Oberlandesgericht Hamm:
Urteil vom 2. Juni 1999
Aktenzeichen: 20 U 233/98

(OLG Hamm: Urteil v. 02.06.1999, Az.: 20 U 233/98)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil vom 2. Juni 1999 (Aktenzeichen 20 U 233/98) entschieden, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von den außergerichtlichen Kosten der Rechtsanwälte Dr. N, N2 und Partner im Rahmen der Rückabwicklung eines Kaufvertrages freizustellen. Der Kläger hatte von den Eheleuten I ein Grundstück erworben, bei dem der Zugang nur über einen Weg möglich war, der nicht im Eigentum der Verkäufer stand. Nach Abschluss des Kaufvertrages stellte sich heraus, dass dies nicht im Grundbuch abgesichert war. Der Kläger strebte deshalb eine Rückabwicklung des Vertrages an.

Die Kosten der Anwälte betrugen 12.359,17 DM, von denen die Beklagte die Freistellung ablehnte. Das Landgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung eines Teilbetrages von 1.101,88 DM, da ein Anspruch des Klägers auf Kostenübernahme nur in Höhe von 8 % bestand. Der Kläger legte Berufung ein und verlangte die Freistellung von weiteren 11.250,29 DM.

Das Oberlandesgericht Hamm entschied, dass die Beklagte gemäß den Versicherungsbedingungen nicht die Kosten übernehmen muss, die aufgrund einer außergerichtlichen Einigung nicht dem Verhältnis von Obsiegens zum Unterliegen entsprechen. Der Verzicht auf weitere Ansprüche im Aufhebungsvertrag vom 23.12.1997 beinhaltet auch eine Kostenaufhebung bezüglich der Anwaltskosten. Der Kläger ist hinsichtlich der Rückabwicklung des Kaufvertrages in vollem Umfang durchgedrungen, bezüglich Schadensersatzansprüchen aber nur in Höhe von 10.000 DM.

Das Oberlandesgericht berechnete die außergerichtlichen Kosten der Anwälte nach einem Wert von 167.666,66 DM und stellte fest, dass der Kläger zu 21 % unterlegen ist. Die Beklagte muss daher den Kläger in Höhe von 1.899,88 DM von den Kosten der Anwälte freistellen.

Die Entscheidung des Landgerichts wurde teilweise abgeändert. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO. Die Beschwerde beider Parteien liegt unter 60.000 DM.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

OLG Hamm: Urteil v. 02.06.1999, Az: 20 U 233/98


Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 27. Oktober 1998 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des Landgerichts Bielefeld unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von den außergerichtlichen Kosten des Tätigwerdens der Rechtsanwälte Dr. N, N2 und Partner im Rahmen der Rückabwicklung des Kaufvertrages mit den Eheleuten I und I2, T-Straße, ......1 C, in Höhe von insgesamt 1.899,88 DM freizustellen.

Im übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Kosten des ersten Rechtszuges werden zu 85 % dem Kläger und zu 15 % der Beklagten auferlegt.

Von den Kosten der Berufungsinstanz haben der Kläger 83 % und die Beklagte 17 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Tatbestand und Entscheidungsgründe

- abgekürzt nach § 543 Abs. 1 ZPO -

I.

Der Kläger, der bei der Beklagten eine Rechtsschutzversicherung zu den Bedingungen ARB 75 abgeschlossen hat,

begehrt mit der Klage die Freistellung von ihm seitens der Rechtsanwälte Dr. N, N2 und Partner in C berechneten außergerichtlichen Kosten für deren Tätigwerden im Rahmen der Kaufvertragsangelegenheit L/I.

Der Kläger erwarb durch vor dem Notar C2 beurkundeten Kaufvertrag vom 22.8.1997 von den Eheleuten I ein Grundstück in der T-Str. in C zu einem Kaufpreis von 368.000,-- DM. Dabei handelte es sich um ein sogenanntes Hinterliegergrundstück, dessen Zugang nur über einen nicht im Eigentum der Verkäufer stehenden Weg möglich war. Die Benutzung des Weges für die Eigentümer des Grundstücks T-Str. war im Grundbuch nicht abgesichert. Dies stellte sich aber erst nach Abschluß des Kaufvertrages heraus.

Der Kläger, zu dessen Gunsten bereits eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen war, strebte deshalb eine Rückabwicklung des Kaufvertrages an.

