Sozialgericht Schwerin:
Urteil vom 16. Mai 2012
Aktenzeichen: S 3 KA 68/09

(SG Schwerin: Urteil v. 16.05.2012, Az.: S 3 KA 68/09)




Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung

Das Sozialgericht Schwerin hat in einem Urteil vom 16. Mai 2012 entschieden, dass die Kosten eines gegen eine Zahnärztin gerichteten Disziplinarverfahrens neu festgesetzt werden müssen. Die Zahnärztin hatte gegen einen Disziplinarbeschluss der Kassenzahnärztlichen Vereinigung (KZV) geklagt, in dem ihr u.a. eine Geldbuße von 10.000 Euro auferlegt wurde. Das Gericht stellte fest, dass die Satzung der KZV keine wirksame Regelung zur Höhe der Kostenbeteiligung der Zahnärztin enthält und somit gegen das Bestimmtheitsgebot verstößt. Zudem sei die Kostenfestsetzung in Höhe von 11.112,69 Euro unverhältnismäßig und verletze den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Das Gericht hob daher den Kostenfestsetzungsbeschluss auf und verurteilte die KZV, die Kosten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen. Das Gericht legte außerdem den endgültigen Streitwert auf 5.556 Euro fest.




Die Gerichtsentscheidung im Volltext:

SG Schwerin: Urteil v. 16.05.2012, Az: S 3 KA 68/09


Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 09.04.2009 verurteilt, neu unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Kosten festzusetzen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird endgültig auf 5.556,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Umstritten ist die Höhe der von der klagenden Vertragszahnärztin zu erstattenden Kosten eines gegen sie gerichteten Disziplinarverfahrens.

Das aufgrund der Anträge der beklagten KZV € vom 10. Oktober 2005, 08. Februar 2006, 12. April 2006 und 26. Oktober 2006 gegen die Klägerin eröffnete Disziplinarverfahren endete nach mündlicher Verhandlung am 13. August 2008 vor dem Disziplinarausschuss der Beklagten mit Beschluss, wonach gegen die Klägerin wegen der Verstöße, die Gegenstand der Eröffnungsbeschlüsse vom 05. Juni 2007 und 18. Dezember 2007 gewesen seien, eine Buße von 10.000,00 Euro verhängt werde und die Klägerin die Kosten des Verfahrens trage. Die Beteiligten verzichteten auf €Rechtsmittel€, so dass der Beschluss sofort bindend geworden ist.

Durch Beschluss vom 13. August 2008, ausgefertigt unter dem 09. April 2009, setzte der Disziplinarausschuss die von der Klägerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 11.112,69 Euro fest. Dieser Betrag ergibt sich aus den in der Anlage zum Beschluss beigefügten Reisekostenabrechnungen der Mitglieder des Disziplinarausschusses € (170,00 Euro), Dr. € (644,31 Euro) und der Kostenrechnung des Vorsitzenden des Disziplinarausschusses (10.298,38 Euro). Der Beschluss enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung.

