Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. April 2006
Aktenzeichen: 11 W (pat) 40/03

(BPatG: Beschluss v. 19.04.2006, Az.: 11 W (pat) 40/03)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

In dieser Gerichtsentscheidung geht es um eine Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss des Deutschen Patent- und Markenamts. Die Beschwerdeführerin hat eine Erfindung zur Erteilung eines Patents angemeldet, die Maschine zum Schleifen und Bohren von Glasplatten betrifft. Das Patentamt hatte die Anmeldung zurückgewiesen und den Zurückweisungsbeschluss am 15. Februar 2001 verfasst. Dieser Beschluss wurde jedoch nicht an die Vertreter der Anmelderin zugestellt, sondern nur an die Anmelderin selbst.

Die Anmelderin hat am 28. Dezember 2002 Beschwerde gegen den Zurückweisungsbeschluss eingelegt, die jedoch erst am 27. August 2003 beim Bundespatentgericht eingegangen ist. Die Beschwerdeführerin bestreitet, dass ihr der Zurückweisungsbeschluss überhaupt zugestellt wurde. Sie erhielt lediglich die erste Seite des Beschlusses formlos per Post, den vollständigen Beschluss jedoch erst mehr als ein halbes Jahr nach Einlegung der Beschwerde.

Das Bundespatentgericht hat die Beschwerde als unzulässig verworfen, da der Zurückweisungsbeschluss mangels Zustellung unwirksam ist. Laut dem Patentgesetz (§ 48 PatG) muss die Zurückweisung einer Anmeldung durch einen zuzustellenden Beschluss erfolgen, der erst mit der Zustellung wirksam wird. Das Patentamt wollte die Zustellung mittels eingeschriebenem Brief an die Anmelderin vornehmen, obwohl diese Anwälte bestellt hatte. Jedoch hat das Patentamt den Zugang des Beschlusses und den Zeitpunkt des Zugangs nicht nachgewiesen.

Die Beschwerdeführerin bestreitet den Zugang oder Erhalt des Beschlusses und dieser lässt sich auch nicht mehr ermitteln. Daher wäre ein Nachforschungsantrag bei der Deutschen Post AG aussichtslos. Zudem handelt es sich bei der Kenntnisnahme des Zurückweisungsbeschlusses aufgrund der im Wege der Akteneinsicht übersandten Kopien nicht um einen Zugang im Sinne des Gesetzes. Die Anmelderin erhielt lediglich eine Kopie des Entwurfs und des Aktenexemplars, aber keine Original-Ausfertigung, und zudem fehlte dem Patentamt zu diesem Zeitpunkt jeglicher Zustellungswille. Daher erklärte das Bundespatentgericht die Beschwerde als unzulässig.

Das Patentamt wird nun dafür sorgen, dass eine Entscheidung ordnungsgemäß zugestellt wird. Aufgrund der Verfahrensmängel des Patentamts hat das Bundespatentgericht die Rückerstattung der Beschwerdegebühr als angemessen erachtet.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

BPatG: Beschluss v. 19.04.2006, Az: 11 W (pat) 40/03


Tenor

1. Die gegenstandslose Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beschwerdegebühr wird zurückgezahlt.

3. Die Sache wird zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen.

Gründe

I.

Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 13. Dezember 1999 die Erfindung mit der Bezeichnung "Rechnergesteuerte Bearbeitungsmaschine zum Schleifen und Bohren von Glasplatten" zur Erteilung eines Patents angemeldet worden.

Auf den Prüfungsbescheid der Prüfungsstelle für Klasse B 24 B vom 2. August 2000 haben sich mit Schriftsatz vom 9. November 2000 anwaltliche Vertreter für die Anmelderin bestellt, die in der Sache Stellung nahmen.

Durch Beschluss derselben Prüfungsstelle des Patentamts vom 15. Februar 2001, der sich im Entwurf und als ausgefertigtes Aktenexemplar in der Amtsakte befindet, sollte die Anmeldung zurückgewiesen werden. Der Beschluss wurde ausweislich der Amtsakte am 6. März 2001 als Übergabeeinschreiben unmittelbar an die Anmelderin abgesandt, jedoch nicht an ihre Vertreter. Ein Zustellungsnachweis liegt nicht vor.

Die Anmelderin hat gegen den Zurückweisungsbeschluss am 28. Dezember 2002 Beschwerde eingelegt, die dem Bundespatentgericht erst am 27. August 2003 zugegangen ist.

