Landgericht München I:
Urteil vom 27. März 2008
Aktenzeichen: 7 O 4550/08

(LG München I: Urteil v. 27.03.2008, Az.: 7 O 4550/08)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In der Entscheidung geht es um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der vom Landgericht München I zurückgewiesen wurde. Die Antragstellerin, eine Künstlerin, wirft dem Antragsgegner, dem Träger des Architekturmuseums, vor, eine Rauminstallation aus Kabelbindern zu zeigen, die sie als Plagiat ihrer eigenen Installation betrachtet. Die Antragstellerin behauptet, weltweit die einzige Künstlerin zu sein, die solch eine Rauminstallation geschaffen hat. Sie argumentiert, dass die Rauminstallation des Antragsgegners auf ihrer eigenen Installation basiert und es keine anderen vergleichbaren Werke gibt. Sie beansprucht daher ein Unterlassungsrecht sowie das Verbot der Abbildung der Rauminstallation in einem Ausstellungskatalog. Der Antragsgegner bestreitet den Vorwurf des Plagiats und argumentiert, dass es bereits vorher ähnliche Kabelbinder-Arbeiten gegeben habe. Das Gericht kommt zu dem Schluss, dass es sich bei der Rauminstallation des Antragsgegners um eine freie Benutzung und nicht um eine unfreie Bearbeitung des Werkes der Antragstellerin handelt. Es stellt fest, dass die beiden Installationen sich in verschiedenen Merkmalen unterscheiden und die entlehnten eigenpersönlichen Züge des Werkes der Antragstellerin durch die Eigenart des Werkes des Antragsgegners verblassen. Das Gericht weist den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung daher ab. Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragstellerin. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, jedoch kann die Vollstreckung durch den Antragsgegner gegen Sicherheitsleistung abgewendet werden. Der Streitwert wird auf 50.000 Euro festgesetzt.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

LG München I: Urteil v. 27.03.2008, Az: 7 O 4550/08


Tenor

I. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 13.3.2008, in der Fassung vom 27.3.2008, wird zurückgewiesen.

II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragstellerin kann die Vollstreckung durch den Antragsgegner gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Antragsgegner zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Der Streitwert wird auf Euro 50.000,€ festgesetzt.

Tatbestand

Die Antragstellerin wendet sich im einstweiligen Verfügungsverfahren mit einem Plagiatsvorwurf gegen eine Rauminstallation aus Kabelbindern.

Die Antragstellerin ist Künstlerin.

Der Antragsgegner ist der Rechtsträger des Architekturmuseums ... der Technischen Universität ... Anlässlich der 200-Jahresfeier des Architekturmuseums findet in der Pinakothek der Moderne in ... vom 15.2.2008 bis 18.5.2008 eine Ausstellung statt. Im Rahmen der Ausstellung kann auch die streitgegenständliche Rauminstallation aus Kabelbindern "Der Dritte Raum" besichtigt werden:

Die Antragstellerin trägt vor, dass es weltweit nur wenige Künstler gebe, die den Kabelbinder als künstlerisches Gestaltungsmittel entdeckt hätten. Soweit ersichtlich sei die Antragstellerin weltweit die einzige Künstlerin, die bislang aus Kabelbindern eine großflächige Rauminstallation bestehend aus hunderttausenden solcher Kabelbinder geschaffen habe. Insbesondere habe die Antragstellerin im Oktober 2005 im Kunstraum Linz erstmals die Rauminstallation "Curious Implantation" (vgl. Anlage AST 1) ausgestellt, die sie ohne vergleichbares Vorbild im Laufe des Jahres 2005 völlig eigenständig geschaffen habe. Unter anderem sei auch eine Ausstellung auf der Systems in München im Jahre 2007 (vgl. Anlagen AST 2, 3) gefolgt. Die wesentlichen Strukturen dieser Rauminstallation seien ebenso wie die Form und Ausdehnung der Fläche, die Anzahl und Anordnung der Kunststoffbälle sowie die Platzierung der Lichtquellen festgelegt (vgl. Plan gem. Anlage AST 4):

Die Rauminstallation der Antragstellerin sei gekennzeichnet durch eine amorphe, ganz weiß gehaltene Landschaft, die geformt werde aus einer Kabelbinder-Oberfläche und transparenten, nicht ganz prall aufgeblasenen Kunststoffbällen mit unterschiedlichen Durchmessern und Füllmaterial. Die Kunststoffbälle seien überwiegend nebeneinander, teils aber auch übereinander angeordnet, so dass eine hügelige, von der Kabelbinderoberfläche bedeckte und zusammengehaltene Landschaft entstehe. Die Verarbeitung der Kabelbinder in der Oberfläche erfolge in der Weise, dass ca. 500.000 Kabelbinder durch eine transparente Luftpolsterfolie hindurch gesteckt und deren Rückseite fixiert werde. Ein besonderer Effekt werde dadurch erzielt, dass unterhalb der Oberfläche, zwischen den Bällen, Lichtquellen angeordnet seien, die durch das transparente Material hindurchstrahlten und die Oberfläche partiell erhellten.