Mit Schreiben vom 12.12.1997 sagte die Beklagte dem Kläger, vertreten durch seine erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten, für die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen in der Sache "L/I + C2" "Kostenschutz" zu.

Daraufhin wandte sich RA N2 mit Schreiben vom 19.12.1997 an die Eheleute I und forderte sie unter Androhung des "großen Schadensersatzanspruches" nach § 463 BGB dazu auf, entweder bis zum 29.12.1997 die Bewilligung eines Wegerechts zu bewirken oder eine - bereits vorbereitete - Vereinbarung zur Rückabwicklung des Kaufvertrages zu unterzeichnen.

Vor Ablauf der in diesem Schreiben gesetzten Frist wurden der Kaufvertrag vom 22.8.1997 durch notariell beurkundeten Vertrag des Notars C2 aufgehoben und bezüglich seiner Rückabwicklung weitere Vereinbarungen getroffen, wegen deren Einzelheiten auf Bl. 21 ff d.A. verwiesen wird. So verpflichteten sich die Verkäufer I u.a. zur Zahlung von 10.000,-- DM.

Für ihre außergerichtliche Tätigkeit in der Sache L/I berechneten die Rechtsanwälte Dr. N, N2 und Partner dem Kläger unter dem 20.1.1998 nach einem Gegenstandswert von 368.000,-- DM Anwaltsgebühren in Höhe von 12.359,17 DM (Bl. 23 d.A.) und richteten ihre Liquidation an die Beklagte, die mit Schreiben vom 27.2.1998 (Bl. 24 d.A.) die Begleichung dieser Kostenrechnung unter Hinweis auf § 2 (3) a) ARB 75 ablehnte.

Mit der Klage hat der Kläger deshalb Zahlung von 12.359,17 DM, hilfsweise Freistellung von den außergerichtlichen Kosten der Rechtsanwälte Dr. N, N2 und Partner verlangt.

Das Landgericht hat die Beklagte auf den Hilfsantrag verurteilt, den Kläger wegen eines Teilbetrages in Höhe von 1.101,88 DM aus der o.g. Rechnung der Rechtsanwälte Dr. N, N2 und Partner freizustellen, und die Klage im übrigen abgewiesen. Es hat gemeint, ein Anspruch des Klägers auf Übernahme der Kosten der für ihn tätigen Anwälte bestehe nur in Höhe von 8 % und entfalle zu 92 % im Hinblick auf § 2 Abs. 3 a) ARB 75. Dieser Teil der Kosten entspreche nämlich nicht dem Erfolg des Klägers bei der mit den Eheleuten I erzielten gütlichen Einigung und sei deshalb nicht von der Beklagten zu übernehmen. Mit seinem Begehren - großer Schadensersatz im Wert von 413.000,-- DM - sei der Kläger zu 92 % durchgedrungen. Er könne deshalb nur die Erstattung von 8 % seiner außergerichtlichen Kosten - berechnet nach einem zu veranschlagenden Gegenstandswert von 413.000,-- DM - verlangen, da nur dieser Teil dem Verhältnis seines Unterliegens entspreche, das sind 1.101,88 DM.

II.

Die gegen diese Entscheidung gerichtete Berufung des Klägers, der Freistellung von den außergerichtlichen Kosten des Tätigwerdens der Rechtsanwälten Dr. N, N2 und Partner in Höhe von weiteren 11.250,29 DM verlangt, ist nur in Höhe von weiteren 798,-- DM - d.h. in Höhe von insgesamt 1.899,88 DM - begründet und im übrigen ohne Erfolg.

1.

Grundsätzlich war die Beklagte zwar nach §§ 1, 49 VVG i.Vbdg. mit § 2 ARB 75 und der von ihr mit Schreiben vom 12.12.1997 erteilten Deckungszusage verpflichtet, den Kläger von den Kosten der Rechtsanwälte N, N2 und Partner für deren Tätigkeit im Zusammenhang mit der Rück- abwicklung des Grundstückskaufvertrages freizustellen, den der Kläger mit den Eheleuten I am 22.8.1997 abgeschlossen hatte. Die Kostentragungspflicht unterliegt hier aber der Einschränkung des § 2 (3) a) ARB 75.

Dies hätten der Kläger bzw. die ihn beratenden Anwälte vor Abschluß des Vergleichs beachten müssen, um nicht von der Deckungszusage erfaßte Kosten zu vermeiden.

