihaltebedürfnis, da die Wettbewerber nicht daran gehindert seien, bei ihren Produkten und Dienstleistungen darauf hinzuweisen, daß sie der Gefäßpflege dienten. Sie müßten jedoch nicht ungedingt den Begriff "AngioCare" verwenden.

Die Anmelderin beantragt (sinngemäß), den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Im Beschwerdeverfahren hat die Anmelderin unter Verzicht auf die Dienstleistungen "Versorgung von Ärzten; Gesundheits- und Schönheitspflege" das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen wie folgt gefaßt:

"Werbung; Erziehung; Ausbildung; wissenschaftliche und industrielle Forschung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; sämtliche vorgenannten Dienstleistungen nicht im medizinischpharmazeutischen Bereich und im Bereich der Gesundheits- und Schönheitspflege; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Büroarbeiten."

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

Die angemeldete Marke ist im Hinblick auf die nach der erfolgten Einschränkung noch verbleibenden beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen

"Werbung; Erziehung; Ausbildung; wissenschaftliche und industrielle Forschung; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; sämtliche vorgenannten Dienstleistungen nicht im medizinischpharmazeutischen Bereich und im Bereich der Gesundheits- und Schönheitspflege"

weder als beschreibende freihaltebedürftige Angabe gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG noch wegen Fehlens jeglicher Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG noch wegen Täuschungsgefahr gemäß § 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen.

Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung solche Marken ausgeschlossen, die im Verkehr insbesondere zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können. Dies kann für die angemeldete Marke in bezug auf die verbleibenden streitgegenständlichen Dienstleistungen nicht festgestellt werden. Zwar ist die Markenstelle in dem angefochtenen Beschluß zutreffend von der Bedeutung "Gefäßpflege, -versorgung, -behandlung" der angemeldeten Bezeichnung "Angio-Care" ausgegangen. "Angio" ist eine in englischen wie in deutschen medizinischen Ausdrücken verwendete Vorsilbe mit der Bedeutung "Gefäß" (vgl die in dem angefochtenen Beschluß genannten Wortbeispiele sowie außerdem ua engl "angiopathologie" = Lehre von den Gefäßkrankheiten, "angiopressure" = Gefäßquetschung, s Bunjes, Wörterbuch der Medizin und Pharmazeutik, Englisch - Deutsch, 4. Aufl, S 34 f), während dem englischen Wort "care" insbesondere im medizinischen Bereich die Bedeutung "Pflege, Versorgung, Fürsorge, Behandlung" zukommt (vgl Bunjes, aaO, S 89). In dieser Bedeutung aber vermittelt die Wortkombination "AngioCare" in bezug auf die oben aufgeführten, noch beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen keine in irgend einer Weise beschreibende Sachaussage. Insbesondere ist bei den verbleibenden Dienstleistungen durch die Aufnahme des og einschränkenden Zusatzes ausgeschlossen, daß Gegenstand oder thematischer Inhalt dieser Dienstleistungen die Pflege, Behandlung oder Versorgung von Gefäßen oder Gefäßerkrankungen ist. Demnach kann die Anmeldemarke insoweit im Verkehr nicht zu beschreibenden Bezeichnung der konkret noch in Rede stehenden Dienstleistungen dienen (vgl BGH GRUR 1977, 717 - "Cokies", GRUR 1990, 517 - SMARTWARE; GRUR 1997, 634, 636 - Turbo II; GRUR 1999, 988, 989 f - HOUSE OF BLUES).

Da der angemeldeten Marke aus den dargelegten Gründen für die noch fraglichen Dienstleistungen mithin kein im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden kann und es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl ua BGH GRUR 2001, 1150 - LOOK, GRUR 2001, 1043 - Gute Zeiten - Schlechte Zeiten, GRUR 2002, 64 - INDIVIDUELLE), fehlt ihr außerdem nicht die nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft.

Schließlich steht der Eintragung der angemeldeten Marke auch nicht das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 4 MarkenG entgegen. Wenngleich durch die Aufnahme des og einschränkenden Zusatzes bei den streitgegenständlichen Dienstleistungen ausgeschlossen ist, dass sie sich inhaltlich mit der Pflege/Versorgung/Behandlung von Gefäßen befassen, erwächst daraus nicht gleichzeitig die Eignung der Marke "AngioCare", das Publikum insbesondere über Art, Beschaffenheit oder sonstige Merkmale der betreffenden Dienstleistungen zu täuschen. Denn auf anderem als medizinischpharmazeutischem Gebiet oder dem Gebiet der Körper- und Schönheitspflege ist nicht zu erwarten, daß die angesprochenen Verkehrskreise die in Rede stehenden Dienstleistungen in entscheidungserheblichem Umfang in einen Bezug zur Pflege oder Behandlung von Gefäßen bringen und infolge dessen durch die Marke "AngioCare" über den Inhalt bzw Gegenstand der Dienstleistungen getäuscht werden (vgl BGH MarkenR 2002, 127 - OMEPRAZOK).

Dr. Ströbele Guth Kirschneck Bb






BPatG:
Beschluss v. 04.06.2002
Az: 24 W (pat) 156/01


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/60fdf625d5d9/BPatG_Beschluss_vom_4-Juni-2002_Az_24-W-pat-156-01




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