Verwaltungsgericht Köln:
Beschluss vom 24. Januar 2002
Aktenzeichen: 1 L 2574/01
(VG Köln: Beschluss v. 24.01.2002, Az.: 1 L 2574/01)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die vorliegende Gerichtsentscheidung betrifft einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Köln vom 24. Januar 2002 mit dem Aktenzeichen 1 L 2574/01. In dem Beschluss wurden zwei Anträge abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens und die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen müssen von der Antragstellerin getragen werden.
Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin anzuordnen, hatte keinen Erfolg. Die beidseitigen Interessen wurden gegeneinander abgewogen und es ergab sich, dass das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit der Maßnahme überwiegt. Die Erfolgsaussichten der Klage konnten nicht mit ausreichender Gewissheit beurteilt werden. Der Bescheid der Antragsgegnerin war nicht offensichtlich rechtswidrig und sprach einiges für seine Rechtmäßigkeit.
Der Bescheid stützte sich auf § 37 TKG in Verbindung mit § 9 NZV. Die Voraussetzungen für den Erlass einer Zusammenschaltungsanordnung waren erfüllt, da beide Parteien Betreiber öffentlicher Telekommunikationsnetze waren und keine neue Vereinbarung erzielt werden konnte. Der Bescheid entsprach auch den Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes und europarechtlichen Vorgaben. Die Modalitäten der Zusammenschaltung wurden im Rahmen eines Abwägungsprozesses festgelegt, bei dem die Interessen der beteiligten Netzbetreiber berücksichtigt wurden.
Der Bescheid enthielt verschiedene Regelungen zur physischen und logischen Verbindung der Telekommunikationsnetze, die den Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes entsprachen. Diese Regelungen sind nicht offensichtlich rechtswidrig und verstoßen nicht gegen europarechtliche Vorgaben. Die Antragstellerin wurde nicht zur Änderung ihrer Netzstruktur gezwungen.
Des Weiteren wurden Regelungen zur Abrechnung von Leistungen und zur Bestandsgarantie von Zusammenschaltungsorten getroffen. Diese Regelungen sind nicht zu beanstanden und entsprechen den Befugnissen der Regulierungsbehörde.
Es wurde festgestellt, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug überwiegt. Die Antragstellerin konnte nicht hinreichend glaubhaft machen, dass sie durch die Vollziehung der Zusammenschaltungsanordnung zu einem nicht mehr reversiblen Netzumbau gezwungen würde. Konkrete Nachteile wurden nicht glaubhaft gemacht. Daher bleibt es bei dem gesetzlichen Ausschluss des Suspensiveffekts.
Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen wurden der Antragstellerin auferlegt. Die Streitwertfestsetzung orientiert sich an einer vergleichbaren Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts NRW und beträgt die Hälfte des dort angenommenen Werts.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
VG Köln: Beschluss v. 24.01.2002, Az: 1 L 2574/01
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt. Die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen trägt die Antragstellerin.
2. Der Streitwert wird auf 3.067.751,20 Euro (6.000.000 DM) festgesetzt.
Gründe
Der Antrag der Antragstellerin,
die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 8636/01 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.10.2001 anzuordnen,
hat keinen Erfolg.
Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit der im Streit befindlichen Maßnahme (§ 80 Abs. 2 TKG) und dem Interesse der Antragstelle- rin an der Aussetzung der Vollziehung fällt zu Lasten der Antragstellerin aus. Bei der im vorliegenden Verfahren nur möglichen summarischen Prüfung können die Erfolgsaussichten der Klage 1 K 8636/01 nicht mit der für ein Offensichtlichkeitsurteil erforderlichen Gewissheit beurteilt werden. Jedenfalls erweist sich der Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.10.2001 nicht als offensichtlich rechtswidrig ist (s.u. Ziff. 1)), vielmehr spricht einiges für seine Rechtmäßigkeit. Bei der aus diesem Grunde gebotenen allgemeinen Interessenabwägung ist von einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Vollziehbarkeit des Bescheides auszugehen (Ziff. 2)).