Nach der o.g. Klausel trägt der Versicherer nicht

"die Kosten, die aufgrund einer gütlichen Erledigung, insbesondere eines Vergleichs, nicht dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen entsprechen oder deren Übernahme durch den Versicherungsnehmer nach der Rechtslage nicht erforderlich ist".

Diese Klausel bezieht sich nach ihrem Wortlaut allgemein auf gütliche Streitbeilegung und Vergleiche, unabhängig davon, auf welche Weise und in welcher Verfahrensart sie zustande gekommen sind. Die Klausel gilt daher nicht nur bei einer gerichtlichen, sondern auch bei einer außergerichtlichen Auseinandersetzung und daher auch für eine außergerichtliche Streitbeilegung wie z.B. einem außergerichtlichen Vergleich. Ein solcher außergerichtlicher Vergleich ist hier in der notariellen Vereinbarung vom 23.12.1997 bezüglich der Aufhebung des Kaufvertrages vom 22.8.1997 und den damit verbundenen Regelungen über die Rückabwicklung des Vertrages und die bereits vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche zu sehen.

Der Versicherer hat deshalb diejenigen Kosten des Klägers nicht zu übernehmen, die nicht dem Verhältnis des Obsiegens zum Unterliegen entsprechen. Diese Regelung, die an § 92 Abs. 1 S. 1 2.Alt. ZPO angelehnt ist, will verhindern, daß der Versicherte zu Lasten der Versichertengemeinschaft seinem Gegner Kostenzugeständnisse macht, um diesen zu einem weiteren Entgegenkommen in der Hauptsache zu veranlassen. Grundgedanke des § 2 (3) a) ARB 75 ist es, daß der Versicherer nach einem Vergleich ohne Rücksicht auf die ursprüngliche Rechtslage den Versicherten nur von den Rechtskosten freizustellen hat, die ihm das Gericht nach §§ 91 ff ZPO auferlegt hätte, wenn es ein Urteil mit demselben Inhalt wie der Vergleich erlassen hätte. Darüberhinausgehende Kosten muß der Versicherte selbst tragen (vgl. u.a. Harbauer, ARB, 6.Aufl., § 2 Rn 167; BGH VersR 1977, 809).

Dem Wortlaut nach unterscheidet die Klausel nicht, ob die Kostenpflicht des Versicherten auf einer Übernahme durch den Vergleich beruht oder Folge eines gerichtlichen Vergleichs nach § 98 ZPO ist. Sie ist deshalb auch dann einschlägig, wenn ein außergerichtlicher Vergleich keine ausdrückliche Regelung über die außergerichtlichen Kosten der Parteien enthält.

Hier sind zudem in Ziff. II 2. 3. Abs. alle Ansprüche aus dem streitigen Rechtsverhältnis in dem Aufhebungsvertrag vom 23.12.1997 geregelt. Es heißt dort nämlich:

"Die Beteiligten sind sich darüber einig, daß weitere Ansprüche, gleich aus welchem Rechtsgrund, insbesondere Schadensersatzansprüche, aus der Nichtdurchführung des Kaufvertrages nicht bestehen und verzichten vorsorglich gegenseitig auf derartige Ansprüche".

Mit dieser Bestimmung sind aber zugleich auch etwaige Kostenerstattungsansprüche der Parteien untereinander dahin geregelt, daß jede Partei ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt. Nach Abschluß dieses außergerichtlichen Vergleichs sind wegen dieser vorgenannten Regelung auch Kostenerstattungsansprüche nicht mehr durchsetzbar. Der Kläger hat damit seine außergerichtlichen Anwaltskosten "übernommen", auch wenn dies in dem Aufhebungsvertrag so nicht ausdrücklich als Kostenvereinbarung geregelt ist. Der Verzicht auf weitere Ansprüche gleich welcher Art beinhaltet tatsächlich aber auch eine Kostenaufhebung bezüglich der Anwaltskosten.

2.

Die Übernahme der eigenen außergerichtlichen Kosten entspricht aber nicht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen im Aufhebungsvertrag.

