Bundespatentgericht:
Beschluss vom 11. März 2002
Aktenzeichen: 11 W (pat) 33/01
(BPatG: Beschluss v. 11.03.2002, Az.: 11 W (pat) 33/01)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
In der vorliegenden Gerichtsentscheidung geht es um eine Patentanmeldung für ein "Verfahren zum aluminothermischen Zwischengussschweißen von Schienen mit Auflegierung des Stahlgusses im Schienenkopfbereich". Das Patent wurde am 2. Juli 1998 erteilt und nach einem Einspruch des Einsprechenden wurde es beschränkt aufrechterhalten. Gegen diesen Beschluss richtete sich eine Beschwerde. In der Beschwerdeargumentation wurde darauf hingewiesen, dass ein ähnliches Verfahren in einer anderen Patentschrift beschrieben wurde. Der Patentanspruch wurde dahingehend angepasst, dass die Legierungszusätze nicht zwischen die Schienenenden geklemmt, sondern am Riegel angeordnet werden. Zudem wurde erwähnt, dass die Legierungszusätze entweder nach einem fallenden oder steigenden Guss mit dem zuerst bzw. zuletzt aus dem Reaktionstiegel ausfließenden Stahl in der Gießform zugeleiert werden. Die Beschwerde wurde jedoch zurückgewiesen, da das Verfahren neu und erfinderisch sei. Das Gericht stellte fest, dass es keine Hinweise auf ein ähnliches Verfahren mit den genannten Merkmalen im Stand der Technik gibt. Daher bleibt das Patent in vollem Umfang erhalten.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 11.03.2002, Az: 11 W (pat) 33/01
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I Die zugrunde liegende Patentanmeldung ist am 13. September 1996 beim Deutschen Patentamt eingereicht worden. Nach Prüfung ist die Erteilung des Patents mit der Bezeichnung "Verfahren zum aluminothermischen Zwischengussschweißen von Schienen mit Auflegierung des Stahlgusses im Schienenkopfbereich" am 2. Juli 1998 veröffentlicht worden. Nach Prüfung des Einspruchs des R... in R...-A... hat die Patentabteilung 45 des Deutschen Patent- und Mar- kenamtes mit Beschluss vom 6. April 2001 das Patent beschränkt aufrechterhalten, da der entgegengehaltene Stand der Technik auch bei Zusammenschau keinerlei Anregungen dazu gebe, zum Zwecke der Auflegierung des Stahlgusses im Schienenkopfbereich beim aluminothermischen Zwischengussschweißen von Schienen den flüssigen Stahl nach Maßgabe eines fallenden oder eines steigenden Gusses über einen Riegel und bei geschlossenem Überlauf der Gießform in die Gießform einzubringen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Einsprechenden.
Aus der DE-PS 580 035 (3) seien wesentliche Merkmale der Erfindung bekannt. Bei fallendem Guss unterscheide sich die Erfindung demgegenüber lediglich dadurch, dass die Legierungszusätze nicht zwischen die Schienenenden eingeklemmt, sondern am Riegel angeordnet seien, beim steigenden Guss, der durch die US 3 495 801 (5) vorgegeben sei, darüber hinaus dadurch, dass die Legierungszusätze dem zuerst in die Form eingefüllten Stahl zulegiert werden. Anfängliche Turbulenzen hätten sich bei fachmännischer Handhabung bereits beruhigt, wenn die Schmelze die Legierung berühre, baue doch der Riegel bereits einen großen Teil der kinetischen Energie ab. Da das die Legierungszusätze aufweisende Stäbchen nach (3) bis zum Riegel nach oben geschoben werden könne, ergebe sich für den Fachmann auch dessen Anordnung am Riegel selbst.
Die Gießform mit einem geschlossenen Überlauf sei mit der von (3), die keinen Überlauf besitze, wirkungsgleich. Im Übrigen beeinträchtige der überflüssige, weil geschlossene Überlauf die Eindeutigkeit des Patents.
Der Einsprechende stellt den Antrag, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag, die Beschwerde zurückzuweisen und das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten mit dem in der mündlichen Verhandlung übergebenen Anspruch 1 gemäß Hauptantrag, hilfsweise mit dem ebenfalls in der mündlichen Verhandlung übergebenen Anspruch 1, jeweils in Verbindung mit den Ansprüchen 2 bis 7 mit angepasster Beschreibung mit Seiten 5, 6 und 6a vom 7. März 2002, der Rest gemäß dem angefochtenen Beschluss unter Streichung des letzten Satzes in der Streitpatentschrift C2 Spalte 4, Zeilen 58 bis 60.
