Landgericht Hamburg:
Urteil vom 11. März 2008
Aktenzeichen: 312 O 720/07
(LG Hamburg: Urteil v. 11.03.2008, Az.: 312 O 720/07)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Klägerin hat die Beklagte verklagt, da sie Sonderpreisaktionen für das Arzneimittel D durchgeführt hat. Die Klägerin vertreibt das Arzneimittel D, während die Beklagte sich mit dem Parallelimport von Arzneimitteln beschäftigt. Die Klägerin sieht in den Sonderpreisaktionen einen unzulässigen Preisrabatt und einen Verstoß gegen die Vorschriften der Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV). Die Beklagte hingegen argumentiert, dass die niedrigeren Preise aufgrund der kurzen Restlaufzeit der Arzneimittel gerechtfertigt seien. Das Gericht entscheidet, dass die Sonderpreisaktionen nicht gegen die gesetzlichen Vorschriften verstoßen. Die Klage wird abgewiesen und die Klägerin muss die Kosten des Rechtsstreits tragen. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung. Die Begründung des Gerichts bezieht sich darauf, dass die Sonderpreise durch die geringe Restlaufzeit der Arzneimittel wirtschaftlich gerechtfertigt seien. Es handele sich nicht um einen Rabatt im Sinne des Heilmittelwerbegesetzes (HWG) und auch nicht um einen Verstoß gegen die AMPreisV. Die Beklagte habe keine verschiedenen Herstellerabgabepreise geschaffen, sondern lediglich minderwertige Restposten zu Sonderpreisen angeboten. Daher seien die Ansprüche der Klägerin auf Auskunft und Schadensersatz unbegründet.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
LG Hamburg: Urteil v. 11.03.2008, Az: 312 O 720/07
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.
Tatbestand
Die Parteien sind Wettbewerber beim Vertrieb von Arzneimitteln. Die Klägerin beanstandet die Vermarktung des verschreibungspflichtigen Arzneimittels D zu Sonderpreisen durch die Beklagte.
Die Klägerin vertreibt das Arzneimittel D mit dem Wirkstoff Botulinumtoxin, das zur Behandlung von neuromuskulären Erkrankungen, aber auch im kosmetischen Bereich zur Glättung der Glabella-Falte eingesetzt wird. Dabei handelt es sich um ein Apotheken- und verschreibungspflichtiges Medikament (Anlage K 1).
Die Beklagte befasst sich mit dem Parallelimport von Arzneimitteln, so auch D, welches sie auf Grund einer ihr erteilten Parallelzulassung in Deutschland in Verkehr bringt. In der Lauertaxe ist für ihr Präparat ein Apothekeneinkaufspreis von Euro 348,92 für eine Ampulle D und von Euro 692,43 für zwei Ampullen D verzeichnet (Anlage K 3).
Die Klägerin beanstandet Sonderpreisaktionen, die die Beklagte 2007 für D durchgeführt hat. Dabei hat sie das Arzneimittel "mit kurzer Restlaufzeit" Apotheken für deutlich weniger als die in der Lauertaxe ausgewiesenen Beträge angeboten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Angebotsschreiben in Anlagen K 4 und K 5 Bezug genommen. Die Klägerin sieht hierin einen gemäß § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 HWG unzulässigen Preisrabatt. Die für D reduzierten Preise lägen nicht nur unterhalb des AEK, sondern sogar unterhalb des Herstellerabgabepreises (HAP/ApU), so dass die Beklagte gegen die Vorschriften der AMPreisV verstoße. Dies könne sie auch nicht mit dem Verweis auf die nur noch kurze Restlaufzeit der angebotenen Präparate rechtfertigen, denn das HWG verbiete die Rabattgewährung unabhängig von dahinter stehenden Motiven. Auch bestreitet die Klägerin mit Nichtwissen, dass die von der Beklagten gelieferte Ware tatsächlich eine nur noch kurze Haltbarkeit hatte. Selbst dann wären die Arzneimittel aber nicht mangelhaft oder minderwertig.