Hiergegen richtet sich die am 21. Oktober 2009 erhobene Klage. Zur Begründung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Für die Berechnung der Kosten des Vorsitzenden liege keine ausreichende Rechtsgrundlage vor. Gemäß § 17 Abs. 3 der Disziplinarordnung € DO - (in der Fassung der Änderung vom 12.04.2008, veröffentlicht als Anlage 5 zum Rundbrief Nr. 4/2008) gehörten nur die bei dem Disziplinarausschuss und der Geschäftsstelle €entstandenen€ Kosten zu den Kosten des Verfahrens. Entstanden seien nur Kosten, die unter Beachtung der einschlägigen Bestimmungen für die Berechnung der Kosten entstanden seien. Bei dem Vorsitzenden handle es sich um einen Rechtsanwalt. Zwar sei mit Vorstandsbeschluss vom 23. August 1996 ein pauschales Honorar von 300,00 Euro/Std. beschlossen worden. Ein solcher Beschluss ersetze aber nicht die in der BRAGO für solche Honorare vorgeschriebene Honorarvereinbarung (§ 3 BRAGO). Ähnliches habe das Sozialgericht Hamburg in einer Entscheidung vom 02. Mai 2001 (S 3 SF 32/98) entschieden. Bestritten werde auch die Anzahl der vom Vorsitzenden zugrunde gelegten Stunden der Aktenbearbeitung. Die Klägerin verweist auf eine Entschädigungsregelung im Bereich der KZV Sachsen, der zufolge deutlich geringere Kosten entstünden. Die hier geltend gemachten Kosten seien vollkommen unverhältnismäßig. In der Satzung sei kein Höchstbetrag formuliert worden. Von einer €Beteiligung€ an den allgemeinen Verfahrenskosten könne angesichts der Höhe des geltend gemachten Betrages nicht ansatzweise ausgegangen werden. Berücksichtige man die Abrechnungsmöglichkeit im sozialgerichtlichen Verfahren, sei im Verwaltungsverfahren der 6,5-fache Betrag abgerechnet worden. In diesem Fall sei ihr schon die höchstmögliche Geldbuße von 10.000,00 Euro auferlegt worden. Ob hier die Auferlegung sämtlicher Kosten noch von der Ermächtigung des § 81 Abs. 5 SGB V erfasst sei, müsse bezweifelt werden. Denn das Disziplinarverfahren habe nicht nur den Zweck, den Zahnarzt für seine Pflichtverletzung zu bestrafen, sondern die KZV sei gemäß §§ 73 Abs. 5, 75 Abs. 1 SGB V nur deshalb dazu berechtigt, um aufgrund einer Signalwirkung die anderen Zahnärzte zur pflichtgemäßen Teilnahme an der Kassenzahnärztlichen Versorgung anzuhalten. Im Ergebnis erfolge das Disziplinarverfahren, um die vertragszahnärztliche Versorgung sicherzustellen. Das bedeute, die Überprüfung erfolge auch im Rahmen des Sicherstellungsauftrages der KZV. Es dürfte somit nicht von der Ermächtigung gedeckt sein, sämtliche Kosten des Verfahrens ihr aufzuerlegen.

Die Klägerin beantragt,

den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09. April 2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts die Kosten festzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie weist darauf hin, dass wegen diverser vertragszahnärztlicher Pflichtverletzungen die Disziplinarmaßnahme verhängt worden sei. Bei den festgesetzten Kosten handle es sich um Verfahrenskosten im Sinne des § 17 Abs. 3 DO, denn es gehe hier nicht um die Kosten einer Partei, sondern um die Kosten des Disziplinarausschusses selbst. Der Vorsitzende des Disziplinarausschusses sei nicht als Organ der KZV aufzufassen. Er sei vielmehr eine gesetzliche Institution gemäß den gesetzlichen Bestimmungen. Das von der Klägerin zitierte Urteil des Sozialgerichts Hamburg sei nicht einschlägig, denn im Rahmen des dortigen Verfahrens sei es um die festsetzungsfähigen Kosten einer Partei eines Rechtsstreites im Sinne von § 193 Abs. 2 SGG gegangen. Der Vorsitzende des Ausschusses sei hingegen keine Partei in diesem Sinne. Die zwischen dem Vorsitzenden und der KZV geschlossene Gebührenvereinbarung sei wirksam. Insoweit verweist die Beklagte auf den Beschluss des Vorstandes sowie das vorausgegangene Schreiben des Vorsitzenden vom 23. August 1996. Eine Vergütungsvereinbarung sei nicht geschlossen worden. Die Tätigkeit des Vorsitzenden sei nicht als anwaltliche Tätigkeit im Sinne des § 1 BRAGO bzw. § 1 RVG aufzufassen. Auch die Höhe sei nicht zu beanstanden. Das Disziplinarverfahren habe allein 57 Behandlungsfälle umfasst, in denen Verstöße gegen vertragszahnärztliche Pflichten, wie Behandlungsfehler, Verstöße gegen Behandlungsrichtlinien, das Wirtschaftlichkeitsgebot und die Grundsätze der peinlich genauen Abrechnung, vorgeworfen worden seien. Das Bundessozialgericht habe noch nicht entschieden, dass eine Kostenregelung, wie sie hier vorliege, unzulässig sei. § 81 Abs. 5 Satz 1 SGB V gestatte eine Kostenregelung in der Weise, dass sich der Zahnarzt, dem ein disziplinarisch zu ahndendes Verhalten zur Last falle, bis zu einem in der Satzung selbst festgelegten Höchstbetrag an den allgemeinen Verfahrenskosten beteiligen müsse. Ob die satzungsmäßige Festlegung einer Höchstgrenze erforderlich sei, habe das BSG nicht zu entscheiden gehabt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorganges Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Gründe

