Bundespatentgericht:
Beschluss vom 19. März 2002
Aktenzeichen: 27 W (pat) 253/00
(BPatG: Beschluss v. 19.03.2002, Az.: 27 W (pat) 253/00)
Zusammenfassung der Gerichtsentscheidung
Beschwerde gegen Zurückweisung der Marke "Augenschmuck" teilweise erfolgreich
Das Bundespatentgericht hat in einem Beschluss vom 19. März 2002 über eine Beschwerde gegen die Zurückweisung einer Markenanmeldung entschieden. Dabei wurde der Entscheidung des Deutschen Patent- und Markenamts in Bezug auf die Waren und Dienstleistungen "Lösungen und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen; Ferngläser, Lupen, Mikroskope; Dienstleistungen eines Augenoptikers, nämlich tono- und topometrische Messungen des Auges" aufgehoben. In Bezug auf die übrigen Waren und Dienstleistungen wurde die Beschwerde zurückgewiesen.
Die Markenstelle für Klasse 9 hatte die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und bestehenden Freihaltebedürfnisses abgelehnt. Die Beschwerde richtet sich gegen diesen Beschluss. Die Anmelderin argumentiert, dass bei der Prüfung der Unterscheidungskraft pauschalisiert wurde und kein konkreter Produktbezug hergestellt wurde. Sie behauptet, dass zumindest geringe Kennzeichnungskraft für Lösungen und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen, Brillenetuis und Kontaktlinsenetuis vorhanden sei. Außerdem sei nicht vorstellbar, dass Ferngläser, Lupen und Mikroskope schmückend wirken. Für die Dienstleistungen eines Augenoptikers könne keine fehlende Unterscheidungskraft verneint werden, da eine körperliche Verbindung von Marke und Dienstleistung unmöglich sei. Die Anmelderin behauptet außerdem, dass das Wort "Augenschmuck" ein neuartiges und originelles Phantasiewort sei, das nicht sprachüblich gebildet wurde und weder in Lexika noch im Internet nachweisbar ist.
Das Bundespatentgericht ist der Meinung, dass der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts teilweise rechtswidrig ist. Es stellt fest, dass das Wort "Augenschmuck" für Brillen, Brillengläser, Brillenfassungen und -gestelle, Brillenetuis, Kontaktlinsen und Kontaktlinsenetuis sowie für die Dienstleistungen eines Augenoptikers geeignet ist, deren Beschaffenheit unmittelbar zu beschreiben. Es verweist auf Beispiele von Optikern und redaktionellen Beiträgen, in denen der Begriff "Augenschmuck" als beschreibende Angabe verwendet wird. Das Gericht argumentiert, dass die Angabe "Augenschmuck" nicht neu oder besonders phantasievoll ist und dass der Verkehr keinen betrieblichen Herkunftshinweis darin sieht. Daher fehlt der Marke jegliche Unterscheidungskraft.
Allerdings ist das Gericht der Meinung, dass die Zurückweisung der Marke in Bezug auf Lösungen und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen, Ferngläser, Lupen, Mikroskope und tono- und topometrische Messungen des Auges rechtswidrig ist. Diese Waren und Dienstleistungen haben keine direkte Verbindung zum Begriff "Augenschmuck" und könnten somit als unterscheidungskräftig angesehen werden.
Insgesamt ist die Beschwerde der Anmelderin in Teilbereichen erfolgreich und wird im Umfang des Tenors begründet.
Die Gerichtsentscheidung im Volltext:
BPatG: Beschluss v. 19.03.2002, Az: 27 W (pat) 253/00
Tenor
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom 2. Mai 2000 insoweit aufgehoben, als die angemeldete Marke für die Waren und Dienstleistungen "Lösungen und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen; Ferngläser, Lupen, Mikroskope; Dienstleistungen eines Augenoptikers, nämlich tono- und topometrische Messungen des Auges" zurückgewiesen wurde.
Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Angemeldet ist zur Eintragung als Wortmarke für "Lösungen und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen; Brillen, soweit in Klasse 09 enthalten, Brillengläser, Brillenfassungen und -gestelle, Brillenetuis, Kontaktlinsen, Kontaktlinsenetuis, Ferngläser, Lupen, Mikroskope; Dienstleistungen eines Optikers" die Bezeichnung Augenschmuck.
