Landesarbeitsgericht Hamm:
Beschluss vom 18. Januar 2008
Aktenzeichen: 13 Ta 736/07
(LAG Hamm: Beschluss v. 18.01.2008, Az.: 13 Ta 736/07)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Landesarbeitsgericht Hamm hat in der Entscheidung vom 18. Januar 2008 (Aktenzeichen 13 Ta 736/07) die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 05.11.2007 (Aktenzeichen 3 BV 37/07) zurückgewiesen. Das Gericht hat entschieden, dass die Wertfestsetzung für den Antrag zu 2) richtig und zutreffend begründet ist. Das Arbeitsgericht hatte bei der ersten Einstellung den dreifachen Betrag der Bruttomonatsvergütung des betroffenen Arbeitnehmers als Gegenstandswert angesetzt und für die weiteren fünf Fälle jeweils 25% des individuell ermittelten Ausgangswertes.
Die Arbeitgeberin hatte gegen diese Wertfestsetzung Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass der Betrag von 64.514,14 € für den Antrag zu 2) zu hoch sei und stattdessen nur 4.500,00 € berücksichtigt werden sollte. Das Arbeitsgericht hatte daraufhin teilweise der Beschwerde abgeholfen und für den Antrag zu 2) einen Betrag in Höhe von 27.378,60 € angesetzt.
Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, dass das Arbeitsgericht bei der Wertfestsetzung richtig gehandelt hat. Gemäß § 23 Abs. 3 S. 2 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes ist der Gegenstandswert in solchen Fällen grundsätzlich nach billigem Ermessen festzusetzen. In erster Linie kommt es dabei auf den objektiven Wert an. Bei personellen Einzelmaßnahmen wie Einstellungen muss die wirtschaftliche Bedeutung im Vordergrund stehen. Für Einstellungen sollte grundsätzlich das für ein Vierteljahr zu leistende Arbeitsentgelt als Gegenstandswert angesetzt werden.
Das Gericht hat festgestellt, dass dies auch für den Antrag des Betriebsrats, die erfolgten Einstellungen ohne ordnungsgemäße Beteiligung aufzuheben, gilt. Bei mehreren personellen Einzelmaßnahmen, die auf eine einheitliche unternehmerische Entscheidung zurückzuführen sind und keine Besonderheiten aufweisen, sollte der Wert typisierend festgelegt werden. Die erste Maßnahme erhält dabei den vollen Wert, während die weiteren Maßnahmen prozentuale Anteile des Ausgangswertes erhalten.
Für die erste Einstellung im Rahmen des Antrags zu 2) wurde ein Gegenstandswert von 15.000,00 € (5.000,00 € x 3) festgesetzt. Für die fünf weiteren Einstellungen wurden jeweils 25% des Ausgangswertes berechnet, was in zwei Fällen 3.750,00 € und in den anderen drei Fällen 1.759,41 €, 1.946,25 € und 1.172,94 € entspricht.
Die Beschwerde der Arbeitgeberin wurde daher abgewiesen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LAG Hamm: Beschluss v. 18.01.2008, Az: 13 Ta 736/07
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 05.11.2007 - 3 BV 37/07 - wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I.
Im Ausgangsverfahren hat der Betriebsrat mit seinem Antrag zu 1) verlangt, der Arbeitgeberin zu untersagen, Leiharbeitnehmer ohne vorherige Beteiligung einzustellen. Mit dem Antrag zu 2) hat er begehrt, die vorgenommene Einstellung von sechs Mitarbeitern aufzuheben.
Nach dem vergleichsweisen Abschluss des Verfahrens hat das Arbeitsgericht auf Antrag der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrates zunächst mit Beschluss vom 21.09.2007 den Gegenstandswert auf insgesamt 68.514,14 festgesetzt. Es ist dabei von 4.000,00 für den Antrag zu 1) zuzüglich jeweils den dreifachen Betrag der Bruttomonatsvergütung der insgesamt sechs betroffenen Arbeitnehmer ausgegangen.
Gegen diesen Beschluss hat die Arbeitgeberin insoweit Beschwerde eingelegt, als für den Antrag zu 2) insgesamt 64.514,14 als Gegenstandswert in Ansatz gebracht worden sind. Sie hält es für angemessen, für die erste Einstellung 4.000,00 und für die weiteren fünf Einstellungen jeweils 100,00 zu berücksichtigen, insgesamt also den Antrag zu 2) mit einem Betrag von 4.500,00 zu bemessen.
Daraufhin hat das Arbeitsgericht mit Beschluss vom 05.11.2007 der Beschwerde teilweise abgeholfen und für den Antrag zu 2) einen Betrag in Höhe von 27.378,60 in Ansatz gebracht (Vierteljahresverdienst des ersten Mitarbeiters und Kürzung auf jeweils 25% des Ausgangswertes bei den übrigen fünf Mitarbeitern). Im Übrigen hat es der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die gemäß § 33 RVG zulässige Beschwerde der Arbeitgeberin ist, soweit ihr nicht mit Beschluss des Arbeitsgerichts vom 05.11.2007 abgeholfen worden ist, unbegründet.
Denn zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Arbeitsgericht für den Antrag zu 2) hinsichtlich der ersten Einstellung die dreifache Bruttomonatsvergütung des betroffenen Arbeitnehmers und für die weiteren fünf Fälle jeweils 25% des individuell ermittelten Ausgangswertes (= dreifaches Bruttomonatsentgelt) zugrunde gelegt.