Der Kläger hatte die Eheleute I zur Wandlung aufgefordert und ihnen - alternativ zur Erfüllung des Kaufvertrages durch Beschaffung des Wegerechtes - eine Frist zur Rückabwicklung des Vertrages gesetzt. Gleichzeitig hatte er Schadensersatz begehrt, wobei seine Ansprüche mit 45.000,-- DM zu bewerten sind. Dieses Anspruchsbegehren ist in sein Verhältnis zu setzen zum Obsiegen des Klägers im Aufhebungsvertrag vom 23.12.1997.

Mit seinem in dem Schreiben vom 19.12.1997 an die Eheleute I gerichteten Begehren ist der Kläger bezüglich der Rückabwicklung des Kaufvertrages in vollem Umfang durchgedrungen, hinsichtlich der Schadensersatzansprüche aber nur mit

10.000,-- DM.

Das Begehren des Klägers, den Kaufvertrag aufzuheben, ist allerdings nicht - wie in der Rechnung der Anwälte des Klägers zum Ausdruck kommt - mit der Höhe des Kaufpreises für das Grundstück von 368.000 DM zu bewerten, sondern nur mit einem Bruchteil, denn der Kaufvertrag war noch nicht vollzogen (vgl. dazu: u.a. Zöller/Herget, ZPO, 21. Aufl., § 3 Stichwort "Aufhebung"; Baumbach/Hartmann, ZPO, 57. Aufl., Anh § 3 Rn 137 "Wandlung"; Schneider/Herget, Streitwertkommentar, 11. Aufl., Rn 4998 ff.; OLG Düsseldorf, KostRspr, § 3 ZPO Nr. 807).

Die Wandlung eines noch nicht vollzogenen Vertrages

löst lediglich den Wegfall der noch nicht erfüllten Pflichten aus dem Vertrag und die Rückabwicklung bereits erbrachter Teilleistungen aus. In einem solchen Fall bemißt sich der Wert - anders als bei der Wandlung eines vollzogenen Vertrages, verbunden mit der Rückzahlung des Kaufpreises bzw. der Rückauflassung des Grundstücks - nicht nach dem Wert der vertraglich vereinbarten Leistungen, sondern nach dem Interesse des Klägers an der Aufhebung des noch nicht vollzogenen Vertrages und dem Wert etwa erbrachter Teilleistungen, die zurückzugewähren sind. Dieses Interesse bemißt der Senat hier unter Berücksichtigung des Umstandes, daß zugunsten des Klägers schon eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen war, deren Löschung er im Aufhebungsvertrag beantragt und bewilligt hat, mit einem Drittel des Grundstückswertes, das sind 122.666,66 DM.

Im Hinblick auf die vom Kläger geltend gemachten Schadensersatzansprüche ist die außergerichtliche Tätigkeit der Anwälte des Klägers daher nach einem Wert von 167.666,66 DM zu vergüten.

Das Obsiegen des Klägers macht unter Zugrundelegen dieses Wertes 79 % aus, sein Unterliegen 21 %. Die der

Quote seines Unterliegens entsprechenden Kosten hat die Beklagte zu erstatten.

Die außergerichtlichen Kosten der Anwälte sind nach einem Gegenstandswert von 167.666,66 DM wie folgt zu berechnen:

Geschäftsgebühr §§ 11, 118 I 1 BRAGO 7,5/10 1.953,75

Besprechungsgebühr §§ 11, 118 I 2 BRAGO 7,5/10 1.953,75

Vergleichsgebühr §§ 11, 23 BRAGO 15/10 3.907,50

Fotokopiekosten § 27 BRAGO (12 Kopien) 12,--

Post-/Telekommunikationsentgelte § 26 BRAGO 40,--

Zwischensumme netto 7.867,--

15 % MwSt. 1.180,05

Gesamtsumme 9.047,05

Davon hat die Beklagte 21 % bedingungsgemäß zu tragen, d.h. sie hat den Kläger in Höhe von 1.899,88 DM von den ihm in Rechnung gestellten Kosten der Rechtsanwälte Dr. N, N2 und Partner freizustellen.

Nur insoweit ist die Klage begründet.

Dementsprechend war die Entscheidung des Landgerichts teilweise abzuändern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt such aus §§ 708 Ziff. 10, 711, 713 ZPO.

Die Beschwer beider Parteien liegt unter 60.000,-- DM.






OLG Hamm:
Urteil v. 02.06.1999
Az: 20 U 233/98


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/613c61854af3/OLG-Hamm_Urteil_vom_2-Juni-1999_Az_20-U-233-98




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