Landgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 20. Dezember 2013
Aktenzeichen: 3-05 O 212/13, 3-05 O 212/13, 3-5 O 212/13, 3-5 O 212/13
(LG Frankfurt am Main: Urteil v. 20.12.2013, Az.: 3-05 O 212/13, 3-05 O 212/13, 3-5 O 212/13, 3-5 O 212/13)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Landgericht Frankfurt am Main hat ein Urteil vom 20. Dezember 2013 gefällt. Es geht um ein Delisting, bei dem die Klägerin Aktionärin der Beklagten war. Die Beklagte hat den Widerruf der Zulassung der Aktien zum Handel beantragt und das Grundkapital beträgt 2,86 Millionen Euro. Die Klägerin hat das Abfindungsangebot der Beklagten angenommen, nachdem ein Spruchverfahren durchgeführt wurde. Die Klägerin verlangt nun die Zahlung der Abfindung in Höhe von 69.660 Euro Zug um Zug gegen Übertragung ihrer Aktien. Das Gericht urteilte jedoch, dass die Klage unbegründet ist, da es an einem entsprechenden Angebot der Beklagten fehlt, das die Klägerin annehmen könnte. Das vorherige Angebot der Beklagten ist nach Ablauf der Annahmefrist erloschen und es liegt kein neues Angebot vor. Das Ende des Spruchverfahrens führt nicht dazu, dass das erloschene Angebot wieder auflebt und von der Klägerin angenommen werden kann. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs bestätigt, dass im Falle eines Delistings kein Angebot gemacht werden muss. Die Klage auf Zahlung der Abfindung hat somit keinen Erfolg.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Frankfurt am Main: Urteil v. 20.12.2013, Az: 3-05 O 212/13, 3-05 O 212/13, 3-5 O 212/13, 3-5 O 212/13
Ein vor Beendigung des Spruchverfahrens über die Angemessenheit der Abfindung bei einem Delisting befristetes abgelaufenes Abfindungsangebot kann aufgrund der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.11.2013 - II ZB 26/12 - (DStR 2013, 2526= NZG 2013, 1342) nach Beendigung des Spruchverfahrens nicht mehr angenommen werden.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des beizutreibenden Betrages vorläufig vollsteckbar.
Tatbestand
Die Klägerin ist Aktionärin der Beklagten und verfügt derzeit über mindestens 13.200 Aktien der Beklagten. Das Grundkapital der Beklagten beträgt 2,86 Millionen Euro und ist eingeteilt in 1,1 Millionen Stückaktien mit einem rechnerischen Nennwert von 2,60 Euro. Die Aktien der Beklagten wurden an der Frankfurter Wertpapierbörse im geregelten Markt gehandelt. In den ordentlichen Hauptversammlungen der Beklagten 28.4.2006 und nochmals vom 12. April 2007 wurde der Vorstand ermächtigt, den Widerruf der Zulassung der Aktien zum amtlichen Handel zu beantragen. Auf dessen Antrag wurde dann die Zulassung der Aktien zum geregelten Markt von der Zulassungsstelle der Frankfurter Wertpapierbörse am 27. Juni 2007 widerrufen. Der Widerruf wurde mit Ablauf des 27. Dezember 2007 wirksam. Unter dem 6. Juli 2007 unterbreitete die Beklagte ihren Aktionären im elektronischen Bundesanzeiger ein Kaufangebot in Höhe von 5,30 Euro für jede Inhaberstückaktie. Das Angebot war €innerhalb von zwei Monaten anzunehmen, gerechnet ab dem folgenden Tag nach Veröffentlichung des Angebots im elektronischen Bundesanzeiger€.
Am 11. September 2007 erklärte die Klägerin mit Schreiben vom 10. September 2007 die Annahme des Abfindungsangebots. Ebenfalls am 11. September 2007 leitete sie beim Landgericht Frankfurt am Main ein Spruchverfahren ein (führendes Verfahren nach Verbindung aller Anträge 3-05 O 188/07) und legte einen Nachweis über 3958 Aktien vor. Mit Beschluss vom 6.9.2009 wies die Kammer die Anträge zurück. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - 21 W 8/11 - wies mit Beschluss vom 20.12.2011 die sofortige Beschwerden (wobei die hiesige Klägerin nicht zu den Beschwerdeführern gehörte) gegen diesen Beschluss zurück.
Eine Bekanntmachung des Ergebnisses dieses Spruchverfahrens im Bundesanzeiger durch die Beklagte und dortige Antragsgegnerin erfolgte nicht.
