Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Beschluss vom 27. Juli 2009
Aktenzeichen: 6 W 63/09
(OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 27.07.2009, Az.: 6 W 63/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem Beschluss vom 27. Juli 2009 (Aktenzeichen 6 W 63/09) entschieden, dass die Antragsgegnerin lediglich 2.349,41 EUR nebst Zinsen an die Antragsteller zu erstatten hat. Eine weitere Beschwerde der Antragsgegnerin wurde zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin muss die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens tragen, während die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu 12% von den Antragstellern und zu 88% von der Antragsgegnerin zu tragen sind. Der Beschwerdewert wurde auf 761,13 EUR festgesetzt. Es wurde außerdem die Rechtsbeschwerde zugelassen.
In dem Verfahren ging es um die Erstattungsfähigkeit von anwaltlichen Reisekosten im Rahmen eines Kostenfestsetzungsverfahrens. Die Antragsteller hatten in O1 eine einstweilige Verfügung gegen die Antragsgegnerin aus O2 aufgrund wettbewerbswidrigen Verhaltens und Verletzung des Persönlichkeitsrechts erwirkt. Das Landgericht Frankfurt am Main bestätigte die einstweilige Verfügung und legte der Antragsgegnerin die Kosten des Eilverfahrens auf. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller war in O1 ansässig und nahm an der Verhandlung vor dem Landgericht Frankfurt teil.
Der Rechtspfleger hat die Reisekosten des Antragstellervertreters, bestehend aus Flugkosten, Taxikosten und Tage- und Abwesenheitsgeld, in Höhe von 761,13 EUR als erstattungsfähig festgesetzt. Die Antragsgegnerin hat hiergegen sofortige Beschwerde eingelegt und argumentiert, dass die Antragsteller den Eilantrag auch beim Landgericht Berlin hätten stellen können, um die Reisekosten zu vermeiden. Alternativ hätte der Antragstellervertreter mit der Bahn reisen können, was zu geringeren Kosten geführt hätte.
Das Gericht hat entschieden, dass die Reisekosten des Antragstellervertreters erstattungsfähig sind, da die Antragsgegnerin an ihrem Geschäftssitz oder Wohnsitz einen Rechtsanwalt beauftragen durfte. Es spielt dabei keine Rolle, dass die Antragsteller das Verfahren auch beim Landgericht Berlin hätten führen können. Das Gericht beruft sich auf die Rechtsprechung, wonach dem Kläger durch die Ausübung seines Wahlrechts keine kostenrechtlichen Nachteile entstehen dürfen. Es ist nicht Aufgabe des Kostenfestsetzungsverfahrens, die Zweckmäßigkeit der Gerichtsstandswahl zu überprüfen.
Der Senat hält es in Anwendung einer typisierenden Betrachtungsweise in der Regel für angemessen, dass ein Rechtsanwalt auf Strecken wie zwischen O1 und O3 das Flugzeug benutzt, solange die entstehenden Kosten in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung der Sache stehen. Dabei sind jedoch nur die Kosten der Economy Class erstattungsfähig und nicht die höheren Kosten der Business Class. Die Vorteile einer Business Class rechtfertigen keine höheren Kosten, insbesondere bei kurzen Inlandsflügen.
Im vorliegenden Fall betrugen die Flugreisekosten in der Business Class nach Angaben der Antragsteller 520,62 EUR. Dieser Betrag muss von der Antragsgegnerin erstattet werden. Zusätzlich dazu kommen die geltend gemachten Taxikosten und das Tage- und Abwesenheitsgeld. Der insgesamt festzusetzende Kostenbetrag wurde daher von 2.441,13 EUR auf 2.349,41 EUR reduziert. Die weitergehende Beschwerde wurde abgewiesen.
Das Gericht hat außerdem die Rechtsbeschwerde zugelassen, da die Frage, ob sich aus der Gerichtsstandswahl kostenrechtliche Nachteile ergeben können, grundsätzliche Bedeutung hat und bisher nicht einheitlich in der obergerichtlichen Rechtsprechung beurteilt wurde.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Frankfurt am Main: Beschluss v. 27.07.2009, Az: 6 W 63/09
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird teilweise dahin abgeändert, dass die Antragsgegnerin lediglich 2.349,41 EUR nebst Zinsen in der festgesetzten Höhe an die Antragsteller zu erstatten hat.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens hat die Antragsgegnerin zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens haben die Antragsteller 12% und die Antragsgegnerin 88% zu tragen.
