Bundespatentgericht:
Urteil vom 28. April 2009
Aktenzeichen: 1 Ni 23/07
(BPatG: Urteil v. 28.04.2009, Az.: 1 Ni 23/07)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Bundespatentgericht hat in einem Urteil vom 28. April 2009 (Aktenzeichen 1 Ni 23/07) entschieden, dass die Klage abgewiesen wird. Der Beklagte ist der Erfinder und eingetragene Inhaber eines deutschen Patents und die Klägerin hat Klage auf Nichtigerklärung wegen fehlender Patentfähigkeit, unzulässiger Erweiterung des Inhalts der Anmeldung und unzureichender Offenbarung der Lehre des Streitpatents erhoben. Allerdings hat der Beklagte sich auf eine außergerichtliche Nichtangriffsabrede berufen, die zwischen der Patentinhaberin und der Klägerin besteht. Das Gericht hat entschieden, dass die Klage unzulässig ist, da die Nichtangriffsabrede im Widerspruch zum prozessualen Verhalten der Klägerin steht und somit gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt. Es handelt sich hierbei um eine unzulässige Rechtsausübung, wodurch die Klage abgewiesen wurde. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin und das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Urteil v. 28.04.2009, Az: 1 Ni 23/07
Tenor
1.
Die Klage wird abgewiesen.
2.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung hinsichtlich der Kosten in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Beklagte ist Erfinder und im Patentregister eingetragener Inhaber des von ihm am 16. September 2003 angemeldeten deutschen Patents 103 42 675 (Streitpatent) mit der Bezeichnung "Montageanlage", dessen Erteilung am 1. September 2005 veröffentlicht worden ist. Das Streitpatent umfasst vier Patentansprüche, wegen deren Wortlaut auf die Streitpatentschrift verwiesen wird.
Gegen das Streitpatent liegen zwei Nichtigkeitsklagen vor. Die zunächst verbundenen Verfahren sind mit Beschluss des Senats vom 9. März 2009 wieder getrennt worden. In dem weiteren Verfahren hat die V... AG mit Schriftsatz vom 23. April 2007 gegen den Beklagten, der zum Zeitpunkt der Anmeldung ihr Arbeitnehmer war, Nichtigkeitsklage wegen widerrechtlicher Entnahme erhoben (Az.: 1 Ni 20/07).
Der Beklagte ist durch Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 22. Januar 2009 (6 U 151/06) in zweiter Instanz rechtskräftig verurteilt worden, in die Umschreibung diverser Patente, u. a. auch des Streitpatents, auf die V... AG einzuwilligen. Nach diesem Urteil hat die V... AG Anspruch auf Umschreibung, da sie in dem vom Hessischen Landesarbeitsgericht durch Beschluss vom 2. November 2006 festgestellten schriftlichen Vergleich nicht auf die im vorliegenden Verfahren geltend gemachten Ansprüche verzichtet hat. Nachdem sie im Jahr 2005 mit Schreiben vom 19. April, 5. Juli und 21. Juli die vom Beklagten nicht ordnungsgemäß gemeldeten Diensterfindungen wirksam in Anspruch genommen hat, ist sie als Arbeitgeberin in die Anmelderstellung eingetreten, ohne dass es einer Übertragung bedurfte hätte.
Mit Schriftsatz vom 1. April 2009 hat der Beklagte der Aufforderung der V... AG vom 29. März 2009 folgend gegenüber dem Deutschen Patentund Markenamt die Umschreibung u. a. auch des Streitpatents beantragt und um eilige Durchführung gebeten. Die Umschreibung war im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung des erkennenden Senats am 28. April 2009 noch nicht vollzogen.
Die hiesige Klägerin hat mit der am 6. August 2007 zugestellten Klageschrift vom 10. Juli 2007 Klage auf Nichtigerklärung wegen fehlender Patentfähigkeit, unzulässiger Erweiterung des Inhalts der Anmeldung und unzureichender Offenbarung der Lehre des Streitpatents erhoben.