Die gegen die KZV M-V gerichtete Anfechtungs- und Verpflichtungsklage vom 21. Oktober 2009 ist zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden.

Der bei der Beklagten gebildete Disziplinarausschuss ist kein gemeinsames Entscheidungsgremium im Sinne von § 70 Nr. 4 SGG, weil in ihm keine Vertreter von Krankenkassen mitwirken. Es handelt sich bei dem Disziplinarausschuss vielmehr um einen allein der KZV zugeordneten Ausschuss, dessen Entscheidungen sich die KZV als Trägerin des Ausschusses zurechnen lassen muss. Dementsprechend sind Klagen von Zahnärzten, die Entscheidungen des Disziplinarausschusses zum Gegenstand haben, nicht gegen diesen, sondern gegen die KZV als seinen Rechtsträger zu richten (so: BSG v. 28.01.2004 - B 6 KA 4/03 R, juris Rn. 17).

Der angefochtene Kostenfestsetzungsbeschluss vom 09. April 2009 enthält keine Rechtsbehelfsbelehrung, so dass eine Klage noch innerhalb eines Jahres seit Zustellung des Beschlusses zulässig gewesen ist (§ 66 Abs. 2 SGG). Eines Vorverfahrens bedurfte es nicht (§ 81 Abs. 5 Satz 4 SGG; § 20 Satz 2 Disziplinarordnung € DO €). Was für Entscheidungen des Disziplinarausschusses über die Verhängung von Disziplinarmaßnahmen gilt, gilt ohne weiteres erst recht für bloße Kostenfestsetzungen des Ausschusses.

Die Klage ist auch begründet. Der Beschluss über die Höhe der von der Klägerin zu tragenden Kosten des Disziplinarverfahrens ist rechtswidrig, weil es hierfür an einer wirksamen Rechtsgrundlage fehlt.

Nach § 81 Abs. 5 Satz 1 SGB V müssen die Satzungen der Kassen(zahn)ärztlichen Vereinigungen die Voraussetzungen und das Verfahren zur Verhängung von Maßnahmen gegen Mitglieder bestimmen, die ihre vertrags(zahn)ärztlichen Pflichten nicht oder nicht ordnungsgemäß erfüllen. Maßnahmen nach Satz 1 sind je nach der Schwere der Verfehlung Verwarnung, Verweis, Geldbuße oder die Anordnung des Ruhens der Zulassung oder der vertrags(zahn)ärztlichen Beteiligung bis zu zwei Jahren. Das Höchstmaß der Geldbußen kann bis zu Zehntausend Euro betragen.

Auf der Grundlage dieser gesetzlichen Ermächtigung hat die Vertreterversammlung der Beklagten eine DO beschlossen, die das Disziplinarverfahren näher regelt und in § 17 Abs. 1 Buchst. a) vorsieht, dass der Beschuldigte die Kosten des Verfahrens trägt, wenn gegen ihn eine Disziplinarmaßnahme verhängt worden ist.

Entsprechend ist der Beschluss des Disziplinarausschusses vom 13. August 2008 ergangen. Der Beschluss bindet die Beteiligten, da ein Rechtsbehelf nicht eingelegt worden ist (§ 77 SGG). Im Rahmen dieses Verfahrens ist daher nicht zu prüfen und zu entscheiden, ob dem Disziplinarausschuss nach der DO ein Ermessensspielraum dahingehend eingeräumt ist, die €Kosten des Verfahrens€ der Klägerin ganz oder teilweise aufzuerlegen und ggfs. dieses Ermessen vorliegend fehlerfrei ausgeübt worden ist. Der Disziplinarausschuss hat in seinem Beschluss vom 13. August 2009 der Klägerin die Kosten in vollem Umfang auferlegt.