Die Wertfestsetzung richtet sich nach § 23 Abs. 3 S. 2 RVG. Hiernach ist der Gegenstandswert in Fällen der vorliegenden Art grundsätzlich nach billigem Ermessen zu bestimmen. Allerdings kommt diese Art der Wertfestsetzung als Auffangtatbestand erst hinter allen sonstigen Bewertungsfaktoren zum Zuge. Wo ein objektiver Wert festgestellt werden kann, kommt es in erster Linie auf ihn an. Für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren folgt
hieraus, dass die wirtschaftliche Bedeutung des jeweiligen Streitgegenstandes namentlich bei personellen Einzelmaßnahmen im Vordergrund stehen muss (LAG Hamm, Beschl. v. 24.11.1994 LAGE BRAGO § 8 Nr. 27; LAG Hamm, Beschl. v. 12.06.2001 LAGE BRAGO § 8 Nr. 50; Beschl. v. 11.10.2006 10 Ta 481/06; Beschl. v. 20.11.2006 13 Ta 670/06; GK-ArbGG/Wenzel, § 12 Rdnr. 194, 441 ff. m. w. N.).
Geht es wie hier im Rahmen des § 99 BetrVG um Einstellungen, rechtfertigt es die wirtschaftliche Bedeutung der Angelegenheit, sich an dem Streitwertrahmen des § 42 Abs. 4 GKG zu orientieren und auf die Bewertung einer entsprechenden Klage im Urteilsverfahren zurückzugreifen (zuletzt z. B. LAG Hamm, Beschl. v. 20.11.2006 13 Ta 670/06; LAG Hamm, Beschl. v. 11.10.2006 10 Ta 561/06; GK-ArbGG/ Wenzel, § 12 Rdnr. 482, jeweils m. w. N.). Denn es ist nicht gerechtfertigt, die Bemühungen des Arbeitgebers, über die
§ 99 f. BetrVG den Weg zur Durchführung einer personellen Einzelmaßnahme freizumachen, im Rahmen des § 23 Abs. 3 S. 2 RVG höher zu bewerten als der sich gegebenenfalls anschließende Streit im Urteilsverfahren um den Bestand der Maßnahme (z.B. LAG Köln LAGE BRAGO § 8 Nr. 44a).
Dementsprechend ist bei Einstellungen grundsätzlich das für ein Vierteljahr zu leistende Arbeitsentgelt in Ansatz zu bringen.
Entsprechende Erwägungen gelten für den hier auf § 101 BetrVG gestützten Antrag des Betriebsrates, die ohne seine ordnungsgemäße Beteiligung erfolgten Einstellungen aufzuheben (z. B. LAG Hamm, Beschl. v. 04.06.2003 10 TaBV 53/03; Beschl. v.12.09.2003 13 TaBV 126/03; Beschl. v. 19.10.2006 13 Ta 508/06; zustimmend GK-ArbGG/ Wenzel; § 12 Rdnr. 488).
So errechnet sich für die erste Einstellung im Rahmen des Antrages zu 2) ein Gegenstandswert in Höhe von 15.000,00 (5.000,00 x 3).
Hinzuzurechnen waren für die fünf weiteren Einstellungen jeweils 25% des Ausgangswertes (=individuell angefallener Bruttomonatsverdienst x 3), also in zwei Fällen jeweils 3.750,00 und in den anderen drei Fällen 1.759,41 , 1.946,25 sowie 1.172,94 .
Insoweit ist nämlich eine Herabsetzung des Ausgangswertes geboten, wenn mehrere personelle Einzelmaßnahmen auf eine einheitliche unternehmerische Entscheidung zurückzuführen sind und die Einzelfälle keine Besonderheiten aufweisen. Die Bedeutung einer jeden einzelnen Maßnahme nimmt umso mehr ab, je mehr Arbeitnehmer von der Gesamtmaßnahme betroffen sind (LAG Berlin, Beschluss vom 18.03.2003 - LAGE BRAGO § 8 Nr. 13 = NZA-RR 2003, 437). In Anlehnung an die Staffelung der Arbeitnehmerzahlen in § 9 BetrVG ist deshalb der Wert jeder einzelnen personellen Maßnahme typisierend festzulegen, um auf diese Weise zu einer gleichförmigen und damit den Gleichbehandlungsgrundsatz wahrenden Rechtsanwendung zu gelangen. Nach der Rechtsprechung der zuständigen Beschwerdekammern des erkennenden Gerichts ist dabei die erste personelle Maßnahme mit dem vollen Wert und die weiteren Maßnahmen mit prozentualen Anteilen des Ausgangswertes zu berücksichtigen (LAG Hamm, Beschluss vom 14.02.2005 - 13 TaBV 100/04; LAG Hamm, Beschluss vom 22.02.2005 - 13 TaBV 119/04; LAG Hamm, Beschluss vom 28.04.2005 - 10 TaBV 45/04; LAG Hamm, Beschluss vom 22.08.2005 - 10 TaBV 94/05; LAG Hamm, Beschluss vom 01.02.2006 - 10 TaBV 191/05 m.w.N.; zuletzt LAG Hamm, Beschlüsse v. 29.11.2006 13 Ta 528/06 und 13 Ta 529/06), hier also mit jeweils 25 %.
Dr. Müller
LAG Hamm:
Beschluss v. 18.01.2008
Az: 13 Ta 736/07
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/61ebe299b789/LAG-Hamm_Beschluss_vom_18-Januar-2008_Az_13-Ta-736-07