Bundesgerichtshof:
Beschluss vom 6. September 2005
Aktenzeichen: X ZB 30/03
(BGH: Beschluss v. 06.09.2005, Az.: X ZB 30/03)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Die Bundesgerichtshofentscheidung mit dem Aktenzeichen X ZB 30/03 betrifft die Zurückweisung einer Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Bundespatentgerichts. Das Patent betrifft ein "Wickel- und Krempelteil der Konfektioniertrommel" und wurde von der Beschwerdeführerin angemeldet. Die Einsprechende legte Einspruch ein, da sie der Meinung war, dass das Patent über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinausgeht und der Gegenstand des Patents nicht patentfähig sei. Das Deutsche Patent- und Markenamt hielt das Patent nach Prüfung des Einspruchs in vollem Umfang aufrecht. Das Bundespatentgericht hob den Beschluss des Amtes jedoch auf und widerruf das Patent, wogegen die Beschwerdeführerin Rechtsbeschwerde einlegte.
Der Bundesgerichtshof stellte fest, dass die Rechtsbeschwerde nicht erfolgreich ist. Das Beschwerdegericht argumentierte, dass das Wickel- und Krempelteil sich nur durch die Zugmittel in Form von elastischen Zugringen von einem in einer tschechoslowakischen Patentschrift beschriebenen Krempelteil unterscheidet. Diese Unterscheidung sei jedoch nicht patentbegründend, da es bereits ein bekanntes Wickel- und Krempelteil mit Zugringen gab. Somit sei der Gegenstand des Patents naheliegend und erfordere keine erfinderische Tätigkeit.
Die Beschwerdeführerin beanstandete mehrere Verletzungen ihres rechtlichen Gehörs, da das Bundespatentgericht bestimmte Argumente nicht berücksichtigt habe. Der Bundesgerichtshof wies jedoch darauf hin, dass das Bundespatentgericht diese Argumente sehr wohl in seine Entscheidung einbezogen hat. Es sei nicht erforderlich, dass das Gericht der Argumentation der Beschwerdeführerin folgt.
Die Rechtsbeschwerde machte außerdem geltend, dass der angefochtene Beschluss den Begründungszwang verletze, da die Begründung des Bundespatentgerichts angeblich falsch sei und der Gedankengang nicht nachvollziehbar sei. Der Bundesgerichtshof hielt jedoch fest, dass die Begründung nicht inhaltslos oder widersprüchlich ist und daher den Begründungszwang erfüllt.
Die Rechtsbeschwerde wurde somit zurückgewiesen und die Kosten der Beschwerdeführerin auferlegt. Der Bundesgerichtshof sah keine Notwendigkeit für eine mündliche Verhandlung.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BGH: Beschluss v. 06.09.2005, Az: X ZB 30/03
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 8. Senats (Technischen Beschwerdesenats) des Bundespatentgerichts vom 6. Juli 2003 wird auf Kosten der Rechtsbeschwerdeführerin zurückgewiesen.
Der Wert des Gegenstands der Rechtsbeschwerde wird auf 50.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Rechtsbeschwerdeführerin ist Inhaberin des am 10. Mai 1994 unter Inanspruchnahme der Unionspriorität einer Anmeldung vom 12. Mai 1993 in der Slowakischen Republik angemeldeten deutschen Patents 44 16 514, das "Wickelund Krempelteil der Konfektioniertrommel" betrifft und vier Patentansprüche umfasst.
Wegen des Wortlauts der Patentansprüche 2 bis 4 wird auf die Patentschrift verwiesen.
Die Einsprechende hat gegen das Patent mit der Begründung Einspruch eingelegt, das Patent gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Anmeldung hinaus und der Gegenstand des Patents sei nicht patentfähig. Die Patentabteilung 1.16 des Deutschen Patentund Markenamts hat das Patent nach Prüfung des Einspruchs in vollem Umfang aufrechterhalten. Auf die Beschwerde der Einsprechenden hat das Bundespatentgericht das von der Patentinhaberin nur mit zwei Änderungen in Patentanspruch 1 verteidigte Patent unter Aufhebung des Beschlusses des Deutschen Patentund Markenamts widerrufen. Die Rechtsbeschwerde hat es nicht zugelassen. Die Rechtsbeschwerdeführerin macht geltend, der angefochtene Beschluss verletze das rechtliche Gehör der Patentinhaberin und sei nicht im Sinn des Gesetzes mit Gründen versehen. Sie beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Sache zur weiteren Verhandlung und Entscheidung an das Bundespatentgericht zurückzuverweisen.
II. Die auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist statthaft, weil mit ihr eine Verletzung der Bestimmungen des § 100 Abs. 3 Nr. 3, 6 PatG gerügt wird. In der Sache bleibt das Rechtsmittel ohne Erfolg, weil die gerügten Mängel nicht vorliegen.
1.