Die Markenstelle für Klasse 9 hat durch Beschluß einer Beamtin des höheren Dienstes die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und bestehenden Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, bei der angemeldeten Marke handele es sich um einen für die beanspruchten Sehhilfen nebst Zubehör sowie die Dienstleistungen eines Optikers beschreibenden Hinweis ohne Unterscheidungskraft. Auch hinsichtlich Ferngläsern, Lupen und Mikroskopen sei die Bezeichnung nicht fernliegend, so daß die angesprochenen Verkehrskreise in ihr auch insoweit nur einen Hinweis auf deren ästhetische Gestaltung bzw auf die Fertigung oder den Vertrieb der Waren durch einen Hersteller oder Händler für schön gestaltete Sehhilfen im weitesten Sinne sehe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie meint, bei der Bearbeitung ihrer Markenanmeldung sei eine Vielzahl verfahrensrechtlicher Fehler unterlaufen, die die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Beschlusses infrage stellten.
Im einzelnen wird insoweit auf die Ausführungen der Anmelderin in ihrer Beschwerdebegründung vom 3. November 2000 Bezug genommen.
In der Sache fehle der angemeldeten Marke nicht jegliche Unterscheidungskraft. Im angegriffenen Beschluss werde bei der Prüfung der Unterscheidungskraft größtenteils pauschalisiert, indem von "Sehhilfen" und "Zubehör" die Rede sei, ohne daß ein konkreter Produktbezug hergestellt werde. Selbst wenn für Brillenfassungen die Unterscheidungskraft gleich null sei, sei doch wenigstens geringe Kennzeichnungskraft bei Lösungen und Reinigungsmitteln für Kontaktlinsen, Brillenetuis, Kontaktlinsenetuis vorhanden. Bei Ferngläsern, Lupen und Mikroskopen sei nicht vorstellbar, daß diese augenschmückend wirkten. Für die Dienstleistungen eines Augenoptikers könne schon deshalb nicht jegliche Unterscheidungskraft zu verneinen sein, weil insoweit eine körperliche Verbindung von Marke und Dienstleistung unmöglich sei.
Das Wort "Augenschmuck" sei im übrigen nicht völlig sprachüblich gebildet, sondern ein neuartiges, weder in Lexika noch im Internet nachweisbares und originelles Phantasiewort. Für die beanspruchten "Sehhilfen" sei es nicht glatt beschreibend. Dies möge für bestimmte Sonnenbrillen anders sein, diese seien aber vom Warenverzeichnis nicht erfasst.
Die Marke sei für die Sehhilfen samt Zubehör und die Dienstleistungen eines Optikers auch nicht freihaltebedürftig. Der Beschluss vermenge unzulässig die Zurückweisungsgründe der Nrn 1 und 2 des § 8 Abs 2 MarkenG. Das Phantasiewort "Augenschmuck" existiere im deutschen Sprachwortschatz nicht und könne schon deshalb keine freihaltebedürftige Angabe sein.
Der Senat hat der Anmelderin das Ergebnis einer Internet-Recherche zu dem Begriff "Augenschmuck" zugeleitet. Die Anmelderin meint, die geringe Trefferanzahl weise auf Originalität hin.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nur teilweise in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Hinsichtlich der übrigen beanspruchten Waren und Dienstleistungen ist die angemeldete Marke sowohl freihaltebedürftig wie auch nicht unterscheidungskräftig, so daß sie insoweit zu Recht zurückgewiesen wurde (§§ 8 Abs 2 Nrn 1 und 2, 37 MarkenG).
1. Der tatsächlich bereits bei dem DPMA eingegangene Schriftsatz der Anmelderin vom 24. April 2000 wurde im Beschluss nicht berücksichtigt, offensichtlich weil er nicht rechtzeitig zur Akte gelangte. Hierdurch wurde objektiv das rechtliche Gehör der Anmelderin verletzt. Der Senat hat es für geboten erachtet, von einer Zurückverweisung abzusehen und in der Sache selbst zu entscheiden. Denn die Prüferin hat in einem Vermerk vom 16. Mai 2000 niedergelegt, daß sie der Anmelderin telefonisch mitgeteilt hat, sie stufe die Marke auch unter Berücksichtigung der Stellungnahme vom 24. April 2000 nicht als schutzfähig ein. Bei Zurückverweisung wäre also mit einem identischen Beschluss und erneuter Beschwerde zu rechnen gewesen.
