Hessisches Landesarbeitsgericht:
Beschluss vom 28. Mai 2009
Aktenzeichen: 9 TaBV 35/09
(Hessisches LAG: Beschluss v. 28.05.2009, Az.: 9 TaBV 35/09)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Hessische Landesarbeitsgericht hat in einem Beschluss vom 28. Mai 2009 entschieden, dass eine Beschwerde gegen einen Beschluss des Arbeitsgerichts Wetzlar als unzulässig verworfen wird. In dem Rechtsstreit ging es um die Kosten für eine Betriebsratsschulung, die ein Mitglied des Betriebsrats besucht hatte. Die beklagte Arbeitgeberin hatte die Übernahme der Kosten verweigert. Das Arbeitsgericht Wetzlar hatte jedoch den Zahlungsanträgen des Betriebsrats stattgegeben und die Arbeitgeberin zur Zahlung verpflichtet.
Gegen diesen Beschluss hatte die Arbeitgeberin Beschwerde eingelegt, die jedoch als unzulässig verworfen wurde. Die Beschwerdeschrift war auf dem Briefbogen der Arbeitgeberin eingereicht und von einem Rechtsanwalt unterschrieben worden. Das Gericht stellte fest, dass nicht erkennbar war, dass der Rechtsanwalt die Arbeitgeberin als unabhängiger Rechtsanwalt vertritt. Da Rechtsanwälte gemäß § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG die Beschwerde vor den Landesarbeitsgerichten nur als unabhängige Prozessbevollmächtigte einlegen dürfen, war die Beschwerde daher unzulässig.
Dem Gericht zufolge erfüllte der Rechtsanwalt nicht das Berufsbild eines freien und unabhängigen Rechtsanwalts, da er als Personalreferent Arbeitsrecht bei einer Servicegesellschaft der Unternehmensgruppe angestellt war, die für die Rechts- und Personalberatung der Unternehmen der Gruppe zuständig war. Das Gericht betonte, dass die Beschwerdeschrift und die sonstigen Umstände nicht darauf hindeuteten, dass der Rechtsanwalt als unabhängiger Rechtsanwalt tätig geworden war. Unter anderem wurde die Beschwerdeschrift unter dem Briefkopf der Arbeitgeberin eingereicht und der Rechtsanwalt war in den vorherigen Schriftsätzen nicht als Verfahrensbevollmächtigter genannt worden. Zudem wurde der Beschluss ohne Beanstandungen an die Arbeitgeberin zugestellt. Die Entscheidung des Gerichts ist unanfechtbar.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
Hessisches LAG: Beschluss v. 28.05.2009, Az: 9 TaBV 35/09
Unzulässige, auf dem Briefbogen der Arbeitgeberin eingelegte Beschwerde, die von einem Rechtsanwalt unterschrieben war, der einen Anstellungsvertrag als Personalreferent Arbeitsrecht bei einer Servicegesellschaft der Unternehmensgruppe hatte.
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss desArbeitsgerichts Wetzlar vom 16. Dezember 2008 - 3 BV 14/08 - wirdals unzulässig verworfen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten um die Kosten für eine Betriebsratsschulung, die der Beteiligte zu 3) als Mitglied des Betriebsrats (Beteiligter zu 1) besucht hat. Die zu 2) beteiligte Arbeitgeberin hat die Übernahme der Kosten verweigert, weil sie die Schulung nicht für erforderlich hielt. Wegen des beiderseitigen erstinstanzlichen Vorbringens der Beteiligten, ihrer Anträge und des arbeitsgerichtlichen Verfahrens wird auf Sachdarstellung des angefochtenen Beschlusses verwiesen.
Das Arbeitsgericht Wetzlar hat den Zahlungsanträgen des Betriebsrats durch Beschluss vom 16. Dez. 2008 € 3 BV 14/08 € stattgegeben und die Arbeitgeberin zur Zahlung der Seminar- und Fahrtkosten verpflichtet.
