Bundespatentgericht:
Beschluss vom 17. März 2011
Aktenzeichen: 10 W (pat) 11/10

(BPatG: Beschluss v. 17.03.2011, Az.: 10 W (pat) 11/10)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Bundespatentgericht hat in seinem Beschluss vom 17. März 2011 die Beschwerde einer Anmelderin gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Rückerstattung der Prüfungsgebühr abgelehnt. Die Anmelderin hatte ihre Erfindung beim Deutschen Patent- und Markenamt angemeldet und dabei auch den Prüfungsantrag gestellt. Das Amt hatte jedoch mitgeteilt, dass keine Zeichnungen eingereicht worden seien. Die Anmelderin reichte daraufhin die Anmeldung erneut ein, diesmal inklusive der Zeichnungen, und nahm die Priorität aus der ersten Anmeldung in Anspruch. Das Bundespatentgericht hatte bereits in einer früheren Entscheidung festgestellt, dass die Eingangsbestätigung des Amts eine öffentliche Urkunde darstellt und den Eingang der Zeichnungen bestätigt. Das Amt wurde daher in die Beweispflicht für den Nichteingang der Zeichnungen gesetzt. In einem späteren Vermerk nahm das Amt den 17. Januar 2008 als Anmeldetag in die Akte auf. Die Anmelderin forderte daraufhin die Erstattung der Prüfungsgebühr für die erste Anmeldung. Das Amt lehnte dies ab und auch das Bundespatentgericht entschied, dass kein Anspruch auf Erstattung der Gebühr besteht. Weder die Regelungen im Patentkostengesetz noch der allgemeine öffentlichrechtliche Erstattungsanspruch geben Anlass für eine Rückerstattung. Es wird daher empfohlen, die Beschwerde abzulehnen. Die Rechtsbeschwerde wurde zugelassen, insbesondere aufgrund der Auslegung des § 10 Abs. 2 PatKostG.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 17.03.2011, Az: 10 W (pat) 11/10


Tenor

1.

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

2.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin hat ihre Erfindung beim Deutschen Patentund Markenamt am 17. Januar 2008 per Telefax zur Patenterteilung angemeldet, zeitgleich den Prüfungsantrag gestellt und dafür die Gebühren entrichtet. Es wurden insgesamt 35 Seiten an das Amt übermittelt, wobei, von der Beschwerdeführerin behauptet, vier Seiten Zeichnungen enthalten haben. Das Patentamt hat den Eingang von 35 Seiten schriftlich bestätigt, der Beschwerdeführerin aber mitgeteilt, dass Zeichnungen nicht eingereicht worden sind.

Daraufhin hat die Beschwerdeführerin die Anmeldung, inklusive Zeichnungen, erneut mit dem Antrag auf Patenterteilung beim Amt eingereicht und für diese Nachanmeldung unter dem Datum 2. April 2008 die Priorität aus der ersten Anmeldung in Anspruch genommen.

Den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung des 17. Januar 2008 als Anmeldetag in der ersten Anmeldung hat das Patentamt durch Beschluss vom 8. Oktober 2008 zurückgewiesen. Hiergegen hat die Beschwerdeführerin Beschwerde erhoben.

Das Bundespatentgericht hat mit seiner Entscheidung vom 8. Dezember 2008, 10 W (pat) 41/08, den Beschluss des Patentamts aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, mit dem Hinweis, dass die Eingangsbestätigung auf der Faxsendung eine öffentliche Urkunde i. S. von § 415 ZPO sei und die Eingangsbestätigung auch den Eingang der 4 Blatt Zeichnungen bestätige. Das Patentamt sei für den Nichteingang beweispflichtig, anderenfalls sei davon auszugehen, dass die Anmeldung vollständig unter dem 17. Januar 2008 beim Patentamt eingegangen sei.

Unter dem 5. Januar 2009 hat das Patentamt in der Akte vermerkt, dass der 17. Januar 2008 als Anmeldetag einzutragen sei. Dieses Datum ist auch in der Bibliografie-Mitteilung vermerkt worden, die der Anmelderin zugesandt worden ist.

Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 19. Januar 2009 die Erstattung der Prüfungsgebühr für die erste Anmeldung beantragt. Den Antrag begründet sie damit, dass die Priorität aus der ersten Anmeldung für die Nachanmeldung nur deshalb beansprucht worden sei, um den bestmöglichen Zeitrang für die Anmeldung incl. der Zeichnungen zu erhalten und dass es keine zweite Anmeldung gegeben hätte, soweit vom Patentamt als Anmeldetag der 17. Januar 2008 (incl. Zeichnungen) zugeteilt worden wäre.

Die Prüfungsstelle für Klasse GO3B des Deutschen Patentund Markenamts hat diesen Antrag durch Beschluss vom 16. Juli 2009 zurückgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, die Prüfungsgebühr sei mit Rechtsgrund gezahlt worden. Die Voraussetzung für eine ausnahmsweise Erstattung von mit Rechtsgrund entrichteter Kosten nach § 10 PatKostG lägen nicht vor. Eine Rückzahlung wegen falscher Sachbehandlung komme ebenso wenig in Betracht wie die Rückzahlung aus Billigkeitsgründen.

Gegen den Beschluss wendet sich die Beschwerdeführerin mit der Beschwerde. Sie beantragt, den Beschluss vom 16. Juli 2009 aufzuheben und die geleistete Prüfungsgebühr zur Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2008 004 991.3-51 zu erstatten.

Die Begründung der Beschwerde entspricht im Wesentlichen der Begründung für den beim Patentamt gestellten Antrag auf Rückzahlung der Prüfungsgebühr.

II.

Die Beschwerde ist zulässig aber unbegründet. Der Beschwerdeführerin steht aus keinem Rechtsgrund ein Anspruch auf Erstattung der Prüfungsgebühr für die Patentanmeldung mit dem Aktenzeichen 10 2008 004 991.3-51 zu.

1. Die in § 10 PatKostG geregelten Rückzahlungsmöglichkeiten sind nicht gegeben.

a) § 10 Abs. 1 Satz 1 PatKostG bestimmt die Rückzahlung nur für vorausgezahlte, also vor Fälligkeit entrichtete Gebühren. Die Prüfungsgebühr ist hier aber nach Fälligkeit entrichtet worden. Bei der Prüfungsgebühr bzw. Prüfungsantragsgebühr handelt es sich um eine Antragsgebühr, die mit der Stellung des Prüfungsantrags fällig wird, § 3 Abs. 1 PatKostG (vgl. auch Schulte, PatG, 8. Aufl., § 44 Rdn. 20). Die Beschwerdeführerin hat den Prüfungsantrag in der hier in Rede stehenden Anmeldung 10 2008 004 991.3-51 zugleich mit der Einreichung der Anmeldung am 17. Januar 2008 wirksam gestellt, die Prüfungsgebühr ist daher an diesem Tage fällig gewesen. Die an selbem Tag durch Einzugsermächtigung geleistete Zahlung ist somit auf eine fällige Zahlung erfolgt.

b) Ein Anspruch auf Erstattung der Prüfungsgebühr ergibt sich auch nicht aus § 10 Abs. 2, 2. Alt. PatKostG. Nach dieser Vorschrift entfällt die Gebühr für einen Antrag, wenn wegen fehlender oder nicht vollständiger Gebührenzahlung der Antrag als zurückgenommen gilt und die beantragte Amtshandlung noch nicht vorgenommen wurde. Damit soll vermieden werden, dass in diesen Fällen die an sich verfallene Gebühr beigetrieben wird (vgl. Begründung zum Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung von Kostenregelungen auf dem Gebiet des geistigen Eigentums, BlPMZ 2002, 36 ff., 43 linke Spalte; Schulte, a. a. O., § 10 PatKostG Rdn. 24). Die vorliegende Prüfungsgebühr fällt nicht unter die genannten Voraussetzungen, denn der Prüfungsantrag gilt nicht wegen fehlender oder nicht vollständiger Zahlung nach § 6 Abs. 2 PatKostG als zurückgenommen; das Prüfungsverfahren ist vielmehr beendet, weil die Anmeldung insgesamt nach § 40 Abs. 5 PatG als zurückgenommen gilt. Die Vorschrift des § 10 Abs. 2 PatKostG nennt zwar wörtlich auch den Fall, dass die Anmeldung "aufgrund anderer rechtlicher Bestimmungen als zurückgenommen gilt", womit grundsätzlich auch der Eintritt der Rücknahmefiktion nach § 40 Abs. 5 PatG gemeint sein kann. Aus dem Sinnzusammenhang der Vorschrift und ihrem Sinn und Zweck kann § 10 Abs. 2 PatKostG aber nur entnommen werden, dass in solchen Fällen die Anmeldegebühr erstattungsfähig sein kann, nicht aber, dass bei Eintritt einer Rücknahmefiktion, die sich auf die Anmeldung insgesamt bezieht, rechtzeitig und vollständig gezahlte Gebühren für Anträge zu erstatten sind, die lediglich aufgrund der Rücknahmefiktion nicht mehr bearbeitet werden können. Da hier durch die Inanspruchnahme der Priorität aus der ersten Anmeldung für die Nachanmeldung nicht der Prüfungsantrag, sondern die Anmeldung als solche als zurückgenommen gilt (§ 40 Abs. 5 PatG), ist die Prüfungsgebühr nicht erstattungsfähig.