2. Bei dem Begriff "Augenschmuck" handelt es sich um ein Wort, das zur unmittelbaren Beschreibung der Beschaffenheit von Brillen, Brillengläsern, Brillenfassungen und -gestellen, Brillenetuis, Kontaktlinsen und Kontaktlinsenetuis sowie der hierauf bezogenen Dienstleistungen eines Augenoptikers geeignet und daher insoweit als beschreibende Angabe von der Eintragung als Marke gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 ausgeschlossen ist.
Im Hinblick auf Brillen samt Gläsern, Fassungen und Gestellen und Kontaktlinsen (die es zB auch farbig gibt, um eine andere, nach Ansicht der Trägerin oder des Trägers vielleicht schönere Augenfarbe vorzutäuschen) ist das Wort "Augenschmuck" ohne weiteres geeignet, darauf hinzuweisen, daß diese (unabhängig davon, ob sie zugleich einen Sehfehler korrigieren) die Trägerin oder den Träger nicht unvorteilhaft aussehen lassen, sondern schmücken. Damit ist insoweit die angemeldete Marke geeignet, die Beschaffenheit dieser Produkte zu beschreiben, nämlich die Augen zu schmücken. Diese Eigenschaft verlieren sie insbesondere nicht dadurch, daß sie gleichzeitig auch noch Sehfehler korrigieren. Eine Aufspaltung in - wie die Anmelderin geltend macht - "kosmetisch indizierte" und "medizinisch indizierte" Brillen und Kontaktlinsen ist nicht möglich. Daß auch "medizinisch indizierte" Sehhilfen nach Aussehen gekauft werden, zeigt sich schon daran, daß es nicht nur ein Brillengestell in verschiedenen Größen gibt, sondern eine Vielzahl verschiedenster individueller Brillengestelle, in die dann die erforderlichen Korrekturgläser eingepasst werden, wobei auch die Korrekturgläser wiederum zusätzliche Eigenschaften haben können, die nicht medizinisch indiziert sind, wie zB Einfärbungen oä.
Dasselbe gilt hinsichtlich der Dienstleistungen eines Optikers. Diese können grundsätzlich ebenfalls gleichzeitig der medizinisch erforderlichen Korrektur eines Sehfehlers und der Anpassung einer je nach dem Geschmack des Trägers optimal aussehenden Sehhilfe dienen. Insoweit ist allerdings eine Differenzierung nach rein medizinischen bzw technischen Dienstleistungen und sonstigen beratenden usw Dienstleistungen möglich. Der Senat hat den Differenzierungsvorschlag der Anmelderin auf Seite 17 unten ihres Schriftsatzes vom 3. November 2000 als hilfsweise Fassung des Dienstleistungsverzeichnisses verstanden. Soweit dort "Dienstleistungen eines Optikers, nämlich tono- und topometrische Messungen des Auges" enthalten sind, stellt "Augenschmuck" keine beschreibende Angabe dar. Anders ist es bei der Augenglasbestimmung, bei dem Glasschleifen und bei der Glasberatung, die durchaus nach Gesichtspunkten des Aussehens vorgenommen werden können.
Hinsichtlich der Brillenetuis und der Kontaktlinsenetuis beschreibt die angemeldete Marke die Eignung der Waren, als Behälter für Augenschmuck zu dienen und stellt damit einen ohne weiteres verständlichen Hinweis auf ihren Bestimmungszweck dar.