Die Beschwerdeführerin trägt im Wesentlichen vor, sie bestreite, dass ihr der Zurückweisungsbeschluss zugestellt worden sei. Auf Ihre Sachstandsanfrage sei ihr vom Patentamt am 27. November 2002 lediglich die erste kopierte Seite des Zurückweisungsbeschlusses formlos übersandt worden. Der vollständige Zurückweisungsbeschluss sei ihr erst am 4. Juli 2003 durch die Übersendung der Aktenkopien auf Grund ihres Akteneinsichtsantrags, also mehr als ein halbes Jahr nach Beschwerdeerhebung, bekannt geworden.

Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent zu erteilen;

hilfsweise die Sache an das Patentamt zurückzuverweisen;

die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere des Vorbringens der Anmelderin im Schriftsatz vom 13. April 2006, wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig.

Die Beschwerde muss als gegenstandslos angesehen werden, weil der Beschluss der Prüfungsstelle vom 15. Februar 2001 mangels Zustellung unwirksam ist.

Die Zurückweisung der Anmeldung (§ 48 PatG) ergeht durch Beschluss, der gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 PatG von Amts wegen zuzustellen ist. Die Entscheidung wird erst mit der Zustellung wirksam.

Das Patentamt wollte die Zustellung gemäß § 4 VwZG a. F. i. V. m. § 127 Abs. 1 PatG a. F. mittels eingeschriebenen Briefes an die Anmelderin selbst bewirken, obwohl sich Anwälte bestellt hatten. Ob dies allein der Wirksamkeit der Zustellung entgegensteht, kann hier dahingestellt bleiben (vgl. dazu § 8 VwZG a. F., § 7 VwZG n. F.; BGH GRUR 1991, 814 - Zustellungsadressat).

Denn gemäß § 4 Abs. 1 VwZG a. F. (§ 4 Abs. 2 Satz 3 VwZG n. F.) hat im Zweifel das Patentamt den Zugang des Schriftstückes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Außerdem setzt die Heilung von Zustellungsmängeln gemäß § 9 VwZG a. F. (§ 8 VwZG n. F.) i. V. m. § 127 Abs. 1 PatG voraus, dass der Empfangsberechtigte das Schriftstück nachweislich erhalten hat. Die Beschwerdeführerin bestreitet jedoch einen Zugang oder Erhalt des Zurückweisungsbeschlusses, und dieser lässt sich auch nicht mehr ermitteln. Aus der Amtsakte ergeben sich weder eine Nummer des Einschreibens noch sonstige Anhaltspunkte der tatsächlichen Versendung. Unter diesen Umständen wäre ein Nachforschungsantrag bei der Deutschen Post AG erfahrungsgemäß aussichtslos.

Im übrigen handelt es sich bei der Kenntnisnahme des Zurückweisungsbeschlusses am 4. Juli 2003 auf Grund des im Wege der Akteneinsicht übersandten Akteninhalts nicht um einen Zugang oder Erhalt im Sinne der §§ 4 Abs. 1, 9 VwZG a. F.. Die Anmelderin erhielt unter anderem den Zurückweisungsbeschluss nämlich nur in Kopie des Entwurfs und des Aktenexemplars, aber nicht in einer Original-Ausfertigung, und zudem fehlte dem Patentamt zu diesem Zeitpunkt jeglicher Zustellungswille (vgl. Schulte, PatG, 7. Auflage 2005, § 127 Rdn. 115). Somit bedarf es keiner Entscheidung mehr darüber, ob eine Beschwerde zulässig wäre, die über ein halbes Jahr vor einer nachgewiesenen Zustellung der vollständigen angefochtenen Entscheidung eingelegt wurde.

Das Patentamt wird nunmehr insbesondere dafür Sorge tragen, dass eine Entscheidung - gegebenenfalls unter Berücksichtigung weiteren Vorbringens der Anmelderin - ordnungsgemäß zugestellt wird.

Die Entscheidung ergeht gemäß § 79 Abs. 2 PatG ohne mündliche Verhandlung.

III.

Der Senat hält die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 80 Abs. 3 PatG angesichts der Verfahrensmängel des Patentamts aus Billigkeitsgründen für angebracht.






BPatG:
Beschluss v. 19.04.2006
Az: 11 W (pat) 40/03


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