In der Rauminstallation "Der Dritte Raum" (vgl. Anlagen AST 6-10) werde neben anderen Objekten aus Kabelbindern auch eine Kabelbinderlandschaft gezeigt, für die die Rauminstallation der Antragstellerin ersichtlich als Vorlage gedient habe. Es handele auch hierbei um eine amorphe Hügellandschaft, zusammengehalten durch eine weiße Kunststoff-Kabelbinderoberfläche. Als Füllmaterial dienten, ebenfalls transparente, nicht ganz aufgeblasene Kunststoffbälle, die nebeneinander und teilweise übereinander angeordnet seien, und zwischen denen ebenfalls Lichtquellen angeordnet seien. Lediglich die Verarbeitung der Kabelbinder, die hier ohne Verwendung zusätzlichen Materials netzartig miteinander verknüpft seien, unterscheide sich von der Installation der Antragstellerin, wobei auch die solcherart miteinander verknüpften Kabelbinder im gesamten Randbereich der Installation und in den an den Wänden befestigten Ausläufern mit ihren Enden stachelig emporragten. Hinzugefügt sei ein den Raum überspannender Baldachin aus ebenfalls stachelig verarbeiteten Kabelbindern. Dem Werk der Antragstellerin wiederum entnommen sei das übereinstimmende Konzept einer Interaktion zwischen den Besuchern und dem Werk. So würden die Besucher beim Werk der Antragstellerin angeregt, sich das Werk nicht nur visuell, sondern auch durch Berührung zu erschließen, was bei der angegriffenen Installation durch die Anregung zum Sitzen und Hineinlegen ebenfalls aufgegriffen werde.

Die dargestellten Unterschiede in der Verarbeitung führten in Anbetracht der ausgeprägten Eigenart des Werkes der Antragstellerin nicht aus dem Bereich der unzulässigen unfreien Bearbeitung gem. § 23 UrhG hinaus. Es gehe hier nicht allein um die Idee, Kabelbinder als Gestaltungsmittel einzusetzen, sondern um eine konkrete Rauminstallation, für die es kein anderes Vorbild gebe, als die vorbekannte Installation der Antragstellerin. Zu den schöpferischen Merkmalen dieser zähle insbesondere die Idee, eine aus transparenten Kunststoffbällen geformte dreidimensionale Landschaft mit einer Kabelbinder-Oberfläche zu bedecken und zusammenzuhalten, und dem dadurch bewirkten Erscheinungsbild einer ganz in weiß gehaltenen, amorphen Hügellandschaft durch die zwischen den Kunststoffbällen angeordneten Lichtquellen einen besonderen ästhetischen Effekt zu verleihen. Die Unterschiede in der rein handwerklichen Verarbeitung der Kabelbinder träten hinter die Gemeinsamkeiten bei den schöpferischen Merkmalen zurück und führten keineswegs dazu, dass die Vorlage bei Betrachten der Bearbeitung nicht mehr durchscheine.

Der Antragstellerin stehe daher gem. § 97 Abs. 1 UrhG ein Unterlassungsanspruch in Bezug auf eine Fortführung der Ausstellung (§ 18 UrhG) sowie in Bezug auf eine drohende Vervielfältigung und Verbreitung von Abbildungen der Rauminstallation in einem Ausstellungskalender (§§ 16, 17 UrhG) zu.

Die Sache sei dringlich. Die Antragstellerin habe an der Ausstellungseröffnung am 14.2.2008 teilgenommen und hierbei die gesamte Ausstellung erstmals zur Kenntnis nehmen können. Ihr Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe sowie Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 13.3.2008 sei daher am 14.3.2008 rechtzeitig innerhalb der Monatsfrist bei Gericht eingegangen.