1) Der angefochtene Bescheid der Antragsgegnerin ist nicht offensichtlich rechtswidrig; vielmehr spricht vieles für seine Rechtmäßigkeit. Er ist gestützt auf § 37 TKG i.V.m. § 9 NZV. Diese Vorschriften werden vorliegend nicht durch § 33 TKG verdrängt. Zwar hat die Regulierungsbehörde vorrangig nach § 33 TKG einzuschreiten, wenn gleichzeitig die Voraussetzungen des § 33 und des § 37 TKG vorliegen.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 25.04.2001 - 6 C 6.00 - (S. 27 der Urteilsausfertigung) = NVwZ 2001, 1399 (1404).
Die Voraussetzungen des § 33 TKG dürften hier jedoch schon deshalb nicht ge- geben sein, weil die Antragstellerin der Beigeladenen nicht den Zugang zu ihrem Te- lekommunikationsnetz bzw. zu von ihr erbrachten Leistungen als solchen verweigert, sondern lediglich über die Modalitäten einer Zusammenschaltung der Telekommuni- kationsnetze der Antragstellerin und der Beigeladenen gestritten wird.
Nach § 37 TKG ordnet die Regulierungsbehörde, wenn zwischen den Betreibern öffentlicher Telekommunikationsnetze eine Zusammenschaltungsvereinbarung nicht zustande kommt, nach Anrufung durch einen Beteiligten innerhalb einer Frist von sechs Wochen, beginnend mit der Anrufung (um vier Wochen verlängerbar), die Zu- sammenschaltung an. Die nach diesen Vorgaben erforderlichen Voraussetzungen für den Erlass einer Zusammenschaltungsanordnung sind erfüllt: Sowohl die Antragstellerin als auch die Beigeladene sind Betreiber öffentlicher Tele- kommunikationsnetze. Trotz intensiver Verhandlungen im Juli und August 2001 ist es zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen auch nicht zum Abschluss einer neuen Zusammenschaltungsvereinbarung gekommen, die die zum 31.12.2001 von der Antragstellerin gekündigte "alte" Zusammenschaltungsvereinbarung hätte erset- zen können. Auf die zutreffenden Ausführungen der Regulierungsbehörde auf Seite 8 des angefochtenen Bescheides kann insoweit zur Vermeidung von Wiederholun- gen Bezug genommen werden. Schließlich hat die Regulierungsbehörde mit ihrer am 30.10.2001 ergangenen und am gleichen Tage per Telefax den Beteiligten bekannt- gegeben Entscheidung auch die - am 31.08.2001 auf 10 Wochen verlängerte - Frist zum Erlass der Zusammenschaltungsanordnung gewahrt, da der Zuammenschal- tungsantrag der Beigeladenen mit vollständigen Unterlagen am 21.08.2001 bei der Regulierungsbehörde eingegangen ist.
Es spricht vieles dafür, dass die von der Regulierungsbehörde getroffene Zusam- menschaltungsanordnung auch ihrem Inhalt nach rechtmäßig ist. Bei ihrer Entscheidung über die einzelnen Modalitäten einer Zusammenschaltung hat die Regulierungsbehörde zunächst die Vorgaben des Telekommunikationsgesetzes zu berücksichtigen. Dieses enthält in § 3 Nr. 24 TKG eine Begriffsbestimmung, nach der unter "Zusammenschaltung" derjenige Netzzugang zu verstehen ist, der die phy- sische und logische Verbindung von Telekommunikationsnetzen herstellt, um Nut- zern, die an verschiedenen Telekommunikationsnetzen angeschaltet sind, die mittel- bare oder unmittelbare Kommunikation zu ermöglichen. Dabei geht die Kammer al- lerdings davon aus, dass diese Regelung den Inhalt einer Zusammenschaltungsan- ordnung nicht nur auf die eigentliche physische und logische Zusammenschaltung als solche begrenzt, sondern jedenfalls für solche zusätzliche Dienstleistungen Raum lässt, die mit der Zusammenschaltung in einem engen Zusammenhang stehen und für die Erbringung der Zusammenschaltungsleistung erforderlich sind, weil die Zu- sammenschaltung ansonsten ins Leere liefe oder nicht funktionieren würde.
