Bundesgerichtshof:
Urteil vom 6. April 2004
Aktenzeichen: X ZR 243/00
(BGH: Urteil v. 06.04.2004, Az.: X ZR 243/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Der Bundesgerichtshof hat in dieser Gerichtsentscheidung festgestellt, dass das Streitpatent nicht patentfähig ist. Das Gericht hat die Patentfähigkeit verneint, da der Gegenstand des Patentanspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht. Die Merkmale des Patentanspruchs waren bereits bekannt und wurden lediglich kombiniert. Insbesondere die Montage des Lichtleiters von außen und die Verwendung von Rastelementen für die Befestigung des Lichtleiters waren bereits durch den Stand der Technik nahegelegt. Die anderen Hilfsanträge, die zusätzliche Merkmale enthalten, wurden ebenfalls abgelehnt, da diese ebenfalls durch den Stand der Technik bekannt waren. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass die Patentfähigkeit des Streitpatents in keiner der verteidigten Fassungen gegeben war. Die Berufung wurde daher zurückgewiesen.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Urteil v. 06.04.2004, Az: X ZR 243/00
Tenor
Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 1. August 2000 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 17. September 1993 angemeldeten deutschen Patents 43 31 682 (Streitpatents). Das Streitpatent betrifft ein "elektrisches Gerät" und umfaßt folgende sieben Patentansprüche:
"1. Elektrisches Gerät, bestehend aus -einem Gehäuse (1), -das aus einem Gehäusegrundkörper (1') und einer Gehäusehaube (1) zusammengesetzt ist, -und mindestens einer im Gehäuse (1) angeordneten Leiterplatte (2), -die im Gehäuse durch Führungsschienen (11) gehalten ist,
-auf der vom Gehäuse (1) zurückgesetzte Leuchtdioden (7) angeordnet sind,
-wobei das von den Leuchtdioden (7) emittierte Licht über Lichtleiter (9) durch in der Gehäusehaube (1) angeordnete Ausnehmungen (10) nach außen zu einer Anzeigeseite (8) des elektrischen Geräts führbar ist,
-wobei die Lichtleiter (9) von der Anzeigeseite (8) aus in die Ausnehmungen (10) der Gehäusehaube (1) einführbar sind,
-wobei die Lichtleiter (9) und die Gehäusehaube (1) zusammenwirkende Rastelemente (17, 18) aufweisen, so daß die Lichtleiter (9) beim Einführen in die Gehäusehaube (1) mit der Gehäusehaube (1) verrasten und -wobei weiterhin Leiterplatte (2) und Lichtleiter (9) aus voneinander verschiedenen Richtungen in die Gehäusehaube (1'') einführbar sind,
-so daß Leiterplatte (2) und Lichtleiter (9) unabhängig voneinander montierbar sind.
2.
Elektrisches Gerät nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß die Lichtleiter (9) mittels einer im wesentlichen linearen Bewegung in die Ausnehmungen (10) einführbar sind.
3.
Elektrisches Gerät nach Anspruch 1 oder 2, dadurch gekennzeichnet, daß die Lichtleiter (9) an ihrer Einführseite (15) angeschrägt sind.
4.
Elektrisches Gerät nach einem der obigen Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß die Leuchtdioden (7) ihr Licht nicht direkt zur Anzeigeseite (8) hin abstrahlen und daß das Licht mittels einer in den Lichtleiter (9) integrierten Richtfläche (12) zur Anzeigeseite (8) umgelenkt wird.
5.
Elektrisches Gerät nach Anspruch 4, dadurch gekennzeichnet, daß die Richtfläche (12) von einer Schutzummantelung (13) umgeben ist.
6.
Elektrisches Gerät nach einem der obigen Ansprüche, dadurch gekennzeichnet, daß mehrere Lichtleiter (9) zu einer einstückigen Lichtleitereinheit (14) zusammengefaßt sind.
7.
Elektrisches Gerät nach Anspruch 6, dadurch gekennzeichnet, daß die lichtleiterseitigen Rastelemente (18) an den Enden der Lichtleitereinheit (14) angeordnet sind."