Mit Schreiben vom 14.7.2012 an die Beklagte erklärte die Klägerin, dass sie das Delisting-Abfindungsangebot der Beklagten annehme. Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Anlage K3, Bl. 14 d. A.) verwiesen. Mit Schreiben vom 24.7.2012 wies die beklagte darauf hin, dass das Angebot bis zum 7.9.2007 befristet gewesen sei. Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Anlage K4, Bl. 15 d. A.) verwiesen. Mit weiterem Schreiben vom 19.9.2012 erklärte die Klägerin nochmals unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 8.10.2009 - 15 U 125/08 - , dass sie das Angebot annehme. Wegen der Einzelheiten wird auf die zur Akte gereichte Kopie (Anlage K5, Bl. 16 f d. A.) verwiesen. Mit Schreiben vom 26.9.2012 teilte die Beklagt mit, dass sie an ihrer Rechtsansicht festhalte.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass wegen der Nichtveröffentlichung der Beendigung des Spruchverfahrens, sie das Angebot, welches nach Beendigung des Spruchverfahrens wieder aufgelebt sei, wirksam angenommen habe. Dieses Angebot könne sie für alle Aktien der Beklagten annehmen, die sie zum Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Delistings gehalten habe. Ob nach neuer Rechtsprechung eine Abfindung hätte angeboten werden müssen, sei unerheblich. Die Beklagte müsse sich die Rechtskraft der Entscheidungen im Spruchverfahren entgegen halten lassen.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin EUR 69.660,-- nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit Zug um Zug gegen Übertragung von 13.200 auf den Inhaber lautenden Stückaktien der Beklagten (ISIN DE0006924202, Wertpapier-Kenn-Nummer 6924220) zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet, dass die kl am 6.7.2007 Aktionärin der Beklagten gewesen sei. Ein Spruchverfahren sei nicht geboten gewesen. Jedenfalls habe das Angebot nach Beendigung des Spruchverfahrens nicht mehr angenommen werden können.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
Die Akten des Landgerichts Frankfurt am Main 3-05 O 118/07 = OLG Frankfurt am Main 21 W 8/11 - waren beigezogen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung.
Gründe
Die Klage ist unbegründet. Die Klägerin kann die begehrte Zahlung Zug- um Zug gegen Übertragung der Aktien schon deswegen nicht verlangen, weil es an einem entsprechenden Angebot der Beklagte fehlt, dass die Klägerin annehmen könnte.
Unstreitig hat die Klägerin das von der Beklagten unterbreitete Kaufangebot vom 6.7.2007 für Aktien der beklagten für die streitgegenständlichen13.200 Aktien nicht angenommen. Die in dem Kaufangebot bestimmte Annahmefrist von zwei Monaten gerechnet ab dem folgenden Tag nach Veröffentlichung im elektronischen Bundesanzeiger am 6. Juli 2007 endete mit Ablauf des 7. September 2007 (§§ 188 Abs. 2, 187 Abs. 1 BGB) und führte zum Erlöschen des Angebots (§ 146 BGB).
Ein neues von der Klägerin anzunehmendes Angebot liegt nicht vor.
Nach der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 08.10.2013 - II ZB 26/12 - (DStR 2013, 2526= NZG 2013, 1342) steht fest, dass im Falle eines regulären Delisting weder von der Gesellschaft noch von einem Hauptaktionär ein Angebot zu unterbreiten ist.
Zwar gab es im vorliegenden Fall ein Spruchverfahren wegen der Angemessenheit des Angebots, doch endete dies damit, dass das ursprüngliche Angebot - zu welchem die Beklagte nicht verpflichtet war - angemessen war.
Das Ende dieses Spruchverfahrens führt auch - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht dazu, dass dieses erloschene Angebot, zu dem die Beklagte nicht verpflichtet war, auflebte und von der Klägerin angenommen werden konnte.
Dabei kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, dass die Durchführung dieses Spruchverfahrens unstatthaft gewesen wäre. Sowohl die Kammer hat in ihrem Beschluss vom 6.10.2009 als auch das Oberlandesgericht Frankfurt am Main in seinem Beschluss vom 20.12.2011 haben sich mit der Frage der Statthaftigkeit eines Spruchverfahrens bei der konkreten Ausgestaltung des Delistings der Aktien der Beklagten im vorliegenden Fall auseinander gesetzt und die Zulässigkeit eines Spruchverfahrens auch unter Berücksichtigung der Entscheidungen des OLG München (AG 2008, 674) und des Kammergerichts ( NZG 2009, 752) ausdrücklich bejaht. Diese Entscheidungen sind in Rechtskraft erwachsen, so dass gem. § 13 SpruchG bindend die Zulässigkeit des Spruchverfahrens im konkreten Fall, auch für die Beklagte die Antragsgegnerin im Spruchverfahren war, feststeht, zumal die hiesige Klägerin im erstinstanzlichen Spruchverfahren selbst als Antragsteller beteiligt war, und somit auch die entsprechende Bindung zwischen den Parteien in analoger Anwendung des § 325 ZPO (vgl. Zöller ZPO, 29. Aufl. § 325 Rn 51; Gottwald in MünchKomm, ZPO, 4. Aufl. § 325 Rn 7) eingetreten ist.