Vgl. auch Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, § 37 TKG Rdn. 19; Beschluss der Kammer vom 24.10.2001 - 1 L 1681/01 - .
Darüber hinaus müssen die getroffenen Anordnungen nach § 37 Abs. 3 S. 3 TKG den Maßstäben des § 35 Abs. 2 TKG entsprechen, d.h. auf objektiven Maßstäben beruhen, nachvollziehbar sein, und einen gleichwertigen Zugang zu den Telekommunikatonsnetzen eines Betreibers gewähren sowie europarechtlichen Vorgaben genügen, wie etwa der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG vom 30.06.1997, ABl. Nr. L 199/32, deren Art. 3 Abs. 2 die Sicherstellung einer "angemessenen", effizienten Zusammenschaltung vorschreibt, oder der ONP- Richtlinie 90/387/EG vom 28.06.1990, ABl. EG Nr. L 192/1, die in Art. 3 Abs. 2 i.V.m. Art. 2 Nr. 6 Einschränkungen des Netzzuganges nur aus Gründen der Sicherheit des Netzbetriebs, der Aufrechterhaltung der Netzintegrität und der Interoperabilität der Dienste oder aus anderen eng begrenzten Gründen zulässt. Weitere Regelungen bezüglich der Modalitäten der Zusammenschaltung enthält das TKG selbst nicht, sondern verweist wegen der Inhalte einer Zusammenschaltungsan- ordnung gemäß § 37 Abs. 3 S. 1 und 2 TKG auf die Bestimmungen der Netzzugangsverordnung (NZV). Diese enthält in der Anlage zu § 5 Abs. 2 NZV zwar Hinweise auf Gegenstände, an denen sich Zusammenschaltungsvereinbarungen ausrichten sollen. Eine vergleichbare Regelung ist in der Zusammenschaltungsanordnungen betreffenden Vorschrift des § 9 NZV jedoch nicht zu finden. Die letztgenannte Bestimmung regelt in erster Linie (an § 37 TKG anknüpfend) Einzelheiten des Zusammenschaltungsverfahrens; hinsichtlich der Modalitäten einer Zusammenschaltungsanordnung enthält sie hingegen keine Vorgaben und regelt in Abs. 4 lediglich, dass die Regulierungsbehörde bei einer Entscheidung nach § 37 TKG die Interessen der Nutzer sowie die unternehmerische Freiheit jedes Netzbetreibers zur Gestaltung seines Telekommunikationsnetzes zu berücksichtigen hat. Aufgrund des Inhalts dieser Vorschrift wie auch der Forderung des Art. 3 Abs. 2 der Zusammenschaltungsrichtlinie 97/33/EG nach einer "angemessenen" Zusammenschaltung ist davon auszugehen, dass die Regulierungsbehörde die einzelnen Zusammenschaltungsmodalitäten im Rahmen eines Abwägungsprozesses festzulegen hat, der die Interessen der beteiligten Netzbetreiber in einen gerechten Ausgleich bringt. Dabei spricht vieles dafür, dass die getroffene Abwägungsentscheidung nur einer eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist. Mit dieser Tendenz wohl auch: OVG NRW, Beschluss vom 23.02.2000 - 13 B 1996/99 - ( S. 3 ).
Dies folgt zunächst aus dem Umstand, dass durch eine Zusammenschaltungsanordnung eine fehlende Zusammenschaltungsvereinbarung ersetzt werden soll, d.h. der Regulierungsbehörde die Rolle eines Streit- entscheiders
- vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23.02.2000, a.a.O., unter Hinweis auf Art. 9 Abs. 5 der Richtlinie 97/33 EG -
oder eines den Inhalt der Leistung bestimmenden Dritten entsprechend dem Rechtsgedanken des § 315 BGB zukommt, was dafür spricht, dass die letztverbindliche Entscheidungskompetenz der Regulierungsbehörde vorbehalten ist. Zudem steht einer vollen gerichtlichen Überprüfbarkeit entgegen, dass der Regulie- rungsbehörde eine Entscheidung abverlangt wird, ohne dass für deren Inhalt - wie aufgezeigt - nähere rechtliche Vorgaben existieren.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 16.12.1992 - 1 BvR 167/87- NVwZ 1993, S. 666 (670).