Die Klägerin hat geltend gemacht, daß das Streitpatent gegenüber dem Stand der Technik, wie ihn insbesondere die deutschen Offenlegungsschriften 37 16 593 (K1) und 38 06 268 (K8), die deutschen Patentschriften 26 52 757
(K7), 29 28 668 (K4), 30 40 319 (K5), 37 03 423 (K2) und 34 12 593 (K3) sowiedie Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 88 10 967 (K6) bildeten, nicht patentfähig sei. Sie hat beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang fürnichtig zu erklären.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Hilfsweise hat siedas Streitpatent mit geänderten Fassungen des Patentanspruchs 1 verteidigt.
Das Bundespatentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt.
Mit der Berufung verteidigt die Beklagte das Streitpatent in erster Linie inseiner erteilten Fassung. Sie beantragt, das Urteil des Bundespatentgerichtsaufzuheben und die Klage abzuweisen. Hilfsweise verteidigt sie Patentanspruch 1 des Streitpatents unter Einfügung der nachstehend unterstrichen wiedergegebenen Worte, weiter hilfsweise mit den nachstehend kursiv wiedergegebenen Worten:
"1. Elektrisches Gerät, bestehend aus -einem Gehäuse (1), -das aus einem Gehäusegrundkörper (1') und einer Gehäusehaube (1) zusammengesetzt ist, -und mindestens einer im Gehäuse (1), insbesondere in der Gehäusehaube, angeordneten Leiterplatte (2), -die im Gehäuse durch Führungsschienen (11) gehalten ist, -auf der vom Gehäuse (1) zurückgesetzte Leuchtdioden (7)
angeordnet sind,
-wobei das von den Leuchtdioden (7) emittierte Licht über Lichtleiter (9) durch in der Gehäusehaube (1) angeordnete Ausnehmungen (10) nach außen zu einer Anzeigeseite (8) des elektrischen Geräts führbar ist,
-wobei die Lichtleiter (9) von der Anzeigeseite (8) aus in die Ausnehmungen (10) der Gehäusehaube (1) einführbar sind -und die Lichtleiter (9) an ihrer Einführseite (15) angeschrägt sind,
-wobei die Lichtleiter (9) und die Gehäusehaube (1) zusammenwirkende Rastelemente (17, 18) aufweisen, so daß die Lichtleiter (9) beim Einführen in die Gehäusehaube (1) mit der Gehäusehaube (1) verrasten und -wobei weiterhin Leiterplatte (2) und Lichtleiter (9) aus voneinander verschiedenen Richtungen in die Gehäusehaube (1'') einführbar sind,
-so daß Leiterplatte (2) und Lichtleiter (9) unabhängig voneinander montierbar sind."
Weiter hilfsweise beantragt die Beklagte, neben der unterstrichenen Einfügung in Patentanspruch 1 dort am Ende das kennzeichnende Merkmal des Patentanspruchs 5 einzufügen. Schließlich beantragt sie noch weiter hilfsweise, zusätzlich zu dem vorgenannten Hilfsantrag vor der Einfügung des kennzeichnenden Merkmals des Patentanspruchs 5 das kennzeichnende Merkmal des Patentanspruchs 2 einzufügen.
Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen, und zwar auch, soweit die Beklagte das Patent eingeschränkt verteidigt. Sie hat sich im Berufungsverfahren zusätzlich auf die am 1. Juli 1993 veröffentlichte deutsche Patentschrift 41 04 706 (K9) und auf die Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 85 13 910 (K10) gestützt. Weiter hat sie im Berufungsverfahren geltend gemacht, daß das Streitpatent die Erfindung nicht so offenbare, daß der Fachmann sie ausführen könne.
Im Auftrag des Senats hat Universitätsprofessor Dr.-Ing. habil. W. K. , ...
, ein schriftliches Gutachten erstattet, das er in der mündlichen Verhandlung erläutert und ergänzt hat. Die Beklagte hat ein schriftliches Gutachten von Dipl.-Ing. J. C. S. , Leiter des ...
vorgelegt. Ihren schriftsätzlich gestellten Antrag auf Zuziehung eines weiteren Gutachters hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht wiederholt.