Gegen den der Beteiligten zu 2) am 26. Jan. 2009 zugestellten Beschluss hat diese am 23. Febr. 2009 unter ihrem Briefkopf Beschwerde eingelegt, unterzeichnet von €A, Rechtsanwalt€. Der Beschwerdeschrift lag eine vom Geschäftsführer der Beteiligten zu 2) für €Herrn Rechtsanwalt A, geb. am €€ ausgestellte Vollmacht bei.
Da die Beteiligte zu 2) die erstinstanzlichen Schriftsätze ebenfalls unter ihrem Briefkopf, unterzeichnet von Rechtsanwalt A, eingereicht hat, dieser im Protokoll der Anhörung vom 16. Dez. 2008 (Bl. 183 d. A.) und im angefochtenen Beschluss aber nicht als Verfahrensbevollmächtigter genannt ist, wies das Beschwerdegericht mit Schreiben vom 5. März 2009 darauf hin, dass Bedenken gegen die Zulässigkeit der Beschwerde bestünden, da die Beschwerdeschrift nicht erkennen ließe, dass Rechtsanwalt A die Beteiligte zu 2) als zugelassener, freier und unabhängiger Rechtsanwalt vertrete. Rechtsanwalt A teilte daraufhin mit Schreiben vom 16. März 2009 unter seiner Kanzleianschrift und Beifügung einer Vollmacht mit, er vertrete die Beteiligte zu 2) als unabhängiger Rechtsanwalt und stünde nicht in einem Arbeitsverhältnis zur Beteiligten zu 2).
Rechtsanwalt A ist bei der B GmbH & Co. KG, der zentralen Dienstleisterin der C Group, zu der auch die Beteiligte zu 2) gehört, als Personalreferent Arbeitsrecht angestellt. Die B nimmt für die Unternehmen der C Group u.a. die Rechts- und Personalberatung wahr. Die Beteiligte zu 2) trägt vor, nach dem Anstellungsvertrag von Rechtsanwalt A mit der B GmbH & Co. KG vom 1. Aug. 2002 (Bl. 264 ff. d. A.) sei dieser nicht als Syndikusanwalt tätig. Eine Tätigkeit für die Beteiligte zu 2) erfolge zwangsläufig außerhalb seines Dienstverhältnisses.
Die Beteiligte zu 2) beantragt,
den Beschluss des Arbeitsgerichts Wetzlar vom 16. Dez. 2008 € 3 BV 14/08 € abzuändern und die Anträge des Beteiligten zu 1) zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 1) beantragt,
die Beschwerde des Beteiligten zu 2) als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Der Beteiligte zu 1) hält die Beschwerde für unzulässig, da Rechtsanwalt A bei Einlegung der Beschwerde nicht erkennbar als unabhängiger Rechtsanwalt tätig geworden sei. Die Formulierungen der Beschwerdeschrift ließen nicht erkennen, dass Rechtsanwalt A in einer geänderten Rolle für die Beteiligte zu 2) tätig geworden sei. Rechtsanwalt A sei für sämtliche Unternehmen der C Gruppe tätig und gegenüber der B GmbH & Co. KG insoweit auch weisungsgebunden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Beschwerdevorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten und die Sitzungsniederschrift vom 28. Mai 2009 Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist gemäß § 89 Abs. 3 Satz 1 ArbGG als unzulässig zu verwerfen. Sie ist entgegen §§ 89 Abs. 1, 87 Abs. 2, 66 Abs. 1 ArbGG von der Beteiligten zu 2) nicht binnen einen Monats nach Zustellung der angefochtenen Entscheidung durch einen Rechtsanwalt als Verfahrensbevollmächtigter im Sinne des § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG eingelegt worden. Gemäß § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG müssen sich die Beteiligten vor den Landesarbeitsgerichten bei der Einlegung und Begründung der Beschwerde durch Rechtsanwälte oder Gewerkschaften / Arbeitgeberverbände als Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Vorliegend kommt nur die erste Alternative in Betracht. Im Rahmen des § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG ist jeder zugelassene Rechtsanwalt zur Vertretung berechtigt. Rechtsanwalt A ist zwar als Rechtsanwalt zugelassen, es ist aber nicht erkennbar, dass er die Beteiligte zu 2) bei der Einlegung der Beschwerde als solcher vertreten hat. § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG soll gewährleisten, dass ein freier und selbstbestimmter Rechtsanwalt (§ 1 BORA), der unabhängig von Weisungen seines Mandanten ist, die Verantwortung für die Prozesshandlungen übernimmt (BAG Beschluss vom 19. März 1996 - 2 AZB 36/95 - EzA § 11 ArbGG 1979 Nr. 12). Unabhängigkeit ist ein Wesensmerkmal des Rechtsanwalts. Ein Rechtsanwalt, der im Rahmen eines Anstellungsvertrages mit einer Gesellschaft, die als zentrale Dienstleisterin die Rechts- und Personalberatung für die Gruppenunternehmen wahrnimmt, als Personalreferent Arbeitsrecht tätig wird, entspricht bei seiner Tätigkeit nicht dem allgemeinen anwaltlichen Berufsbild eines freien und unabhängigen Rechtsanwalts. In dieses Berufsbild lässt sich nur die Tätigkeit einfügen, die der angestellte Rechtsanwalt als Anwalt außerhalb seines Dienstverhältnisses ausübt. Im Rahmen des Anstellungsverhältnisses besitzt er keine Unabhängigkeit, sondern unterliegt dem Prinzip der Über- und Unterordnung, auch wenn das Anstellungsverhältnis nicht unmittelbar mit der Beschwerdeführerin besteht, sondern mit einem anderen Unternehmen der Gruppe, das für die Beschwerdeführerin die Rechtsberatung durchführt. Herr D ist immerhin in beiden Unternehmen (Mit)Geschäftsführer.
Die Beschwerdeschrift und die sonstigen Umstände lassen nicht erkennen, dass Rechtsanwalt A bei der Beschwerdeeinlegung als freier und unabhängiger Rechtsanwalt tätig geworden ist. Die Beschwerdeschrift wurde unter dem Briefkopf der Beteiligten zu 2) eingelegt. Im Rubrum der Beschwerdeschrift ist Rechtsanwalt A nicht als Verfahrensbevollmächtigter benannt. Für die Beschwerdeeinlegung hat Rechtsanwalt A wie schon in den im ersten Rechtszug eingereichten Schriftsätzen nicht die "Ich"-Form, sondern die €Wir€-Form verwendet. Die mit der Beschwerde vorgelegte Vollmacht deutet in keiner Weise darauf hin, dass er als unabhängiger Rechtsanwalt tätig werden sollte. Es ist ungewöhnlich, dass dort sein Geburtsdatum genannt ist. In einer Anwaltsvollmacht geschieht dies normalerweise nicht.
Gegen ein Tätigwerden als freier Rechtsanwalt sprechen auch die weiteren Umstände, nämlich dass Rechtsanwalt A in keinem der erstinstanzlichen Protokolle und auch nicht in dem angefochtenen Beschluss als Verfahrensbevollmächtigter ausgewiesen wurde und dass die Zustellung dieses Beschlusses unbeanstandet mit Postzustellungsurkunde an die Beteiligte zu 2) erfolgte. Die weiteren Angaben in der Beschwerdeschrift (Anschrift, Telefon, Telefax) weisen zudem darauf hin, dass Rechtsanwalt A in die Organisation der Beteiligten zu 2) eingebunden ist (vgl. LAG Baden-Württemberg Beschluss vom 26. Febr. 2003 € 4 Sa 75702 € Juris). Die Anwaltsanzeige vom 16. März 2009 erfolgte außerhalb der Beschwerdefrist.
Diese Entscheidung ist nach § 89 Abs. 3 Satz 2, 2. Halbsatz unanfechtbar. Diese Rechtsfolge gilt auch dann, wenn der Verwerfungsbeschluss nach mündlicher Verhandlung ergangen ist (vgl. BAG Beschluss vom 25. Juli 1989 - 1 ABR 48/88 - EzA § 89 ArbGG 1979 Nr. 3).
Hessisches LAG:
Beschluss v. 28.05.2009
Az: 9 TaBV 35/09
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