Es spricht daher vieles dafür, dass die vorliegende Abwägungsentscheidung - ähnlich Planungs- oder Prognoseentscheidungen mit Abwägungscharakter
- vgl. hierzu Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 114 Rdn. 35, 36 u. 37 -
nur im Hinblick darauf überprüft werden kann, ob die Entscheidung der Regulierungsbehörde auf einem zutreffend ermittelten Sachverhalt und einem alle maßgeblichen Gesichtspunkte berücksichtigenden Abwägungsprozess beruht und das Abwägungsergebnis nicht schlechthin unvertretbar ist.
Bei Anwendung dieser Grundsätze dürfte die von der Regulierungsbehörde verfügte Zusammenschaltungsanordnung, soweit sie von der Antragstellerin angegriffen worden ist, nicht zu beanstanden sein. Die in Ziffer 3 des Bescheides vom 30.10.2001 enthaltene Regelung, dass Grundlage der Leistungserbringung in Ziffer 1. und der Bestellung die Anlage F (Stand 19.12.00) ist, die die Antragstellerin in ihrem Extranet am 19.12.00 eingestellt hatte, versteht die Kammer dahingehend, dass hiermit die einzelnen aus der Anlage F ersichtlichen Zusammenschaltungspunkte festgelegt werden sollen, an denen die Antragstellerin der Beigeladenen - nach deren Wahl - eine Verknüpfung ihrer Telekommunikationsnetze zu ermöglichen hat und über die die Zusammenschaltungsleistungen B.1 und B.2 zu erbringen sind bzw. für die Bestellungen (von ICAs) vorzunehmen sind. Diese Regelung verstößt zunächst nicht gegen die oben genannten Bestimmungen. Sie stellt die den Kern der Zusammenschaltung ausmachende eigentliche physische und logische Zusammenschaltung zweier Telekommunikationsnetze i.S.d. § 3 Nr. 24 TKG sicher. Es ist auch weder geltend gemacht noch sonst erkennbar, dass dieser Teil der Anordnung gegen die nach §§ 37 Abs. 3 S. 3, 35 Abs. 2 TKG zu beachtenden Grundsätze oder europarechtliche Vorgaben verstieße. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass durch die Bestimmung der in in Anlage F (Stand: 19.12.00) genannten Zusammenschaltungspunkte Netzsicherheit, Netzintegrität oder Interoperabilität von Diensten gefährdet wären. Dies folgt schon daraus, dass nach den insoweit glaubhaften und von der Antragstellerin nicht bestrittenen Angaben der Beigeladenen die von der Antragsgegnerin verfügte Zusammenschaltung bereits seit dem 01.01.02 praktiziert wird, ohne dass technische Probleme aufgetreten wären. Es spricht ferner vieles dafür, dass die genannte Regelung keinen zur Rechtswidrigkeit der Zusammenschaltungsanordnung führenden Abwägungsmangel im obigen Sinne enthält, d.h. bei der Abwägung keine entscheidungserheblichen Gesichtspunkte außer Betracht geblieben sind und das Abwägungsergebnis auch nicht schlechthin unvertretbar ist. Anhaltspunkte für ein unvertretbares Abwägungsergebnis sind insbesondere nicht aufgrund des Vortrages der Antragstellerin erkennbar, Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides stelle einen mittelbaren Zwang zur Änderung ihrer Netzstruktur dar, den das OVG NRW in seiner Entscheidung vom 08.05.2001 - 13 B 69/01 - für aller Voraussicht nach unzulässig erklärt habe. Dabei mag offenbleiben, ob der Rechtsprechung des OVG zu folgen ist. Die Antragstellerin