Sie führt zum Stand der Technik aus: Die vollständige Auflösung des bei der DE-PS 580 035 (3) zwischen die Schienenenden geklemmten Stäbchens aus Legierungsmetall zum Legieren des Schweißstahls zwischen den Schienenköpfen sei nicht garantiert. Solange es nicht aufgelöst sei, behindere das Stäbchen den Zufluss der Schmelze zu den Stirnseiten der Schienenköpfe. Zudem sei das Einklemmen des Stäbchens umständlich und erfordere zusätzlichen Aufwand. Ein Anordnen des Stäbchens am Riegel statt zwischen den Schienenenden sei nicht in Erwägung gezogen worden.
Aus der US 3 495 801 (5) sei zwar steigender Guss zu entnehmen, dort sei aber der Überlauf offen, was zu einer Durchmischung führe. Außerdem gehe es dort primär um das Vorwärmen, so dass auch eine Zusammenschau von (3) und (5) nicht zum Ziel führe.
Der in Bezug auf die zugrundeliegende Aufgabe, nämlich den Kopfbereich der Schienenschweißverbindung aufzulegieren, einschlägige Stand der Technik sei in der CH 658 817 A5 (9) zu sehen; deshalb sei bei der Erfindung von dieser ausgegangen worden. Dort besitze die Gießform einen Überlauf. Demgegenüber sei bei der Erfindung der Überlauf geschlossen. Zudem sei dort der zweite Behälter von Nachteil, der bei der Erfindung nicht mehr erforderlich sei.
Der Patentanspruch 1 nach dem Hauptantrag lautet:
"1. Verfahren zum aluminothermischen Zwischengußschweißen von Schienen, wobei der aluminothermisch erzeugte Stahl in eine die zu verbindenden Schienenenden umgebende feuerfeste, einen Überlauf aufweisende Gießform eingegossen und Legierungszusätze mit dem Teil des aus einem Reaktionstiegel auslaufenden Stahls in Kontakt gebracht werden, der die Schweißung im Schienenkopfbereich bildet, dadurch gekennzeichnet,
- daß die Legierungszusätze an dem Riegel, ein im oberen Bereich der Gießform den Schienenkopf überdeckend angebrachtes Formstück, angeordnet sind und nach Abschluß der aluminothermischen Reaktion und Trennung des Stahles von der Schlacke nach Maßgabe eines fallenden oder eines steigenden Gusses jeweils bei fallendem Guß mit dem zuletzt bzw. bei steigendem Guß mit dem zuerst aus dem Reaktionstiegel ausfließenden Stahl in der Gießform zulegiert werden, wobei der Überlauf der Gießform geschlossen ist."
Wegen des Wortlauts des Anspruchs 1 nach Hilfsantrag, der Unteransprüche 2 bis 7 sowie weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die zu lösende Aufgabe besteht sinngemäß darin, ein möglichst einfaches Schweißverfahren anzugeben, das nur aus einem Verfahrens- bzw. Reaktionsschritt besteht, die zuzulegierenden Metalle oder Metalloide auf einfache und sichere Weise bereitstellt und es ermöglicht, diese Legierungszusätze gezielt im Schienenkopf anzureichern, um einen weniger bruchanfälligen und möglichst duktilen Fuß zu gewährleisten.
II Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
Als zuständiger Fachmann ist ein Diplom-Ingenieur mit wenigstens Fachhochschulabschluss im allgemeinen Maschinenbau mit Schwerpunkt Schweiß- oder Gießereitechnik anzusehen, der über einschlägige Berufserfahrung auf dem Gebiet des aluminothermischen Zwischengussschweißens verfügt.
1. Der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Anspruch 1 nach Hauptantrag ist zulässig. Dieser geht aus dem erteilten Anspruch 1 hervor, der seinerseits aus dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 und einer, der ursprünglichen Beschreibung S. 7, Z. 22 bis 24 entnommenen Definition entstanden ist. Gegenüber dem erteilten Anspruch 1 ist eine insgesamt sprachliche Klarstellung vorgenommen worden. Darüber hinaus ist er diesem gegenüber dahingehend beschränkt worden, dass die Legierungszusätze nunmehr "an dem Riegel...angeordnet sind", was sowohl aus den erteilten als auch den ursprünglichen Ansprüchen 2 bis 4 zu entnehmen ist.