Gründe
Die zulässige Berufung bleibt ohne Erfolg. Das Bundespatentgericht hat im Ergebnis zu Recht die Patentfähigkeit des Streitpatents verneint (§ 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG); das gilt auch für die im Berufungsverfahren hilfsweise verteidigten Fassungen. Auf den im Berufungsverfahren von der Nichtigkeitsklägerin zusätzlich geltend gemachten Nichtigkeitsgrund der fehlenden Ausführbarkeit (§ 22 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 2 PatG) kommt es deshalb nicht an.
I. 1. Das Streitpatent betrifft ein "elektrisches Gerät", z.B. eine Baugruppe einer speicherprogrammierbaren Steuerung, das aus einem Gehäuse und mindestens einer im Gehäuse angebrachten Leiterplatte besteht, auf der vom Gehäuse zurückgesetzte Leuchtdioden angeordnet sind. Das von den Leuchtdioden emittierte Licht wird über Lichtleiter durch im Gehäuse angeordnete Ausnehmungen nach außen zu einer Anzeigeseite des Geräts geführt. Die Beschreibung des Streitpatents bezeichnet u.a. derartige Geräte als aus den Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 91 12 999 bekannt. Bei dem dort beschriebenen Gerät seien Lichtleitstifte mit Hilfe von Distanzstegen mechanisch zu einer reihenförmigen Lichtleitstiftgruppe verbindbar. Die Stifte seien über Formschlußelemente über den Leuchtdioden an der Leiterplatte aufsteckbar, die Gruppe werde von der Gehäuseinnenseite durch reihenförmige Durchbrüche des Gehäuses durchgesteckt. Im montierten Zustand sei die Gruppe durch die Distanzstege gegenüber dem Gehäuse und durch die Formschlußelemente gegenüber der Leiterplatte fixiert.
2. Durch das Streitpatent soll eine möglichst einfache, kostengünstigeund sichere Montage der Lichtleiter und des Geräts insgesamt ermöglicht werden (vgl. Beschreibung Sp. 1 Z. 39-42).
3. Hierzu lehrt das Streitpatent in seinem Patentanspruch 1 ein elektrisches Gerät, "bestehend aus" (hier ersichtlich im Sinn von "aufweisend" zuverstehen)
(1) einem Gehäuse,
(1.1) das aus einem Gehäusegrundkörper
(1.2) und einer Gehäusehaube zusammengesetzt ist,
(2) und mindestens einer im Gehäuse angeordneten Leiterplatte,
(2.1) die im Gehäuse durch Führungsschienen gehalten ist,
(2.2) auf der vom Gehäuse zurückgesetzte Leuchtdioden angeordnet sind,
(3) Lichtleiter führen das von den Leuchtdioden emittierte Licht nach außen
(3.1) zu einer Anzeigeseite des Geräts
(3.2) durch in der Gehäusehaube angeordnete Ausnehmungen,
(4) die Lichtleiter und die Gehäusehaube weisen zusammenwirkende Rastelemente auf,
(4.1) mittels derer die Lichtleiter beim Einführen in die Gehäusehaube mit der Gehäusehaube verrasten,
(5) Leiterplatte und Lichtleiter sind
(5.1) aus voneinander verschiedenen Richtungen in die Gehäusehaube einführbar,
(5.1.1) wobei die Lichtleiter von der Anzeigeseite aus in die Ausnehmungen der Gehäusehaube einführbar sind, und
(5.2) unabhängig voneinander montierbar.
4. Die nachstehend wiedergegebene Figur 1 des Streitpatents zeigt eineerfindungsgemäße Baugruppe einer speicherprogrammierbaren Steuerung unddamit eines Ausführungsbeispiels von oben:
Dabei bedeuten die Bezugszeichen (1) das Gehäuse mit (1') dem Gehäusegrundkörper und (1'') der Gehäusehaube, (2) die Leiterplatte mit Peripherieanschlüssen (3), (4) und (5) bezeichnen Bauelemente einer elektronischen Schaltung, (6) einen Buskontaktstecker, (7) Leuchtdioden und (9) Lichtleiter zur Anzeigeseite (8).