Das Beschwerdegericht hat seine Auffassung, dass das Wickelund Krempelteil einer Konfektioniertrommel mit den Merkmalen in Patentanspruch 1 in seiner verteidigten Fassung nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe, im wesentlichen damit begründet, es unterscheide sich von dem in der tschechoslowakischen Patentschrift 216 895 beschriebenen Krempelteil lediglich dadurch, dass die Zugmittel als zumindest zwei elastische Zugringe ausgebildet seien, die den Hebelarmen der einzelnen Gruppen gemeinsam seien. Diesem Unterschied komme jedoch keine patentbegründende Bedeutung zu. Durch die US-Patentschrift 4 362 592 sei nämlich ein "Wickelund Krempelteil" einer Konfektioniertrommel bekannt, bei dem die Hebelarme durch zumindest zwei elastische Zugringe vorbelastet würden. Somit sei bekannt gewesen, dass der punktförmige Anpressdruck durch die Krempelrollen an den Enden der Hebelarme zum Umkrempeln der Lagen um den Wulstkern und zum Anpressen auf die Seitenteile ausreiche. Der Fachmann habe somit im Stand der Technik ein Vorbild, das Prinzip der Membran, die eine zylindrische Auflage für die Reifenkomponenten am Beginn des Montagevorgangs biete und einen über den Reifenumfang flächigen Anpressdruck erzeuge, zu verlassen und die Membran gegen Zugringe auszutauschen. Wenn der Fachmann nach einer Lösung suche, wie er die durch die Verwendung elastischer Hüllen (Membrane) als Zugmittel verursachte Störanfälligkeit verhindern könne, erhalte er beispielsweise aus der US-Patentschrift die Anregung, die Membran durch zumindest zwei Zugringe je Gruppe von Hebelarmen zu ersetzen, und gelange so ohne erfinderische Tätigkeit zum Gegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1.
2.
Die Rechtsbeschwerde rügt in mehrfacher Hinsicht eine Verletzung des rechtlichen Gehörs (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG):
a) Sie beanstandet zunächst, dass das Bundespatentgericht davon ausgegangen sei, die tschechoslowakische Patentschrift 216 895 beschreibe ein Wickelund Krempelteil. Tatsächlich werde dort aber nur ein Krempelteil beschrieben. Darauf habe die Patentinhaberin auch ausdrücklich hingewiesen. Dieses Vorbringen sei vom Bundespatentgericht aber nicht zur Kenntnis genommen und nicht in Erwägung gezogen worden, weil es andernfalls die in der tschechoslowakischen Patentschrift 216 895 beschriebene Vorrichtung nicht als "Wickelund Krempelteil" bezeichnet hätte. Damit sei das rechtliche Gehör der Patentinhaberin verletzt worden (§ 100 Abs. 3 Nr. 3 PatG).
Die Rüge geht schon deshalb fehl, weil das Bundespatentgericht in seinem angefochtenen Beschluss ersichtlich nicht davon ausgegangen ist, die tschechoslowakische Patentschrift 216 895 offenbare ein Wickelund Krempelteil. Die von der Rechtsbeschwerde angezogene Stelle (Beschlussumdruck S. 7 Absatz 3) betrifft den Wickelund Krempelteil des mit dem Einspruch angegriffenen Patents, in Bezug auf die tschechoslowakische Patentschrift spricht das Bundespatentgericht nur von einem Krempelteil (so Beschlussumdruck S. 7 Z. 8, Z. 17, S. 9 Z. 6). Lediglich an zwei Stellen der angefochtenen Entscheidung ist von einem Wickelund Krempelteil in der tschechoslowakischen Patentschrift die Rede, nämlich auf S. 8 Z. 1, wonach sich der Gegenstand des Patents "von diesem bekannten Wickelund Krempelteil" durch die Ausbildung der Zugmittel unterscheide, und auf Seite 9, wo auf die Argumentation der Patentinhaberin Bezug genommen wird. Die letztere Stelle enthält schon keine Feststellungen des Bundespatentgerichts und ist deshalb für die Frage, ob das rechtliche Gehör der Rechtsbeschwerdeführerin verletzt worden ist, ohne Belang; die erste Stelle bedeutet ersichtlich gegenüber der wiederholten Angabe, dass die tschechoslowakische Patentschrift 216 895 ein Krempelteil beschreibe, ein Vergreifen im Ausdruck, aus dem nicht der Schluss gezogen werden kann, das Bundespatentgericht habe den Vortrag der Patentinhaberin nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen.
b) Die Rechtsbeschwerdeführerin meint weiter, das Bundespatentgericht habe ihren Vortrag, der Fachmann erhalte aus dem Stand der Technik nicht die Anregung, die Membran durch Zugringe zu ersetzen, nicht zur Kenntnis genommen. Der Austausch einer Membran durch Zugringe sei im Gegenteil sehr überraschend gewesen.