Auch der Verbleib des geschlossenen Überlaufes im kennzeichnenden Teil und dessen allgemeine Aufnahme in den Oberbegriff des Anspruches 1 ist zulässig. Ein solcher Überlauf ist bei dem Verfahren nach der CH 658 817 A5 (9) vorhanden und erforderlich. Da die Erfindung von diesem Stand der Technik ausgeht, ist eine Gießform mit Überlauf zugrunde gelegt. Die Aufgabenlösung verlangt nunmehr, dass dieser beim erfindungsgemäßen Verfahren geschlossen ist. Im erteilten Anspruch 1 war dieser Überlauf, obgleich aus (9) bekannt, nur im kennzeichnenden Teil zu finden. Zur Behebung dieses formalen Mangels erfolgte im geltenden Anspruch 1 die Aufnahme des Überlaufs in den Oberbegriff. Obschon ein von Anfang an geschlossener Überlauf technisch äquivalent mit einem nicht vorhandenen Überlauf ist, bewirkt eine Streichung der den Überlauf betreffenden Merkmale aus dem geltenden Anspruch 1 die Gefahr einer Erweiterung des Schutzbereiches des Patents (Nichtigkeitsgrund gem. § 22 PatG) und ist daher zu vermeiden. Die Klarheit der technischen Lehre ist dadurch nicht beeinträchtigt.
Demzufolge bleibt der Überlauf ein Merkmal der Erfindung, der von Anfang an geschlossen und somit technisch mit einem nicht vorhandenen Überlauf äquivalent ist.
2. Da aus keiner der berücksichtigten Druckschriften ein Verfahren zum aluminothermischen Zwischengussschweißen von Schienen mit an einem Riegel angeordneten Legierungszusätzen hervorgeht, ist das Verfahren nach Anspruch 1 neu, was von der Einsprechenden in der mündlichen Verhandlung auch nicht bestritten worden ist.
3. Auch erfinderische Tätigkeit ist bei dem unbestreitbar gewerblich anwendbaren Verfahren zum Zwischengussschweißen nach dem geltenden Anspruch 1 gegeben, da für den Fachmann aus den berücksichtigten Druckschriften keine zur erfindungsgemäßen Lösung führenden Vorbilder und Hinweise zu erhalten sind.
Aus der DE-PS 580 035 (3) ist ein Verfahren zum aluminothermischen Zwischengussschweißen von Schienen bekannt, bei dem der aluminothermisch erzeugte Stahl in eine die zu verbindenden Schienenenden umgebende feuerfeste Gießform eingegossen wird und Legierungszusätze mit dem Teil des aus einem Reaktionstiegel auslaufenden Stahls in Kontakt gebracht werden, der die Schweißung im Schienenkopfbereich bildet. Es ist ein dort Gießbrücke genannter Riegel, d. h. ein im oberen Bereich der Gießform den Schienenkopf überdeckend angebrachtes Formstück vorgesehen, über den der aus dem Reaktionstiegel ausfließende Stahl nach Abschluss der aluminothermischen Reaktion und Trennung des Stahls von der Schlacke nach Maßgabe eines fallenden Gusses in die Gießform eingebracht wird. Dabei sind entweder Stoffe, die bei der Einsatzhärtung gebräuchlich sind, als Auskleidung der Wandungen der Gießform (Z. 35 - 37) vorgesehen oder es ist ein Legierungsmetall als Formkörper gemäß den Abbildungen in Form eines Quadratstäbchens c in die für den Zwischenguss bestimmte Stoßlücke zwischen die Schienenköpfe eingeklemmt (Z. 38 - 40). Andere Möglichkeiten zur Umsetzung der im Patentanspruch von (3) angegebenen Lehre sind nicht offenbart, eine Anordnung von Legierungszusätzen am Riegel ist nicht erwähnt oder angeregt. Der Fachmann findet in (3) die konkrete Anleitung (Z. 27 - 31), auf den letzteren, also nur auf den die Stoßlücke zwischen den Schienenköpfen ausfüllenden Teil des Zwischengussmaterials ein Veredelungsmittel einwirken zu lassen, nachdem der untere Teil der Gießform etwa bis zum Schienenkopf mit Eisen aus dem Tiegel angefüllt ist. Daher folgt er für die Anordnung der Legierungszusätze dem Vorbild, diese im Bereich der Stoßlücke zwischen den Schienenköpfen vorzusehen. Der Riegel ist in (3) aber erkennbar außerhalb dieser Stoßlücke angeordnet. Ein Anbringen der Legierungszusätze am Riegel wird vom Fachmann deshalb nicht in Erwägung gezogen. Er wäre nicht sicher, ob außerhalb der Stoßlücke am Riegel angeordnete Legierungszusätze zur gewollten Auflegierung der Stoßlücke führen. Ein Überlauf fehlt in (3).