wird aufgrund der genannten Regelung nämlich nicht zur Änderung ihrer Netzstruktur genötigt. Durch Ziffer 3 des angegriffenen Bescheides wird die Antragstellerin nicht etwa zur Schaffung neuer Zusammenschaltungspunkte gezwungen, vielmehr wird lediglich die Zahl der Zusammenschaltungspunkte auf einen Teil der technisch möglichen Punkte beschränkt. Dass aus diesem Grunde Teile der tatsächlich vorhandenen Netzstruktur der Antragstellerin nicht von der Beigeladenen in Anspruch genommen werden, dürfte als solches nicht zu einem Umstrukturierungszwang führen. Soweit die Antragstellerin geltend gemacht hat, die Nichtberücksichtigung von 461 LEZB führe zu erhöhten Verkehrskonzentrationen an den übrigen Verkehrsknotenpunkten, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Die Beigeladene war in der Vergangenheit sogar nur an den 23 Grundeinzugsbereichen (GEZB), also auf der obersten von 3 Netzebenen, mit dem Netz der Antragstellerin zusammengeschaltet, ohne dass dies die Antragstellerin zu einer Umstrukturierung ihres Netzes genötigt hätte. Ein etwaiger mittelbarer Zwang zur Netzstrukturänderung dürfte seine Ursache deshalb allenfalls darin haben, dass die Antragstellerin aufgrund der aus dem EBC- Genehmigungsbescheid vom 12.10.2001 erkennbaren Praxis der Regulierungs- behörde davon ausgehen muss, dass die von der Beigeladenen für Zusammenschal- tungsleistungen zu zahlenden EBC-Entgelte nur in Form von 3 Tarifzonen und auf der Grundlage eines 2-Ebenennetzes genehmigt werden, so dass für die eventuelle Inanspruchnahme eines Teils der Netzelemente (SEZB) kein Entgelt beansprucht werden kann. Um diese Entgeltgenehmigung geht es im vorliegenden Verfahren aber gerade nicht. Entgegen der Auffassung der Antragstellerin leidet die von der Regulierungsbehörde getroffene Abwägungsentscheidung auch nicht deshalb an einem Mangel, weil die getroffene Anordnung nicht den Vorstellungen aller Marktteilnehmer entspreche und deshalb der für den Abwägungsprozess nach der eigenen Auffassung der Antragsgegnerin maßgebliche Gesichtspunkt der Marktnähe verletzt sei. Es kann offen bleiben, inwieweit Vorstellungen der Marktteilnehmer unter dem Gesichtspunkt der Marktnähe den Abwägungsprozess der Regulierungsbehörde konkretisieren oder einschränken können. Ein Abwägungsmangel könnte sich in diesem Falle nämlich allenfalls dann ergeben, wenn die Regulierungsbehörde Einzelheiten einer Zusammenschaltungsanordnung gegen die einhelligen Vorstellungen aller Marktteilnehmer durchsetzen wollte. Entsprechen bestimmte Modalitäten einer Zusammenschaltungsanordnung hingegen - wie vorliegend - nur den Vorstellungen eines Teiles der Marktteilnehmer, den Vorstellungen eines anderen Teiles hingegen nicht, so wird die Regulierungsbehörde denknotwendig zu einer Entscheidung gezwungen, die nicht die Interessen aller Marktteilnehmer berücksichtigt. Gerade dies entspricht aber ihrer oben erwähnten Funktion als streitentscheidender Stelle. Die von den vorliegenden Zusammenschaltungsmodalitäten abweichenden Vor- stellungen einzelner anderer Marktteilnehmer sind deshalb als solche nicht geeignet, einen Abwägungsmangel zu begründen.