Beschwerdewert: 761,13 EUR
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten im Kostenfestsetzungsverfahren über die Erstattungsfähigkeit anwaltlicher Reisekosten.
Die Antragsteller, die in O1 ansässig sind, haben gegen die in O2 ansässige Antragsgegnerin vor dem Landgericht Frankfurt am Main wegen wettbewerbswidrigen Verhaltens und Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts eine einstweilige Verfügung erwirkt. Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung durch Urteil vom 04.11.2008 aufrechterhalten und der Antragsgegnerin die weiteren Kosten des Eilverfahrens auferlegt. Der Prozessbevollmächtigte der Antragsteller ist in O1 ansässig; er hat den Verhandlungstermin vor dem Landgericht Frankfurt am 04.11.2008 wahrgenommen.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 13.02.2009 (Bl. 154 f. d.A.) ist der von der Antragsgegnerin zu erstattende Betrag auf 2.441,13 EUR festgesetzt worden. Hierbei hat der Rechtspfleger die wegen der Wahrnehmung des Verhandlungstermins geltend gemachten Reisekosten des Antragstellervertreters antragsgemäß wie folgt berücksichtigt: Flugkosten 612,34 EUR, Taxikosten 88,79 EUR, Tage- und Abwesenheitsgeld 60 EUR. Die Summe der genannten Beträge beläuft sich auf 761,13 EUR (netto).
Gegen die Festsetzung dieser Kosten wendet sich die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde. Sie wendet ein, die Antragsteller hätten den Eilantrag beim LG Berlin stellen und auf diese Weise die Reisekosten ihres Prozessbevollmächtigten vermeiden können. Vorsorglich macht sie geltend, dass der Antragstellervertreter nach O3 mit der Bahn hätte reisen können statt das Flugzeug zu benutzen. In diesem Falle wären auch die Taxikosten nicht in der geltend gemachten Höhe entstanden.
Die Antragsteller verteidigen den angefochtenen Beschluss. Sie haben nach gerichtlichem Hinweis auf die Rechtsprechung des Senats zur Höhe erstattungsfähiger Flugreisekosten (Bl. 176 d.A.) unter Vorlage eines entsprechenden Ausdrucks der X vorgetragen, dass die Flugreisekosten bei Benutzung der Economy Class anstelle der Business Class 520,62 EUR (netto) betragen hätten.
Der Einzelrichter hat gemäß § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO die Sache dem Senat zur Entscheidung übertragen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache nur zu einem geringen Teil Erfolg.
Der Rechtspfleger hat dem Grunde nach zu Recht die geltend gemachten Reisekosten und das Abwesenheitsgeld als erstattungsfähig angesehen.
Die Antragsteller durften einen an ihrem Geschäftssitz bzw. Wohnsitz in O1 ansässigen Rechtsanwalt mit der Prozessvertretung beauftragen. Dessen Reisekosten zum Verhandlungstermin beim Prozessgericht in Frankfurt am Main sind erstattungsfähig. Dem steht nicht entgegen, dass die Antragsteller das Verfahren auch beim Landgericht Berlin hätten führen können. Denn nach der Rechtsprechung des Senats (z.B. Beschluss vom 23.10.1984 € 6 W 131/84) dürfen dem Kläger durch die Ausübung seines Wahlrechts gemäß § 35 ZPO keine kostenrechtlichen Nachteile erwachsen; die Zweckmäßigkeit der Gerichtsstandswahl ist im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zu überprüfen. Diese Auffassung des Senats stimmt mit der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur überein (vgl. OLG Köln, JurBüro 1992, 104; OLG München, JurBüro 1994, 477 mit zustimmender Anmerkung Mümmler; OLG Hamburg, JurBüro 1999, 367; Zöller/Vollkommer, ZPO, 27. Auflage, § 35 Rn 3; Musielak/Heinrich, 6. Auflage, § 35 Rn 4; Hess in: Ullmann jurisPK-UWG, 2. Aufl. 2009, § 14 Rn 19; a.A.: OLG Stuttgart, OLGR 2008, 768 mit ablehnender Anmerkung Schneider, AGS 2008, 625; Zöller/Herget, ZPO, § 91 Rn 13 unter €Wahl des Gerichtsstandes€).