Bei steigendem Guss wird nach (3) auch nicht der zuerst aus dem Reaktionstiegel ausfließende Stahl legiert.
Aus diesem Grund bietet sich dem Fachmann auch eine Kombination des Verfahrens nach (3) mit dem aus der US 3 495 801 (5) nicht an. Zwar finden sich dort neben den im Vordergrund stehenden Anweisungen zum Vorwärmen der Schienenenden, was Anspruch 1 nicht nennt, auch Hinweise darauf, wie das aluminothermische Zwischengussschweißen mit steigendem Guss zu handhaben ist. Eine Auflegierung der Stoßlücke zwischen den Schienenenden nur im Kopfbereich ist dort aber nicht vorgesehen.
Auch in der CH 658 817 A5 (9) findet der Fachmann keine Hinweise auf die Positionierung von separat anzuordnenden Legierungszusätzen, da dort ein anderer Weg zur Problembehandlung beschritten ist. Dort sind nämlich zwei getrennte Tiegel für unterschiedliche Ausgangsmetalle vorgesehen, die nach jeweils einer aluminothermischen Reaktion hintereinander der Gießform zugeführt werden, um im Schienenstoß Abschnitte unterschiedlicher Werkstoffeigenschaften zu schaffen.
In der DE-PS 898 989 (1) sind die dem aus dem Reaktionstiegel ausfließenden Stahl zuzulegierenden und deshalb im oberen Teil oder auf dem Boden der Gießform angeordneten Legierungszusätze für eine homogene Legierung eines einheitlichen Gussraumes vorgesehen. Bei der DE 1 901 366 A (2) ist kein Riegel vorhanden, über den der aus dem Reaktionstiegel ausfließende Stahl der Gießform zugeführt wird, außerdem wird nicht zwischen fallendem und steigendem Guss unterschieden. In der DE 1 201 156 B (4) ist nur die Gießform, nicht aber das Verfahren zum Zwischengussschweißen behandelt. Bei den weiteren Druckschriften DE 36 44 106 C1 (6), EP 0 213 111 A1 (7) und US 4 852 789 (8) werden Legierungszusätze bereits im Reaktionstiegel bereit gehalten und keine Zwischengussbereiche mit unterschiedlichen Eigenschaften geschaffen. Diese zuletzt genannten Druckschriften liegen demzufolge weiter ab und wurden in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufgegriffenen. Auch aus diesen kann der Fachmann weder einzeln noch in Verbindung mit einer der davor abgehandelten Schriften zum Ziel führende Hinweise auf eine Anordnung von Legierungszusätzen am Riegel derart erhalten, dass diese dem aus dem Reaktionstiegel ausfließenden Stahl bei fallendem Guss zuletzt, bei steigendem Guss zuerst zulegiert werden und die Legierungszusätze am Riegel angeordnet sind.
Ohne Vorbild und Anregung im Stand der Technik bedurfte es für den Fachmann somit erfinderischer Tätigkeit, um zu einem Verfahren zum aluminothermischen Zwischengussschweißen von Schienen nach Anspruch 1 gemäß Hauptantrag zu gelangen.
4. Der Anspruch 1 nach Hauptantrag ist nach alledem rechtsbeständig. Mit ihm sind das auch die rückbezogenen Ansprüche 2 bis 7, die zweckmäßige Ausgestaltungen des Verfahrens nach Anspruch 1 beinhalten.
Dr. Henkel Hotz Harrer Schmitz Fa
BPatG:
Beschluss v. 11.03.2002
Az: 11 W (pat) 33/01
Link zum Urteil:
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