Die Beklagte verstoße schließlich gegen § 78 Abs. 2 und 3 AMG, demgemäß der pharmazeutische Unternehmer einen einheitlichen Abgabepreis für sein Arzneimittel sicherzustellen habe. Durch die Rabattaktion werde der einheitliche ApU unterlaufen und die gesetzgeberische Intention, dass Preisnachlässe nur an die Kostenträger, nicht aber an die Handelsstufen gewährt werden dürfen, verfehlt.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs das Fertigarzneimittel D zu Sonderpreisen anzubieten oder abzugeben, die unterhalb des vom der Beklagten für D festgelegten einheitlichen Arzneimittelpreises des pharmazeutischen Unternehmers (ApU) liegen, wie in den als Anlage beigefügten Angeboten geschehen;
2. die Beklagte zu verurteilen, Auskunft darüber zu erteilen, in welchem Umfang sie Handlungen gemäß vorstehender Ziffer 1 vorgenommen hat, und zwar unter Angabe der einzelnen Lieferungen des von ihr in den Verkehr gebrachten Arzneimittels D, aufgeschlüsselt nach Liefermengen, -zeiten und -preisen sowie den Namen und Anschriften der jeweiligen Abnehmer;
3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der ihr aus Handlungen gemäß der vorstehenden Ziffer 1. entstanden ist und/oder noch entstehen wird.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, angesichts der nur noch sehr kurzen Restlaufzeit der konkret angebotenen D-Ampullen zur Gewährung der Sonderpreise berechtigt gewesen zu sein. Apotheken würden das Arzneimittel normalerweise nur beziehen und auf Lager nehmen, wenn es noch über eine Mindestverwendbarkeit von etwa sechs Monaten verfüge. Medikamente mit einer kürzeren Verfallzeit seien im üblichen Handel nicht absetzbar. Entsprechende Arzneimittel würden im Verkehr als minderwertig angesehen (Anlagen B 1) und seien ohne Preisnachlässe vollkommen unverkäuflich. Die Rabattierung sei als "Notfallmaßnahme" die einzige Möglichkeit gewesen, die kurz vor dem Ablauf stehenden Produkte überhaupt noch abzusetzen; trotzdem sei die Beklagte nur 34 Packungen auf Grund des Angebotes losgeworden. Im gleichen Zeitraum habe sie hingegen 562 Packungen D zum Normalpreis verkauft.
Die Beklagte weist darauf hin, dass das Präparat ganz überwiegend im kosmetischen Bereich zur Faltenbehandlung eingesetzt werde, wobei es nicht zu einer Erstattung durch die gesetzlichen Krankenkassen komme. Selbst wenn man aber § 78 Abs. 3 AMG für anwendbar halte, liege hier kein Verstoß vor. Die Beklagte stelle nämlich einen einheitlichen Abgabepreis sicher; aus den wenigen, durch die fast abgelaufene Haltbarkeit begründeten Ausnahmen, folge nichts anderes. Ziel der genannten Vorschrift sei es nicht, in objektiven Eigenschaften der angebotenen Arzneimittel begründete Sonderpreise auszuschließen.
Damit liege im Ergebnis auch kein unzulässiger Rabatt im Sinne des § 7 HWG vor. Es stelle keinen Rabatt dar, wenn die Beschaffenheit der Ware selbst den niedrigeren Preis rechtfertige. Auch die AMPreisV regele nur das Preisgefüge für regulär gehandelte Arzneimittel.
Schließlich legt die Beklagte eine Veröffentlichung des Bundesverbandes der pharmazeutischen Industrie vom 21.1.2008 vor, dergemäß der gemeinsame Bundesausschuss beschlossen hat, das Stellungnahmeverfahren über den Ausschluss der Erstattungsfähigkeit hinsichtlich des "Lifestyle Arzneimittels" D nach § 34 Abs. 1 Satz 7 n. F. SGB V einzuleiten (Bl. 42 d. A.). Damit sei € jedenfalls zukünftig € § 73 Abs. 2 Satz 3 AMG einschlägig.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 8.1.2008 Bezug genommen.
Gründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Mit ihren Sonderpreisaktionen für "Ware mit kurzer Restlaufzeit", wie aus Anlagen K 4 und K 5 ersichtlich, hat die Beklagte nicht gegen die Vorschriften der §§ 7 HWG, 78 AMG i. V. m. §§ 3, 4 Nr. 11 UWG verstoßen.