Es spricht weiterhin vieles dafür, dass auch Ziffer 2 des angegriffenen Bescheides nicht zu beanstanden ist. Danach wird der Antragstellerin, soweit sie die bis zum 09.11.01 bzw. 31.12.01 bestellten ICAs für neue Zusammenschaltungsstandorte, für die die Antragstellerin den Aufbau des Netzüberganges bis zum 31.12.01 bzw. 28.02.02 (die Nennung des Datums 28.02.01 ist ersichtlich ein Schreibfehler) realisiert oder die Realisierung geplant hat, nicht bis zum 28.02.02 bzw. 31.05.02 bereitgestellt hat, aufgegeben, auf Verlangen der Beigeladenen den Verkehr in und aus dem LEZB des betroffenen Zusammenschaltungsstandortes ab dem folgenden Monat nach Tarifstufe 1 abzurechnen. Die Antragstellerin hält diese "Alsob-Tarifierung" für eine Entgeltfestsetzung, die nach der Rechtsprechung der Kammer und des OVG NRW im Zusammenschaltungsverfahren nicht zulässig sei. Diese Einschätzung vermag die Kammer indes nicht zu teilen. Zwar folgt sie der Antragstellerin insoweit, als diese Regelung die Abrechnung von Leistungen betrifft und daher Entgeltcharakter haben dürfte. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die genannte Anordnung nur im Rahmen eines vom Zusammenschaltungsverfahren unabhängigen, gesondert durchzuführenden Entgeltgenehmigungsverfahren nach §§ 39, 24, 25 Abs. 1 und 3, 27, 28, 29, 30 Abs. 1 und 3 bis 6 und 31 TKG ergehen dürfte. Dies steht nicht im Widerspruch zur Spruchpraxis der Kammer und des OVG NRW.
Vgl. insoweit: Urteil der Kammer vom 30.08.2001 - 1 K8253/00 - und Beschluss des OVG NRW vom 03.05.2001 - 13 B 69/01 -.
Für die Durchführung eines Entgeltgenehmigungsverfahrens nach den o.g. Vorschriften ist nämlich bereits deshalb kein Raum, weil es bei der "Alsob- Tarifierung" um ein von der Regulierungsbehörde selbst pauschal festgesetztes Entgelt mit Vertragsstrafencharakter und nicht um ein von der Antragstellerin verlangtes Entgelt geht, das im Hinblick auf seine Vereinbarkeit mit dem in § 24 Abs. 1 TKG aufgestellten Grundsatz der effizienten Leistungsbereitstellung oder den in § 24 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 TKG genannten Vorgaben einer weiteren Überprüfung bedürfte. Im Übrigen ist nicht erkennbar, dass die genannte Regelung gegen zwingende rechtliche Vorgaben verstoßen würde. Sie dient einer beschleunigten Umsetzung der Zusammenschaltung des Telekommunikationsnetzes der Antragstellerin mit dem der Beigeladenen und steht deshalb mit dieser in dem nach den obigen Vorgaben erforderlichen engen Zusammenhang. Auch ist nicht ersichtlich, dass die Anordnung Abwägungsmängel enthalten oder sich im Ergebnis als schlechthin unvertretbar erweisen würde.
Gleiches gilt im Ergebnis für die von der Antragstellerin angegriffene "Bestandsgarantie" der in Anlage F (Stand 19.12.00) aufgeführten GEZB und LEZB für aufgrund von Bestellungen realisierte Zusammenschaltungsorte bis 31.12.06 bzw. 31.05.09 in Ziffer 4 des Bescheides vom 30.10.2001. Es geht schon im Ansatz fehl, wenn die Antragstellerin davon ausgeht, ihr könnten im Rahmen einer Zusammenschaltungsanordnung seitens der Regulierungsbehörde nur Verpflichtungen auferlegt werden, für die im TKG oder der NZV eine konkrete Ermächtigung vorgesehen sei. Vielmehr ist die Regulierungsbehörde, wie oben ausgeführt, befugt, die einzelnen Modalitäten der Zusammenschaltung im Rahmen des ihr zukommenden Beurteilungsspielraumes festzulegen und damit auch einzelne Verpflichtungen für die Zusammenschaltungspartner zu begründen. Dass die Grenzen dieses Beurteilungsspielraumes bezüglich der in Ziffer 4 enthaltenen Regelung überschritten wären, ist von der Antragstellerin nicht dargetan und an- gesichts des Umstandes, dass einerseits eine Bestandsgarantie der Zusammenschaltungsstandorte zur Gewährleistung von Planungssicherheit für die Wettbewerber unerlässlich sein dürfte und der Antragstellerin andererseits in Ziffer 4 unter bestimmten Voraussetzungen die Auflösung einzelner Standorte, ab 01.06.2006 die Auflösung von 5% der Standorte jährlich, ermöglicht wird, auch sonst nicht ersichtlich.