Figur 2 zeigt die Ausgestaltung näher:
Hier bezeichnen die Bezugszeichen (11) die Führungsschienen, (12) eine Spiegelfläche als Bestandteil des Lichtleiters, (13) eine Schutzummantelung der Spiegelfläche, (14) eine einzelne Lichtleiter zusammenfassende Lichtleitereinheit, (15) deren Anschrägung an der Einführseite und (16) das Einführen erleichternde Führungsstege des Gehäuses.
II. 1. Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents ist neu im Sinn des § 3 PatG 1981, worüber die Parteien nicht streiten. Auch der gerichtliche Sachverständige und der Parteigutachter sehen das nicht anders. Das sachkundig besetzte Bundespatentgericht ist ebenfalls zu diesem Ergebnis gelangt.
2.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 des Streitpatents beruht nicht auf erfinderischer Tätigkeit (§ 4 PatG 1981).
a) Elektrische Geräte, wie sie das Streitpatent betrifft, waren im Prinzip am Anmeldetag des Streitpatents geläufiger Stand der Technik. So weist die in der deutschen Offenlegungsschrift 37 16 593 (K1) beschriebene Anzeigeeinheit, die für die Bedienseite eines elektrischen Geräts vorgesehen ist, eine Baugruppenaufnahme mit einer Frontwand auf; dies entspricht jedenfalls im wesentlichen dem Gehäusegrundkörper und der Gehäusehaube des Streitpatents (Merkmale 1.1 und 1.2). Das Gerät weist eine Leiterplatte auf (vgl. insbesondere Beschr. Sp. 1 Z. 58; Sp. 3 Z. 9 ff.; Merkmal 2), über deren Halterung durch Führungsschienen im Gehäuse allerdings keine Aussage getroffen wird. Auf der Leiterplatte sind elektrische Anzeigeelemente 9, z.B. Leuchtdioden (Beschr. Sp. 2 Z. 61; Fig. 2), angeordnet, und zwar mit Abstand vom Gehäuse (Merkmal 2.2), woraus sich, wie die Entgegenhaltung eigens hervorhebt, ein besonders montageund servicefreundlicher Aufbau ergeben soll. In die Frontwand ist eine rohrförmige Halterung eingesetzt, die eine Fassung mit Ansatz, innenliegender Befestigungsmutter und innenliegender endseitiger Überwurfmutter aufweist (Beschr. Sp. 2 Z. 64-68) und in die ein Leuchtstift (20) aus glasklarem Material eingesetzt ist. Damit weist das hier beschriebene Gerät auch die Merkmale 3 bis 3.2 auf. Die Leiterplatte stellt dabei eine selbständige, separate Baugruppe dar, die einzeln herausnehmbar ist (Beschr. Sp. 3 Z. 24-31); dies verwirklicht zudem Merkmal 5.2. Figur 2 der Entgegenhaltung zeigt dies im wesentlichen:
Die deutsche Patentschrift 34 12 593 (K3) betrifft eine gekapselte Baugruppe für elektronische Baueinheiten und damit ebenfalls ein elektrisches Gerät. Das dort beschriebene Gerät weist ein Gehäuse (2) mit einer dem Gehäusedeckel des Streitpatents entsprechenden Frontabdeckung (3) auf; dies entspricht den Merkmalen 1, 1.1 und 1.2 des Streitpatents. Das Gehäuse nimmt die Leiterplatte (4) auf, wobei die Stege (5, 6) als Führungen (Führungsschienen) dienen (vgl. Beschr. Sp. 3 Z. 61 ff. und Fig. 2, 4; Merkmale 2, 2.1). Das Gerät weist Leuchtdioden auf, die anders als beim Streitpatent allerdings nicht auf der Leiterplatte angeordnet sind, sondern mit Abstand zu dieser und über elektrische Leitungen mit dieser verbunden von der Frontplatte aufgenommen werden (Beschreibung übergehend Sp. 3/4), weshalb Merkmal 2.2 bei der Entgegenhaltung nicht verwirklicht ist. Demzufolge wird das von den Leuchtdioden emittierte Licht nicht von Lichtleitern nach außen geführt. Damit ist auch Merkmal 3 nicht vorhanden; allerdings erfolgt die Anzeige über eine Anzeigestelle des Geräts (Anzeigeleiste 11 mit Durchbrüchen 12), was isoliert betrachtet die Merkmale 3.1 und 3.2 erfüllt. Eine solche Lösung muß dem Fachmann, einem Fertigungsingenieur mit Fachhochschulausbildung, schon wegen des mit dem Einsetzen der Leuchtdioden in die Frontplatte verbundenen Aufwands als nachteilig erscheinen, weshalb er auch in diesem Fall nach Alternativen suchen wird, bei denen beim Zusammenbau keine gesonderte Positionierung der Dioden erforderlich ist. Wie er dabei vorgehen kann, zeigt ihm die Zusammenschau der beiden Entgegenhaltungen, die ihm keine Schwierigkeiten bereitet. Sie führte ihn somit in naheliegender Weise zu einem Gerät mit den Merkmalen 1 bis 3.2 sowie 5.2.
b) Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist der Senat davon überzeugt, daß es für den Fachmann auch naheliegend war, das Gerät so auszugestalten, daß die Lichtleiter von der Anzeigeseite aus in die Ausnehmungen der Gehäusehaube einführbar sind (Merkmal 5.1.1). Das Bundespatentgericht hat hierzu ausgeführt, es liege auf der Hand, daß bei einer als Anzeigeseite dienenden Frontwand einer schmalen und tiefen Gehäusehaube, wie sie das aus der deutschen Patentschrift 34 12 593 (K3) bekannte Gerät aufweise, die Zugänglichkeit für eine manuelle wie automatische Montage der Lichtleiter auf der Außenseite der Frontwand wesentlich besser sei als im Inneren der Gerätehaube. Der gerichtliche Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten dazu ausgeführt, der erfinderische Schritt beruhe "nur" auf dem Übergang von der Rückseitenbestückung zur Frontseitenbestückung, der auf Grund der definierten Position der Lichtquelle auf der Leiterplatte in den Führungsschienen des Gehäuses unmittelbar ohne weitere konstruktive Veränderungen habe vollzogen werden können. Der gerichtliche Sachverständige hat in seinem schriftlichen Gutachten in der Lösung des Streitpatents einen Detailfortschritt gesehen, dessen "erfinderische Höhe" als gering einzustufen sei. Demgegenüber hat der mit fertigungstechnischen Fragen ersichtlich besser als der gerichtliche Sachverständige vertraute Parteigutachter in der Umkehr des üblichen Vorgehens der Montage von der Innenseite zur Montage von außen eine nicht naheliegende Leistung gesehen, weil sie von der bis dahin üblichen Vorgehensweise abgerückt sei und es ermöglicht habe, entsprechende Geräte einfach, auf automatisierbare und kostengünstige Weise zu montieren. Die Bedeutung dieser Lehre hat er als hoch bezeichnet. Im Einspruchsverfahren gegen das weitgehend übereinstimmende europäische Patent 644 373 hat die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts darauf verwiesen, daß dem Stand der Technik kein Hinweis auf Vorteile einer geänderten Montagereihenfolge der Lichtleiter und der Gehäusehaube zu entnehmen sei.
Dieser Beurteilung vermag der Senat angesichts des vorliegenden Stands der Technik nicht beizutreten. Der Fachmann hatte nämlich schon deshalb Anlaß, sich nach einfacheren Gerätegestaltungen umzusehen, weil er auch hier bemüht ist, möglichst einfach vorzugehen, mit wenigen Teilen auszukommen und eine einfache Zugänglichkeit zu den Verbindungsstellen sicherzustellen, die im Gehäuseinneren nicht ohne weiteres gewährleistet war (vgl. die deutsche Offenlegungsschrift 37 16 593 (K1), Beschr. Sp. 3 Z. 31-51). Dabei mußte er auf die deutsche Patentschrift 41 04 706 (K9) wie auf die Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 85 13 910 (K10) stoßen.