Der Disziplinarausschuss hat nach § 17 Abs. 4 DO die Höhe der vom Beschuldigten zu tragenden Kosten durch Beschluss festzusetzen. Zur Höhe der Kosten bestimmt lediglich § 17 Abs. 3 DO, dass zu den Kosten des Verfahrens die bei dem Disziplinarausschuss und bei der Geschäftsstelle entstandenen Kosten gehören.

Das in der Satzung näher geregelte Disziplinarverfahren ist ein Verwaltungsverfahren, auf das grundsätzlich die Vorschriften des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SGB X) Anwendung finden (vgl. BSG v. 09.12.2004 - B 6 KA 70/04 B, juris). Für das Verfahren bei den Behörden nach diesem Gesetzbuch werden keine Gebühren und Auslagen erhoben (§ 64 Abs. 1 SGB X). In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass für das Vertrags(zahn)arztrecht die gesetzliche Ermächtigung des § 81 Abs. 5 Satz 1 SGB V auch die Einführung von Vorschriften über die Kostentragung gestattet. Auf dieser gesetzlichen Grundlage bestehen keine Bedenken gegen eine Kostenregelung in der Form, dass sich der Arzt, dem ein disziplinarisch zu ahndendes Verhalten zur Last fällt, bis zu einem in der Satzung selbst festgelegten Höchstbetrag an den allgemeinen Verfahrenskosten beteiligen muss (BSG v. 28.06.2000 € B 6 KA 1/00 B, juris Rn. 7; BSG v. 28.08.1996 € 6 BKa 22/96, juris Rn. 6; krit. Schroeder-Printzen in Schnapp/Wigge, Hdbuch des Vertragsarztrechts, § 18 Rn. 19).

a) Der angefochtene Beschluss vom 09. April 2009 ist dennoch rechtswidrig, weil die zugrunde liegende DO keine Regelung zum Höchstbetrag der Kostenbeteiligung eines Betroffenen enthält. Insoweit verletzt die Satzungsregelung das Bestimmtheitsgebot. Das Bestimmtheitsgebot besagt, dass die Rechtsvorschriften so gefasst sein müssen, dass der Betroffene seine Normunterworfenheit und die Rechtslage konkret erkennen kann. Er muss sein Verhalten danach ausrichten können. Dabei dürfen die Anforderungen an die Klarheit und Bestimmtheit zwar nicht übersteigert werden. Müsste jeder Tatbestand mit exakt erfassbaren Merkmalen bis ins Letzte beschrieben sein, dann wären die Normen sehr starr und/oder rein kasuistisch und könnten deshalb der Vielgestaltigkeit des Lebens und den Besonderheiten des Einzelfalls nicht mehr gerecht werden. Die Regelungen müssen lediglich so genau gefasst sein, wie dies nach der Eigenart des zu ordnenden Lebenssachverhalts und mit Rücksicht auf den Normzweck gerechtfertigt ist (so BSG v. 09.12.2004 € B 6 KA 84/03 R, juris Rn. 40).

In den Bestimmungen zum Disziplinarverfahren wäre danach zumindest die Angabe eines Kostenrahmens erforderlich gewesen, um dem Beschuldigten vor Augen zu führen, mit welchen weiteren finanziellen Belastungen er im Disziplinarverfahren rechnen muss, und ihn in die Lage zu versetzen, sein Verhalten im Disziplinarverfahren auch unter Abwägung des Kostenrisikos auszurichten (vgl. z.B. Disziplinarordnung der KV Hessen v. 22.01.2005, § 19 Abs. 3). Ohne dies ist das Kostenrisiko für den Betroffenen nicht kalkulierbar und von erheblichen Unsicherheiten behaftet, wenn letztlich eine vom Vorstand abgeschlossene Honorarvereinbarung maßgeblich sein soll und die zu erstattenden Verwaltungskosten sich im Wesentlichen nach den vom Vorsitzenden abgerechneten Stunden bestimmen. Dabei ist der Kostenerstattungsumfang während des Disziplinarverfahrens nicht annähernd vorauszuberechnen. Die DO gibt damit nicht mit der erforderlichen Klarheit Auskunft darüber, nach welchen Grundsätzen die Kosten des Disziplinarverfahrens zu berechnen sind und welche Kosten der Satzungsgeber dem Betroffenen eines Disziplinarverfahrens zumutet (vgl. zur Auslegung des § 193 abs. 4 Satz 2 SGG aF und Regelung des Kostenrisikos für Kläger: BSG v. 19.06.1996 € 6 RKa 46/95, juris Rn. 30). Die Bezeichnung €die bei dem Disziplinarausschuss und bei der Geschäftsstelle entstandenen Kosten€ ist hinsichtlich Art und Umfang der Kosten völlig unbestimmt.