2) Bei der nach den vorstehenden Ausführungen gebotenen allgemeinen - von den Erfolgsaussichten unabhängigen - Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug. Zunächst vermag die Kammer dem Vortrag der Antragstellerin, die Vollziehung der Zusammenschaltungsanordnung zwinge sie zumindest mittelbar zu einem aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr reversiblen Netzumbau, der nach Planungen aus den Jahren 1992/93 Kosten in Höhe von 2,3 Milliarden DM verursachen werde, nicht zu folgen. Abgesehen davon, dass nach den obigen Ausführungen die Zusammenschaltungsanordnung als solche gerade nicht zur Veränderung der Netzstruktur zwingt, sind die geltend gemachten Netzumbaukosten nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Wie die Kammer bereits im Beschluss vom 17.12.2001 im Verfahren 1 L 2575/01 ausgeführt hat, hat die Antragstellerin die genannten Investitionen nicht näher aufgeschlüsselt und darüber hinaus keinerlei Angaben zur Höhe der durch den Umbau des Netzes anfallenden Einsparungen gemacht und insoweit lediglich pauschal behauptet, den zu erwartenden Investitionen stünden keine Einsparungen in gleicher Höhe gegenüber.
Auch soweit die Antragstellerin geltend gemacht hat, für die Durchführung der Zusammenschaltung seien sofortige Umbaumaßnahmen mit einem Kostenaufwand von insgesamt 19,177 Mio Euro erforderlich, ist dies nicht hinreichend glaubhaft gemacht. Zunächst liegt diesem Einwand (jedenfalls teilweise) die These zugrunde, es werde aufgrund der Zusammenschaltungsanordnung vermehrt zur Rückschaltung von bisher an den KVSt im SEZB geschalteten ICAs an die dem GEZB zugeordneten VSten kommen. Von einem derartigen Effekt kann bei der vorliegend allein im Streit befindlichen Zusammenschaltungsanordnung jedoch schon deshalb nicht ausgegangen werden, weil die Beigeladene mit ihrem Netz, wie bereits oben ausgeführt, in der Vergangenheit ohnehin an den 23 GEZB mit dem Netz der Antragstellerin zusammengeschaltet war.
Im Übrigen hat die Beigeladene zu Recht darauf verwiesen, dass die Antragstellerin offensichtlich ohne Probleme in der Lage war, ab dem 01.01.2002 eine Zusammenschaltung auf der Grundlage der 475 LEZB der Anlage F (Stand: 19.12.00) vorzunehmen. Dementsprechend hat die Antragstellerin der Beigeladenen auch eine Übergangsvereinbarung angeboten, die für den Fall eines für die Antragstellerin negativen Ausgangs des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens eine (sofortige) Zusammenschaltung auf der Basis von 475 LEZB vorsieht. Vor diesem Hintergrund ist für die Kammer nicht nachvollziehbar, dass es vor einer Durchführung der angeordneten Zusammenschaltung zunächst erheblicher Umbaumaßnahmen (mit einem angeblichen Planungsvorlauf von ca. einem Jahr, vgl. Bl. 21 der Antragsschrift) bedarf.
Fehlt es nach allem an der Glaubhaftmachung konkreter Nachteile durch die Antragstellerin, so muss es bei dem im Interesse der Schaffung von Wettbewerb (§ 1 TKG) angeordneten gesetzlichen Ausschluss des Suspensiveffektes (§ 80 Abs. 2 TKG) verbleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht billigem Ermessen, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, da diese einen Antrag gestellt und sich daher dem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt hat.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG. Dabei orientiert sich die Kammer an der Streitwertbestimmung des OVG NRW im ersten EBC-Verfahren (vgl. Beschluss vom 03.05.2001 - 13 B 69/01 -) und setzt von dem dort angenommenen Wert von 12 Millionen DM nur die Hälfte an, weil es hier nur um eine Zusammenschaltungsanordnung und nicht zusätzlich auch um eine Entgeltge- nehmigung geht.
VG Köln:
Beschluss v. 24.01.2002
Az: 1 L 2574/01
Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/6237aa0eec8d/VG-Koeln_Beschluss_vom_24-Januar-2002_Az_1-L-2574-01