Die Antragstellerin beantragt nunmehr:

Dem Antragsgegner wird bei Meidung ... verboten,

a. in den Ausstellungsräumen des Architekturmuseums eine Kabelbinder-Rauminstallation öffentlich auszustellen, die gekennzeichnet ist durch eine amorphe Hügellandschaft, die geformt wird von transparenten, nicht ganz prall aufgeblasenen Kunststoffbällen mit unterschiedlichem Durchmesser, die überwiegend nebeneinander, teils aber auch übereinander angeordnet sind, wobei die Bälle bedeckt und zusammengehalten werden von einer darüber ausgebreiteten, ganz in weiß gehaltenen Oberfläche von miteinander verknüpften Kabelbindern, die teils glatt, im Randbereich aber mit stachlig nach oben hervorstehenden Enden verarbeitet sind, wobei zwischen den Bällen Lichtquellen angeordnet sind, die durch das transparente Material hindurchstrahlen und die Oberfläche partiell erhellen, wie nachfolgend wiedergegeben:

b. Abbildungen der vorgenannten Rauminstallation der Öffentlichkeit anzubieten oder in Verkehr zu bringen, insbesondere in einem in Vorbereitung befindlichen Ausstellungskatalog.

Der Antragsgegner beantragt ,

den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 13.3.2008, in der Fassung vom 27.3.2008, zurückzuweisen.

Unter Berücksichtigung der vorbestehenden Kabelbinder-Arbeiten anderer Künstler (vgl. Anlagen AG 1-6) müsse festgestellt werden, dass das angegriffene Werk einen solchen Grad an Selbständigkeit aufweise, dass die Züge des älteren Werkes verblassten.

So habe die Bochumer Design-Studentin Julia S im ersten Semester 2004 eine "Igelweste" aus Kabelbindern geschaffen (vgl. Anlagen AG 3-4):

eine glatte 1,0 eingebracht und zudem für einiges Aufsehen gesorgt.

Und auch der Sport kommt bei E-M-C-Direct nicht zu kurz:

So konnte sich der Sportverein "Marl-Drewer 2" kürzlich über neue Trickots freuen und symollsiert den E-M-C-Direct-Gedanken " Klein, aber oho " auf seine ganz eigene Art und Welse!

Die Künstlerin ... habe im Jahre 2003 eine diffus beleuchtete Hügellandschaft als großflächige Rauminstallation geschaffen (vgl. Anlage AG 6):

Die Gegenüberstellung beider Werke (vgl. Schriftsatz vom 26.3.2008 S. 5 = Bl. 14) zeige, dass es nicht einmal signifikante Übereinstimmungen in Hinsicht auf schöpferische Wesenszüge oder Eigenarten des Werkes der Antragstellerin gebe. Die Antragstellerin benutze den Kabelbinder praktisch nicht in seiner Form als Kabelbinder, sondern in der Art einer Nadel, die durch die zu gestaltende Oberfläche, die Luftpolsterfolie, getrieben werde und damit eine raumgreifende Oberflächenanmutung (Flokati/Teppich/Fell/Graslandschaft) erzeuge. In der angegriffenen Rauminstallation werde der Kabelbinder jedoch in seiner Funktion als Vorrichtung zum Binden eines Netzes benutzt, wobei die Netzstruktur und dessen Eigenschaften flächen- und raumbildend zur Synthese mit den Sitzelementen (Gymnastikbällen) eingesetzt würden. Nur an bestimmten Stellen, nicht jedoch in feldartiger Fläche, würden die Kabelbinder in bestimmungsgemäßer Funktion festgezurrt, deren überstehender Stachel jedoch zur pointiert raumgestaltenden Artikulation nach Art eines Kakteenstachels genutzt. Ein weiterer wesentlicher Unterschied sei auch daran zu sehen, dass bei dem Werke der Antragstellerin die Kunststoffkissen nur als Füllmaterial dienten und damit verborgen unter der eigentlich formbildenden Luftpolsterfolie lägen. Das raumbildende Element sei die Kabelbinderdecke. Anders verhalte sich dies bei der angegriffenen Rauminstallation, denn dort griffen die transparenten Kunststoffbälle, die durch das grobmaschige, aus Kabelbindern geflochtene Netz durchschienen, selbst sichtbar Raum.

Im Gesamtvergleich stelle sich das Werk der Antragstellerin als eine recht wellige, offene Hügellandschaft dar, die von einer aus eng zusammen stehenden weißen Kabelbindern gebildeten Oberfläche bedeckt werde, die an ein weißes Fell oder an mit Reif belegtes Gras erinnere. Dabei seien die von der Oberfläche bedeckten, rein als Füllmaterial dienenden Kunststoffkissen nicht sichtbar. Die Hügellandschaft werde an einzelnen Punkten von innen heraus eher lokal beleuchtet.