Sie beantragt, das deutsche Patent 103 42 675 für nichtig zu erklären.
Der Beklagte stellt den Antrag, die Klage abzuweisen.
Er hat seine Auffassung, dass das Streitpatent dem Fachmann eine nacharbeitbare technische Lehre vermittle, sein Gegenstand nicht unzulässig erweitert und gegenüber dem geltend gemachten Stand der Technik neu sei sowie auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe, im Einzelnen schriftsätzlich dargelegt. In erster Linie wendet er sich aber gegen die Zulässigkeit der Klage, wofür er sich auf den Ausgang des von der V... AG gegen ihn angestrengten Zivilverfahrens beruft.
Der Beklagte ist der Auffassung, dass die Fortsetzung der Nichtigkeitsklage unzulässig sei. Nach den Einkaufsbedingungen der Patentinhaberin V... AG sei der Klägerin als Lieferantin von Montageanlagen auferlegt, Schutzrechte nicht anzugreifen, die in Verbindung mit den gelieferten Erzeugnissen stünden. Unter Hinweis auf die beantragte Umschreibung, den in Kürze bestehenden formellen Rollenstand und die bereits derzeit bestehende materielle Rechtsinhaberschaft der V... AG macht der Beklagte geltend, dass ihm eine Verteidigung des Streitpatents auf seine Kosten nicht zumutbar sei.
Zwischen den Parteien steht außer Streit, dass die Klägerin insoweit verpflichtet ist, das Streitpatent nicht anzugreifen. Der Beklagte hat sich ausdrücklich hierauf berufen.
Der Beklagte hat ferner mit Schriftsatz vom 27. April 2009 den Antrag auf Streitwertherabsetzung gestellt und in der mündlichen Verhandlung die als Anlagen 1 und 2 zum Protokoll befindlichen Unterlagen eingereicht.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Gründe
I Die Klage ist unzulässig und daher abzuweisen. Denn der Beklagte hat sich berechtigterweise auf die in Bezug auf das Streitpatent zwischen der Patentinhaberin V... AG und der Klägerin bestehende Nichtangriffsabrede berufen. Diese außergerichtliche Vereinbarung steht im Widerspruch zum prozessualen Verhalten der Klägerin und führt nach ständiger Rechtsprechung wegen des auch im Prozessrecht geltenden Grundsatzes von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und der darin liegenden unzulässigen Rechtsausübung zur Abweisung der Klage als unzulässig (vgl. hierzu BGH NJW 1984, 805; BAG NJW 1982, 788; RGZ 102, 217, 222).
1. Eine auf den Mangel der Patentfähigkeit gestützte Nichtigkeitsklage kann zwar von jedermann erhoben werden, ohne dass es des Nachweises eines berechtigten eigenen Interesses des Klägers an der Vernichtung des angegriffenen Patents bedarf. Es ist jedoch im Nichtigkeitsverfahren anerkannt, dass der Beklagte dem Kläger Einwendungen aus den vertraglichen Beziehungen der Parteien und aus der Person des Klägers entgegenhalten kann. Zu diesen vom Gericht zu berücksichtigenden Umständen gehören -ihre kartellrechtliche Zulässigkeit vorausgesetzt -auch Abreden, durch die sich der Kläger ausdrücklich oder stillschweigend verpflichtet hat, das Schutzrecht nicht anzugreifen (exceptio pacti). Anerkannt ist ferner, dass hierzu nicht nur ausdrückliche vertragliche Abreden zählen, sondern dass die Erhebung einer Nichtigkeitsklage als unzulässige Rechtsausübung anzusehen sein kann, wenn sich aus den vertraglichen Beziehungen ergibt, dass der Angriff auf das Patent gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstößt (BGH GRUR 1971, 243, 244 -Gewindeschneidvorrichtungen; BGH GRUR 1987, 900, 901 -Entwässerungsanlage; BGH GRUR 1998, 904 - Bürstenstromabnehmer; Benkard/Rogge PatG, 10. Aufl. (2006), § 22 Rdnr. 43 ff. m. w. Nachw.).