b) Die Kammer ist zudem der Auffassung, dass im vorliegenden Fall eine Kostenfestsetzung in Höhe von 11.112,69€ den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) verletzt und keine maßvolle Belastung der Klägerin mit den Kosten des Disziplinarverfahrens mehr darstellt.

Zwar ist es nach dem Verursacherprinzip gerechtfertigt, für Kosten von besonders aufwendigen Verwaltungsverfahren, die von einzelnen Mitgliedern veranlasst werden, nicht die Gesamtheit der Mitglieder aufkommen zu lassen (Vgl. Schiller, Erhebung von Beiträgen und Gebühren durch die Kassenärztlichen Vereinigungen, MedR 2004, 348, 351). Die für die Honorierung des Ausschussvorsitzenden angefallenen Kosten sind auch Kosten des Verwaltungsverfahrens. Es handelt sich zwar nicht um €Gebühren€ oder €Auslagen€ im Sinne des § 64 Abs. 1 Satz 1 SGB X. Gebühren sind die Gegenleistung für eine besondere Inanspruchnahme. Einen Gebührentatbestand enthält die DO nicht (anders z.B. Disziplinarordnung der KZV Sachsen v. 23.11.2011, § 12 Abs. 4: Die Kostenfestsetzung erfolgt nach Maßgabe der Gebührenordnung €). Auslagen sind die im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der Behörde anfallenden Kosten wie Porto-, Telefon- und Reisekosten, Aufwendungen für Übersetzungen und für die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen. Nicht zu den Auslagen gehören dagegen die personellen und sächlichen Verwaltungskosten, d. h. die Aufwendungen, die der Behörde im regelmäßigen Geschäftsgang entstehen (Vogelsang in Hauck/Noftz, SGB X, § 64 Rn. 3). Gleichwohl können weitergehend als Verfahrenskosten sämtliche verfahrensbezogenen Aufwendungen der Verwaltung begriffen werden. Soweit im Rahmen von Kostenentscheidungen verwaltungs- und sozialgerichtlicher Verfahren einschließlich der Vorverfahren die eigene Mühewaltung eines Beteiligten/einer Behörde in Form von Zeit- und Arbeitsaufwand grundsätzlich nicht erstattungsfähig ist (dazu: BSG v. 29.03.2007 € B 9a SB 3/05, juris Rn. 48, mit weiteren Nachweisen zu § 63 SGB X und § 197 SGG; zu 162 Abs. 1 VwGO: BVerwG v. 29.12.2004 € 9 KSt 6/04, juris; zu § 80 Abs. 1 Satz 3 VwVfG: Kallerhoff in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 2008, § 80 Rn. 61), steht dies einer Beteiligung des Vertragszahnarztes an den Verfahrenskosten aufgrund der speziellen gesetzlichen Ermächtigung in § 81 Abs. 5 Satz 1 SGB V in Verbindung mit einer entsprechenden Satzungsregelung nicht entgegen. Zu diesen Verfahrenskosten gehören dann notwendigerweise auch die im Zusammenhang mit der Honorierung des Ausschussvorsitzenden anfallenden Kosten, wenn sich die KZV im Rahmen ihrer Satzungsautonomie entscheidet, ihre Aufgabe der disziplinaren Ahndung von Pflichtverstößen ihrer Mitglieder durch weisungsunabhängige Ausschüsse wahrzunehmen (zur Zulässigkeit der Errichtung von Disziplinarausschüssen: Steinmann-Munzinger in jurisPK-SGB V § 81 Rn. 62f.).