Die ein "optisches Symbol-Anzeigesystem" betreffende deutsche Patentschrift 41 04 706 (K9), die der Fachmann nach der überzeugenden und von den Parteien in der mündlichen Verhandlung letztlich nicht mehr in Zweifel gezogenen Bekundung des gerichtlichen Sachverständigen berücksichtigt hätte, befaßt sich auch mit der Frage einer Montage des Lichtleiters von der Frontseite oder von der Rückseite. Die einzige Figur dieser Veröffentlichung zeigt folgende Anordnung:
Die Patentschrift beschreibt (Sp. 5 Z. 27-36) die Einführung von Koppelelementen (7) von der Außenfläche (17) her ("Danach werden die Koppelelemente 7 mit ihren einstückig angeformten optischen Elementen 3 von der Außenfläche 17 her in die Ausnehmungen 8 eingeführt, wobei bei der dargestellten Ausführungsform eine Schnapp-Rastverbindung geschaffen wird, mittels derer das Koppelelement 7 in der Ausnehmung 8 dichtend fixiert wird. Durch diesen Montageschritt ist gleichzeitig das optische Element 3 an der Frontplatte 6 fixiert, da es bei der dargestellten Ausführungsform mit dem Koppelelement 7 einstückig verbunden ist"). Dabei kann auch das optische Element 3 einen Lichtleiter im Sinn des Streitpatents darstellen, wie sich aus der Zeichnung ergibt. Anders als beim Streitpatent zeigt diese Zeichnung jedoch, daß das optische Element nicht das von Leuchtdioden emittierte Licht, sondern das am Ende 5 eines Lichtleiter-Einzelarms 2 abgestrahlte Licht aufnimmt und weiterleitet. Das steht einer Befassung des Fachmanns mit dieser Veröffentlichung aber nicht entgegen. Er kann nämlich ohne weiteres erkennen, daß die Lichtemission am Ende des Lichtleiter-Einzelarms derjenigen einer Leuchtdiode vergleichbar ist und daß er auf den Einzelarm unter erheblicher Materialund Arbeitsersparnis verzichten kann, wenn die Lichtquelle (Leuchtdiode) so nahe an der Gehäusehaube liegt, daß der Lichtleiter sicher auf sie ausgerichtet werden kann. Nur unter dieser Voraussetzung ist andererseits die Anordnung nach dem Streitpatent mit ausreichender Anzeigesicherheit einsetzbar. Bei Vorliegen entsprechender Verhältnisse konnte deshalb auf die Verwendung der Einzelarme verzichtet werden. Daß dabei auf das Verbindungselement 4 verzichtet werden konnte, lag auf der Hand, weil es an zu verbindenden Teilen fehlte (vgl. Beschr. Sp. 3 Z. 59 ff.). Auch zur Herstellung der Schnapp-Rastverbindung zwischen Frontplatte und Verbindungselement spielte das Verbindungselement keine Rolle, wie sich aus der Montagebeschreibung (Sp. 5 Z. 23-50) ergibt. Der gerichtliche Sachverständige hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, daß der Fachmann erkannte, er könne das Verbindungsteil und den Lichtleiter-Einzelarm weglassen.