In der Rechtsprechung ist ferner anerkannt, dass der Nichtigkeitskläger sich der Nichtangriffspflicht nicht durch Vorschieben eines "Strohmanns" entziehen kann, der äußerlich im eigenen Namen, der Sache nach aber im Interesse seines "Hintermanns" und auf dessen Weisungen hin das Nichtigkeitsverfahren betreibt. (BGH GRUR 1963, 253, 254 - Bürovorsteher). Dies gilt auch in den Fällen, in denen eine Strohmanneigenschaft wegen des unmittelbaren eigenen Interesses, die Schutzfähigkeit überprüfen und die Patente gegebenenfalls für nichtig erklären zu lassen, zu verneinen ist, in denen aber bei wirtschaftlicher Betrachtung Kläger und Verpflichteter ein und dieselbe Person sind, und wegen der wirtschaftlichen Identität es dem Kläger ohne Weiteres zumutbar ist, die dem Dritten gesetzten Grenzen wirtschaftlichen Handelns zu beachten (BGH GRUR 1987, 900, 903 -Entwässerungsanlage; BGH GRUR 1957, 482, 485 - Chenillefäden).
Der Bundesgerichtshof hat ferner angenommen, dass der Beachtlichkeit einer dem Kläger im Verhältnis zum Beklagten obliegenden Nichtangriffspflicht auch nicht entgegensteht, dass der Beklagte das Streitpatent auf einen Dritten übertragen hat, wenn der Beklagte im Hinblick auf mögliche Regressansprüche des Erwerbers weiterhin in seiner rechtlichen und wirtschaftlichen Stellung wesentlich von dem Ausgang des Nichtigkeitsverfahrens beeinflusst ist. Dann ist der Fortbestand der aus Treu und Glauben abgeleiteten Nichtangriffspflicht unabhängig von der zwischenzeitlichen Übertragung der Schutzrechte auf einen Dritten gerechtfertigt (BGH GRUR 1987, 900, 903 - Entwässerungsanlage; ebenso und auf § 325 Abs. 1 ZPO abstellend BPatG 4 Ni 53/04 (EU) Urteil v. 29. November 2005). Der Bundesgerichtshof musste die Frage nicht entscheiden, ob und unter welchen Voraussetzungen sich auch noch der Erwerber des Schutzrechts nach vollständiger Abwicklung der Übertragung und Umschreibung des Patents in der Patentrolle auf eine Nichtangriffspflicht des Arbeitnehmererfinders berufen könnte (BGH GRUR 1987, 900, 903 -Entwässerungsanlage). In einer älteren Entscheidung hat der Bundesgerichtshof aber darauf hingewiesen, dass sich prozessrechtliche Bedenken gegen eine erst infolge der während des Nichtigkeitsverfahrens erfolgte Übertragung und Umschreibung des Patents begründete exceptio pacti des Rechtsnachfolgers nur unter besonderen Umständen ergeben, wenn nämlich diese Übertragung gegen Treu und Glauben verstößt (GRUR 1953, 385).
2. Die Frage der Folgen des Rechtsübergangs und Umschreibung des Streitpatents während des Nichtigkeitsverfahrens und der Anwendung des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO für die exceptio pacti sind auch vorliegend grundsätzlich nicht berührt.
Eine Umschreibung des Streitpatents während des Nichtigkeitsverfahrens ist bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung nicht erfolgt. Außerdem war die V...
