Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 24. April 2007
Aktenzeichen: X ZB 16/06

(BGH: Beschluss v. 24.04.2007, Az.: X ZB 16/06)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Die vorliegende Gerichtsentscheidung des Bundesgerichtshofs betrifft einen Rechtsstreit um ein deutsches Patent für eine Windenergieanlage. Der Patentinhaber hatte gegen den Beschluss des Bundespatentgerichts, das Streitpatent zu widerrufen, eine Rechtsbeschwerde eingelegt. Der Bundesgerichtshof weist die Rechtsbeschwerde aufgrund des Mangels der Patentfähigkeit zurück.

In dem Verfahren ging es um den Patentanspruch 5, der die Anordnung elektrischer Leitelemente an den Rotorblättern einer Windenergieanlage betrifft. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent widerrufen, da der Gegenstand des Patentanspruchs 5 nicht neu sei. Es konnte nachgewiesen werden, dass Windenergieanlagen eines bestimmten Typs bereits vor der Anmeldung des Patents von der E. GmbH genutzt wurden. Diese Anlagen wiesen alle Merkmale des Patentanspruchs 5 auf, insbesondere auch eine Rotorwelle.

Der Patentinhaber argumentierte in der Rechtsbeschwerde, dass ihm das rechtliche Gehör versagt worden sei, da das Bundespatentgericht eine überraschende Entscheidung getroffen habe. Der Bundesgerichtshof hält dies jedoch nicht für zutreffend. Er erklärt, dass das Bundespatentgericht aufgrund des Vorbringens der Parteien, insbesondere der kontroversen Bewertung der technischen Beschaffenheit der vorbekannten Windenergieanlage, zu dem Schluss gekommen sei, dass über das Vorliegen der Rotorwelle gestritten werde. Die Verfahrensbeteiligten hätten daher damit rechnen müssen, dass das Bundespatentgericht diesen Streit zugunsten oder zuungunsten des Patentinhabers entscheidet. Die Frage, ob diese Erwägungen des Bundespatentgerichts zutreffend sind oder nicht, ist für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs jedoch nicht relevant.

Die Rechtsbeschwerde wird somit als unbegründet zurückgewiesen. Der Patentinhaber muss die Kosten des Verfahrens tragen. Eine mündliche Verhandlung wird nicht für erforderlich gehalten.

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bestätigt somit den Widerruf des Streitpatents und stellt fest, dass der Patentinhaber kein rechtliches Gehör versagt wurde. Es wird klargestellt, dass die Frage der Rotorwelle Gegenstand der Kontroverse war, mit der die Verfahrensbeteiligten rechnen mussten. Die Rechtsbeschwerde des Patentinhabers wird daher abgelehnt und die Kosten des Verfahrens werden ihm auferlegt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BGH: Beschluss v. 24.04.2007, Az: X ZB 16/06


Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 9. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 24. Mai 2006 wird auf Kosten des Patentinhabers zurückgewiesen.

Der Wert des Gegenstands des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 125.000,-- € festgesetzt.

Gründe

I. Der Rechtsbeschwerdeführer ist Inhaber des am 11. Oktober 1994 angemeldeten deutschen Patents 44 36 197 (Streitpatents), gegen das der Einsprechende zu 1 Einspruch erhoben hat. Patentanspruch 5 lautet:

"Windenergieanlage mit einem Maschinenträger, der auf einem Unterbau drehbar angeordnet ist, mit einer auf dem Maschinenträger gelagerten Rotorwelle mit einer Rotornabe und mit mindestens einem Rotorblatt, dadurch gekennzeichnet, dass jedes Rotorblatt (5) an seiner Spitze und in einem Isolations-Abstand zur Rotornabe auf seiner Rotorblattwurzel (24) angeordnete, elektrische Leitelemente aufweist, die miteinander elektrisch leitend verbunden sind."

Die Patentabteilung hat das Streitpatent aufrechterhalten.

Im Beschwerdeverfahren sind die Einsprechenden zu 2 bis 4 dem Verfahren als Einsprechende beigetreten. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent widerrufen.

Hiergegen richtet sich die - nicht zugelassene - Rechtsbeschwerde des Patentinhabers, mit der er geltend macht, das Bundespatentgericht habe ihm das rechtliche Gehör versagt.

