Oberlandesgericht Frankfurt am Main:
Urteil vom 15. April 2003
Aktenzeichen: 11 U 29/02
(OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 15.04.2003, Az.: 11 U 29/02)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main hat in einem Urteil vom 15. April 2003 (Aktenzeichen 11 U 29/02) die Berufung der Beklagten gegen ein vorheriges Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main zurückgewiesen. Die Beklagten wurden in erster Instanz dazu verurteilt, der Klägerin Schadensersatz in Höhe von 68.707,71 € zu zahlen. Dies wurde aus der Bewerbung, dem Angebot oder dem Vertrieb der CD-Rom "Ti." abgeleitet. Das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte die Berufung der Beklagten bereits zuvor abgewiesen. Die Beklagten hatten argumentiert, dass das Landgericht an die Feststellungen des Landgerichts Mannheim und des Oberlandesgerichts Karlsruhe gebunden gewesen sei und deshalb keine abweichende Entscheidung zur Schadensberechnung hätte treffen dürfen. Die Klägerin hingegen hat ihre Schadensberechnung am Verletzergewinn ausgerichtet. Das Landgericht hat der Klage Recht gegeben und die Beklagten zur Zahlung des Schadensersatzes verurteilt. Das Oberlandesgericht hat diese Entscheidung bestätigt und die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
OLG Frankfurt am Main: Urteil v. 15.04.2003, Az: 11 U 29/02
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 14. Februar 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main - 3. Zivilkammer (Az. 2/3 O 542/00) - wird zurückgewiesen.
Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
In dem vorliegenden Rechtsstreit sind die Beklagten in erster Instanz als Gesamtschuldner verurteilt worden, an die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 68.707,71 € zu zahlen. Dabei hat sich das Landgericht an der Entscheidung des Landgerichts Mannheim ausgerichtet, wobei durch dieses Urteil u.a. festgestellt worden ist, dass die Beklagten verpflichtet sind, der Klägerin all den Schaden zu ersetzen, der ihr aus der Bewerbung, dem Angebot oder dem Vertrieb der CD-Rom "Ti." entstanden ist oder noch entsteht. Die gegen dieses Urteil des Landgerichts Mannheim gerichtete Berufung hat das Oberlandesgericht Karlsruhe zurückgewiesen. Die Revision hiergegen wurde zurückgenommen.
Die Schadensberechnung, die von dem Landgericht vorgenommen worden ist und die nunmehr Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist, beruht auf der Berechnung nach der Methode: Herausgabe des Verletzergewinns.
Das Landgericht Mannheim und ihm folgend das Oberlandesgericht Karlsruhe hatte in dem vorausgegangenen Rechtsstreit und den darin ergangenen Urteilen vom 6. Juni 1997 bzw. 25. November 1998 die Auffassung vertreten, der geltend gemachte Auskunftsanspruch sei nur zum Teil begründet, weil die Übernahme der Daten keine wettbewerbsrechtliche Relevanz im Sinne einer Leistungsübernahme habe und damit ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz nicht in Betracht komme, so dass die Klägerin keine Auskunft über den Gewinn der Beklagten verlangen könne. Diese Angaben benötige sie zur Bezifferung des ihr entstandenen konkreten Schadens nicht.
Auf die in diesen Entscheidungen geäußerte Auffassung gründet sich die Berufung der Beklagten. Sie machen geltend, das Landgericht sei an die Feststellungen des Landgerichts Mannheim und des Oberlandesgerichts Karlsruhe gebunden gewesen, das ebenfalls ausgeführt habe, dass ein ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz nicht bestehe. Eine abweichende Entscheidung zur Schadensberechnung habe deshalb nicht getroffen werden dürfen, vielmehr habe die Klägerin ihren Schaden konkret zu berechnen. Da dies nicht geschehen sei, müsse die Klage abgewiesen werden. Durch das stattgebende Feststellungsurteil stehe die Rechtsfolge nämlich unabänderlich fest. Gegenstand der zunächst erhobenen Feststellungsklage - und damit Gegenstand der Rechtskraft - sei die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten dem Grunde nach gewesen. Dabei erstrecke sich die Rechtskraft auf die Entstehung des Schadens aufgrund des schadensstiftenden Ereignisses, das der Gegenstand des Feststellungsrechtsstreits gewesen sei. Die schadensstiftende Verletzungshandlung der Beklagten habe aber nach den Feststellungen des Landgerichts Mannheim und des Oberlandesgerichts Karlsruhe nicht etwa in einer wettbewerbswidrigen Leistungsübernahme eines Gegenstandes bestanden, der dem ergänzenden Leistungsschutz zugänglich sei. Nur dann sei aber die objektive Schadensberechnung als Rechtsfolge zulässig gewesen. Festgestellt sei lediglich die Schadensersatzverpflichtung aus einem (einfachen) Wettbewerbsverstoß. Die Rechtsfolge aus dem streitigen Rechtsverhältnis sei deshalb die Leistung von Schadensersatz nach den allgemeinen Regeln der §§ 249 ff BGB, so dass die Klägerin ihren Schaden konkret berechnen müsse.