Angesichts des beiderseitigen Sachvortrages geht die Kammer für die Bestimmung des Streitgegenstandes davon aus, dass die in den im Klagantrag in Bezug genommenen Angebotsschreiben gemäß Anlagen K 4 und K 5 aufgeführten D-Ampullen tatsächlich nur noch über die dort aufgeführte kurze Restlaufzeit verfügten. Das pauschale Bestreiten der Klägerin mit Nichtwissen, ob nicht auch "frische" Arzneimittel von dem Angebot betroffen seien, ist unbeachtlich. Für diese Annahme hat die Klägerin keinerlei Anhaltspunkte vortragen können und sich auch nicht durch etwa eine Testbestellung vergewissert. Die Kammer kann daher gemäß § 138 Abs. 4 ZPO insoweit dem Vorbringen der Beklagten folgen, dass die Ampullen nur noch wenige Monate Haltbarkeit aufwiesen.
Unter diesen Umständen ist es aber nicht wettbewerbswidrig, die Präparate ausnahmsweise zu Sonderpreisen zu verkaufen, die unterhalb des von der Beklagten bestimmten ApU liegen.
1. Der geltend gemachte Unterlassungsantrag kann nicht auf §§ 3, 4 Nr. 11, 8 Abs. 1 UWG in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Nr. 2 a, Satz 2 HWG gestützt werden. Nach dieser Vorschrift ist es unzulässig, Zuwendungen und sonstige Werbegaben für Arzneimittel anzubieten, anzukündigen oder zu gewähren, soweit sie entgegen den Preisvorschriften gewährt werden, die aufgrund des Arzneimittelgesetzes (AMG) gelten.
Solche Preisvorschriften enthält die auf Grund von § 78 Abs. 1 Satz 1 AMG erlassene Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV), die die zulässigen Preisspannen des Großhandels und der Apotheken beim Handel mit apothekenpflichtigen Fertigarzneimitteln festlegt und dergemäß Barrabatte, die zu einem Verkaufspreis an Apotheken unterhalb des festgelegten Herstellerabgabepreises (ApU) führen, nicht möglich sind.
Indessen sind die genannten Vorschriften im vorliegenden Fall bereits gar nicht einschlägig. Denn von dem in § 7 Abs. 1 Nr. 2 a. E. HWG normierten Zuwendungsverbot sind zwar Rabatte im Sinne eines klassischen Mengen- oder Treuerabatts erfasst, die unabhängig von der Beschaffenheit der Ware als Kaufanreiz dienen sollen. Durch Festlegung der Höchstspannen will die AMPreisV sicherstellen, dass entsprechende, dem pharmazeutischen Unternehmer wirtschaftlich mögliche, Preisnachlässe nicht den folgenden Handelsstufen, sondern in erster Linie dem Verbraucher bzw. Kostenträger zu Gute kommen.
Vorliegend geht es hingegen darum, an sich nicht mehr vertriebsfähige Ware durch die Gewährung von Sonderpreisen noch abzusetzen. Der herabgesetzte Preis ist durch die nur noch kurze Restlaufzeit wirtschaftlich gerechtfertigt. Wie die Beklagte substanziiert vorgetragen und durch Einreichung diverser Reklamationsschreiben in Anlage B 1 untermauert hat, sind Arzneimittel mit einer nur noch geringen Haltbarkeit aus Sicht der abnehmenden Apotheker mit einem Mangel behaftet, der sie von einem Ankauf in der Regel absehen lässt. Dies ist auch nachvollziehbar, denn sollte dem Apotheker nicht in kürzester Zeit der Weiterverkauf gelingen, muss er sich zumindest der mit Formalitäten und Arbeitsaufwand behafteten Retoure der Waren widmen. Die fast abgelaufenen D-Ampullen haben daher einen objektiv stark herabgesetzten Wert, dem die Beklagte durch die ausgelobten Sonderpreise kaufmännisch Rechnung trägt. Diese Preise gelten ersichtlich nur für objektiv begründete Sonderfälle und stellen sich nicht als den allgemeinen D-Absatz steigernde Marketingmaßnahme dar. Die vorliegende Konstellation ist damit nicht als Rabatt oder sonstige Zuwendung im Sinne des § 7 HWG zu sehen, ebenso wenig wie sie es unter Geltung des alten Rabattgesetzes war. Auch ist der Fall nicht von der AMPreisV erfasst, die Preisbestimmungen für regulär gehandelte Arzneimittel enthält.