Dieses Ergebnis wird durch die Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 85 13 910 (K10 in der Zählung der Nichtigkeitsklägerin) gestützt. Diese betreffen eine "Leuchtdioden-Signalleuchte" mit einem Gehäuse mit frontseitiger Öffnung und einer in der Öffnung mündenden Ausnehmung zur Aufnahme einer Leuchtdiode, die mit Abstand zur Gehäusefrontseite in der Ausnehmung angeordnet ist, wobei zwischen Frontseite und Leuchtdiode ein Lichtleiter eingesetzt sein kann (Schutzansprüche 1, 4). Figur 4 der Zeichnungen zeigt eine Ausführungsform:
Danach ist (Beschr. S. 3, zweiter Abs.) im vorderen Gehäuseteil 1 eine längsaxiale Durchgangsbohrung 4 vorgesehen, in die der Lichtleiter 5 eingesetzt ist; der hintere Gehäuseteil 2 besitzt eine mit der Durchgangsbohrung fluchtende Ausnehmung 6, die eine Leuchtdiode 7 aufnimmt, die mit Kontaktanschlüssen 8 mit der Leiterkarte 10 verbunden ist. Wenn sich aus der Beschreibung auch kein zwingender Hinweis auf eine Montage des Lichtleiters von der Frontseite her ergibt, hatte der Fachmann doch jedenfalls Anlaß, darüber nachzudenken, ob diese nicht zweckmäßig von der Frontseite zu erfolgen hatte. Die zeichnerische Darstellung des vorspringenden Randes (Bezugszeichen 13) spricht dafür, daß die Vorrichtung mit ihrem anderen Ende und damit von außen in die Öffnung des Gehäuses eingeschoben wird. Die Klemmlaschen 16 zur Verankerung in der Frontplatte entsprechen zudem funktionell einer Rastverbindung.
Demnach sind nicht nur die einzelnen Elemente des Geräts nach Patentanspruch 1 des Streitpatents jeweils für sich bekannt gewesen, was noch nicht ohne weiteres zum Naheliegen der Lösung insgesamt führte (vgl. Sen.Urt. v. 12.5.1998 -X ZR 115/96, GRUR 1999, 145 -Stoßwellen-Lithotripter). Vielmehr handelt es sich um nicht mehr als das Kombinieren durchwegs bekannter technischer Maßnahmen, die allesamt durch bekannte Montageschwierigkeiten veranlaßt waren. Eine erfinderische Leistung liegt in der Verwirklichung dieser Maßnahmen nicht.
c) Bei der Einführbarkeit von Leiterplatte und Lichtleiter aus (nicht näher definierten) verschiedenen Richtungen handelt es sich ersichtlich um eine Trivialität, die nach den im Verfahren nicht in Zweifel gezogenen Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen auf dem einschlägigen Gebiet, etwa bei Vorrichtungen nach der deutschen Offenlegungsschrift 37 16 593 (K1), der deutschen Patentschrift 29 28 668 (K4), den Unterlagen des deutschen Gebrauchsmusters 88 10 967 (K6) und der deutschen Patentschrift 41 04 706 (K9), verwirklicht ist. Daß sie für sich und im Zusammenhang mit der Weiterleitung des Lichts von im Innern eines Gehäuses fest positionierten Lichtquellen eine deutliche Erleichterung bei der Montage etwa gegenüber der Anbringung der Lichtleiter aus dem Inneren des Gehäuses und damit Vorteile hat, mußte sich dem Fachmann bei Betrachtung der Entgegenhaltungen unmittelbar aufdrängen.
d) Allerdings war damit noch die Anbringung des Lichtleiters zu lösen, der bei einer Einbringung von außen nicht ohne weiteres vor dem Herausfallen gesichert war. Hierfür bot sich indessen die Verwendung von Rastverbindungen an, wie sie aus dem Stand der Technik insbesondere auch im Zusammenhang mit solchen Leitern bekannt war. Mit dem Bundespatentgericht sieht der Senat daher eine erfinderische Leistung auch nicht im Vorsehen einer solchen Rastverbindung (Merkmale 4 und 4.1). Entsprechende Einrichtungen zeigt schon die 1989 veröffentlichte deutsche Patentschrift 37 03 423 (K2). Dort sind Rastverbindungen beim Verbinden von Lichtleitern beschrieben (insbes. Sp. 3 Z. 45-51 mit Verweis auf die Zeichnungen). Auch die vorveröffentlichte deutsche Patentschrift 41 04 706 (K9) zeigt und beschreibt das Verrasten von Rastzähnen (13, 14) des mit dem optischen Element 3 einstückig verbundenen Koppelelements 7 mit der Ausnehmung der Frontplatte. Der gerichtliche Sachverständige hat angegeben, daß das Vorsehen einer Verrastung dem Fachmann zum Anmeldezeitpunkt keine Probleme bereitete.