Maßgeblich bei der Einordnung der Ausführungen des Landgerichts Mannheim bzw. des Oberlandesgerichts Karlsruhe zum Auskunftsanspruch sei, dass es sich bei diesem nicht um einen selbständigen Anspruch handele, sondern lediglich um einen Hilfsanspruch mit vorbereitendem Charakter. So richteten sich nicht nur Inhalt, Umfang und Grenzen des Auskunftsanspruches nach dem vorzubereitenden Hauptanspruch. Auch die Verjährung des Auskunftsanspruchs sei ausschließlich abhängig von dem Anspruch, den er vorbereiten solle. Folgerichtig besäßen die Erwägungen in den genannten Urteilen sowohl Geltung für den Auskunftsanspruch als auch für den Schadensersatzanspruch, weil über beide Ansprüche in den dort laufenden Verfahren entschieden worden sei. Auch die Tenorierung der fraglichen Urteile lege die Beschränkung der Schadensersatzverpflichtung der Beklagten fest. Bei der Ermittlung der Rechtskraft seien auch die Natur des fraglichen Urteilsausspruches und dessen Besonderheiten als positives Feststellungsurteil zu berücksichtigen. Auch dieses spreche für die Einbeziehung der rechtlichen Qualifikation des festgestellten Schadensersatzanspruches in die Rechtskraftwirkung der Urteile des Landgerichts Mannheim und des Oberlandesgerichts Karlsruhe. Hinzu komme, dass die Ergebnisse des ersten Prozesses weitgehend entwertet würden, wenn die Rechtskraft auf die reine Schadensersatzverpflichtung der Beklagten beschränkt werde. Die Schadensersatzverpflichtung der Beklagten hinge also im luftleeren Raum und der erste Prozess sei zu einem großen Teil umsonst geführt worden. Bei dieser Sachlage könne die Klage deshalb keinen Erfolg haben, solange die Klägerin ihre Berechnungen an dem Verletzergewinn ausrichte.
Die Beklagten beantragen,
das am 14. Februar 2002 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main, Az.: 2/3 O 542/00, abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist dem Vorbringen der Beklagten im Einzelnen entgegengetreten und hat die Auffassung vertreten, die Berufung sei bereits unzulässig, weil die Berufungsklägerinnen aus dem Verborgenen heraus agierten und eine Vollmacht für Rechtsanwalt M. nicht vorliege. Im Übrigen ist die Klägerin der Ansicht, die Ausführungen des Landgerichts Mannheim und des Oberlandesgerichts Karlsruhe im vorausgegangenen Feststellungsverfahren beträfen lediglich den Umfang des Auskunftsanspruchs, nicht aber den Umfang der Schadensersatzverpflichtung. Deshalb könnten diese Überlegungen in dem vorausgegangenen Verfahren keine Auswirkungen auf die Berechnung des Schadens im hier vorliegenden Rechtsstreit haben. Es handele sich dabei lediglich um rechtliche Erwägungen, die nicht an der Rechtskraft teilnähmen.
Die Berufung der Beklagten ist zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt.
In der Sache hat sie jedoch keinen Erfolg.
Allerdings ist die Berufung zulässig, die von der Klägerin insoweit erhobenen Rügen sind zwischenzeitlich erledigt worden. In der vorausgegangenen Einzelrichterverhandlung waren sich die Parteivertreter darin einig, dass eine wirksame Vollmachtserteilung vorliege und Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagten aus dem Verborgenen agierten, nach Mitteilung der veränderten Anschriften und Firmenbezeichnungen nicht mehr gegeben seien.
Die Berufung ist jedoch unbegründet, weil die Klägerin mit Recht den von den Beklagten zu leistenden Schadensersatz nach dem Verletzergewinn berechnet hat. Der Einwand, den die Berufungskläger gegen ihre Verurteilung vortragen, dass nämlich das Landgericht im Folgeprozess an die Auffassung in den Urteilen des Landgerichts Mannheim und des Oberlandesgerichts Karlsruhe in dem vorausgegangenen Feststellungsrechtsstreit gebunden sei, trägt nicht.
Durch das stattgebende Feststellungsurteil steht als Rechtsfolge fest, dass die Klägerin Schadensersatz geltend machen kann, weil festgestellt worden ist, dass hierfür eine hinreichende Wahrscheinlichkeit besteht. Die positive feststellende Verurteilung drückt aus, dass das in dem Urteil bezeichnete Recht oder Rechtsverhältnis als solches steht, und zwar unabhängig davon, ob das Gericht alle einschlägigen Aspekte gesehen und zutreffend gewürdigt hat (vgl. auch BGH NJW 1982, 2257 m.w.N. sowie BGH NJW 1979, 1046 f).