2. Eine Rückzahlung auf der Grundlage des allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs, dessen Voraussetzungen sich im Wesentlichen nach den Bereicherungsansprüchen der §§ 812 ff. BGB bestimmen, kommt ebenfalls nicht in Betracht.

Die Beschwerdeführerin hat nicht ohne Rechtsgrund die streitgegenständliche Gebühr entrichtet. Zum Zeitpunkt der Zahlung der Gebühr lag dem Patentamt eine auf die Erteilung eines Patents gerichtete Anmeldung vor, für die auch der Prüfungsantrag gestellt war.

Die weitere in § 812 BGB geregelte Kondiktionsart, die sich darauf bezieht, dass der rechtliche Grund für die Leistung später wegfällt, kann im Patentrecht nicht zur Anwendung kommen. Für eine analoge Anwendung dieser Norm bzw. für eine Übertragung des dieser Norm zugrunde liegenden allgemeinen Rechtsgedankens fehlt es erkennbar an einer Regelungslücke im Patentkostengesetz. Im Patentkostengesetz sind die Gründe, nach denen bei Veränderung der Rechtslage eine Rückzahlung erfolgen soll, aufgeführt. Wie oben bereits ausgeführt, bezieht sich die Rücknahmefiktion nach § 40 Abs. 5 PatG nur auf die Anmeldung, nicht aber auf den mit einer Anmeldung verbundenen Prüfungsantrag.

3.

Eine Erstattung wegen falscher Sachbehandlung nach § 9 PatKostG kommt nicht in Betracht. Nach dieser Vorschrift werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. Die unrichtige Sachbehandlung muss demnach für die Entstehung der Kosten ursächlich gewesen sein. Hieran fehlt es, wenn die Kosten auch bei richtiger Behandlung der Sache entstanden wären (vgl. Schulte, a. a. O., § 9 PatKostG Rdn. 9). Die hier in Rede stehende Prüfungsgebühr ist in jedem Fall aufgrund der wirksamen Stellung des Prüfungsantrags am Anmeldetag angefallen, so dass es an der Kausalität zwischen der Zahlung der Prüfungsgebühr und einer falschen Sachbehandlung durch das Patentamt fehlt (vgl. auch BPatG 10 W (pat) 25/02 vom 23. August 2005, BPatGE 49, 123 -Prüfungsantragsgebühr).

4.

Eine Erstattung aus Billigkeitsgründen, wie sie etwa für die Beschwerdegebühr in § 80 Abs. 3 PatG vorgesehen ist, ist für die Prüfungsgebühr weder im Patentgesetz noch im Patentkostengesetz vorgesehen. Sie kommt daher nicht in Betracht, weil die im Patentkostengesetz aufgeführten und durch die Anwendung der Grundsätze des allgemeinen öffentlichrechtlichen Erstattungsanspruchs ergänzten Erstattungsregelungen bereits dem Umstand Rechnung tragen, dass eine Gebühr durch nachträglich eintretende Umstände als sachlich ungerechtfertigt erscheint (BGH X ZB 4/07 vom 22. Januar 2008, GRUR 2008, 549 -Schwingungsdämpfung). Die Regelungen sind demnach abschließend.

5.

Die Rechtsbeschwerde ist nach § 100 Abs. 2 Nr. 1 PatG, insbesondere im Hinblick auf die Auslegung des § 10 Abs. 2 PatKostG, zuzulassen.

Schülke Püschel Enstahler Pü






BPatG:
Beschluss v. 17.03.2011
Az: 10 W (pat) 11/10


Link zum Urteil:
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