Die angegriffene Installation habe hingegen eine komplett andere Form und Oberfläche. Sie werde vom Besucher als eine aus mehreren überdimensionierten Sitz- und Liegeflächen gebildete Wohnlandschaft wahrgenommen. Die Sitz- und Liegeflächen seien eingebettet in einen aus Kabelbindern gebildeten, begehbaren Kokon. Die verwendeten Kunststoffbälle, die nur leichte Hügel bildeten, würden durch ein glattes Netz aus Kabelbindern zusammengehalten, was eine völlig andere ästhetische Wirkung entfalte. Das Netz habe eine bestimmte Struktur, ein bestimmtes Muster. Es lasse die Kunststoffbälle durchscheinen, es decke sie nicht zu. Und das Netz sei im Bereich der Hügel glatt, habe also nicht die fell- oder grasartige Anmutung.

Unabhängig hiervon habe sich die Antragstellerin im Rahmen der vorgerichtlichen Auseinandersetzung mit Schreiben ihres damaligen anwaltlichen Vertreters vom 20.2.2008 (Anlage AST 13) gegenüber dem Studiengang Innerarchitektur und den diesen anleitenden Professoren ausdrücklich vom Plagiatsvorwurf distanziert. Diese Erklärung müsse man als rechtswirksamen Verzicht auf die Geltendmachung etwaiger Unterlassungsansprüche auslegen.

Im Übrigen gehe der (ursprünglich) gestellte Unterlassungsantrag zu weit.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Betrachten des TV-Beitrags gem. Anlage AST 10 im Termin vom 27.3.2008.

Zur Ergänzung des Parteivorbringens wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze samt Anlagen sowie auf die Sitzungsniederschrift vom 27.3.2008 (Bl. 37/41) verwiesen.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung hat keinen Erfolg. Er war zurückzuweisen, da die Kammer keine Urheberrechtsverletzung feststellen konnte. Die Rauminstallation "Der Dritte Raum" ist keine unfreie Bearbeitung der Rauminstallation

A.

Keine unfreie Bearbeitung

Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch nach §§ 16, 17, 18, 97 Abs. 1 UrhG nicht zu, da die angegriffene Rauminstallation "Der Dritte Raum" auch dann keine unfreie Bearbeitung im Sinne des § 23 UrhG sondern eine freie Benutzung im Sinne des § 24 Abs. 1 UrhG der Rauminstallation ... ist, wenn man unterstellt, dass den Kunststudenten das Werk der Antragstellerinnen bekannt war.

I. Nach § 23 UrhG dürfen Bearbeitungen oder andere Umgestaltungen des Werkes nur mit Einwilligung des Urhebers des bearbeiteten oder umgestalteten Werkes veröffentlicht oder verwertet werden.

Nach § 24 Abs. 1 UrhG darf ein selbständiges Werk, das in freier Benutzung des Werkes eines anderen geschaffen worden ist, ohne Zustimmung des Urhebers des benutzten Werkes veröffentlicht und verwertet werden.

Fallgruppen der nach § 23 UrhG verbotenen Umgestaltungen sind das Plagiat sowie die gescheiterte freie Benutzung nach § 24 UrhG. Die Rechtssprechung hat zur Abgrenzung der freien von der unfreien Benutzung die Formel entwickelt, dass eine freie Benutzung dann vorliegt, wenn angesichts der Eigenart des neuen Werkes die entlehnten eigenpersönlichen Züge des geschützten älteren Werkes verblassen. Ob dies der Fall ist, hängt im Einzelfall vom Grad der Individualität der entlehnten Züge einerseits und des neuen Werkes andererseits ab. Es herrscht eine Wechselwirkung. Je auffallender die Eigenart des benutzten Werkes ist, umso weniger werden dessen übernommene Eigenheiten in dem danach geschaffen Werk verblassen. Umgekehrt ist von einer freien Benutzung dort eher auszugehen, wo sich die Eigenart des neuen Werkes gegenüber dem älteren Werk in besonderem Maße abhebt, wobei strenge Anforderungen anzulegen sind (Dreier/Schulze, UrhG, 2. Aufl., § 24 Rdn. 8).

II. Vorliegend liegt eine freie Benutzung vor:

1. Der Antragsgegner hat glaubhaft gemacht, dass die Werke gem. Anlagen AG 1-6 vorbekannt waren. Vorbekannt waren somit insbesondere die "Igelweste" aus Kabelbindern (vgl. Anlagen AG 3-4), die eine fellartige Anmutung aufweist und bei Benutzung den Kontrast zwischen visueller Wahrnehmung (flauschig) und haptischem Empfinden (hart) verdeutlicht, sowie die großflächige Rauminstallation gemäß der Anlage AG 6, die eine diffus beleuchtete Hügellandschaft zeigt, die aus rundlichen Körpern mit einer wabenartigen Oberfläche gebildet wird.