Dagegen hat das positive Feststellungsurteil keine Rechtskraftwirkung zu der Frage, auf welche Weise der Schaden zu berechnen ist. Soweit das Oberlandesgericht Karlsruhe im vorangegangenen Feststellungsverfahren Ausführungen dazu gemacht hat, wie ein möglicher Schadensersatzanspruch der Klägerin zu berechnen sei, handelt es sich zum einen lediglich um Ausführungen im Rahmen des Umfanges des Auskunftsanspruches, nicht aber um Ausführungen zur Feststellung der Schadensersatzverpflichtung. Selbst wenn sich aber diese Ausführungen auch auf die festgestellte Schadensersatzverpflichtung der Beklagten beziehen würde, hätte dies zum anderen keine Auswirkungen auf die Frage, auf welche Weise im nachfolgenden Schadensersatzprozess die Höhe des Schadens tatsächlich berechnet werden kann und muss.
Vielmehr handelt es sich bei den Ausführungen des Landgerichts Mannheim und des Oberlandesgerichts Karlsruhe zur Frage der wettbewerbsrechtlichen Relevanz des Verhaltens der Beklagten um rechtliche Erwägungen, die jedoch an der Rechtskraft des Feststellungsurteils nicht teilnehmen. Durch ein Urteil, das das Bestehen eines Rechtsverhältnisses feststellt, wird deshalb nicht auch der dafür maßgebende Grund verbindlich festgehalten, so dass in einem Folgeprozess die Entscheidung über den Grund eines Rechtsverhältnisses grundsätzlich abweichend getroffen werden kann (vgl. BGH NJW 1983, 2032/2033; BGH NJW-RR 1988, 199/200).
Aus welchem wettbewerbsrechtlichen Grund (ergänzender Leistungsschutz oder nur "allgemeiner" wettbewerbsrechtlicher Schadensersatzanspruch mit der Folge einer konkreten Schadensberechnung) die Gerichte zuvor einen Schadensersatzanspruch zu Gunsten der Klägerin festgestellt haben, ist deshalb für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits und die Berechnung der Schadensersatzhöhe nicht von ausschlaggebender Bedeutung.
Soweit der Auskunftsanspruch im vorausgegangenen Verfahren einschränkend tenoriert worden ist, hat dies lediglich Einfluss darauf, dass die Klägerin auf dieser Grundlage lediglich ihre Auskunft einfordern konnte. Darüber hinaus lässt sich auch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (WRP 2002, 1173 f - Fax-Karte) heranziehen, auch wenn sie einen etwas anders gelagerten Sachverhalt betrifft. In dieser Entscheidung hat der Bundesgerichtshof festgestellt, dass eine Erstreckung der Rechtskraft eines Unterlassungsurteils auf Elemente eines Schadensersatzanspruches ebenso wenig möglich ist, wie umgekehrt. Entsprechendes lässt sich auch im Verhältnis zwischen Auskunfts- und Schadensersatzanspruch sowie umgekehrt annehmen.
Danach ist der Auffassung des Landgerichts und der Klägerin zu folgen, wonach die Schadensberechnungsmethode ausschließlich eine Frage des wie und nicht des ob des Schadensersatzanspruches ist, also nicht zur haftungsbegründenden, sondern zur haftungsausfüllenden Kausalität gehört. Dementsprechend konnten die Tatbestandsmerkmale für die objektive Schadensberechnung auch erst im Schadensersatzprozess festgestellt werden, nicht dagegen bereits verbindlich im vorangegangenen Verfahren. Der Entstehungsgrund des Schadensersatzanspruches ist deshalb entgegen der Auffassung der Beklagten nicht aus den Urteilen des Landgerichts Mannheim und des Oberlandesgerichts Karlsruhe in der Weise festgelegt, dass dies im nachfolgenden Schadensersatzprozess nunmehr nur noch eine bestimmte Schadensberechnungsmethode möglich machte. Im Übrigen wird diese Auffassung auch gestützt durch die Kommentarliteratur, die ebenfalls die Auffassung vertritt, dass ein Feststellungsurteil keine Rechtskraft für die Frage schafft, ob der Schaden tatsächlich aus dem festgestellten Grund herrührt oder andere Grundlagen von ausschlaggebender Bedeutung sind (vgl. Baumbach/Hefermehl Wettbewerbsrecht, 19. Auflage, Einl. UWG, Rdnr. 500).
Danach ist die Klägerin berechtigt, ihren Schaden über die Grundsätze der Herausgabe des Verletzergewinns zu berechnen und entsprechend geltend zu machen. Dass der Klägerin ein Schadensersatzanspruch nach den Grundsätzen des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes und der objektiven Schadensberechnung zusteht, ist in einem anderen Verfahren zwischen den Parteien im Übrigen vom Bundesgerichtshof bereits festgestellt worden. Dies stellen die Beklagten grundsätzlich auch nicht in Abrede, sie meinen lediglich, die Rechtskraft des Feststellungsurteils im vorausgegangenen Verfahren stehe einer derartigen Berechnung entgegen. Da diese Auffassung jedoch unzutreffend ist, die Beklagten zur Schadensberechnung der Klägerin nichts vorgetragen haben und diese damit akzeptieren, gelten die Erwägungen des Landgerichts, die auch insoweit zutreffend sind, zur Höhe der Schadensberechnung fort, so dass die Berufung mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen war.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.
OLG Frankfurt am Main:
Urteil v. 15.04.2003
Az: 11 U 29/02
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