Es steht schließlich auch nicht zu befürchten, dass die Beklagte zukünftig bewusst durch Auslobung kurzer Restlaufzeiten einen Grund dafür schafft, um sich mit entsprechenden Sonderpreisaktionen einen unlauteren Wettbewerbsvorteil zu bilden. Da sich die Beklagte die Präparate im Wege des Parallelimports selbst zu regulären Marktpreisen beschaffen muss und dementsprechend ihre in der Lauertaxe veröffentlichten Preise kalkuliert hat, wäre dieses Vorgehen wirtschaftlich wenig sinnvoll. Dementsprechend hat sie den sehr begrenzten Erfolg der vorliegend beanstandeten Aktion vorgetragen. Vielmehr kann es ihr allein darum gehen, vom Verfall bedrohte Ware unter Inkaufnahme erheblicher Preisnachteile noch abzusetzen, anstatt sie unweigerlich vernichten zu müssen.
2. Bei dieser Sachlage liegt auch kein Verstoß gegen § 78 Abs. 3 AMG vor. Nach dieser Vorschrift haben die pharmazeutischen Unternehmer einen einheitlichen Abgabepreis für apothekenpflichtige Arzneimittel sicherzustellen, sofern es sich nicht um nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel handelt, die nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden (§ 78 Abs. 2 Satz 3).
Die letztgenannte Ausnahme greift vorliegend nicht ein, denn trotz der Einleitung des Verfahrens nach § 34 Abs. 1 S. 7 SGB V, mit dem D zukünftig möglicherweise als nicht erstattungsfähiges Lifestyle-Arzneimittel eingeordnet wird, handelt es sich jedenfalls derzeit noch um ein verschreibungspflichtiges Präparat, welches zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden kann. Damit gilt nach wie vor die Pflicht der Beklagten als pharmazeutische Unternehmerin, einen einheitlichen Abgabepreis für das von ihr gehandelte D sicherzustellen.
Gegen diese Pflicht hat sie mit den beanstandeten Sonderpreisaktionen für einzelne, minderwertige, D-Ampullen aber nicht verstoßen. Sie schafft mit den Preisreduzierungen, die je nach Kürze der Restlaufzeit verschieden stark ausgefallen sind, keine verschiedenen Herstellerabgabepreise im Sinne der von der Klägerin zitierten Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 22.1.2006 (3 U 134/05). Anders als hier wurde in dem dort zu Grunde liegenden Fall der ApU nicht nur in Einzelfällen unterschritten, sondern es wurden statt eines tatsächlich vier regelmäßig erhobene Herstellerabgabepreise geschaffen, die durch das Rabattsystem des dortigen Beklagten faktisch parallel nebeneinander existierten. Unter Berücksichtigung dieses Urteils sowie der BGH-Entscheidung "Apothekerspannen" (GRUR 1984, 748) ist also darauf abzustellen, ob der Herstellerabgabepreis in beachtlichem Umfang nicht eingehalten wurde bzw. als Herstellerabgabepreis der Preis definiert wurde, der von dem pharmazeutischen Unternehmer im Normalfall, also von wenigen besonderen Ausnahmen abgesehen, verlangt wird.
So liegt es aber hier. Die aus Anlagen K 4 und K 5 ersichtlichen Preisnachlässe für vom Verfall bedrohte Restposten erfolgten in zahlenmäßig unbedeutsamen Einzelfällen und betrafen gerade keine "Normalfälle". Dafür, dass die Beklagte für ihre normale € also den Verkehrserwartungen entsprechende € Ware auch andere Preise als den von ihr festgelegten ApU verlangen würde, liegen keine Anhaltspunkte vor. Damit kann der Beklagten nicht vorgeworfen werden, sie stelle keinen einheitlichen Abgabepreis für das Arzneimittel sicher, § 78 Abs. 3 AMG.
3. Mangels eines Verstoßes gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften sind auch die Folgeansprüche auf Erteilung von Auskunft und Feststellung einer Schadensersatzpflicht der Beklagten gemäß §§ 242 BGB, 9 UWG unbegründet.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.
LG Hamburg:
Urteil v. 11.03.2008
Az: 312 O 720/07
Link zum Urteil:
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