2. Das Werk der Antragstellerin ... zeichnet sich für den Betrachter durch die nachfolgenden Merkmale aus:

a. nicht begehbare amorphe Hügellandschaft ohne erkennbaren Zweck,

b. die teilweise von innen beleuchtet wird

c. und den Boden einer Ecke eines Ausstellungsraumes ausfüllt

d. und gebildet wird aus

aa. neben- und übereinander angeordneten Füllkörpern,

bb. die vollständig von einer Luftpolsterfolie überdeckt sind,

cc. in der eine Vielzahl weißer Kabelbinder der Länge nach stecken

dd. und so die Anmutung eine Flokati-Teppichs bzw. einer Grassnabe bilden.

3. Unter Berücksichtigung der vorbekannten Werke wird die Individualität des Werks der Antragstellerin vor allem durch die fell- bzw. grasartige Anmutung der Oberfläche der Hügellandschaft gem. Merkmale a) und d.dd), die keinem erkennbaren Zweck folgt, begründet.

Die fellartige Anmutung, die Hügellandschaft sowie die indirekte Beleuchtung als solche waren bereits vorbekannt. Schutzbegründend ist daher allein deren individuelle Kombination.

4. Das angegriffene Werk zeichnet sich durch die nachfolgenden Merkmale aus:

a. Rauminstallation, u.a. mit einer begeh- und benutzbaren Sitzlandschaft mit konkreter räumlicher Situation

b. die den gesamten Ausstellungsraum ausfüllt

c. Die Sitzlandschaft wird von innen beleuchtet

d. und wird gebildet aus

aa. neben- und übereinander angeordneten transparenten Kunststoffbällen,

bb. die vollständig von einem Netz aus miteinander verflochtenen, weißen Kabelbindern überdeckt werden,

cc. sowie mehreren Extremitäten, die sich aus dem Netz entwickeln, an den Enden nach oben streben und mit einem überspannenden Netz eine Art Kokon bilden

dd. das Netz sowie die Extremitäten weisen einzelne Kabelbinder auf, deren überstehende Enden in den Raum ragen, und so einen stacheligen Eindruck vermitteln.

5. Die Individualität des angegriffenen Werks wird vor allem durch die Kombination der begehbaren Sitzlandschaft mit dem Netz gemäß der Merkmale a), d.bb) und d.cc) begründet. Das Netz hält einerseits die Bälle der Sitzlandschaft zusammen und bildet gleichzeitig die kokonartigen Strukturen.

6. Im Vergleich der die Individualität der jeweiligen Werke bildenden Merkmale ist festzustellen, dass das angegriffene Werk in Abkehr vom Werk der Antragstellerin keine fell- bzw. grasartige Anmutung der Oberfläche der zweckfreien Hügellandschaft zeigt. Vielmehr erfüllen die begehbaren Objekte hier den erkennbaren Zweck, eine Sitz- bzw. Liegefläche zu bilden. Die Oberfläche hat eine netzartige Struktur, die den Blick auf die darunter befindlichen transparenten und beleuchteten Sitzbälle freigibt. Durch die mit den Sitzgelegenheiten verbundenen, an die Decke ragenden und diese teilweise bedeckenden Strukturen wird eine Art Kokon gebildet, der dem Besucher ein Gefühl der Geborgenheit vermittelt.

Eine grasartige Anmutung entfalten allenfalls die an den Randbereichen überstehenden Kabelbinderenden. Angesichts der beschriebenen Kokonwirkung kommt dieser Anmutung jedoch kein maßgebliches Gewicht zu, sie verblasst.

B.

Nebenentscheidungen

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 6, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3, 5 ZPO; §§ 39 Abs. 1, 53 GKG. Die Streitwertangabe der Antragstellerin erschien in Angebracht der Größe der angegriffenen Rauminstallation sowie des zusätzlich begehrten Verbots, den Ausstellungskatalog mit Abbildungen der Installation zu vervielfältigen und zu verbreiten, als zu gering.






LG München I:
Urteil v. 27.03.2008
Az: 7 O 4550/08


Link zum Urteil:
https://www.admody.com/gerichtsentscheidung/6c44031476fb/LG-Muenchen-I_Urteil_vom_27-Maerz-2008_Az_7-O-4550-08




Diese Seite teilen (soziale Medien):

LinkedIn+ Social Share Twitter Social Share Facebook Social Share