Mit diesem Argument hat sich das Bundespatentgericht befasst (Beschlussumdruck S. 8 letzter Absatz). Dass das Bundespatentgericht abweichend von der Patentinhaberin argumentiert und die erfinderische Tätigkeit verneint hat, begründet nicht die Verletzung des rechtlichen Gehörs.
c) Die Rechtsbeschwerde sieht auch Vortrag der Patentinhaberin als nicht berücksichtigt an, dass ausgehend u.a. von der US-Patentschrift 4 362 592 die Verwendung von Zugringen abwegig sei. Dies geht jedoch an der Argumentation des Bundespatentgerichts vorbei, das insoweit lediglich auf eine Anregung für den Fachmann abgestellt hat. Mit etwaigen konstruktiven Schwierigkeiten, die sich bei der Übernahme ergeben konnten, musste sich das Bundespatentgericht in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht notwendigerweise auseinandersetzen. Bezieht sich die Versagung des rechtlichen Gehörs auf einzelne Feststellungen, auf die es für die Entscheidung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt ankommt, beruht die Entscheidung nicht auf diesem Verstoß (vgl. von Gierke in Ekey/Klippel, Markenrecht, § 83 MarkenG Rdn. 25 m.w.N.).
d) Die Rechtsbeschwerde bemängelt weiter, dass das Bundespatentgericht die Begriffe "einstufiges Verfahren" und "einstufige Technologie", die unterschiedliche Bedeutung hätten, gleichgesetzt habe. Im entgegengehaltenen Stand der Technik sei, was die Patentinhaberin dargelegt habe, bei der Herstellung der Radialreifen ein Mehrschrittverfahren erforderlich und auch vorhanden. Mit der Argumentation der Patentinhaberin, dass in der tschechoslowakischen Patentschrift ein Krempelteil beschrieben sei, das nur auf die Ausführung eines ersten Arbeitsvorgangs beim Aufbau eines Radialreifens gerichtet sei, habe sich das Bundespatentgericht nicht auseinandergesetzt.
Hiermit wird eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht aufgezeigt. Mit der Argumentation der Patentinhaberin hat sich das Bundespatentgericht auseinandergesetzt (Beschlussumdruck S. 9). Die Frage, ob diese Auseinandersetzung zutreffend war, ist im Verfahren der nicht zugelassenen Rechtsbeschwerde nicht zu prüfen (vgl. BGH, Beschl. v. 11.11.1993 -I ZB 18/91, GRUR 1994, 215 -Boy; Rogge in Benkard, PatG, 9. Aufl. §§ 107, 108 Rdn. 8; Busse, PatG, 7. Aufl. § 107 PatG Rdn. 20; von Gierke in Ekey/Klippel, Markenrecht, § 89 MarkenG Rdn. 3).
2. Die Rechtsbeschwerde macht weiter geltend, der angefochtene Beschluss verstoße gegen den Begründungszwang (§ 100 Abs. 3 Nr. 6 PatG). Die vom Bundespatentgericht gegebene Begründung sei eklatant falsch. Der der Entscheidung zugrunde liegende Gedankengang sei nicht nachvollziehbar. Die Gründe seien unverständlich, widersprüchlich und verworren.
Dem vermag der Senat nicht zu folgen. Auch die Begründungsrüge eröffnet nicht die Prüfung und Entscheidung darüber, ob die vom Bundespatentgericht gegebene Begründung inhaltlich zutreffend ist; das gilt selbst im hier nicht vorliegenden Fall von groben Fehlern (st. Rspr. seit BGHZ 39, 333, 338 -Warmpressen, zuletzt Sen.Beschl. v. 30.03.2005 -X ZB 8/04, GRUR 2005, 572 -Vertikallibelle). Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist dem Fehlen von Gründen lediglich der Fall gleichzusetzen, dass die Gründe ganz unverständlich und verworren sind, so dass sie nicht erkennen lassen, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgeblich waren, oder wenn die Gründe sachlich inhaltslos sind und sich auf leere Redensarten oder einfach auf die Wiedergabe des Gesetzestexts beschränken (zuletzt Sen.Beschl. v. 29.07.2003 -X ZB 29/01, GRUR 2004, 79, 80 -Paroxetin). Das ist hier nicht der Fall: Die Begründung des Bundespatentgerichts, mit der erfinderische Tätigkeit und damit im Ergebnis Patentfähigkeit im Sinn der §§ 1, 4 PatG verneint und damit das Vorliegen des Widerrufsgrunds des § 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG bejaht wird, ist weder inhaltslos noch in sich widersprüchlich. Das Bundespatentgericht leitet vielmehr das Naheliegen des die Lehre des Patents als vom Stand der Technik unterscheidend angesehenen Merkmals des Ersatzes des Zugmittels durch elastische Zugringe aus der US-Patentschrift 4 362 592 ab.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 109 Abs. 1 Satz 2 PatG. Eine mündliche Verhandlung hat der Senat nicht als erforderlich angesehen (§ 107 Abs. 1 PatG); die Anregung, eine mündliche Verhandlung durchzuführen, bindet den Senat nicht.
Melullis Keukenschrijver Ambrosius Meier-Beck Asendorf Vorinstanzen: Bundespatentgericht, Entscheidung vom 08.07.2003 -8 W(pat) 52/00
BGH:
Beschluss v. 06.09.2005
Az: X ZB 30/03
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