AG lange bevor die Klage am 12. Juli 2007 eingereicht wurde aufgrund der bereits im Jahr 2005 am 19. April, 5. Juli und 21. Juli wirksam nach § 6 ArbEG in Anspruch genommenen Diensterfindungen des Beklagten als Arbeitgeberin in dessen Anmelderstellung eingetreten. Sie war daher gemäß § 7 Abs. 1 ArbEG bereits im Zeitpunkt der Entstehung des Patents als Ausschließlichkeitsrecht am 1. September 2005 sachlich Berechtigte (vgl. Keukenschrijver in Busse PatG 6. Aufl., Vor § 34, Rn. 87), ohne dass es einer Übertragung bedurfte (Keukenschrijver a. a. O., § 7 ArbEG, Rn. 6). Das OLG Frankfurt am Main hat deshalb durch rechtskräftiges Urteil vom 22. Januar 2009 die auf Umschreibung gemäß §§ 413, 412, 403 BGB gerichtete Klage der V... AG als begründet angesehen.
a. Der Beklagte war mithin zu keinem Zeitpunkt während des Nichtigkeitsverfahrens sachlichrechtlich berechtigter Patentinhaber, sondern lediglich kraft der im Zeitpunkt der Klageerhebung bestehenden Eintragung im Patentregister nach § 81 Abs. 1 Satz 2 PatG passiv legitimiert. Seine alleinige passive Prozessführungsbefugnis als gesetzlicher Prozessstandschafter der materiellrechtlich sachbefugten Patentinhaberin (vgl. BGH GRUR 1966, 108, 109 -Patentrolleneintrag; Rogge in Benkard, a. a. O. § 81 Rdn. 6) folgt allein aus der Legitimationswirkung der Registereintragung, wie sie § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG vermittelt (Schwendy in Busse PatG 6. Aufl., § 30 Rdn. 34; Schäfers in Benkard PatG 10. Aufl. § 30 Rdn. 8a; BGH GRUR 1966, 107, 109 -Patentrolleneintragung; einschränkend auf den zunächst tatsächlich materiell Berechtigten: Rogge GRUR 1985, 734, 735 und 738; vgl. auch Rauch GRUR 2001, 588, 591-m. w. N.).
Auch wenn die Klage deshalb zulässig nur gegen ihn und nicht gegen die wahre Patentinhaberin gerichtet werden konnte, ist zu beachten, dass der Beklagte im Verfahren zu keinem Zeitpunkte eigene Rechte vertreten hat oder vertreten konnte, sondern nur diejenigen der Patentinhaberin im Prozess in eigenem Namen. Anders als in den Fällen des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO stellt sich hier also nicht die Frage der materiellrechtlichen Folgen eines erst während des Verfahrens erfolgten Rechtsübergangs und der Beachtung schutzwürdiger Belange des Klägers.
Dies ist deshalb von Bedeutung, weil es im Falle einer während der Rechtshängigkeit eingetretenen Rechtsnachfolge auf der Beklagtenseite und der insoweit gebotenen Anwendung des § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO im Hinblick auf die unterschiedliche Interessenlage der Parteien umstritten ist, auf welche Rechte sich der als gesetzlicher Prozessstandschafter im Prozess verbleibende Rechtsvorgänger berufen kann. Nach der Relevanztheorie wäre die infolge des Rechtsübergangs eingetretene Veränderung des materiellen Rechts beachtlich, nach der für den Fall der Rechtsnachfolge auf Passivseite von der h. M. vertretenen Irrelevanztheorie bleibt der Einfluss der materiellrechtlichen Änderung außer Betracht (so z. B. Dinstühler ZZP 112 (1999) 61, 82 ff. mit Rechtsprechungsnachweisen in Fußn. 91; vgl. zum Meinungsstand auch Roth in Stein/Jonas ZPO, 22. Aufl., Bd. 4 § 265 Rdn. 22 und Rdn. 27 -m. w. N.). Der Normzweck des § 265 Abs. 2 S. 1 ZPO ist in erster Linie darauf gerichtet, die Interessen des Prozessgegners zu schützen (Roth in Stein/Jonas