II. Die zulässige (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG) Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

1. Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent widerrufen, da der Gegenstand des Patentanspruchs 5 nicht neu sei und mit diesem Anspruch die weiteren Patentansprüche fielen, die Gegenstand desselben Antrags auf Aufrechterhaltung des Patents seien. Der Mangel der Patentfähigkeit ergebe sich aus der offenkundigen Vorbenutzung von Windenergieanlagen des Typs ... durch die E. GmbH, deren Geschäftsführer der Patentinhaber sei. Diese Anlagen wiesen sämtliche Merkmale des Patentanspruchs 5 auf, insbesondere auch eine Rotorwelle. Wie dem vorgelegten Werbevideo (Anl. B 22) eindeutig zu entnehmen sei, sei auf einer am Maschinenträger fest angeordneten Achse ein innen im Wesentlichen hohlzylindrisch ausgebildeter Körper über zwei Lager gelagert. An diesem Körper sei am vorderen Ende die Rotornabe angeordnet. Mit Abstand hierzu und verbunden über einen zylindrischen Verbindungsring dieses Körpers folge der Läufer des Ringgenerators und wiederum mit Abstand hierzu eine Scheibenbremse. Derartige zylindrische Körper, die auf feststehenden Teilen gelagert seien, mehrere unterschiedliche mitrotierende Vorrichtungsteile trügen und der Übertragung von Drehmomenten dienten, würden im Bereich Maschinenbau üblicherweise als Welle bezeichnet, die hier als Hohlwelle ausgebildet sei. Da die Welle vor allem den Rotor trage, sei die Bezeichnung Rotorwelle durchaus angebracht, zumal sie diese Funktion ausübe.

2. Die Rechtsbeschwerde rügt, dem Patentinhaber sei das rechtliche Gehör durch eine Überraschungsentscheidung versagt worden. Das vom Bundespatentgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegte Verständnis einer Rotorwelle sei weder Gegenstand der mündlichen Verhandlung noch der Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten gewesen; es sei überraschend und technisch unrichtig.

3. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt nicht vor.

Der Rechtsbeschwerdegrund des § 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG trägt der Bedeutung des verfassungsrechtlich gewährleisteten Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) für ein rechtsstaatliches Verfahren Rechnung, in dem jeder Verfahrensbeteiligte seine Rechte wirksam wahrnehmen kann. Dies setzt voraus, dass das Gericht das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und auf seine sachlichrechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit prüft und ferner keine Erkenntnisse verwertet, zu denen die Verfahrensbeteiligten sich nicht äußern konnten. Beachtet das Gericht diese Anforderungen nicht, versagt es den Verfahrensbeteiligten das rechtliche Gehör (Sen.Beschl. v. 11.6.2002 - X ZB 27/01, GRUR 2002, 957 - Zahnstruktur, m.w.N.).

Zu Unrecht meint die Rechtsbeschwerde, das Bundespatentgericht habe seine Entscheidung auf Erwägungen gestützt, mit denen der Patentinhaber nicht habe rechnen müssen. Wie die Rechtsbeschwerde selbst vorbringt, haben die Verfahrensbeteiligten die technische Beschaffenheit der vorbekannten Windenergieanlage kontrovers bewertet. In ihrem schriftlichen Vorbringen haben die Einsprechenden bei dieser Windenergieanlage eine Rotorwelle erkennen wollen, während der Patentinhaber eine solche verneint hat, wobei beide Seiten ihren Standpunkt nicht begründet haben. Da die tatsächliche Ausgestaltung, wie sie etwa in dem als Anlage B 10 vorgelegten Prospekt B 10 "The Technical Sensation: E. " und in dem als Anlage B 22 vorgelegten Werbevideo gezeigt ist, auf das sich das Bundespatentgericht bezogen hat, nicht streitig war, hat das Bundespatentgericht, wie die für seine Entscheidung gegebene Begründung erkennen lässt, aus dem Vorbringen der Parteien den naheliegenden, wenn nicht zwingenden Schluss gezogen, dass diese darüber stritten, ob der auf der am Maschinenträger fest angeordneten Achse gelagerte im Wesentlichen hohlzylindrisch ausgebildete Körper als Rotorwelle im Sinne des Streitpatents zu werten sei. Die Verfahrensbeteiligten mussten daher damit rechnen, dass das Bundespatentgericht diesen Streit, sofern es auf ihn ankommen sollte, zugunsten oder zuungunsten des Patentinhabers entschied. Nichts anderes hat das Bundespatentgericht getan. Ob seine hierbei angestellten Erwägungen zutreffend oder, wie die Rechtsbeschwerde meint, unzutreffend sind, ist unter dem im Verfahren der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde allein zu prüfenden geltend gemachten Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs unerheblich.

Bei dieser Sachlage kommt es auch nicht darauf an, ob, wie die Rechtsbeschwerdegegner geltend machen, das Vorhandensein einer Rotorwelle in der mündlichen Verhandlung sogar ausführlich erörtert worden ist.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG.

Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht für erforderlich gehalten.

Melullis Keukenschrijver Mühlens Meier-Beck Asendorf Vorinstanz:

Bundespatentgericht, Entscheidung vom 24.05.2006 - 9 W(pat) 20/04 -






BGH:
Beschluss v. 24.04.2007
Az: X ZB 16/06


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/678af1fc48dc/BGH_Beschluss_vom_24-April-2007_Az_X-ZB-16-06




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