Entgegen der Ansicht der Anmelderin ist das Wort "Augenschmuck" weder neu noch besonders phantasievoll. Wie die der Anmelderin übersandten Auszüge aus dem Internet belegen, wird das Markenwort bereits als beschreibende Angabe sowohl in redaktionellen Beiträgen wie auch in der Werbung verschiedener Optiker verwendet. So bietet ein Optiker aus Köln (Rudi's Brillen) zB Brillen nach eigenem Design mit Brillengläsern mit Gravuren oder ungewöhnlich gestalteten Rändern, aber auch farbverändernde oder besonders gestaltete Kontaktlinsen an. Brillen bekannter Modedesigner werden als Augenschmuck bezeichnet. In einem redaktionellen Beitrag des BR-alpha wird unter Hinweis auf die Schutzfunktion der Sonnenbrille darauf hingewiesen, diese sei mehr als ein modischer Augenschmuck. In Verzeichnissen von Smilies und Emoticons, in denen einer Kombination von Buchstaben, Zahlen und Sonderzeichen Bedeutungen zugeordnet werden, gibt es derartige Kürzel für "Brillen und anderen "Augenschmuck". Soweit die Anmelderin meint, aus den Anführungszeichen sei zu schließen, dem Verfasser sei bewusst gewesen, dass "Augenschmuck" kein lexikalisch existierendes Wort sei, ist dies reine Spekulation. Abgesehen davon sieht der Verkehr auch eine lexikalisch nicht nachweisbare Wortbildung als rein beschreibende Angaben an, wenn sie zahlreichen bekannten Warennamen entspricht, wie hier zB Ohrschmuck, Kopfschmuck, Nasenschmuck, Haarschmuck, Halsschmuck, Fußschmuck usw.
Soweit die Anmelderin zu den ihr übersandten Belegen für die vorgenannten Verwendungen des angemeldeten Begriffs meint, die Anzahl dieser Belege zeige, dass "Augenschmuck" ein Phantasiewort sei und ferner auch die Verwendung für Augen-Makeup zeige, dass es sich um einen unklaren, mehrdeutigen Begriff handele, verkennt sie, dass schon die Eignung, als unmittelbar beschreibende Angabe zu dienen, zur Zurückweisung von der Eintragung führt; dass "Augenschmuck" bereits als unmittelbar beschreibende Angabe verwendet wird, belegt anschaulich, dass es sich bei dieser Einschätzung nicht um eine Spekulation handelt. Dass die Augen außer durch Brillen auch durch Makeup geschmückt werden können, nimmt der Angabe "Augenschmuck" nicht den beschreibenden Gehalt.
Der angemeldeten Marke fehlt auch jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG). Da das Wort "Augenschmuck" für Sehhilfen und Zubehör sowie Dienstleistungen eines Optikers einen im Vordergrund stehenden unmittelbar beschreibenden Gehalt hat, hat der Verkehr keinen Anlaß, ihm einen betrieblichen Herkunftshinweis entnehmen. Unterscheidungskraft kommt aber nach ständiger Rechtsprechung nur solchen Marken zu, die geeignet sind, Erzeugnisse eines Unternehmens von solchen anderer unterscheidbar zu machen. Auch in der von der Anmelderin zitierten Kommentierung des Markengesetzes durch Fezer (2. Aufl § 8 Rdn 28) soll die von diesem so genannte "produktidentifizierende Funktion" der Unterscheidung von Produkten eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen dienen.
Hinsichtlich der Waren und Dienstleistungen, bezüglich derer der Senat den Beschluss der Markenstelle aufgehoben hat, ist dagegen eine Eignung des Begriffs "Augenschmuck", die betreffenden Produkte und Leistungen unmittelbar zu beschreiben, nicht ersichtlich. "Lösungen und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen" sind von einer das Auge schmückenden Funktion so weit weg, dass der Verkehr die angemeldete Bezeichnung insoweit als unterscheidungskräftig ansehen wird. Einen Zusammenhang zwischen "Lupen, Mikroskopen und Ferngläsern" und Schmuck für die Augen wird der Verkehr ebenfalls nicht sehen. Hinsichtlich der Dienstleistungen wird auf das oben Ausgeführte Bezug genommen. Da es sich bei tono- und topometrischen Messungen des Auges nicht um Dienstleistungen handelt, die unmittelbar auf die Herstellung und Anpassung von Brillen als Augenschmuck selbst bezogen sind, kann der angemeldeten Marke auch insoweit noch das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft zugesprochen werden.
Nach alledem konnte die Beschwerde der Anmelderin nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg haben.
Dr. Schermer Albert Friehe-Wich Pü
BPatG:
Beschluss v. 19.03.2002
Az: 27 W (pat) 253/00
Link zum Urteil:
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