ZPO, 22. Aufl., Bd. 4 § 265 Rdn. 1), so dass -abweichend zur Interessenlage bei einer Aktivnachfolge -das Interesse des Klägers vor jeder verfahrensmäßigen Entwertung des Ursprungsverfahrens geschützt werden muss, die infolge des Nachfolgeeintritts und "Weiterschieben des Klagegegenstandes" entsteht (Dinstühler ZZP 112 (1999), 61, 81 sowie Fußn. 90). Dies ist auch für die Frage der Nichtangriffspflicht insbesondere dann von Belang, wenn berücksichtigt wird, dass sich diese nach der Rechtsprechung wegen der individuellen Ausgestaltung der gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien, insbesondere bei Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses, nach Inhalt, Sinn und Zweck der vertraglichen Beziehungen, als eine unzulässige Ausübung eines Rechtes darstellen soll (vgl. BGH GRUR 1958, 177, 178 - Aluminiumflachfolien; BGH GRUR 1989, 39, 40 - Flächenentlüftung - m. w. N.; BPatG Urteil v. 29. Mai 2005 Az. 4 Ni 53/04 (EU)). Die Nichtangriffsverpflichtung bezieht sich deshalb entgegen der in der Literatur vertretenen Ansicht (so Bartenbach/Volz GRUR 1987, 859, 862863) nicht nur auf das Schutzrecht als solches, sondern ist situationsund personengebunden, weshalb eine Veränderung in der Person des Patentinhabers während der Rechtshängigkeit von Bedeutung ist. Der auch für die Nichtangriffspflicht geltende Grundsatz, dass insoweit als maßgebender Zeitpunkt auf die letzte mündliche Verhandlung abzustellen ist (BGH GRUR 1956, 264, 265 -Wendemanschette I; Keukenschrijver in Busse PatG 6. Aufl. § 81 Rdn. 97), könnte dann in Frage gestellt sein, wenn man nicht der Relevanztheorie folgen will.
b. Zwar findet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs § 265 Abs. 2 ZPO auch dann im Patentnichtigkeitsverfahren entsprechend Anwendung, wenn sich der sachliche Rechtsübergang schon vor Rechtshängigkeit vollzogen hat, die Legitimationsänderung des § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG aber erst nach Rechtshängigkeit durch Umschreibung erfolgt ist; mithin sind diese Fälle gleichgestellt (BGH GRUR 1979, 145 -Aufwärmvorrichtung -für das Vindikationsverfahren; Schäfers in Benkard PatG 10. Aufl. § 30 Rdn. 17a; vgl. bereits v. Falck Anmerkung zu GRUR 1979, 145 -Aufwärmvorrichtung). Damit führt nach der Rechtsprechung ein bloßer Wechsel der Prozessführungsbefugnis (vgl. zum Streitstand: Roth in Stein/Jonas ZPO, 22. Aufl., Bd. 4 § 265 Rdn. 13 -m. w. N.), die nach § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG durch die Legitimationswirkung der Registereintragung festgelegt wird, auch im Fall eines vorherigen materiellen Rechtsübergangs zu einer gesetzlichen Prozessstandschaft (Ullmann Festschrift f. v. Gamm, 1990, 315 ff., 319; kritisch Rauch GRUR 2001, 588, 592). Dies kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass der entsprechend § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO weiterhin legitimierte Beklagte in diesem Fall zu keinem Zeitpunkt während der Rechtshängigkeit des Verfahrens eine eigene Sachbefugnis als Patentinhaber aufweist und deshalb -anders als im Falle des nach Rechtshängigkeit erfolgten materiellen Rechtsübergangs - keine Veränderung des materiellen Rechts eintritt, welche berechtigte Interessen des Klägers beeinträchtigen könnte und welche § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO verhindern will.