Die Beklagte kann sich hier auch nicht darauf stützen, dass durch die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 11.7.2012 (NZG 2012, 826) eine andere Beurteilung geboten wäre. Zum einen beseitigt diese Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht die eingetretene Rechtskraft der Entscheidungen im vorliegenden Spruchverfahren und damit auch nicht die eingetretene Bindung.
Dies ändert aber nichts daran, dass es nach Ende dieses Spruchverfahrens kein Angebot gibt, welches die Klägerin annehmen kann.
Für ein derartiges Aufleben des Angebots fehlt es - jedenfalls nach der genannten Entscheidung des Bundesgerichtshofs - an einer Rechtsgrundlage.
Der Bundesgerichts hat in dieser Entscheidung ausdrücklich die entsprechende Anwendung der §§ 207 und 29 UmwG verworfen, so dass auch die Folgevorschrift des § 31 UmwG, bzw. die ähnlich gelagerte Bestimmung des § 305 AktG hier nicht zu Anwendung kommen kann.
Es bestand daher keine Verpflichtung der Beklagten in entsprechender Anwendung der §§ 31, 34 UmwG, bzw. § 305 AktG die Beendigung des Spruchverfahrens Landgericht Frankfurt am Main 3-05 O 188/07 = OLG Frankfurt am Main 21 W 8/11 - im Bundesanzeiger bekannt zu machen, was zur erneuten In-Laufsetzung einer Annahmefrist (vgl. Kalss in Semler/Stengel, Umwandlungsgesetz, 3. Aufl. § 31 Rn3; Müller in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 31 UmwG Rn 3) hätte führen können.
Fehlt es wie vorliegend an einer Veröffentlichungspflicht über die Entscheidung des Spruchgerichts, liegt auch keine Willenserklärung der Gesellschaft über ein Angebot, bzw. erneute die In-Laufsetzung einer Annahmefrist für dieses Angebot vor, die von Aktionären und damit auch von der Klägerin angenommen werden kann, wodurch die Annahmeerklärung der Klägerin ins Leere und es damit am Vertragsschluss fehlt und die Klage auf Zahlung Zug um Zug gegen Übertragung der Aktien keinen Erfolg haben kann.
Jedenfalls unter der Prämisse der Entscheidung des Bundesgerichtshofs, der mangelnden Verpflichtung zu einem Angebot, kann der der Auffassung des 15. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (NZG 2010, 307) nicht gefolgt werden, dass das Spruchgericht anstelle der Gesellschaft, aber für die Gesellschaft ein Angebot erklärt, welches die Aktionäre annehmen können mit der Folge, dass der Abfindungsanspruch in entsprechender Höhe entstehe. Jedenfalls bei der nicht gegebenen Verpflichtung der Gesellschaft zur Abgabe eines Angebots fehlt es an einer Rechtsgrundlage für eine solche Stellvertretung bei Abgabe einer Willenserklärung nach § 145 BGB für die Gesellschaft sein, bzw. an einer materiell-rechtlichen Begründung, insbesondere wenn wie vorliegend es zu keiner Erhöhung des Abfindungsbetrags durch das Spruchgericht kommt. Zumindest dann fehlt ein entsprechenden Erklärungsbewusstsein für eine entsprechende Willenserklärung in Stellvertretung durch das Spruchgerichts fehlt.
Auch wenn man ein pflichtwidriges Unterlassen der Veröffentlichung durch die Beklagte - da zum Zeitpunkt der letztinstanzlichen Entscheidung der Gerichte im Spruchverfahren - die angesprochene Rechtsprechung des Bundesgerichtshof noch nicht bekannt war - annähme, führt dies nicht zum Erfolg der Klage, die den Abschluss eines Vertrags zwischen den Parteien verlangt. Ein derartiges etwaiges schuldhaftes Verhalten der Beklagte gäbe der Klägerin ggf. lediglich einen Anspruch nach § 280 BGB auf Schadensersatz, wenn die Verletzung eines gesetzliche Schuldverhältnisses, nämlich der Verpflichtung der Gesellschaft oder eines vorvertraglichen Schuldverhältnisses vorläge. Dieser Anspruch kann aber nicht auf Erfüllung gerichtet sein, da es gerade an einer vertraglichen Bindung der Parteien fehlt, sondern nur darauf inwieweit durch die Nichterfüllung einer etwaigen Veröffentlichungspflicht und damit der nicht erneuten In-Laufsetzung einer Annahmefrist der Klägerin ein Schaden entstanden wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in § 709 ZPO.
LG Frankfurt am Main:
Urteil v. 20.12.2013
Az: 3-05 O 212/13, 3-05 O 212/13, 3-5 O 212/13, 3-5 O 212/13
Link zum Urteil:
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