III. Die Einfügung des Merkmals, daß die Leiterplatte insbesondere in der Gehäusehaube durch Führungsschienen gehalten ist (Hilfsantrag 1), ändert an diesem Ergebnis auch dann nichts, wenn man in ihm mit der Beklagten eine Beschränkung auf eine zwingende Anordnung in der Gehäusehaube sehen will. Dieses Merkmal ist nämlich bereits in der deutschen Patentschrift 30 40 319 (K5) beschrieben, die eine Baugruppe zum Einschieben in Baugruppenträger der Nachrichtentechnik mit einer mit elektrischen Bauelementen bestückten Leiterplatte und einer Frontplatte betrifft. Die Frontplatte ist auf der Rückseite mit zwei Ansätzen versehen, die jeweils eine Führungsnut mit einer Rastnase aufweisen, in die die Leiterplatte einführbar und in der sie verrastbar ist (Patentanspruch 1). Dies regte den Fachmann dazu an, die Leiterplatte in der der Frontplatte entsprechenden Gehäusehaube durch eine Führungsschiene zu führen.
IV. Die weiteren Hilfsanträge betreffen die Aufnahme der Merkmale der Patentansprüche 2 und 5 unter zusätzlicher Einfügung wie in III. sowie die alleinige Einfügung des kennzeichnenden Merkmals des Patentanspruchs 3.
1.
Patentanspruch 3 fügt das Merkmal hinzu, daß die Lichtleiter an ihrer Einführseite abgeschrägt sind. Eine solche Ausgestaltung ergibt sich indessen fast zwangsläufig bereits dann, wenn die Lichtquelle ihr Licht senkrecht zur Leiterplatte und damit parallel zur Gehäuseseite mit den Öffnungen für die Anzeige abstrahlt (deutsche Patentschrift 37 03 423 (K2) Beschr. Sp. 3 Z. 31-44; Fig. 1, 2-6 der Zeichnungen). In diesem Fall muß das Licht parallel zur Leiterplatte umgelenkt werden, dafür ist nach den überzeugenden Ausführungen des gerichtlichen Sachverständigen eine Spiegelfläche, wie sie sich durch eine entsprechende Abschrägung des unteren Endes des Lichtleiters ergibt, eine dem Fachmann geläufige Maßnahme. Auch sie kann allein für sich oder in Zusammenschau mit den übrigen eine erfinderische Leistung nicht begründen.
2.
Bei der weiteren Maßnahme, die Lichtleiter so zu gestalten, daß sie mit einer im wesentlichen linearen Bewegung einführbar sind (Patentanspruch 2), handelt es sich ersichtlich um die einfachste und, wie das Streitpatent selbst angibt, eine besonders platzsparende Montagevariante. Eine derartige Montage ist zudem ersichtlich bereits bei der deutschen Patentschrift 41 04 706 (K9) verwirklicht (vgl. Beschr. Sp. 5 Z. 23-37 in Verbindung mit der Zeichnung).
3.
Die Maßnahme, eine Schutzummantelung vorzusehen, dient dem Schutz der Richtfläche (Streitpatent, Beschreibung Sp. 1 Z. 64-66) und bot sich dem Fachmann unmittelbar an. Auch in ihrer Zusammenschau mit den sonstigen Merkmalen des Patentanspruchs 1 ergibt sich aus den unter 2. und 3. genannten Merkmalen kein erfinderischer Gehalt.
4.
Für die noch nicht abgehandelten Unteransprüche 4, 6 und 7 ist ein erfinderischer Gehalt weder geltend gemacht noch sonst zu erkennen.
V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 2 PatG in Verbindung mit § 97 ZPO.
Melullis Keukenschrijver Mühlens Meier-Beck Asendorf
BGH:
Urteil v. 06.04.2004
Az: X ZR 243/00
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