c. Die Klägerin muss sich daher eine gegenüber der wahren Patentinhaberin bestehende Nichtangriffspflicht entgegenhalten lassen. Berechtigte Interessen der Klägerin i. S. v. § 265 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind vorliegend nicht berührt. Es besteht kein aus dem Prozessrechtsverhältnis abzuleitender Grund, die Klägerin nicht so zu behandeln, als hätte sie von Anfang an der wahren Patentinhaberin gegenüber gestanden. Der Beklagte hat vorliegend nach § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG als passiv prozessführungsbefugter Prozessstandschafter im eigenen Namen gegenüber der Klägerin lediglich Rechte der wahren Patentinhaberin verteidigt. Die Klägerin kann aus dem Umstand, dass der Beklagte Kraft Gesetzes die für seine Passivlegitimation ausschlaggebende Registerposition innehatte, nicht das Recht ableiten, die Vernichtung eines Patents zu betreiben, was ihr andernfalls aufgrund vertraglicher Vereinbarungen verwehrt wäre. Für die insoweit gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien kommt es -ebenso wie in anderen Fällen, z. B. der Einschaltung eines Strohmanns oder einer wirtschaftlich Identität von Partei und rechtlich Verpflichteten -nicht auf die formale Rechtsposition des Beklagten als Partei und die Prozessführungsbefugnis des im eigenen Namen handelnden Prozessstandschafters an. Abzustellen ist vielmehr auf die von Beginn des Verfahrens an bestehende und verteidigte materiellrechtliche Sachbeziehung zwischen wahrer Patentinhaberin und Klägerin zum Streitpatent. Ein "Weitererschieben" des Klagegegenstandes hat nicht stattgefunden. Demgegenüber muss das Interesse des Beklagten berücksichtigt werden, alle Möglichkeiten der Verteidigung zu ergreifen, mit denen er den Bestand des Streitpatents sichern kann, um nicht Schadensersatzansprüchen seiner früheren Arbeitgeberin ausgesetzt zu werden. Insoweit ist es auch unerheblich, ob das Patent im Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung umgeschrieben ist oder nicht und § 265 Abs. 2 Satz 1 über § 99 Abs. 1 PatG entsprechende Anwendung finden würde.
Da der Beklagte sich auch ausdrücklich auf die Nichtangriffspflicht berufen hat und insoweit ein entgegenstehender Wille der Patentinhaberin nicht vorgetragen oder feststellbar ist, kann auch offen bleiben, ob die Nichtangriffspflicht -insbesondere im Hinblick auf den im Nichtigkeitsverfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz und die hiermit verbundenen Einschränkungen des Verfügungsgrundsatzes (vgl. hierzu Schmieder GRUR 1982, 348) -eine von Amts wegen zu beachtende Einwendung (vgl. zur Wirkung von außergerichtlichen Prozessvereinbarungen als Einwendung Greger in Zöller 26. Aufl., § 128 Rdn. 32) oder eine dem Willen des Berechtigten, also der Verfügungsbefugnis der Parteien unterliegende -und damit insbesondere auch verzichtbare (so Schmieder GRUR 1982, 348, 351 -"persönlicher Einwand") -Einrede darstellt (so Moufang in Schulte PatG 8. Aufl. § 81 Rdn. 49; Mes PatG/GebrMG 2. Aufl. 2005 § 81 Rdn. 50 und § 16 GebrMG Rdn. 17; wohl BGH GRUR 1953, 385, 387; Kuhbier GRUR 1954, 187 zu Prozessverträgen Reichold in Thomas/Putzo ZPO 28. Aufl. Einl. III Rdn. 8). In diesem Fall würde sich allerdings die Frage stellen, ob sich Patentinhaberin durch einen Verzicht auf die Nichtangriffsabrede im Patentnichtigkeitsverfahren nicht im Hinblick auf die andererseits gegenüber dem Beklagten auf dem Zivilrechtsweg erfolgreich verfolgte Umschreibung des Streitpatents in treuwidrigen Widerspruch zu ihrem eigenen Verhalten setzen würde.
II Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 PatG i. V.m. §709 ZPO.
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BPatG:
Urteil v. 28.04.2009
Az: 1 Ni 23/07
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