Allerdings ist gerade bei diesem in der Regel aufwendigen Verfahren eine Begrenzung der Kostentragung auf eine €Kostenbeteiligung€ erforderlich, um sicherzustellen, dass die gesetzlichen Vorgaben zum Disziplinarverfahren nicht unterlaufen werden und die Kostenbeteiligung als zusätzliche Sanktion empfunden werden muss. Zudem gebietet der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, auf schwerwiegende Besonderheiten und unbillige Härten, insbesondere auf die wirtschaftliche Belastbarkeit der Mitglieder Rücksicht zu nehmen (BSG v. 09.12.2004 € B 6 KA 44/03 R, juris Rn. 123).

Das Disziplinarrecht sieht zur Ahndung von Pflichtverstößen einen abgeschlossenen Maßnahmenkatalog vor, wobei bei der Auswahl der Maßnahme dem Disziplinarausschuss ein Ermessen eingeräumt ist. Es verpflichtet zu einer ausführlichen Begründung der Angemessenheit der Disziplinarmaßnahme, die durch das objektive Gewicht des Vergehens und die persönlichen Momente bestimmt wird (€je nach der Schwere der Verfehlung€). Wenn danach € wie in diesem Fall € nicht mehr und nicht weniger auf eine (höchstmögliche) Geldbuße in Höhe von 10.000 € als schuldangemessen erkannt wird, kann diese Ahndung nicht durch die Auferlegung von Verfahrenskosten nochmals wesentlich erhöht werden. Der Kostenentscheidung kommt dann eine erhebliche Nebenwirkung zu, die die Bemessungsgrundsätze des Disziplinarrechts konterkariert.

Anhaltspunkt dafür, dass die wirtschaftliche Belastbarkeit nicht mehr gewahrt ist, sind die in einem Gerichtsverfahren dem erfolglos klagenden Vertragszahnarzt zur Last fallenden Gerichtskosten. Die Gebühr nach KV 7110 GKG beläuft sich bei einem Streitwert von 15.000 € (Regelstreitwert zuzüglich Höhe der Geldbuße; Streitwertkatalog Sozialgerichtsbarkeit 2009, unter C. IX, 5.1) auf 726,00 €. Selbst wenn angesichts der zahlreichen Vorwürfe, die Gegenstand der Eröffnungsbeschlüsse vom 05. Juni 2007 und 18. Dezember 2007 gewesen sind und die die Klägerin in der Verhandlung vor dem Disziplinarausschuss schließlich eingeräumt hat, von Anfang an auch ein Ruhen der Zulassung bis zu 2 Jahre in Betracht gekommen war, bestünde noch ein Missverhältnis zwischen der Höhe der festgesetzten Kosten und dem Umfang des Disziplinarverfahrens. Die Gerichtsgebühr im Falle einer streitigen Ruhensentscheidung (2 Jahre) beträgt bei einem Streitwert von 200.000 € (Streitwertkatalog 2009, unter C. IX, 5.2: Mutmaßlicher Umsatz im Ruhenszeitraum abzüglich der Praxiskosten, Zuschlag von 25 % wegen der Folgewirkungen) 4.368,00 €, bei einem Streitwert von 300.000 € 6.168,00 €. Die Geschäftsgebühr nach dem RVG eines Rechtsanwaltes für die außergerichtliche Tätigkeit einschließlich der Vertretung im Verwaltungsverfahren beträgt bei diesen Gegenstandswerten 4.540,00 € bzw. 5.720,00 €.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG und berücksichtigt den Neubescheidungsantrag in der Weise, dass das wirtschaftliche Interesse der Klägerin an der Klage mit der Hälfte des Betrages der festgesetzten Kosten angenommen wird (dazu: Streitwertkatalog Sozialgerichtsbarkeit 2009, Stichwort €Bescheidungsklage€, unter B. 3.1).






SG Schwerin:
Urteil v. 16.05.2012
Az: S 3 KA 68/09


Link zum Urteil:
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