Bei einer Entfernung wie derjenigen zwischen O1 und O3 kann ein Rechtsanwalt ohne kostenrechtliche Nachteile für seine Partei das Flugzeug benutzen, sofern € wie es hier der Fall ist € die Bedeutung der Sache zu den entstehenden Reisekosten in einem angemessenen Verhältnis steht. Dies hat der erkennende Senat in Anwendung der bei Kostenfestsetzungsfragen grundsätzlich gebotenen typisierenden Betrachtungsweise (vgl. BGH, WRP 2008, 363, Tz. 8 m.w.N.) bereits mehrfach entschieden (vgl. die Beschlüsse des Senats vom 06.11.2003 € 6 W 179/03, 19.02.2004 € 6 W 136/03, 11.01.2006 € 6 W 201/05, 08.05.2006 € 6 W 54/06 € und 11.02.2008 € 6 W 207/07). Hieran wird festgehalten.
Allerdings sind die Kosten für eine Flugreise des Prozessbevollmächtigten nur bis zur Höhe des Betrages erstattungsfähig, der bei Benutzung der Economy Class anfällt bzw. angefallen wäre (so auch OLG Düsseldorf, JurBüro 2009, 199; a.A. OLG Hamburg, JurBüro 2008, 432). Im Regelfall entstehen in der Business Class im Vergleich zur Economy Class deutlich höhere Kosten mit der Folge, dass die Kosten der Flugreise dann nicht mehr in einem akzeptablen Verhältnis zu den Kosten stehen, die bei Benutzung der Bahn (1. Wagenklasse) entstünden. Die Vorteile, die mit der Benutzung der Business Class verbunden sind, wiegen jedenfalls bei relativ kurzen Inlandsflügen, wie sie auf den Strecken von O1, O4 oder O5 nach O3 anfallen, nicht so schwer, dass sie die Verursachung der Mehrkosten der Business Class rechtfertigen.
Auf den Grundsatz, dass auf den Strecken von O1, O4 oder O5 nach O3 in hinreichend bedeutenden Streitsachen die Benutzung des Flugzeugs angemessen ist, hierbei aber nur die bei Benutzung der Economy Class entstehenden Kosten in Ansatz zu bringen sind, ist im Interesse der Rechtsklarheit in Anwendung einer typisierenden Betrachtungsweise auch dann abzustellen, wenn im Einzelfall € wie vorliegend € die in der Economy Class anfallenden Kosten vergleichsweise hoch sind.
Im vorliegenden Fall ist nach dem Vorbringen der Antragsteller im Schriftsatz vom 29.06.2009, dem die Antragsgegnerin nicht mehr entgegengetreten ist, davon auszugehen, dass ein Flug in der Business Class 520,62 EUR gekostet hätte. Dieser Betrag ist von der Antragsgegnerin zu erstatten. Hinzu kommen die geltend gemachten Taxikosten sowie das Tage- und Abwesenheitsgeld.
Der insgesamt festzusetzende Kostenbetrag war demnach von 2.441,13 EUR um 91,72 EUR auf 2.349,41 EUR zu ermäßigen. Die weitergehende Beschwerde war zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO. Von einer Ermäßigung der nach Nr. 1812 GKG-KV anfallenden und von der Beschwerdeführerin zu tragenden Gerichtsgebühr hat der Senat in Anbetracht des geringen Erfolgsanteils der Beschwerde abgesehen.
Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO zugelassen, da die Frage, ob sich aus der Gerichtsstandswahl kostenrechtliche Nachteile ergeben können, grundsätzliche Bedeutung hat und in der obergerichtlichen Rechtssprechung nicht einheitlich beurteilt wird.
OLG Frankfurt am Main:
Beschluss v. 27.07.2009
Az: 6 W 63/09
Link zum Urteil:
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